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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 577/14
vom
22. April 2015
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 1897 Abs. 4 Satz 1, 1899 Abs. 1
Läuft der Vorschlag des Betroffenen zur Auswahl des Betreuers seinem Wohl in
einem bestimmten Aufgabenkreis zuwider, hat das Betreuungsgericht im Hinblick auf die weiteren Angelegenheiten die Anordnung einer Mitbetreuung zu
prüfen, um dem Vorschlag des Betroffenen möglichst weitgehend Rechnung zu
tragen.
BGH, Beschluss vom 22. April 2015 - XII ZB 577/14 - LG Augsburg
AG Nördlingen
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 22.April 2015 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der
Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg vom
10. Oktober 2014 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000 €
Gründe:
I.
1
Die 1965 geborene Betroffene leidet an einer spastischen Spinalparalyse
mit kognitiven Störungen. Sie lebt in einem Heim.
2
Mit der Begründung, dass sich die Zusammenarbeit mit den Angehörigen
der Betroffenen äußerst schwierig gestalte, ist seitens des Heims die Bestellung
eines Betreuers angeregt worden. Das Amtsgericht hat den Beteiligten zu 2 als
Berufsbetreuer bestellt und folgende Aufgabenkreise festgelegt: Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-Pflegevertrags, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, Vermögenssorge, Entgegennahme
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sowie Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise.
3
Die am Verfahren beteiligte Mutter der Betroffenen (Beteiligte zu 1) hat
mit dem Ziel Beschwerde eingelegt, selbst zur Betreuerin bestellt zu werden.
Das Landgericht hat die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die
Rechtsbeschwerde der Mutter, die ihr Anliegen weiterverfolgt.
II.
4
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
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1. Nach näher begründeter Auffassung des Landgerichts ist die Mutter im
Bereich der Gesundheitsfürsorge nicht geeignet, so dass dem von der Betroffenen geäußerten Wunsch, ihre Mutter zur Betreuerin zu bestellen, nicht zu entsprechen sei. Entgegen dem Vorschlag des Verfahrenspflegers, die Aufgabenkreise mit Ausnahme der Gesundheitsfürsorge der Mutter zu übertragen, sei
der Bereich der Vermögenssorge jedoch sehr eng mit der Gesundheitsfürsorge
verbunden und dürfe daher nicht der Einflussnahme der hierfür nicht geeigneten Mutter unterliegen. Ähnliches gelte auch für die weiteren Aufgabenkreise.
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2. Das hält nicht in jeder Hinsicht rechtlicher Überprüfung stand.
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Das Landgericht ist aufgrund der von ihm rechtsfehlerfrei getroffenen
Feststellungen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Mutter zur Wahrnehmung der Gesundheitsfürsorge nicht geeignet
ist und auch einem diesbezüglichen Vorschlag der Betroffenen gemäß § 1897
-4-
Abs. 4 Satz 1 BGB insoweit nicht entsprochen werden kann. Von einer weiteren
Begründung wird insoweit gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.
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Nicht frei von Bedenken bleibt indessen die vom Landgericht gezogene
Schlussfolgerung, dass die Mutter auch zur Wahrnehmung der weiteren Aufgabenkreise ungeeignet sei. Dies mag für die Heimangelegenheiten und die darauf bezogene Aufenthaltsbestimmung noch nahe liegen. Eine Unbeachtlichkeit
des Vorschlags der Betroffenen nach § 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB in den übrigen
Angelegenheiten, insbesondere den gesamten Vermögensangelegenheiten, ist
jedoch vom Landgericht nicht hinreichend begründet worden. Im angefochtenen
Beschluss ist insoweit lediglich auf bestehende Zusammenhänge hingewiesen
worden, was aber ohne nähere Angaben noch nicht zu begründen vermag,
dass die Mutter auch insoweit ungeeignet ist.
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Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend auf die Möglichkeit der Anordnung einer Mitbetreuung hin, die nach § 1899 BGB angeordnet werden kann
und insbesondere zur möglichst weitgehenden Berücksichtigung des Willens
der Betroffenen gemäß § 1897 Abs. 4 BGB in Betracht gezogen werden muss.
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3. Der angefochtene Beschluss ist demnach aufzuheben. Der Senat hat
von einer nur teilweisen Aufhebung (§ 74 Abs. 5 FamFG) wegen des Zusammenhangs der Aufgabenkreise abgesehen, um das Landgericht in die Lage zu
versetzen, erneut umfassend über die Betreuung zu entscheiden.
Dose
Weber-Monecke
Nedden-Boeger
Klinkhammer
Guhling
Vorinstanzen:
AG Nördlingen, Entscheidung vom 14.04.2014 - XVII 80/14 LG Augsburg, Entscheidung vom 10.10.2014 - 51 T 2139/14 -