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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 75/08
vom
29. Oktober 2008
in dem Rechtsstreit
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Oktober 2008 durch die
Richter Sprick und Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und die Richter
Dose und Dr. Klinkhammer
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der
1. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn vom 15. Februar 2008
aufgehoben.
Gebührenstreitwert: 702 € (§ 41 Abs. 1 GKG)
Gründe:
I.
1
Die Parteien streiten darüber, ob die Mitgliedschaft der Beklagten im Fitnessclub des Klägers durch Kündigung erloschen ist.
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Das Amtsgericht hat die Beklagte zur Zahlung rückständiger Mitgliedsbeiträge in Höhe von 312 € nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, dass die
Mitgliedschaft der Beklagten in dem Fitnessclub des Klägers durch die Kündigung vom 14. Januar 2007 nicht aufgelöst worden ist, sondern erst mit Ablauf
der vereinbarten Mindestlaufzeit am 31. Juli 2008 endet. Es hat die Berufung
nicht zugelassen.
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Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes nur 507 € (312 € + 195 €)
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betrage. Der Feststellungsantrag sei lediglich mit 195 € anzusetzen. Bis 31. Juli
2008 könnten maximal Mitgliedsbeiträge in Höhe von 390 € entstehen. Es sei
angemessen und ausreichend, lediglich 50 % dieser Summe als Wert für den
Feststellungsantrag anzunehmen. Bei Feststellungsklagen sei gegenüber Leistungsklagen stets ein Abzug vorzunehmen. Es sei zu beachten, dass mit dem
Feststellungsantrag nur ein Beendigungsgrund berücksichtigt werde und bis
zum regulären Vertragsablauf andere Beendigungsgründe entstehen könnten.
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Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der
sie geltend macht, der Abschlag bei Feststellungsklagen betrage üblicherweise
20 %. Durch den ohne tragende Begründung vorgenommenen Feststellungsabschlag von 50 % verkürze das Berufungsgericht den Rechtsweg der Beklagten unter Verletzung gegen den Verfassungsgrundsatz auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes und handle deshalb willkürlich.
II.
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Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
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1. Die gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist
auch im Übrigen zulässig. Insbesondere erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574
Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Dies ist u.a. der Fall, wenn einer Partei der Zugang zu dem
von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug in unzumutbarer, aus
Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird, da dies den
Anspruch der Partei auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes verletzt
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(BGH Beschluss vom 29. April 2004 - III ZB 72/03 - BGH-Report 2004, 1102,
1103). Das ist hier der Fall. Der Verwerfungsbeschluss beruht darauf, dass das
Berufungsgericht die Beschwer der Beklagten anhand von Kriterien bewertet
hat, für die es im Gesetz keine Grundlage gibt. Aufgrund dessen hat es unzutreffend angenommen, die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für die Zulässigkeit
einer Berufung erforderliche Mindestbeschwer von mehr als 600 € sei nicht erreicht.
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2. Die Beschwer eines Beklagten durch ein Urteil auf Feststellung der
Nichtbeendigung eines Mietverhältnisses bestimmt sich gemäß § 8 ZPO nach
dem Betrag des auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Mietzinses (Senatsbeschluss vom 30. September 1998 - XII ZR 163/98 - NZM 1999, 21). Zutreffend und unangefochten ist das Berufungsgericht insoweit von einem Betrag
von 390 € ausgegangen.
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Soweit das Berufungsgericht davon aber einen Abschlag von 50 % vornimmt, weil es sich lediglich um einen Feststellungsantrag handele, kann dem
nicht gefolgt werden. Zwar trifft es zu, dass bei positiven Feststellungsklagen
ein Abschlag gegenüber dem Wert einer entsprechenden Leistungsklage vorzunehmen ist. Der Abschlag beträgt regelmäßig 20 %; zweifelhafte Realisierbarkeit eines Anspruchs oder Unwahrscheinlichkeit des Schadenseintritts können einen höheren Abschlag rechtfertigen (Zöller/Herget ZPO 26. Aufl. § 3
Rdn. 16 "Feststellungsklagen" mit Rechtsprechungsnachweisen). Die Vornahme eines Abschlags hat ihren Grund darin, dass der Wert des positiven Feststellungsantrages regelmäßig unter demjenigen eines entsprechenden Zahlungsantrages liegt.
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3. Dieser Gesichtspunkt greift aber bei der Festsetzung der Beschwer
nach § 8 ZPO nicht durch. Im Interesse der Vereinheitlichung und Vereinfa-
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chung der Wertbemessung hat der Gesetzgeber in § 8 ZPO - ebenso wie für
die Bemessung des Gebührenstreitwerts in § 41 Abs. 1 GKG - ein sehr weites
Anknüpfungsmerkmal gewählt ("Streit über Bestehen oder Dauer eines Mietoder Pachtverhältnisses"). Solche Streitigkeiten werden regelmäßig und typischerweise in Form von Feststellungsklagen ausgetragen (MünchKomm/
Wöstmann ZPO 2. Aufl. § 8 Rdn. 11). Schon seinem Wortlaut nach zielt § 8
ZPO in erster Linie auf Feststellungsklagen ab (BGH Beschluss vom 13. Mai
1958 - VIII ZR 16/58 - NJW 1958, 1291). In Rechtsprechung und Schrifttum besteht deshalb Einigkeit, dass für die Bewertung eines Feststellungsantrages,
der das Bestehen oder die Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses zum Gegenstand hat, kein Abschlag vorzunehmen ist (BGH aaO; Zöller/Herget ZPO
26. Aufl. § 8 Rdn. 5; Musielak/Heinrich ZPO 6. Aufl. § 8 Rdn. 3; Stein/Jonas
ZPO 22. Aufl. § 8 Rdn. 18; MünchKomm/Wöstmann aaO). Der nach § 511
Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von über
600 € ist damit erreicht.
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4. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte ihre
Berufung nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet hat. Denn
sie hat insoweit beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Über diesen Antrag wird das Berufungsgericht zunächst zu entscheiden
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haben (vgl. BGH Beschluss vom 29. April 2004 - III ZB 72/03 - BGH Report
2004, 1102, 1103).
Sprick
Wagenitz
Dose
Vézina
Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Lippstadt, Entscheidung vom 31.10.2007 - 26 C 414/07 LG Paderborn, Entscheidung vom 15.02.2008 - 1 S 137/07 -