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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 499/15
vom
17. Februar 2016
in der Betreuungssache
ECLI:DE:BGH:2016:170216BXIIZB499.15.0
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. Februar 2016 durch
den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 4 und zu 5
wird der Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld
vom 18. September 2015 in der Fassung des Ergänzungsbeschlusses vom 13. Oktober 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Wert: 5.000 €
Gründe:
I.
1
Die im Jahre 1930 geborene Betroffene und ihr rund fünf Jahre älterer
Ehemann lebten zusammen mit den Beteiligten zu 4 und 5, ihrem Sohn und
ihrer Tochter, in einem Hausanwesen. Dieses hatte die Betroffene dem Sohn im
Dezember 2012 übereignet und sich sowie ihrem Ehemann dabei ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht an sämtlichen Räumen im Keller- und
Erdgeschoss einräumen lassen. Tatsächlich bewohnten die Betroffene und ihr
Ehemann im Keller gelegene Souterrain-Räume und die Beteiligte zu 5 das
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Erdgeschoss. Bereits im April 2012 hatte die Betroffene - ebenso wie ihr Ehemann - den Beteiligten zu 4 und 5 (im Folgenden: Vorsorgebevollmächtigte) als
jeweils Einzelvertretungsberechtigten eine umfassende notarielle General- und
Vorsorgevollmacht erteilt.
2
Im März 2014 regte eine weitere Tochter, die Beteiligte zu 3, beim Amtsgericht die Bestellung eines Berufsbetreuers für ihre Eltern an. Das Amtsgericht
kam dieser Anregung im Juni 2014 nach und bestellte im Wege der einstweiligen Anordnung den Beteiligten zu 1, einen Rechtsanwalt, zum vorläufigen Betreuer der Betroffenen mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge, Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie Wohnungsangelegenheiten. Diese vorläufige Betreuung
verlängerte das Amtsgericht im Dezember 2014 um weitere sechs Monate. Die
hiergegen gerichtete Beschwerde der Vorsorgebevollmächtigten wies das
Landgericht mit Beschluss vom 15. April 2015 zurück.
3
Mit Beschluss vom 12. Juni 2015 hat das Amtsgericht angeordnet, dass
die "vorläufige Betreuung als längerfristige Betreuung fortgeführt" werde, und
als Zeitpunkt, bis zu dem über die Aufhebung oder Verlängerung der Betreuung
entschieden werden sollte, den 12. Juni 2022 bestimmt. Die hiergegen von den
beiden Vorsorgebevollmächtigten eingelegte Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Das Landgericht hat den amtsgerichtlichen Beschluss insoweit abgeändert, als es anstelle des Beteiligten zu 1 den Beteiligten zu 6, einen Berufsbetreuer, zum Betreuer bestellt und als vom Aufgabenkreis umfasst auch die Aufenthaltsbestimmung und die Regelung des Postverkehrs genannt hat.
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Mit ihrer Rechtsbeschwerde wenden sich die Vorsorgebevollmächtigten
nach wie vor gegen die Betreuungserrichtung.
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II.
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Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ohne
Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere sind die
Vorsorgebevollmächtigten rechtsbeschwerdeberechtigt, weil ihre Beschwerde
zurückgewiesen worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2015
- XII ZB 695/14 - FamRZ 2016, 120 Rn. 12 mwN).
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Sie hat auch Erfolg.
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1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt,
die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung lägen weiterhin vor.
Zur Begründung werde auf den Beschluss vom 15. April 2015 Bezug genommen. Dort hatte das Beschwerdegericht dargelegt, bei der Betroffenen liege
eine demenzielle Entwicklung vom vaskulären Typ mit Kurz- und Langzeitgedächtnisstörungen vor. Sie bedürfe einer rechtlichen Betreuung im vom Amtsgericht bestimmten Aufgabenkreis. Im Übrigen sei sie mit der Einrichtung einer
Betreuung einverstanden.
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Die Bestellung eines Betreuers für die Betroffene sei nicht wegen der
Vorsorgevollmacht entbehrlich. Zwar könne die Unwirksamkeit der Vollmachterteilung nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden. Die Ausübung der
Vorsorgevollmacht durch die Vorsorgebevollmächtigten anstelle einer Betreuung widerspreche jedoch zum einen dem wiederholt geäußerten, jedenfalls natürlichen Willen der Betroffenen. Zum anderen könnten die Angelegenheiten der
Betroffenen durch die Vorsorgebevollmächtigten nicht ebenso gut wie durch
einen Betreuer besorgt werden. Dies folge aus den ausführlichen und übereinstimmenden Angaben des Sachverständigen und der Verfahrenspflegerin. Es
bestünden Anhaltspunkte dafür, dass die Vorsorgebevollmächtigten ungeeignet
seien, die ihnen erteilte Vollmacht im Sinne und allein zum Wohl der Betroffe-
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nen wahrzunehmen, weil sie sich einerseits nicht regelmäßig und hinreichend
um die tatsächliche Betreuung der Betroffenen bemühten. Andererseits hätten
sie sich - was noch deutlich schwerer wiege - durch das ihrer Schwester erteilte
Hausverbot als ungeeignet erwiesen. Die emotionale Bindung der Betroffenen
zu dieser sei sehr stark. Die Vorsorgebevollmächtigten hätten wegen ihrer Differenzen mit der Schwester ihre eigenen Interessen weit vor diejenigen der Betroffenen gestellt.
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Der Betreuer habe nunmehr zu überprüfen, ob er für die Betroffene den
Widerruf der General- und Vorsorgevollmacht sowie eine Anfechtung oder einen Widerruf des Grundstücksübertragungsvertrags vornehme, nachdem die
Betroffene mehrfach geäußert habe, keinesfalls von den Vorsorgebevollmächtigten betreut werden zu wollen.
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Der Beschluss des Amtsgerichts sei allerdings insoweit abzuändern, als
die Betroffene zwischenzeitlich einen - wie sich aus der Stellungnahme der Verfahrenspflegerin ergebe - ihrem natürlichen Willen entsprechenden Wunsch auf
Betreuerwechsel gestellt habe. Diesem sei zu entsprechen, weil er dem Wohl
der Betroffenen nicht zuwider laufe.
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2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die bislang getroffenen Feststellungen tragen nicht den Schluss, eine Betreuung sei trotz der Vorsorgevollmacht erforderlich im Sinne des § 1896 Abs. 2
Satz 2 BGB.
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a) Ein Betreuer darf nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung
erforderlich ist (§ 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB). An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2
BGB). Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers
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grundsätzlich entgegen. Anders kann es zum einen liegen, wenn Zweifel an der
Wirksamkeit der Vollmachterteilung oder am Fortbestand der Vollmacht bestehen, die geeignet sind, die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr und damit die Wahrnehmung von Rechten des Betroffenen durch den Bevollmächtigten zu beeinträchtigen (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016
- XII ZB 425/14 - mwN, zur Veröffentlichung bestimmt). Eine Betreuung kann
trotz Vorsorgevollmacht zum anderen dann erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen,
insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des
Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen
begründet. Letzteres ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte wegen erheblicher
Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheint
(Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2014 - XII ZB 301/13 - FamRZ 2014, 738
Rn. 17 mwN und vom 13. April 2011 - XII ZB 584/10 - FamRZ 2011, 964 Rn. 15
mwN).
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Dabei entscheidet der Tatrichter über Art und Umfang seiner Ermittlungen nach pflichtgemäßem Ermessen. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben
und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (Senatsbeschlüsse vom 26. Februar 2014 - XII ZB 301/13 - FamRZ 2014, 738 Rn. 18
mwN und vom 13. April 2011 - XII ZB 584/10 - FamRZ 2011, 964 Rn. 16 mwN).
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b) Gemessen hieran kann die angegriffene Entscheidung keinen Bestand
haben.
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aa) Die den Erwägungen des Beschwerdegerichts erkennbar zugrunde
liegende Annahme, die hier erteilte Vorsorgevollmacht sei im Grundsatz geeignet, eine Betreuung zu hindern, beruht nicht auf ausreichenden Feststellungen.
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In dem in der angefochtenen Entscheidung in Bezug genommenen Beschluss vom 15. April 2015 ist ausgeführt, ausweislich der Angaben des Sachverständigen habe im Dezember 2014 nicht mehr mit hinreichender Sicherheit
festgestellt werden können, ob die Betroffene bereits im April 2012 in einer
Weise dement gewesen sei, dass die Vollmachterteilung unwirksam sei. Dies
deutet auf Bedenken gegen die Wirksamkeit hin. Festgestellt ist jedoch nicht,
dass auch nach Ausschöpfung aller im Rahmen des § 26 FamFG gebotenen
Ermittlungsmöglichkeiten solche Zweifel verbleiben. Würde es sich dabei aber
- was ebenfalls tragfähige Feststellungen erfordern würde - um Zweifel handeln,
die zu relevanten Problemen für die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr
und damit in der Rechtswahrnehmung durch den Bevollmächtigten führen können, könnten die Vorsorgebevollmächtigten schon aus diesem Grunde die Angelegenheiten der Betroffenen nicht ebenso gut wie ein Betreuer besorgen (vgl.
hierzu Senatsbeschluss vom 3. Februar 2016 - XII ZB 425/14 - mwN, zur Veröffentlichung bestimmt).
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bb) Soweit das Beschwerdegericht darauf abstellt, dass die rechtliche
Vertretung durch die Vorsorgebevollmächtigten nicht dem wiederholt geäußerten natürlichen Willen der Betroffenen entspreche, kann das für sich genommen
nicht dazu führen, die Erforderlichkeit einer Betreuung zu bejahen.
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Mit der Vollmachterteilung in gesunden Tagen kann der Bevollmächtigende regeln, wer seine rechtlichen Angelegenheiten besorgen soll, wenn er
krankheitsbedingt hierzu nicht mehr selbst in der Lage ist. Diese Möglichkeit der
vorsorgenden Bevollmächtigung ist Ausfluss des von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1
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Abs. 1 GG garantierten Selbstbestimmungsrechts des Betroffenen (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - XII ZB 674/14 - FamRZ 2015, 1702 Rn. 11).
Mit ihr kann eine - wenn auch fürsorgende - staatliche Einflussnahme mittels
Betreuung vermieden werden. Die Bestimmung des § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB
bringt zum Ausdruck, dass dieses Selbstbestimmungsrecht aus den Gründen
des dem Staat obliegenden Erwachsenenschutzes und damit zum Wohle des
Betroffenen im Einzelfall erst dann endet, wenn die rechtliche Fürsorge durch
einen Betreuer derjenigen durch den Bevollmächtigten überlegen ist. Eine - gegebenenfalls krankheitsbedingte- schlichte Meinungsänderung des nicht mehr
geschäftsfähigen Betroffenen kann die in gesunden Tagen geschaffene rechtliche Bindungswirkung der Vollmachterteilung hingegen nicht beseitigen.
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Ob und inwieweit der einer Ausübung der Vollmacht durch die Vorsorgebevollmächtigten mittlerweile entgegenstehende natürliche Wille der Betroffenen dazu führt, dass ihre Angelegenheiten von den Vorsorgebevollmächtigten
nicht (mehr) ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden könnten,
lässt sich der Beschwerdeentscheidung nicht entnehmen.
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cc) Die bislang getroffenen Feststellungen rechtfertigen auch nicht die
Annahme, die Vorsorgebevollmächtigten seien nicht geeignet, die Angelegenheiten der Betroffenen zu deren Wohl zu besorgen.
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(1) Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, legt das Beschwerdegericht nicht offen, auf welche Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen
und der Verfahrenspflegerin es sich zur Begründung seiner Einschätzung stützt,
die Betreuung sei trotz der Vorsorgevollmacht erforderlich im Sinne des § 1896
Abs. 2 BGB. Die Beschlussgründe erschöpfen sich vielmehr in dem nicht weiter
spezifizierten Hinweis auf die "ausführlichen und übereinstimmenden Angaben".
Eine Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren, ob dieser rechtliche Schluss
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gerechtfertigt ist, kann daher nicht erfolgen, weshalb die Beschwerdeentscheidung nicht von dieser Erwägung getragen wird.
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(2) Das Gleiche gilt, soweit das Beschwerdegericht Anhaltspunkte für eine Ungeeignetheit der Vorsorgebevollmächtigten darin zu erkennen meint, dass
diese sich nicht regelmäßig und hinreichend um die tatsächliche Betreuung der
Betroffenen bemühten. Anhaltspunkte weisen bereits begrifflich allenfalls in eine
bestimmte Richtung, können aber die notwendige Überzeugung des Gerichts
von einem Umstand - hier der Ungeeignetheit der Vorsorgebevollmächtigten nicht begründen.
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Darüber hinaus verweist die Rechtsbeschwerde mit Recht zum einen darauf, dass das Beschwerdegericht allein auf Verhalten der Vorsorgebevollmächtigten nach der Bestellung des (vorläufigen) Betreuers abstellt. Dass die Vorsorgebevollmächtigten der Betroffenen bis zur Einrichtung der Betreuung nicht
die erforderliche tatsächliche Betreuung hätten zukommen lassen, ist nicht ersichtlich. Zum anderen macht die Rechtsbeschwerde zutreffend geltend, dass
die Vorsorgebevollmächtigten im Laufe des Verfahrens in mehreren Schriftsätzen ihrer Rechtsanwältin eine Reihe tatsächlicher Unterstützungsmaßnahmen
für die Betroffene auch nach der ersten Betreuerbestellung vorgetragen hatten.
Hiermit setzt sich die angegriffene Entscheidung nicht auseinander.
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Die in diesem Zusammenhang angestellte Überlegung des Beschwerdegerichts, den Vorsorgebevollmächtigten habe klar sein müssen, dass sie aufgrund der Vollmacht für tatsächliche Betreuungsleistungen wie Fahrten oder
deren Organisation zuständig seien, ist zudem rechtsfehlerhaft. Die Vorsorgevollmacht begründet gerade keine Verpflichtung zu tatsächlichen Pflegeleistungen, sondern soll eine rechtliche Betreuung überflüssig machen. Es lässt sich
der Beschwerdeentscheidung nicht entnehmen, inwieweit die Vorsorgebevoll-
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mächtigten rechtliche Aufgaben unerfüllt gelassen hätten, die nicht dem Aufgabenkreis des (vorläufigen) Betreuers unterfielen.
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(3) Schließlich kann auch das vom Beteiligten zu 4 seiner Schwester, der
Beteiligten zu 3, erteilte Hausverbot die Annahme einer Ungeeignetheit nicht
rechtfertigen. Zwar kann es gegebenenfalls die Besorgnis begründen, die Vollmacht werde nicht zum Wohl des Betroffenen ausgeübt, wenn der Bevollmächtigte eigene Interessen über die des Betroffenen stellt, indem er aus eigensüchtigen Motiven den persönlichen Kontakt des Betroffenen mit für diesen wichtigen Bezugspersonen unterbindet. Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt,
liegt ein solcher Fall hier aber nicht vor. In dem von den Vorsorgebevollmächtigten zur Akte gereichten Schreiben vom 27. April 2013 sind von dem Hausverbot
Besuche bei den gemeinsamen Eltern ausdrücklich ausgenommen. Hierauf
hatten die Vorsorgebevollmächtigten zudem im Betreuungsverfahren schriftsätzlich hingewiesen. Diesen entscheidenden Umstand hat das Beschwerdegericht nicht berücksichtigt.
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Im Übrigen zeigt das Schreiben, dass der Beteiligte zu 4 trotz der mit der
Schwester bestehenden Spannungen zwischen seinen eigenen und den Interessen der Betroffenen zu differenzieren weiß. Das Hausverbot spricht mithin
entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts nicht gegen die Eignung des
Beteiligten zu 4.
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3. Die angefochtene Entscheidung ist somit schon deshalb aufzuheben,
weil die nach § 1896 Abs. 2 BGB notwendige Erforderlichkeit der Betreuung
nicht feststeht. Mangels ausreichender Feststellungen kann der Senat in der
Sache nicht abschließend entscheiden. Die Sache ist daher an das Landgericht
zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit des § 74 Abs. 6
Satz 3 FamFG Gebrauch macht.
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a) Das Landgericht wird nunmehr die erforderlichen Feststellungen dazu
zu treffen haben, ob eine Betreuung trotz der Vorsorgevollmacht erforderlich ist.
Dabei wird es zu ermitteln haben, ob die Vollmachterteilung wirksam oder die
Betroffene zum damaligen Zeitpunkt bereits geschäftsunfähig war. Sollten trotz
Ausschöpfung aller Erkenntnismöglichkeiten Zweifel an der Wirksamkeit der
Vollmacht verbleiben, ist zu klären, ob diese Zweifel die Rechtswahrnehmung
der Vorsorgebevollmächtigten für die Betroffene in einer die Erforderlichkeit einer Betreuung begründenden Weise behindern können.
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Kommt das Landgericht zu dem Ergebnis, dass die Vollmacht im Grundsatz geeignet ist, der Einrichtung einer Betreuung nach § 1896 Abs. 2 Satz 2
BGB entgegenzustehen, wird es sich mit der Frage der Eignung der Vorsorgebevollmächtigten zu befassen haben. Dabei dürfte nahe liegen, die Vorsorgebevollmächtigten zu Zweifeln ihre Geeignetheit - oder auch Redlichkeit - betreffend persönlich anzuhören, um der aus § 26 FamFG folgenden Amtsermittlungspflicht zu genügen (vgl. Senatsbeschluss vom 15. Dezember 2010
- XII ZB 165/10 - FamRZ 2011, 285 Rn. 17 f. zur Geeignetheit und Redlichkeit
eines vom Betroffenen als Betreuer Vorgeschlagenen).
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Außerdem gibt die Zurückverweisung dem Landgericht Gelegenheit, die
erforderliche persönliche Anhörung der Betroffenen (§ 278 Abs. 1 Satz 1
FamFG) durchzuführen. Zwar kann das Beschwerdegericht gemäß § 68 Abs. 3
Satz 2 FamFG hiervon absehen, wenn sie bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurde und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Diese Annahme scheidet aus, wenn das Beschwerdegericht - wie hier - einen Betreuerwechsel vornimmt. Die Person des Betreuers
gehört zum elementaren Entscheidungsgehalt des die Betreuung errichtenden
Beschlusses, zu dem ein Betroffener sowohl mit Blick auf seine Verfahrensrechte als auch zur im Rahmen des § 26 FamFG gebotenen Amtsermittlung
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persönlich anzuhören ist. Eine - wie hier - vom Beschwerdegericht vorgenommene "Delegierung" etwa auf die Verfahrenspflegerin kommt nicht in Betracht.
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b) Ergänzend ist anzumerken, dass es für die vom Beschwerdegericht im
Beschlusstenor vorgenommene Erweiterung des Aufgabenkreises um die Aufenthaltsbestimmung und die Regelung des Postverkehrs vollständig an einer
Entscheidungsbegründung fehlt. Insoweit liegt die Vermutung nahe, dass diese
Tenorierung auf eine EDV-mäßige Übernahme des Beschlusstenors aus dem
für den Ehemann der Betroffenen geführten Beschwerdeverfahren zurückzuführen ist.
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Dass das Beschwerdegericht dem Betreuer die Überprüfung aufgegeben
hat, ob die General- und Vorsorgevollmacht zu widerrufen sei, gibt zu dem Hinweis Anlass, dass die Rechtsmacht des Betreuers zu einem solchen Widerruf
die ausdrückliche Zuweisung dieser Befugnis durch gerichtlichen Beschluss
erfordert (Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - XII ZB 674/14 - FamRZ 2015,
1702 Rn. 10 ff. mwN). Diese Zuweisung setzt tragfähige Feststellungen voraus,
dass das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls der Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in
erheblicher Schwere befürchten lässt. Sind behebbare Mängel bei der Vollmachtausübung festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
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grundsätzlich zunächst den Versuch, durch einen (Kontroll-)Betreuer auf den
Bevollmächtigten positiv einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung (§ 666 BGB) sowie durch die Ausübung bestehender Weisungsrechte. Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit als ungeeignet erscheinen, ist die Ermächtigung zum Widerruf der Vollmacht - als ultima ratio verhältnismäßig (Senatsbeschlüsse vom 14. Oktober 2015 - XII ZB 177/15 FamRZ 2016, 117 Rn. 16; vom 23. September 2015 - XII ZB 624/14 - FamRZ
2015, 2163 Rn. 17 und vom 28. Juli 2015 - XII ZB 674/14 - FamRZ 2015, 1702
Rn. 33 ff. mwN).
Dose
Weber-Monecke
Nedden-Boeger
Schilling
Guhling
Vorinstanzen:
AG Bad Oeynhausen, Entscheidung vom 12.06.2015 - 17 XVII 242/14 K LG Bielefeld, Entscheidung vom 18.09.2015 - 23 T 467/15 -