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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 68/09
vom
6. Mai 2009
in der Familiensache
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Mai 2009 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richter Sprick und Prof. Dr. Wagenitz, die
Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose
beschlossen:
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des
4. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts München,
Zivilsenate in Augsburg, vom 26. März 2009 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
1
Die Beteiligte zu 1 ist die Mutter des am 11. Dezember 2000 nichtehelich
geborenen betroffenen Kindes. Sie lebte zunächst mit dem Kind im Haus ihrer
Eltern. Nachdem es innerhalb der Familie zu Auseinandersetzungen gekommen war, wandte sie sich Anfang 2007 an die Beteiligte zu 2 mit der Bitte um
ein Beratungsgespräch. In der zweiten Jahreshälfte 2007 wurde für die Mutter
eine Familienhilfe eingerichtet. Ab November 2007 zog die Mutter gemeinsam
mit dem Kind mehrfach um, aber schließlich jeweils wieder nach A. zurück. Das
Kind besuchte in dieser Zeit jeweils die Grundschule am jeweiligen Aufenthaltsort. Ab dem 19. Dezember 2007 blieb das Kind dem Schulunterricht unentschuldigt fern. In der Zeit vom 27. Dezember 2007 bis zum 3. Januar 2008 hielt
sich die Mutter mit dem Kind in Oberösterreich auf. In der Folgezeit reiste sie
mit dem Kind nach Bolivien.
-3-
2
Mit Beschluss vom 21. Dezember 2007 wurde der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Heilvorsorge und das Recht zur Beantragung von Leistungen nach dem SGB VIII vorläufig entzogen. Der Beschluss
wurde am 10. Januar 2008 um einen Herausgabebeschluss und am 11. Januar
2008 um einen Durchsuchungsbeschluss erweitert. Mit weiterem Beschluss
vom 1. April 2008 hat das Amtsgericht die einstweilige Anordnung "in der
Hauptsache bestätigt".
3
Aufgrund dieses Beschlusses hat das Jugendamt das Kind am 12. April
2008 nach der Rückkehr aus Bolivien in Obhut genommen. Es befindet sich
gegenwärtig in einer Pflegefamilie.
4
Auf die Beschwerde der Mutter hat das Oberlandesgericht den Beschluss des Amtsgerichts vom 1. April 2008 aufgehoben, weil die Voraussetzungen einer Entziehung des Sorgerechts nach den §§ 1666, 1666 a BGB nicht
feststellbar seien. Eine Gefährdung des Kindeswohls könne trotz einiger Hinweise auf eine psychopathologische Auffälligkeit der Mutter auch nach Anhörung des Kindes und der mit der Angelegenheit befassten Personen nicht festgestellt werden. Dem eingeholten psychiatrischen Gutachten und dem Gutachten zur Erziehungsfähigkeit der Mutter sei keine konkrete Gefährdung des Kindeswohls zu entnehmen, wenngleich die Mutter jegliche Zusammenarbeit mit
den Gutachtern abgelehnt habe. Weitere Erkenntnisse seien nicht möglich, zumal die Großeltern von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht
hätten.
5
Mit der - vom Oberlandesgericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde begehrt die Beteiligte zu 2 Aufhebung des Beschlusses und Zurückverweisung der
Sache an das Oberlandesgericht. Zudem hat sie die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses beantragt.
-4-
II.
6
Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses ist schon deshalb zurückzuweisen, weil die Beschwerdeentscheidung
des Oberlandesgerichts nach dem Gesetz erst mit ihrer Rechtskraft wirksam
wird und es deswegen keiner Aussetzung der Vollziehung bedarf.
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1. Nach § 16 Abs. 1 FGG werden gerichtliche Verfügungen und Entscheidungen grundsätzlich mit der Bekanntmachung an denjenigen wirksam,
für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Entscheidungen des Amtsgerichts waren deswegen mit der Bekanntgabe an die Beteiligten wirksam und
vollziehbar (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Oktober 1999 - XII ZB 18/99 FamRZ 2000, 813, 814).
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2. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts als Beschwerdegericht wird
nach § 26 Satz 1 FGG allerdings in Fällen, in denen ein weiteres befristetes
Rechtsmittel gegeben ist, erst mit seiner Rechtskraft wirksam. Zwar beschränkt
sich der Wortlaut der Vorschrift auf eine Anfechtbarkeit im Wege der sofortigen
weiteren Beschwerde. In isolierten Familiensachen der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, in denen das Oberlandesgericht abweichend von § 28 Abs. 1 FGG bereits als Beschwerdegericht entschieden hat, erstreckt sich die Vorschrift allerdings auch auf Entscheidungen, die nach den §§ 621 e Abs. 2, 621 Abs. 1 Nr. 1
bis 3, 6 und 10 ZPO mit der Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof angefochten werden können (Keidel/Sternal Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl.
§ 26 Rdn. 4; vgl. auch OLG Schleswig FamRZ 2002, 984 und OLG Frankfurt
- 20 W 565/05 - veröffentlicht bei juris).
9
Weil das Verfahren zur Entziehung der elterlichen Sorge nach § 1666
BGB eine Entscheidung i.S. von § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO betrifft, ist gegen die
Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts nach § 621 e Abs. 2 ZPO die
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Rechtsbeschwerde statthaft, die das Oberlandesgericht auch zugelassen hat
(§ 621 e Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). An diese Zulassung ist der Senat gebunden
(§§ 621 e Abs. 2 Satz 1 2. Halbs., 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
10
Der angefochtene Beschluss erlangt nach § 26 Satz 1 FGG deswegen
erst mit seiner Rechtskraft Wirksamkeit. Die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung hat das Oberlandesgericht nicht angeordnet (§ 26 Satz 2 FGG). Bis
zur Entscheidung des Senats über die zugelassene Rechtsbeschwerde verbleibt es mithin bei dem Inhalt des angefochtenen amtsgerichtlichen Beschlusses. Für eine Aussetzung der Vollziehung der diesen Beschluss aufhebenden
Beschwerdeentscheidung besteht deswegen kein Rechtsschutzbedürfnis.
Hahne
Sprick
Vézina
Wagenitz
Dose
Vorinstanzen:
AG Augsburg, Entscheidung vom 01.04.2008 - 408 F 3674/07 OLG München in Augsburg, Entscheidung vom 26.03.2009 - 4 UF 161/08 -