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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 52/03
vom
14. Februar 2007
in der Familiensache
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Februar 2007 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof.
Dr. Wagenitz und Dose
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats
- Familiensenat - des Oberlandesgerichts Bamberg vom 31. Januar 2003 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 258 €.
Gründe:
I.
1
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Aus der Ehe sind zwei inzwischen volljährige Söhne hervorgegangen. Die Klägerin machte mit ihrer Klage
- gestützt auf eine mit dem Beklagten getroffene Vereinbarung, nach der der
Sonderbedarf der Söhne von den Eltern jeweils hälftig zu tragen sei - geltend,
der Beklagte sei dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, und verlangte Zahlung von 4.692 DM (2.398,89 €) zuzüglich Zinsen.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht schlossen die Parteien folgenden Vergleich:
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"Der Beklagte zahlt insgesamt 504,50 DM, und zwar jeweils die Hälfte
dieses Betrages an den Sohn S. und die andere Hälfte des Betrages an
den Sohn J.
Im Übrigen sind sich die Parteien darüber einig, dass sie in der Vergangenheit beide mehr für die Kinder getan haben als sie zu tun verpflichtet
gewesen sind. Die Parteien sind sich außerdem darüber einig, dass für
die Vergangenheit zwischen ihnen in Bezug auf die Kinder keine Unterhaltsforderungen hinüber und herüber mehr bestehen."
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Der Beklagte erklärte die Anfechtung des Vergleichs wegen arglistiger
Täuschung und begehrte die Feststellung, dass dieser unwirksam sei.
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Das Amtsgericht stellte - dem Antrag der Klägerin folgend - fest, dass der
Rechtsstreit durch den Vergleich beendet sei. Die dagegen gerichtete Berufung
des Beklagten hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen, weil dessen
Beschwer den Betrag von 600 € nicht übersteige. Dagegen richtet sich die
Rechtsbeschwerde des Beklagten.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1
ZPO statthaft und nach § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässig, da die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat. Die Rechtsbeschwerde ist aber nicht begründet.
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1. Das Oberlandesgericht, das die Beschwer des Beklagten und den Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren auf 257,95 € (504,50 DM) festgesetzt hat, hat hierzu ausgeführt: Der Beklagte wolle mit seiner Berufung die
Feststellung der Unwirksamkeit des Vergleichs und seine Befreiung von der
hierin enthaltenen Pflicht zur Zahlung von insgesamt 504,50 DM Unterhalt als
Sonderbedarf erreichen. Darin bestehe sein nach Abschluss des Vergleichs
verbliebenes Interesse, so dass bei der Bemessung der Beschwer und des Ge-
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bührenstreitwerts allein hierauf und nicht auf die ursprüngliche Klageforderung
von 4.962 DM abzustellen sei. Die Berufung sei daher gemäß § 511 Abs. 2
Nr. 1 ZPO unzulässig.
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Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
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2. Der Streit über die verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Wirksamkeit eines Prozessvergleichs ist durch Fortsetzung des bisherigen Verfahrens auszutragen (vgl. etwa BGHZ 28, 171, 174 ff.). Die Frage, wie der Streitwert in dem über die Wirksamkeit des Vergleichs fortgesetzten Verfahren zu
bemessen ist, wird in Rechtsprechung und Schrifttum nicht einheitlich beantwortet.
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Im Schrifttum wird überwiegend die Auffassung vertreten, der Streitwert
des fortgesetzten Verfahrens entspreche demjenigen des bisherigen Verfahrens. Unbeachtlich sei, dass dabei auch inzidenter über die Wirksamkeit des
unter Umständen höherwertigen Vergleichs entschieden werde, da der Vergleichsgegenstand nicht zum allein streitwertrechtlich relevanten Streitgegenstand geworden sei (Stein/Jonas/Roth ZPO 22. Aufl. § 3 Nr. 68 Stichwort: Vergleich [Wert bei Fortsetzung des Verfahrens]; Musielak/Henrich ZPO 5. Aufl. § 3
Rdn. 32; Zöller/Herget ZPO 26. Aufl. § 3 Rdn. 16 Stichwort: Vergleich; Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 27. Aufl. § 3 Rdn. 157; Hk-ZPO/Kayser § 3 Rdn. 15
Stichwort: Vergleich; Anders/Gehle/Kuntze Streitwertlexikon 4. Aufl. S. 315
Rdn. 20; ebenso: LAG Düsseldorf MDR 2000, 1099).
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Teilweise wird dagegen die Ansicht vertreten, der Wert des Verfahrens
bestimme sich nach dem Interesse desjenigen, der die Unwirksamkeit des Vergleichs geltend mache. Allein der Umstand, dass der Streit hierüber durch Fortsetzung des bisherigen Verfahrens geführt werden müsse, rechtfertige keine
schematische Gleichsetzung mit dessen Hauptsachewert. Vielmehr entspreche
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die Situation einem Zwischenstreit. Das nach § 3 ZPO maßgebliche Interesse
des "Fortsetzungsklägers" bemesse sich nach der Differenz zwischen seinem
Sachantrag in dem bisherigen Verfahren und der mit dem Vergleich übernommenen Verpflichtung. Der Wertbestimmung habe daher eine Saldierung der mit
dem
Vergleichsabschluss
verbundenen
vermögensrechtlichen
Vor-
und
Nachteile für den "Fortsetzungskläger" vorauszugehen (Schneider/Herget
Streitwertkommentar 12. Aufl. Rdn. 5737; MünchKomm-ZPO/Schwerdtfeger
2. Aufl. § 3 Rdn. 127; OLG Bamberg JurBüro 1998, 541; OLG Frankfurt OLGReport 2004, 122; OLG Stuttgart JurBüro 1978, 1654, 1655).
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3. Für die Zulässigkeit der Berufung kommt es indessen nicht auf den
Gebührenstreitwert, sondern darauf an, ob die Beschwer des Berufungsklägers
den Betrag von 600 € übersteigt (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Maßgebend hierfür
ist allein das Interesse des Beklagten an der Unwirksamkeit des Vergleichs,
nachdem durch das angefochtene Urteil die Wirksamkeit und damit die verfahrensbeendende Wirkung des Vergleichs festgestellt worden ist. Insofern ist das
Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte im Umfang
der von ihm übernommenen Zahlungspflicht, also in Höhe von 504,50 DM
(257,95 €), beschwert ist. Eine zusätzliche Beschwer kommt dagegen nicht
deshalb in Betracht, weil die Parteien in dem Vergleich außerdem vereinbart
haben, "dass für die Vergangenheit zwischen ihnen in Bezug auf die Kinder
keine Unterhaltsforderungen hinüber und herüber mehr bestehen", der Beklagte
sich solcher Ansprüche aber berühmt.
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Der Bundesgerichtshof hat in einem Fall, in dem lediglich ein Teilbetrag
eingeklagt, aber über die Gesamtforderung, der sich die klagende Partei berühmt hatte, ein Vergleich geschlossen worden war, die Auffassung vertreten,
ein Streitwert - und zugleich wohl auch eine Beschwer - in Höhe der durch den
Vergleich begründeten (höheren) Zahlungspflicht lasse sich nicht damit begrün-
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den, dass auf Antrag des Beklagten über die Wirksamkeit des Vergleichs gestritten werde. Das gelte jedenfalls, wenn der Rechtsstreit mit den ursprünglichen Anträgen fortgesetzt werde, die Parteien also nicht die Möglichkeit ergriffen hätten, eine Entscheidung zu erlangen, deren Rechtskraft auch den Bestand des Vergleichs erfasst hätte (Vollstreckungsgegenklage oder Widerklage
auf Feststellung der Wirksamkeit des Vergleichs; BGH Beschluss vom
30. September 1964 - Ib ZR 215/62 - Leitsatz veröffentlicht in KostRspr ZPO
§ 3 Nr. 119).
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Daraus ergibt sich, dass bei Fortsetzung des Verfahrens mit den bisherigen Anträgen für einen Vergleich kein höherer Wert anzusetzen ist, wenn dessen - weitergehende - Regelungen nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits
gemacht werden. Entsprechendes gilt auch für den vorliegenden Fall, da der
Beklagte aus seinen angeblichen Gegenansprüchen keine prozessualen Konsequenzen gezogen und etwa Widerklage erhoben hat. Seine Beschwer
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entspricht deshalb lediglich dem Betrag von 257,95 €, zu dessen Zahlung er
sich verpflichtet hat.
Hahne
Sprick
Wagenitz
Weber-Monecke
Dose
Vorinstanzen:
AG Lichtenfels, Entscheidung vom 24.10.2002 - 1 F 380/00 OLG Bamberg, Entscheidung vom 31.01.2003 - 7 UF 295/02 -