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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 71/11
vom
15. Januar 2014
in der Betreuungssache
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Januar 2014 durch
den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss
der Zivilkammer 87 des Landgerichts Berlin vom 26. Januar 2011
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung
- auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das
Landgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 3.000 €
Gründe:
I.
1
Für den Betroffenen war auf seinen Antrag durch Beschluss des Amtsgerichts vom 25. März 2009 eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge einschließlich Vertretung vor Kranken- und Pflegekasse und Sozialleistungsträgern, Vertretung vor Ämtern, Behörden und vor Gericht, arbeitsrechtliche Angelegenheiten, Vermögenssorge und Wohnungsangelegenheiten
angeordnet und eine Betreuerin bestellt worden. Zur Begründung war ausgeführt worden, dass der Betroffene aufgrund einer psychosozialen Reifeverzögerung nicht in der Lage sei, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen. Zum
Zeitpunkt der Anordnung verbüßte der Betroffene eine Freiheitsstrafe, seine
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Haftentlassung stand allerdings unmittelbar bevor. Durch Beschluss vom
18. August 2009 wurde die Betreuung aufgehoben, weil der Aufenthalt des Betroffenen nach der Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt nicht zu ermitteln
war.
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Während der Verbüßung einer weiteren Freiheitsstrafe hat der Betroffene
erneut beantragt, für ihn eine Betreuung anzuordnen, weil er erhebliche
Schwierigkeiten in den Bereichen Vermögen, Gesundheit und Behörden habe.
Das Amtsgericht hat die Akten des vorausgegangenen Verfahrens beigezogen
und das Betreuungsverfahren sodann ohne Anhörung des Betroffenen eingestellt. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt er sein Ziel, für ihn eine Betreuung einzurichten, weiter.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das
Landgericht.
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1. Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt: Nach dem Ergebnis
der Ermittlungen sei zwar davon auszugehen, dass bei dem Betroffenen eine
durch Alkohol- und Drogenkonsum herrührende Suchterkrankung vorliege. Eine
infolgedessen eingetretene durchgreifende Beeinträchtigung der Kritik-, Urteilsund Handlungsfähigkeit habe aber nicht festgestellt werden können. Eine derartige Beeinträchtigung ergebe sich insbesondere nicht aus dem in dem früheren
Betreuungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten. Dort sei ausgeführt, dass es sich bei der Beurteilung der Betreuungsbedürftigkeit um einen
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Grenzfall handele und eine Betreuung wegen des damals jugendlichen Alters
des Betroffenen und der schwierigen sozialen Bedingungen befürwortet werde.
Auch im Übrigen ließen sich aus jenem Verfahren keine konkreten Anhaltspunkte dafür gewinnen, dass die Suchterkrankung bereits zu einer starken Abnahme der kognitiven Fähigkeiten des Betroffenen geführt hätte. Umstände,
aus denen sich eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes ergäben,
habe der Betroffene nicht vorgetragen. Da hierfür auch sonst nichts ersichtlich
sei, habe kein Anlass für eine erneute Begutachtung bestanden. Deshalb könne
nicht davon ausgegangen werden, dass der Betroffene psychisch nicht mehr in
der Lage wäre, bestehende Unterstützungsmaßnahmen von sich aus in Anspruch zu nehmen, so dass eine Betreuungsbedürftigkeit nicht festzustellen sei.
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2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht
stand.
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a) Nach § 1896 BGB bestellt das Betreuungsgericht für einen Volljährigen, der aufgrund einer psychischen Erkrankung oder einer körperlichen,
geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann, auf seinen Antrag oder von Amts wegen einen Betreuer. Gemäß § 26 FamFG ist das Gericht von Amts wegen verpflichtet, alle
zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Über Art und Umfang dieser Ermittlungen entscheidet
zwar grundsätzlich der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen. Das Rechtsbeschwerdegericht hat jedoch unter anderem nachzuprüfen, ob das Beschwerdegericht die Grenzen seines Ermessens eingehalten hat, ferner ob es von zutreffenden Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist (Senatsbeschluss vom
21. November 2012 - XII ZB 114/12 - FamRZ 2013, 287 Rn. 8 mwN).
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b) Diesen Anforderungen wird die von den Instanzgerichten durchgeführte Sachverhaltsermittlung nicht gerecht. Der Sachverständige B. hat in dem im
Rahmen des früheren Betreuungsverfahrens im Jahr 2009 eingeholten Gutachten ausgeführt, dass sich die nach dem Bericht der Betreuungsbehörde bei dem
Betroffenen vorliegende psychosoziale Reifeverzögerung weder bestätigen
noch widerlegen lasse; er sei bei der Beurteilung der Betreuungsbedürftigkeit
ein Grenzfall. Nach den weiteren Feststellungen des Sachverständigen machte
der Betroffene hinsichtlich "des freien Berichtens einen unbeholfenen und ungeübten Eindruck", auch wenn er im Denkablauf nicht ungeordnet erschien.
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Bei dieser Sachlage durften die Vorinstanzen sich nicht darauf beschränken, dem Betroffenen aufzugeben, zu einer über die Drogenproblematik hinausgehenden Behinderung oder psychischen Erkrankung selbst Stellung zu
nehmen. Denn nach dem Gutachten des Sachverständigen B. ist nicht auszuschließen, dass der Betroffene damit überfordert war. Da andererseits jedenfalls von einem Grenzfall der Betreuungsbedürftigkeit bei bestehender Suchtproblematik auszugehen war, hätten zur Klärung der Frage der Betreuungsbedürftigkeit weitere Ermittlungen angestellt werden müssen. Dabei war es
- anders als bei der Anordnung oder Aufrechterhaltung einer Betreuung - nach
§ 280 Abs. 1 FamFG zwar nicht zwingend erforderlich, ein neues Sachverständigengutachten einzuholen. Im Hinblick auf die Artikulationsschwierigkeiten des
Betroffenen hätte dieser aber angehört oder zumindest ein aktueller Sozialbericht eingeholt werden müssen. Ohne weitere Feststellungen dieser Art beruht
die Entscheidung im Hinblick auf die Nähe zu der Haftentlassung nicht auf einer
hinreichenden Tatsachengrundlage.
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3. Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben und das Verfahren zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Landgericht zu-
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rückzuverweisen. Dabei wird zu prüfen sein, wie sich der Betreuungsbedarf aktuell darstellt.
Dose
Weber-Monecke
Nedden-Boeger
Schilling
Guhling
Vorinstanzen:
AG Berlin-Tiergarten, Entscheidung vom 29.12.2010 - 51 XVII 201/10 LG Berlin, Entscheidung vom 26.01.2011 - 87 T 23/11 -