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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 372/13
vom
29. Januar 2014
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 1836 Abs. 1; FamFG §§ 24, 286 Abs. 1 Nr. 4; VBVG § 1 Abs. 1
a) Die nachträgliche rückwirkende Feststellung, dass der Betreuer die Betreuung berufsmäßig führt, ist auch dann unzulässig, wenn bei der Bestellung
des Betreuers die Feststellung versehentlich unterblieben ist (im Anschluss
an Senatsbeschluss vom 8. Januar 2014 - XII ZB 354/13 - juris).
b) Eine entsprechende mit Rückwirkung versehene Korrektur der Bestellungsentscheidung ist außer im Verfahren der Beschwerde gegen die Ausgangsentscheidung nur unter den Voraussetzungen der Beschlussberichtigung
nach § 42 FamFG möglich.
BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 372/13 - LG Bochum
AG Recklinghausen
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Januar 2014 durch
den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Günter,
Dr. Botur und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 wird der
Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom
13. Juni 2013 aufgehoben.
Auf die Beschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 wird unter Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Recklinghausen vom
23. Januar 2013 der Antrag des weiteren Beteiligten zu 1 auf
rückwirkende Feststellung der Berufsmäßigkeit der Führung der
Ergänzungsbetreuung abgewiesen.
Beschwerdewert: bis 1.000 €
Gründe:
I.
1
Gegenstand des Verfahrens ist die nachträgliche Feststellung der berufsmäßigen Führung einer Ergänzungsbetreuung.
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Der Beteiligte zu 1 wurde mit Beschluss vom 16. Februar 2010 zum Ergänzungsbetreuer für den - am 29. Februar 2012 verstorbenen - Betroffenen bestellt. Mit weiterem Beschluss vom 13. Juli 2010 wurde der Umfang der Ergänzungsbetreuung erweitert. In beiden Entscheidungen stellte das Amtsgericht die
Berufsmäßigkeit der Führung der Ergänzungsbetreuung nicht fest.
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Auf Antrag des Beteiligten zu 1 vom 11. September 2012 hat das Amtsgericht mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Anordnung der Ergänzungsbetreuung festgestellt, dass die Betreuung berufsmäßig geführt worden ist.
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Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 2, der Alleinerbe
des Betroffenen ist, hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Beteiligte zu 2 weiter die Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen.
II.
5
Die aufgrund der Zulassung nach § 70 Abs. 1 FamFG statthafte und auch
im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und unter Abänderung der
amtsgerichtlichen Entscheidung zur Abweisung des Antrags des Beteiligten zu 1,
die Berufsmäßigkeit der Führung der Ergänzungsbetreuung rückwirkend festzustellen.
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1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt,
die Feststellung einer berufsmäßigen Führung der Ergänzungsbetreuung könne
auch außerhalb einer Beschwerde gegen den Bestellungsbeschluss und unabhängig von den Voraussetzungen einer Beschlussberichtigung nachträglich mit
Rückwirkung auf den Bestellungszeitpunkt erfolgen. Aus § 1836 Abs. 1 Satz 2
BGB lasse sich auch unter Heranziehung der Gesetzesmaterialien nicht entnehmen, dass ein Vergütungsanspruch des Betreuers bei unterbliebener Feststellung der Berufsmäßigkeit im Rahmen seiner Bestellung schlechthin ausgeschlossen sein solle. Der Gesichtspunkt einer frühestmöglichen Rechtsklarheit und Kalkulierbarkeit von Vergütungsansprüchen sei nach dem Gesetz nicht absolut.
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§ 1836 Abs. 2 BGB zeige, dass sogar ohne Feststellung der Berufsmäßigkeit
eine angemessene Vergütung bewilligt werden könne. Die Möglichkeit einer
nachträglichen Feststellung der Berufsmäßigkeit ergebe sich auch aus dem Umstand, dass möglicherweise erst nach Bestellung des Betreuers die notwendigen
Feststellungen bezüglich der Berufsmäßigkeit seiner Tätigkeit getroffen werden
könnten. Eine unter Umständen dringliche Betreuerbestellung dürfe jedoch nicht
durch die Aufklärung von Fragen der Vergütungsfähigkeit verzögert werden. Zudem entspreche es verfahrensökonomischen Gesichtspunkten, eine rückwirkende Nachholung der Feststellung auf Antrag zuzulassen, statt den Betreuer insoweit auf den Beschwerdeweg zu verweisen. Die Beendigung der Betreuung
durch den Tod des Betroffenen stehe einer rückwirkenden Feststellung der Berufsmäßigkeit ebenfalls nicht entgegen. Dass die Betreuung mit dem Tod des
Betreuten grundsätzlich ende, bedeute nicht, dass danach keine Regelungen zu
Vergütungsfragen mehr getroffen werden könnten.
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2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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a) Der Senat hat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden, dass eine nachträgliche rückwirkende Feststellung der Berufsmäßigkeit
unzulässig ist, weil die gesetzlichen Vorgaben dem entgegenstehen (Senatsbeschluss vom 8. Januar 2014 - XII ZB 354/13 - juris).
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aa) Nach § 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1836 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB ist
grundsätzlich bei der Bestellung eines Betreuers darüber zu befinden, ob dieser
die Betreuung berufsmäßig führt. Dadurch soll verhindert werden, dass das Verfahren über die Festsetzung der Vergütung (§ 168 FamFG) mit einem Streit über
die Berufsmäßigkeit der Betreuung belastet wird. Zugleich soll im Interesse der
Rechtssicherheit und -klarheit für alle Beteiligten rechtzeitig feststehen, ob und
welche Ansprüche dem Betreuer aus der Betreuung erwachsen und welche Las-
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ten mit der Bestellung dieses Betreuers für den Betroffenen oder die Staatskasse
verbunden sind (Senatsbeschlüsse vom 8. Januar 2014 - XII ZB 354/13 - juris
und vom 9. November 2005 - XII ZB 49/01 - FamRZ 2006, 111, 114; vgl. auch
BT-Drucks. 13/10331 S. 27).
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bb) Mit der Regelung in § 286 Abs. 1 Nr. 4 FamFG, der die Bezeichnung
des Berufsbetreuers als solchen in der Beschlussformel anordnet, wollte der Gesetzgeber sicherstellen, dass das Gericht die Feststellung der Berufsmäßigkeit
bereits bei der Bestellung trifft (BT-Drucks. 16/6308 S. 268).
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cc) Da die Anordnung einer Betreuung nach § 1896 BGB mit der Bestellung des Betreuers einhergeht (st. Rspr. des Senats, vgl. z.B. Senatsbeschlüsse
vom 19. Dezember 2012 - XII ZB 557/12 - FamRZ 2013, 369 Rn. 2 und vom
20. Juli 2011 - XII ZB 445/10 - FamRZ 2011, 1728 Rn. 9; vgl. auch BT-Drucks.
11/4528 S. 91), ist auch bereits in diesem Zeitpunkt über die Person des Betreuers zu befinden. Der Gesetzgeber hat in § 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB eine Rangfolge bei der Betreuerauswahl vorgegeben (vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 50), so
dass die Entscheidung darüber, wer als Betreuer einzusetzen ist, maßgeblich
auch davon beeinflusst wird, welche der in Frage kommenden Personen die Betreuung ehrenamtlich oder berufsmäßig führen würden (vgl. BayObLG FamRZ
2001, 867, 868; Bienwald in Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann Betreuungsrecht
5. Aufl. § 1836 BGB Rn. 20). Eine mit Rückwirkung erfolgende nachträgliche Änderung des dem Betreuer zuerkannten Status von ehrenamtlich in berufsmäßig
hätte daher zur Folge, dass diejenigen Umstände, die der im Rahmen der ursprünglichen Entscheidung vorgenommenen Betreuerbestellung zugrunde lagen,
im Nachhinein überholt wären. Damit könnte, entgegen dem Gesetzeswortlaut
und der gesetzgeberischen Intention durch die Entscheidung auch hinsichtlich
der Betreuervergütung Rechtssicherheit und -klarheit zu gewährleisten, ohne
zeitliche Schranke in den vom Betreuungsgericht durch den Beschluss nach
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§ 1896 BGB geschaffenen Regelungszusammenhang mit Wirkung für die
Vergangenheit eingegriffen werden (Senatsbeschluss vom 8. Januar 2014
- XII ZB 354/13 - juris).
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dd) Schließlich besteht für eine nachträgliche mit Rückwirkung verbundene Feststellung der Berufsmäßigkeit auch kein rechtlich anzuerkennendes Bedürfnis. Der Betreuer, der sich gegen das Unterbleiben der konstitutiven Feststellung einer berufsmäßigen Führung der Betreuung wenden will, kann die befristete Beschwerde gemäß §§ 58 ff. FamFG gegen die Bestellungsentscheidung erheben. Diese ermöglicht eine Überprüfung im engen zeitlichen Zusammenhang
mit dem ursprünglichen Beschluss und eine Rückwirkung auf den Bestellungszeitpunkt (Senatsbeschluss vom 9. November 2005 - XII ZB 49/01 - FamRZ
2006, 111, 114). Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten wurde, eine nachträgliche Feststellung sei jederzeit möglich (vgl. OLG Naumburg
FamRZ 2011, 1252, 1253; 2009, 370; OLG Brandenburg ZKJ 2009, 132, 133;
OLG Schleswig FGPrax 2010, 139), lagen dem Bestellungsentscheidungen zugrunde, die noch mit der unbefristet möglichen Beschwerde nach § 19 FGG angegriffen werden konnten.
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b) Diese Erwägungen stehen einer nachträglichen rückwirkenden Feststellung der Berufsmäßigkeit auch dann entgegen, wenn - wie im vorliegenden Fall die Feststellung der Berufsmäßigkeit bei der Bestellung des Betreuers versehentlich unterblieben ist. Der mit der Regelung in § 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1836
Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB verfolgte Gesetzeszweck, im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bereits bei der Bestellung des Betreuers erkennbar zu machen, ob und welche Ansprüche aus der Betreuung erwachsen und welche Lasten mit der Bestellung dieses Betreuers für den Betroffenen oder die Staatskasse
verbunden sind, wäre auch dann nicht gewahrt, wenn in diesem Fall die Entscheidung zeitlich unbefristet nachgeholt werden könnte.
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c) Die amtsgerichtliche Entscheidung kann auch nicht als bloße Berichtigung des Bestellungsbeschlusses gemäß § 42 FamFG verstanden werden.
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aa) Zwar kann grundsätzlich auch ein Beschluss, der eine Betreuerbestellung zum Inhalt hat, im Verfahren nach § 42 FamFG berichtigt werden (Senatsbeschluss vom 8. Januar 2014 - XII ZB 354/13 - juris, vgl. dazu auch OLG Hamm
BtPrax 2008, 136, 137; Knittel Betreuungsrecht [Stand: 1. Dezember 2011]
§ 1836 BGB Rn. 17). Diese - zeitlich unbegrenzte - Korrekturmöglichkeit ist jedoch nur eröffnet, wenn sich die versehentlich unterbliebene Feststellung der
Berufsmäßigkeit als eine offenbare Unrichtigkeit i.S.v. § 42 Abs. 1 FamFG darstellt. Eine solche liegt indes nur vor, wenn sich die Unrichtigkeit aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst oder aus den Vorgängen bei seiner Verkündung bzw. Bekanntgabe ergibt und wenn sie ohne weiteres erkennbar ist
(BGH Beschluss vom 12. Dezember 2006 - I ZB 83/06 - NJW 2007, 518 Rn. 12
mwN zu § 319 ZPO; Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 42 Rn. 8). Die Unrichtigkeit darf also nicht gerichtsintern bleiben, sondern muss auch für Dritte
erkennbar sein (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH Beschluss vom 29. April 2013
- VII ZB 54/11 - NJW 2013, 2124 Rn. 10 mwN). Für die Berichtigung einer Entscheidungsformel folgt daraus, dass eine offensichtliche Unrichtigkeit i.S.v. § 42
Abs. 1 FamFG nur vorliegt, wenn sich zweifelsfrei feststellen lässt, dass der Ausspruch den tatsächlichen Entscheidungswillen des Gerichts unvollkommen wiedergibt. Lässt sich ein solcher Widerspruch zwischen dem Tenor und den Gründen des Beschlusses nicht feststellen, scheidet eine Beschlussberichtigung nach
§ 42 FamFG aus (Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 42 Rn. 21).
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bb) Gemessen an diesen Grundsätzen kann die amtsgerichtliche Entscheidung nicht als Berichtigungsbeschluss angesehen werden. Eine offensichtliche Unrichtigkeit i.S.v. § 42 Abs. 1 FamFG liegt nicht vor.
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Die amtsgerichtliche Entscheidung verhält sich weder in der Beschlussformel noch in den Gründen zu der Frage der Berufsmäßigkeit der Führung der
Ergänzungsbetreuung durch den Beteiligten zu 1. Allein aus dem Umstand, dass
der Beteiligte zu 1 ehemals als Notar und Rechtsanwalt tätig war und in keiner
persönlichen Beziehung zu dem Betroffenen stand, kann auf die Berufsmäßigkeit
der Führung der Betreuung nicht geschlossen werden. Zwar kann für die Feststellung der berufsmäßigen Führung einer Betreuung auch entscheidend sein,
dass der Betreuer über eine besondere, für die übertragenen Aufgaben relevante
berufliche Qualifikation verfügt (Palandt/Götz BGB 73. Aufl. § 1 VBVG Rn. 4
mwN). Erforderlich ist jedoch stets eine Gesamtbetrachtung der maßgeblichen
Umstände unter Berücksichtigung der in § 1 Abs. 1 Satz 2 und 3 VBVG enthaltenen Vorgaben. Die danach bei der Bestellungsentscheidung vorzunehmende
Prüfung im Rahmen des § 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB
schließt es aus, eine unterbliebene Entscheidung zur Berufsmäßigkeit als offensichtliche Unrichtigkeit i.S.v. § 24 Abs. 1 FamFG anzusehen, wenn in den Beschlussgründen keine Ausführungen hierzu enthalten sind.
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3. Die Entscheidung ist daher aufzuheben. Der Senat kann in der Sache
selbst entscheiden, weil sie zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 1
FamFG).
Dose
Klinkhammer
Botur
Günter
Guhling
Vorinstanzen:
AG Recklinghausen, Entscheidung vom 23.01.2013 - 64 XVII L 909 LG Bochum, Entscheidung vom 13.06.2013 - I-7 T 84/13 -