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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 69/08
vom
29. Oktober 2008
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 2; SGB VI §§ 76 Abs. 7, 77 Abs. 2 Nr. 2 a
a) Hat ein Ehegatte während der Ehezeit vorzeitig Altersrente in Anspruch genommen, muss der bis zum Ende der Ehezeit nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 a SGB
VI geminderte Zugangsfaktor in verfassungskonformer Auslegung des
§ 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB im Versorgungsausgleich berücksichtigt werden
(im Anschluss an die Senatsbeschlüsse vom 1. Oktober 2008 - XII ZB 34/08 zur Veröffentlichung bestimmt; vom 22. Juni 2005 - XII ZB 117/03 - FamRZ
2005, 1455 und vom 9. Mai 2007 - XII ZB 77/06 - FamRZ 2007, 1542).
b) Durch die 2. Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung vom 26. Mai
2003 und die 3. Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung vom
3. Mai 2006 ist früheren Bedenken des Senats gegen die Verfassungsmäßigkeit der Barwert-Verordnung auch unter Berücksichtigung des Wegfalls der
Befristung durch die 4. Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung
hinreichend Rechnung getragen. Der Barwert einer nicht volldynamischen
Anwartschaft ist im Versorgungsausgleich deswegen regelmäßig nach der
Barwert-Verordnung zu ermitteln.
BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2008 - XII ZB 69/08 - KG Berlin
AG Tempelhof-Kreuzberg
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Oktober 2008 durch die
Richter Sprick und Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina und die Richter
Dose und Dr. Klinkhammer
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss
des 17. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Kammergerichts in Berlin vom 14. März 2008 aufgehoben.
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Tempelhof-Kreuzberg vom 6. November 2007 im Ausspruch zum Versorgungsausgleich (Abs. 2 bis 4
des Tenors) geändert und insoweit neu gefasst:
Vom Versicherungskonto des Antragstellers bei der Deutschen
Rentenversicherung Bund werden auf das Versicherungskonto der
Antragsgegnerin
bei
der
Deutschen
Rentenversicherung
Berlin-Brandenburg Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich
318,39 € im Wege des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB und in
Höhe von weiteren 49 € im Wege des erweiterten Splittings nach
§ 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG, jeweils bezogen auf den 31. März
2007 und umrechenbar in Entgeltpunkte, übertragen.
Von den Kosten der Rechtsmittelverfahren haben der Antragsteller
1/7 und die Antragsgegnerin 6/7 zu tragen.
Beschwerdewert: 2.000 €.
-3-
Gründe:
I.
1
Die Parteien streiten noch um die Durchführung des öffentlich-rechtlichen
Versorgungsausgleichs.
2
Sie hatten am 12. Juli 1968 die Ehe geschlossen. Auf den Scheidungsantrag des Antragstellers (Ehemann), der der Antragsgegnerin (Ehefrau) am
28. April 2007 zugestellt worden ist, hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien
geschieden und den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich durchgeführt.
In der Ehezeit (1. Juli 1968 bis 31. März 2007; § 1587 Abs. 2 BGB) haben beide
Parteien Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung und weitere Anrechte in der betrieblichen Altersversorgung erworben.
3
Der am 22. März 1944 geborene Ehemann bezieht seit dem 1. Oktober
2004 Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung, deren Ehezeitanteil sich
- ohne Berücksichtigung des Zugangsfaktors - auf 1.515,49 € beläuft. Daneben
erhält der Ehemann seit dem 1. Oktober 2004 eine betriebliche Altersversorgung, deren statischer Ehezeitanteil 195,74 € monatlich beträgt. Einer weiteren
betrieblichen Altersversorgung des Ehemannes liegt ein ehezeitlich erworbenes
Deckungskapital in Höhe von 66.052,93 € zugrunde.
4
Die am 1. April 1947 geborene Ehefrau hat während der Ehezeit Versorgungsanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von
742,32 € und weitere Anwartschaften auf eine Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL)
erworben, deren Ehezeitanteil sich auf 327,24 € beläuft.
-4-
5
Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es
im Wege des Splittings vom Versicherungskonto des Antragstellers bei der
deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) auf das Versicherungskonto
der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg (DRV Berlin-Brandenburg) Rentenanwartschaften in Höhe von 386,59 €,
bezogen auf den 31. März 2007 und umrechenbar auf Entgeltpunkte, übertragen hat. Außerdem hat es im Wege des erweiterten Splittings vom Versicherungskonto des Ehemannes auf das Versicherungskonto der Ehefrau weitere
49 €, bezogen auf den 31. März 2007 und umrechenbar in Entgeltpunkte, auf
das Versicherungskonto der Ehefrau bei der DRV Berlin-Brandenburg übertragen. Das Kammergericht hat die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die - vom Kammergericht zugelassene - Rechtsbeschwerde des Ehemannes, mit der er nach wie vor eine Herabsetzung des
durchgeführten Splittings auf monatlich 306,90 € begehrt.
II.
6
Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend Erfolg und
führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
7
1. Das Amtsgericht - und ihm folgend das Kammergericht - hat den Ehezeitanteil der statischen Betriebsrente des Ehemannes von 195,74 € unter Anwendung der Tabelle 7 der Barwert-Verordnung in volldynamische Anrechte
von 119,24 € umgerechnet. Außerdem hat es das Deckungskapital der weiteren
betrieblichen Altersversorgung des Ehemannes in ein volldynamisches Rentenanrecht von monatlich 294,13 € umgerechnet. Zudem hat es auf Seiten des
Ehemannes die vollen ehezeitlich erworbenen Rentenanrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen. Dabei hat es sich der Rechtsauffassung
-5-
der weiteren Beteiligten zu 1 angeschlossen und - abweichend von der Rechtsprechung des Senats - trotz Rentenbeginns vor Ende der Ehezeit den geminderten Zugangsfaktor für die gesetzliche Rente des Ehemannes unberücksichtigt gelassen.
8
Auf Seiten der Ehefrau sind die Instanzgerichte von den ehezeitlich erworbenen Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe
von 742,32 € ausgegangen. Die weiteren Versorgungsanwartschaften der Ehefrau bei der VBL haben sie unter Berücksichtigung der Tabelle 1 der Barwert-Verordnung und einer Erhöhung mit dem Faktor 1,5 für eine Volldynamik
im Leistungsstadium in eine volldynamische Anwartschaft in Höhe von 228,19 €
umgerechnet.
9
Die ehezeitliche erworbenen Anrechte des Ehemannes seien deswegen
um ([119,24 € + 294,13 € + 1.515,49 €] - [742,32 € + 228,19 €] =) 958,35 € höher als diejenigen der Ehefrau, was eine Ausgleichspflicht von insgesamt
(958,35 € / 2 =) 479,18 € ergebe. Der Ausgleich sei in Höhe von ([1.515,49 € 742,32] / 2 =) 386,59 € im Wege des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB und
bis zur Höhe des Höchstbetrages von 49 € im Wege des erweiterten Splittings
nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG auszugleichen. Im Übrigen haben die Instanzgerichte der Ehefrau den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten.
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2. Die Ausführungen des Kammergerichts halten den Angriffen der
Rechtsbeschwerde in einem wesentlichen Punkt nicht stand.
11
a) Soweit das Beschwerdegericht bei der Ermittlung der ehezeitlich erworbenen Versorgungsanrechte des Ehemannes in der gesetzlichen Rentenversicherung trotz vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente vor Ende der
Ehezeit den verminderten Zugangsfaktor unberücksichtigt gelassen hat, widerspricht dies der Rechtsprechung des Senats.
-6-
12
aa) Zwar ist der Zugangsfaktor nach § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB bei der
Wertermittlung von Rentenanrechten aus der gesetzlichen Rentenversicherung
grundsätzlich unberücksichtigt zu lassen. Für einen vorzeitigen Rentenbeginn
nach Ende der Ehezeit ist dies problemlos möglich, weil die Entscheidung zum
Versorgungsausgleich ohnehin auf das Ende der Ehezeit rückbezogen ist. Hatte der ausgleichspflichtige Ehegatte aber - wie hier - schon vor dem Ende der
Ehezeit eine vorzeitige Rente in Anspruch genommen, erstreckt sich der geminderte Zugangsfaktor auf seine gesamte Rente, also auch auf den Teil, der
im Rahmen des Versorgungsausgleichs auf den anderen Ehegatten übertragen
wird. Weil im Versorgungsausgleich nicht etwa Entgeltpunkte, sondern Rentenanrechte übertragen werden (zur vorgesehenen Änderung durch den Entwurf
eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs - VAStrRefG vgl. BR-Drucks. 343/08 S. 187) und der Halbteilungsgrundsatz nur eine Übertragung der Hälfte der noch vorhandenen Anrechte gestattet, ist die Vorschrift
des § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB verfassungskonform dahin auszulegen, dass
der Zugangsfaktor bei der Berechnung des Ehezeitanteils nur dann und insoweit außer Betracht bleibt, als die für seine Herabsetzung maßgeblichen Zeiten
vorzeitigen Rentenbezugs nicht in der Ehezeit zurückgelegt worden sind. Um
schon während der Ehezeit zurückgelegte Zeiten eines vorzeitigen Rentenbezugs sind die Anrechte hingegen nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI zu kürzen (Senatsbeschlüsse vom 1. Oktober 2008 - XII ZB 34/08 - zur Veröffentlichung bestimmt; vom 22. Juni 2005 - XII ZB 117/03 - FamRZ 2005, 1455, 1458 und vom
9. Mai 2007 - XII ZB 77/06 - FamRZ 2007, 1542, 1543 f.; kritisch Wick Der Versorgungsausgleich 2. Aufl. Rdn. 97 ff. m.w.N. und Borth Versorgungsausgleich
4. Aufl. Rdn. 208).
13
Trotz der wiederholt geäußerten Kritik hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest. Wie schon ausgeführt, findet sie ihren Grund darin, dass im
Versorgungsausgleich im Wege des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB Ren-
-7-
tenanwartschaften und nicht Entgeltpunkte ausgeglichen werden (Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 4. Aufl. § 1587 b BGB Rdn. 20; Wick Der Versorgungsausgleich
2. Aufl.
Rdn. 195;
Borth
Versorgungsausgleich
4. Aufl.
Rdn. 463). Es würde deswegen gegen den Halbteilungsgrundsatz verstoßen,
wenn im Rahmen des Versorgungsausgleichs unberücksichtigt bliebe, dass
auch die zu übertragenden Anrechte im Falle einer vorzeitigen Inanspruchnahme der Rente vor Ende der Ehezeit über den Zugangsfaktor nach § 77 Abs. 2
Nr. 2 a SGB VI bereits gemindert sind (Senatsbeschluss vom 1. Oktober 2008
- XII ZB 34/08 - zur Veröffentlichung bestimmt). Auch die angefochtene Entscheidung des Kammergerichts nennt keine weiteren Gesichtspunkte, die eine
Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes bei der Übertragung von Rentenanrechten auf andere Weise sicherstellen können.
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bb) Weil der Ehemann seine Rente bereits seit dem 1. Oktober 2004 und
somit 30 Monate vor Ende der Ehezeit bezogen hat, sind seine ehezeitlich erworbenen Anwartschaften nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VI um (30 Monate x
0,3 % =) 9 % zu kürzen. Das ergibt - abweichend von der insoweit fehlerhaften
Auskunft der DRV Bund vom 24. Januar 2008 - beim Versorgungsausgleich zu
berücksichtigende Rentenanrechte von (1.515,49 € x 91 % =) 1.379,10 €.
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b) Zutreffend haben die Instanzgerichte allerdings sowohl die Anrechte
des Ehemannes auf betriebliche Altersversorgungen als auch die Rentenanwartschaften der Ehefrau bei der VBL in volldynamische Anwartschaften der
gesetzlichen Rentenversicherung umgerechnet.
16
Soweit eine der betrieblichen Altersversorgungen des Ehemannes auf
einem Deckungskapital beruht, ist das Amtsgericht zutreffend von diesem Deckungskapital ausgegangen und hat es unter Anwendung der Rechengrößen
zur Durchführung des Versorgungsausgleichs (vgl. FamRZ 2008, 115 ff.) in ei-
-8-
ne volldynamische Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung umgerechnet. Dagegen erhebt die Rechtsbeschwerde auch keine Bedenken. Die
Anrechte der weiteren betrieblichen Altersversorgung des Ehemannes und die
Anwartschaften der Ehefrau bei der VBL haben die Instanzgerichte unter Anwendung der Barwertverordnung zunächst in einen Barwert umgerechnet, um
diesen unter Anwendung der genannten Rechengrößen ebenfalls in volldynamische Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung umzurechnen. Gegen
diese Umrechnung wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
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aa) Aus der gegenwärtigen Konzeption des Versorgungsausgleichs als
einem die unterschiedlichen Versorgungssysteme umfassenden Einmalausgleich folgt die Notwendigkeit, die verschiedenen Versorgungsanrechte miteinander zu vergleichen. § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB stellt dabei als Vergleichsmaßstab pauschalierend auf die Dynamik der gesetzlichen Rentenversicherung ab, auf deren Versicherungskonten ein Ausgleich nach § 1587 b BGB
erfolgt. Anrechte, die im Anwartschafts- und/oder im Leistungsstadium nicht
volldynamisch sind, müssen deshalb zunächst in einen dynamischen Monatsbetrag in der gesetzlichen Rentenversicherung umgewertet werden. Fehlt dem
Anrecht ein ausdrücklich ausgewiesenes Deckungskapital, muss aus der nicht
volldynamischen Anwartschaft zunächst ein Barwert ermittelt werden. Wird dieser (wie sonst das Deckungskapital) fiktiv als Beitrag in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt, ergibt sich daraus ein im Versorgungsausgleich vergleichbares volldynamisches Anrecht. Gegen diese Methode bestehen nach
ständiger Rechtsprechung des Senats keine verfassungsrechtlichen Bedenken
(Senatsbeschlüsse vom 23. Juli 2003 - XII ZB 152/01 - FamRZ 2003, 1639,
1640 und vom 5. September 2001 - XII ZB 121/99 - FamRZ 2001, 1695, 1696).
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bb) Für die Ermittlung des Barwerts sind auf der Grundlage der nach
§ 1587 a Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 BGB erlassenen Barwert-Verordnung die nach der
-9-
Art des Anrechts, dem Lebensalter des Versicherten und dem Eintritt des (gegebenenfalls fiktiven) Versicherungsfalls errechneten Barwertfaktoren heranzuziehen. Der Verordnungsgeber hat sich dabei bewusst gegen eine versicherungsmathematisch exakte Barwertberechnung entschieden und eine pauschalierte Betrachtung gewählt. Auf diese Weise soll den Familiengerichten eine
prozessökonomische Umrechnung anhand tabellarischer Grundlagen ohne
Einholung von Einzelgutachten ermöglicht werden. Um die Einheitlichkeit der
Barwertermittlung durch die Gerichte sicherzustellen, ist die Anwendung der
Barwert-Verordnung nach deren § 1 Abs. 3 zwingend.
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Der Barwert eines Anrechts ist deswegen grundsätzlich nicht unter Verwendung eines individuell ermittelten Multiplikators zu bestimmen. Daran hat
sich auch durch die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
zur vorletzten Fassung der Barwert-Verordnung nichts geändert. Zwar hat es in
der zwingenden Anwendbarkeit dieser Verordnung auf "teildynamische" Anrechte einen Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz erblickt (BVerfG FamRZ
2006, 1000, 1001 f. und 1002, 1003 m. Anm. Borth und Glockner). Entsprechend hatte schon der Senat Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser
Fassung der Barwert-Verordnung erhoben (Senatsbeschluss vom 5. September
2001 - XII ZB 121/99 - FamRZ 2001, 1695, 1698 ff.). Diesen Bedenken ist aber
durch die seit dem 1. Januar 2003 geltende zweite Verordnung zur Änderung
der Barwert-Verordnung vom 26. Mai 2003 (BGBl. I 728; Senatsbeschluss vom
23. Juli 2003 - XII ZB 152/01 - FamRZ 2003, 1639, 1640) und durch die dritte
Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung vom 3. Mai 2006 (BGBl. I
1144; Senatsbeschluss vom 20. September 2006 - XII ZB 248/03 - FamRZ
2007, 23, 26 f.) hinreichend Rechnung getragen worden.
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Unterbewertungen, die sich aus dem bewusst pauschalierenden Umrechnungsmechanismus nach § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB und der neuesten
- 10 -
Fassung der Barwert-Verordnung ergeben können, sind nach dem gegenwärtig
geltenden Recht hinzunehmen, um eine einheitliche Dynamisierung nicht volldynamischer Anrechte und damit auch eine Rechtseinheitlichkeit zu gewährleisten. Die Gründe der Praktikabilität und der Rechtseinheit vermögen die Gleichbehandlung ungleicher Sachverhalte und damit eine Unterbewertung von Anrechten zu rechtfertigen und bedingen keinen Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) oder den Eigentumsschutz
(Art. 14 GG), solange die Unterbewertung in einem angemessenen Verhältnis
zu den verfolgten Praktikabilitätszielen steht, nicht ganze Gruppen von Betroffenen erheblich benachteiligt und systemkonform - insbesondere über Härteregelungen - korrigiert werden kann. Das gilt insbesondere deswegen, weil § 10 a
VAHRG eine Durchbrechung der materiellen Rechtskraft in Form einer späteren
Abänderung bei wesentlicher Abweichung der tatsächlichen Entwicklung vom
Wert der abzuändernden Entscheidung zulässt (Senatsbeschluss vom 20. September 2006 - XII ZB 248/03 - FamRZ 2007, 23, 27).
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An dieser rechtlichen Bewertung hat sich auch nichts durch die vierte
Verordnung zur Änderung der Barwert-Verordnung vom 2. Juni 2008 (BGBl. I
969) geändert. Zwar ist darin die in der dritten Änderungsverordnung enthaltene
Befristung der Barwert-Verordnung bis zum 30. Juni 2008 vollständig aufgehoben worden. Denn inzwischen befindet sich der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG), der den
Einmalausgleich ohnehin aufgeben will, bereits im Gesetzgebungsverfahren
(BR-Drucks. 343/08). Mit dieser gesetzlichen Neuregelung wird der Zweck der
Barwert-Verordnung, die Vergleichbarkeit verschiedenster Anrechte zu ermöglichen, obsolet (vgl. BR-Drucks. 343/08 S. 2 und S. 66).
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cc) Zutreffend hat das Amtsgericht deswegen die bereits laufende statische Betriebsrente des Ehemannes auf der Grundlage der Tabelle 7 der Bar-
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wert-Verordnung in einen Barwert und diesen sodann in eine volldynamische
Rentenanwartschaft der gesetzlichen Rentenversicherung umgerechnet. Ebenso zutreffend ist es nach der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen,
dass die Versorgungsanwartschaften der Ehefrau bei der VBL im Anwartschaftsstadium statisch und erst im Leistungsstadium volldynamisch sind (Senatsbeschluss BGHZ 160, 41, 46 ff. = FamRZ 2004, 1474, 1475 f.). Die Ermittlung ihres Barwerts nach den Werten der Tabelle 1 der Barwert-Verordnung
unter Berücksichtigung einer Erhöhung um 50 % (Anm. 2 der Tabelle) für die
Volldynamik dieser Versorgung ab Leistungsbeginn entspricht deswegen der
Rechtsprechung des Senats.
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c) Zutreffend hat das Amtsgericht sodann auf der Grundlage des errechneten Barwerts einen volldynamischen Ehezeitanteil dieser Betriebsrenten des
Ehemannes in Höhe von 119,24 € und auf der Grundlage des angegebenen
Deckungskapitals einen volldynamischen Ehezeitanteil der weiteren Betriebsrente in Höhe von 294,13 € errechnet. Gemeinsam mit der - um den bis Ende
der Ehezeit geminderten Zugangsfaktor herabgesetzten - ehezeitlichen Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung (1.379,10 €) ergeben sich mithin
ehezeitliche Anwartschaften des Ehemannes in Höhe von insgesamt
(1.379,10 € + 119,24 € + 294,13 € =) 1.792,47 €. Dem stehen die von den Instanzgerichten richtig berechneten Anwartschaften der Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 742,32 € und ihre dynamisierten Versorgungsanwartschaften bei der VBL in Höhe von 228,19 €, mithin ehezeitlich erworbene Anwartschaften von insgesamt 970,51 € gegenüber. Damit übersteigen die ehezeitlich erworbenen Anwartschaften des Ehemannes die der Ehefrau um (1.792,47 € - 970,51 € =) 821,96 €. In Höhe der Hälfte dieses Wertunterschiedes, also in Höhe von 410,98 €, sind mithin Anwartschaften von den
Versicherungskonten des Ehemannes auf das Rentenversicherungskonto der
Ehefrau in der gesetzlichen Rentenversicherung zu übertragen.
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Zu Recht haben die Instanzgerichte den Ausgleich im Wege des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB allerdings auf den Wertunterschied in der gesetzlichen Rentenversicherung begrenzt. Dieser Wertunterschied beträgt
(1.379,10 € - 742,32 € =) 636,78 €. Nur in Höhe der Hälfte dieses Wertunterschiedes, also in Höhe von 318,39 €, konnten deswegen Anwartschaften im
Wege des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB übertragen werden. In Höhe der
danach noch auszugleichenden Anwartschaften von (410,98 € - 318,39 € =)
92,59 € kommt ein Quasi-Splitting nach § 1 Abs. 3 VAHRG nicht in Betracht,
weil der Ehemann die höheren Versorgungsanwartschaften erlangt hat und diese nicht bei einem öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger bestehen. Zu Recht
haben die Instanzgerichte den Ausgleich jedoch im Wege des erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG durchgeführt, wobei dieses allerdings auf
einen Höchstbetrag begrenzt ist, der für das Ende der Ehezeit im Jahre 2007
49 € beträgt (zum Höchstbetrag des erweiterten Splittings nach § 3 b Abs. 1
Nr. 1 Satz 2 VAHRG i.V.m. § 18 Abs. 1 SGB IV vgl. FamRZ 2008, 115, 119).
Wegen der nicht öffentlich-rechtlich auszugleichenden Anwartschaften in Höhe
von (92,59 € - 49 € =) 43,59 € verbleibt der Ehefrau schließlich der schuldrechtliche Versorgungsausgleich, was aber wegen der künftigen Wertanpassungen
- 13 -
und der insoweit fehlenden Rechtskraft im Tenor der Entscheidung zum öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich nicht ausdrücklich auszusprechen ist.
Sprick
Wagenitz
Dose
Vézina
Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 06.11.2007 - 161 F 3966/07 KG Berlin, Entscheidung vom 14.03.2008 - 17 UF 111/07 -