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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 371/12
vom
17. April 2013
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VersAusglG § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 23
a) Eine limitierte, endgehaltsbezogene Gesamtzusage ist nicht ausgleichsreif,
soweit sie der Höhe nach noch nicht unverfallbar ist (hier: Zusage für Beschäftigte des Südwestrundfunks, die vor dem 1. Januar 1993 beim früheren Südwestfunk eingetreten sind).
b) Über den Abfindungsanspruch nach §§ 23 f. VersAusglG kann bereits bei
der Scheidung entschieden werden. Voraussetzung einer Abfindung ist jedoch, dass es sich um ein dem Grund und der Höhe nach gesichertes Anrecht handelt.
BGH, Beschluss vom 17. April 2013 - XII ZB 371/12 - OLG Karlsruhe
AG Baden-Baden
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 17. April 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 16. Zivilsenats
- Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe
vom 6. Juni 2012 wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis 2.500 €
Gründe:
I.
1
Die Beteiligten streiten über den Versorgungsausgleich.
2
Auf den am 2. Dezember 2009 zugestellten Antrag hat das Familiengericht die am 29. März 1997 geschlossene Ehe des Antragstellers (Ehemann)
und der Antragsgegnerin (Ehefrau) rechtskräftig geschieden.
3
Beide Ehegatten erwarben während der Ehezeit (1. März 1997 bis
30. November 2009; § 3 Abs. 1 VersAusglG) Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Ehemann darüber hinaus Anrechte aus einer
Lebensversicherung sowie eine betriebliche Altersversorgung nach der im Tarifvertrag Versorgung des Südwestrundfunks (TVV-SWR) enthaltenen Versorgungszusage für Beschäftigte, die vor dem 1. Januar 1993 beim früheren Südwestfunk eingetreten sind.
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4
Bei der Versorgungszusage des Südwestrundfunks handelt es sich um
eine limitierte, endgehaltsbezogene Gesamtzusage. Gemäß Abschnitt B Ziffern 2.2, 11.1, 12.1 TVV-SWR beträgt der Betriebsrentenanspruch abhängig
von der ruhegeldfähigen Dienstzeit bis zu 60 % des ruhegeldfähigen Einkommens, wobei zusammen mit bestimmten sonstigen Versorgungsleistungen die
- ebenfalls nach Dienstzeit gestaffelte - Gesamtobergrenze von bis zu 75 % des
ruhegeldfähigen Einkommens nicht überschritten werden darf.
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Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich durchgeführt, indem
es die in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Entgeltpunkte und
die Anrechte aus der Lebensversicherung intern geteilt hat. Bezüglich des beim
Südwestrundfunk erworbenen Anrechts hat das Familiengericht den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten, weil das Anrecht noch nicht
ausgleichsreif sei, und den hilfsweise von der Ehefrau gestellten Antrag auf
Zahlung einer Abfindung abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die auf dieses
Anrecht bezogene Beschwerde der Ehefrau zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Ehefrau weiterhin die interne Teilung des
beim Südwestrundfunk erworbenen Anrechts, hilfsweise dessen Abfindung.
II.
6
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
7
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie
folgt begründet: Die Betriebsrente des Ehemanns beim Südwestrundfunk sei
der Höhe nach noch nicht unverfallbar und damit nicht ausgleichsreif. Für die
Beurteilung dieser Frage komme es darauf an, ob und inwieweit die betrieblichen Versorgungsanrechte nach der maßgeblichen Versorgungsordnung des
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Betriebs in ihrem Versorgungswert noch durch die künftige betriebliche und/
oder berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden könne.
Bei der hier vorliegenden endgehaltsbezogenen limitierten Gesamtversorgung
sei die Anrechnung anderer Versorgungen vorgesehen, deren jeweilige Höhe
sich jederzeit noch erheblich verändern könne. Solche Änderungen wirkten sich
unmittelbar auf die Höhe der Betriebsrente aus. Außerdem erscheine die Höhe
der Anwartschaft auch deshalb als unsicher, weil die Höhe der Gesamtversorgungsobergrenze zusätzlich unter einem tarifvertraglichen Anpassungsvorbehalt stehe. Somit ließen sich die maßgeblichen Bezugsgrößen der Anwartschaft
(Endgehalt, Höhe der gesetzlichen Rente bei Ausscheiden aus dem Betrieb,
Umfang und Höhe der weiteren Versorgungen, Höhe der Gesamtversorgungsobergrenze) bei Ausscheiden aus dem Betrieb derzeit insgesamt nicht sicher
feststellen. Auch eine Aufteilung der Anwartschaft in einen statischen und einen
dynamischen Teil sei mangels Vorliegens objektiver Teilungskriterien nicht
möglich. Ebenfalls komme ein Abfindungsanspruch nicht in Betracht, solange
die Unverfallbarkeit des Anspruchs nicht eingetreten sei.
8
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
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a) Gemäß § 19 Abs. 1 VersAusglG findet, wenn ein Anrecht nicht ausgleichsreif ist, insoweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt. Nicht
ausgleichsreif ist ein Anrecht insbesondere, wenn es dem Grund oder der Höhe
nach nicht hinreichend verfestigt ist (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG). Hinreichend verfestigt ist ein Anrecht insoweit, als der Versorgungswert dem Grund
und der Höhe nach durch die künftige betriebliche oder berufliche Entwicklung
des Arbeitnehmers nicht mehr beeinträchtigt werden kann und somit bereits
endgültig gesichert ist (FAKomm-FamR/Wick 5. Aufl. § 19 VersAusglG Rn. 11;
Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl. § 19 VersAusglG Rn. 5;
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Hoppenz Familiensachen 9. Aufl. § 19 VersAusglG Rn. 5; vgl. auch Senatsbeschluss vom 12. April 1989 - IVb ZB 146/86 - FamRZ 1989, 844, 845 mwN).
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Wie das Oberlandesgericht zutreffend erkannt hat, ist das vom Ehemann
beim Südwestrundfunk erworbene Anrecht der Höhe nach noch nicht endgültig
gesichert. Denn gemäß Abschnitt B Ziffer 11.1, 12.1 TVV-SWR ist die Versorgung auf eine dienstzeitabhängige Gesamtobergrenze unter Anrechnung bestimmter sonstiger Versorgungsleistungen limitiert. Die Höhe der vom Südwestrundfunk zu beanspruchenden Versorgungsleistung hängt mithin davon ab,
welche weiteren Versorgungsanrechte der Ehemann künftig noch erwirbt und
welche sonstigen Versorgungsleistungen er künftig bezieht. Soweit die Leistungspflicht des Südwestrundfunks noch durch zu erwerbende sonstige Versorgungsanrechte gemindert werden kann, ist Unverfallbarkeit der Höhe nach nicht
eingetreten. Auf den Grad der Wahrscheinlichkeit, mit der der weitere Erwerb
sonstiger Versorgungsleistungen zu erwarten ist, kommt es für die Frage der
Unverfallbarkeit der Anwartschaft nicht an (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Dezember 1985 - IVb ZB 113/83 - FamRZ 1986, 341, 343). Nach der eingeholten
Auskunft des Versorgungsträgers ist das Anrecht aufgrund des noch möglichen
Erwerbs sonstiger Versorgungsleistungen und deren Anrechnung auf die Gesamtversorgung insgesamt noch nicht verfestigt.
11
b) Ebenfalls zutreffend hat das Oberlandesgericht entschieden, dass eine Aufteilung der Anwartschaft in einen der Höhe nach bereits unverfallbaren
und einen weiteren, noch verfallbaren Anteil nicht möglich ist.
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Eine Aufteilung der Anwartschaft käme zwar in Betracht, wenn unabhängig von einem noch nicht unverfallbaren Teil der Altersrente wenigstens eine
hinreichend verfestigte Mindestrente zugesagt ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom
26. Mai 1982 - IVb ZB 718/81 - FamRZ 1982, 899, 902 f. und vom 12. April
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1989 - IVb ZB 146/86 - FamRZ 1989, 844, 845 mwN). In der Versorgungsordnung wird eine solche Mindestrente jedoch nur denjenigen Beschäftigten zugesagt, die vor dem 1. Januar 1992 beim Süddeutschen Rundfunk eingetreten
sind (Abschnitt A Ziffer 1.2 i.V.m. Abschnitt C Ziffer 11.2 TVV-SWR). Die Mindestrente gilt hingegen nicht für die ursprünglich beim Südwestfunk Beschäftigten, zu denen der Ehemann gehört (vgl. Abschnitt A Ziffer 1.1 i.V.m. Abschnitt B
TVV-SWR).
13
c) Ebenfalls zutreffend hat das Oberlandesgericht entschieden, dass
eine Abfindung des noch nicht ausgleichsreifen Anrechts gemäß §§ 23 f.
VersAusglG nicht in Betracht kommt.
14
aa) Zwar kann über eine schuldrechtliche Abfindung eines Anrechts bereits bei der Scheidung entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass
die Anspruchsgrundlage (§ 23 Abs. 1 VersAusglG) in einem Gesetzesabschnitt
geregelt ist, der sich mit Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung befasst.
Denn entgegen der systematischen Einordnung will die Vorschrift, die dem
früheren § 1587 l Abs. 1 BGB nachgebildet ist, eine Möglichkeit zum Ausgleich
entweder in der Anwartschaftsphase oder in der Leistungsphase schaffen (BTDruck. 16/10144 S. 65). Anders als bei der schuldrechtlichen Ausgleichsrente
(§ 20 VersAusglG) ist der tatsächliche Rentenbezug daher kein Anknüpfungspunkt (Hoppenz Familiensachen § 24 VersAusglG Rn. 2). Leitet sich die Abfindbarkeit aus der Art des Anrechts und seiner fehlenden internen oder externen Ausgleichsreife bei der Scheidung her und liegen die Voraussetzungen für
eine schuldrechtliche Abfindung bereits bei der Scheidung vor, kann der Abfindungsanspruch - wie nach früherem Recht (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Februar 1984 - IVb ZB 915/80 - FamRZ 1984, 668, 669) - bereits im Scheidungsverbund geltend gemacht werden (Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht
5. Aufl. § 23 VersAusglG Rn. 1; FAKomm-FamR/Wick 5. Aufl. § 23 VersAusglG
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Rn. 13; Borth Versorgungsausgleich 6. Aufl. Rn. 797; Hoppenz Familiensachen
9. Aufl. § 24 VersAusglG Rn. 2).
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bb) Voraussetzung eines Abfindungsanspruchs nach § 23 VersAusglG
ist jedoch, dass es sich bei dem noch nicht ausgeglichenen Anrecht um
ein dem Grund und der Höhe nach gesichertes Anrecht handelt (FAKommFamR/Wick 5. Aufl. § 23 VersAusglG Rn. 4; Borth Versorgungsausgleich
6. Aufl. Rn. 706; MünchKommBGB/Glockner 6. Aufl. § 23 VersAusglG Rn. 2;
Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl. § 23 VersAusglG Rn. 1;
Hoppenz Familiensachen 9. Aufl. § 24 VersAusglG Rn. 10; vgl. auch Senatsbeschluss vom 29. Februar 1984 - IVb ZB 915/80 - FamRZ 1984, 668, 669). An
der nötigen Unverfallbarkeit fehlt es hingegen aus den dargelegten Gründen.
Dose
Weber-Monecke
Schilling
Klinkhammer
Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Baden-Baden, Entscheidung vom 07.04.2011 - 3 F 152/09 OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 06.06.2012 - 16 UF 87/11 -