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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
XII ZB 303/13
Verkündet am:
29. Januar 2014
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 134, 138 Aa, Cd, 139, 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360 a Abs. 3, 1614
a)
Der vollständige Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann auch bei einer Alleinverdienerehe der ehevertraglichen Wirksamkeitskontrolle standhalten, wenn die wirtschaftlich
nachteiligen Folgen dieser Regelung für den belasteten Ehegatten durch die ihm gewährten Kompensationsleistungen (hier: Finanzierung einer privaten Kapitalversicherung; Übertragung einer Immobilie) ausreichend abgemildert werden.
b)
Zu den subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit im Rahmen der Gesamtwürdigung eines objektiv einseitig belastenden Ehevertrages (Fortführung der Senatsurteile vom
31. Oktober 2012 - XII ZR 129/10 - FamRZ 2013, 195 und vom 21. November 2012
- XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269).
c)
Das gesetzliche Verbot des Verzichts auf Trennungsunterhalt kann durch ein pactum de
non petendo nicht umgangen werden.
BGH, Beschluss vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 - OLG Nürnberg
AG Erlangen
-2-
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 29. Januar 2014 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Botur und Guhling
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des
Oberlandesgerichts Nürnberg vom 21. Mai 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
I.
1
Die beteiligten Eheleute streiten im Scheidungsverbund um Versorgungsausgleich sowie um Zugewinnausgleich und dabei insbesondere um die
Wirksamkeit eines Ehevertrages.
2
Die beteiligten Eheleute, aus deren Beziehung ein mittlerweile volljähriger Sohn hervorgegangen ist, heirateten am 15. Juni 1991. Der 1963 geborene
Antragsteller ist seit den 1980er Jahren für die A.-Versicherung tätig und leitet
seit 1988 als selbständiger Versicherungsvertreter eine Generalagentur. Die
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1958 geborene Antragsgegnerin, die über keine abgeschlossene Berufsbildung
verfügt, war bis zur Geburt des gemeinsamen Sohnes im Jahre 1989 mit einem
gastronomischen Betrieb selbständig und hatte während der Ehe vorwiegend
den Haushalt geführt und das Kind betreut; daneben war sie zeitweise in der
Agentur des Antragstellers als Bürokraft geringfügig beschäftigt.
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Am 18. Januar 2007 schlossen die Eheleute einen notariellen Ehevertrag
mit Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung, dem folgende Präambel
vorangestellt war:
"Die Parteien leben derzeit nicht getrennt, doch befindet sich ihre Ehe in einer
tiefen Krise, da [die Antragsgegnerin] ohne rechtfertigende oder entschuldigende Veranlassung mutwillig aus der intakten Ehe ausgebrochen ist und intime
Beziehungen zu einem anderen Mann aufgenommen hat."
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In diesem Vertrag trafen die Eheleute umfangreiche und weitgehende
Vereinbarungen zur Regelung ihrer vermögensrechtlichen Beziehungen, bei der
sie die gesetzlichen Scheidungsfolgen im Wesentlichen ausschlossen. Bei Aufrechterhaltung des gesetzlichen Güterstandes sollte im Falle der Scheidung ein
Zugewinnausgleich nicht stattfinden. Im Rahmen der Auseinandersetzung ihres
sonstigen Vermögens teilten die Eheleute das Guthaben auf einem gemeinsamen Wertpapierdepot in Höhe von seinerzeit 260.000 € hälftig auf, so dass der
Antragsgegnerin Fondsanteile in Höhe von 130.000 € zugewiesen wurden. Ferner waren die Eheleute gemeinschaftliche Eigentümer von zwei gleich großen
Eigentumswohnungen in derselben Wohnanlage, die während der Ehezeit zur
Kapitalanlage angeschafft und vollständig fremdfinanziert worden waren. Der
Antragsteller verpflichtete sich, der Antragsgegnerin eine dieser beiden Wohnungen, deren Wert bei Vertragsschluss jeweils rund 130.000 € betrug, nach
ihrer Auswahl zu Alleineigentum zu übertragen (Zug-um-Zug gegen Übertragung der anderen Wohnung auf den Antragsteller) und diese unter Übernahme
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sämtlicher zur Finanzierung der Eigentumswohnungen eingegangenen Verbindlichkeiten zu entschulden.
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Ferner stellte der Antragsteller die Antragsgegnerin im Innenverhältnis
von Unterhaltsansprüchen des gemeinsamen Sohnes frei. Zum Trennungsunterhalt enthielt die Vereinbarung folgende Bestimmungen:
"Für den Fall der Trennung wird keine der Parteien gegen die andere Getrenntlebensunterhaltsansprüche geltend machen.
Insbesondere gehen sie davon aus, dass [die Antragsgegnerin] wegen ihres
ehebrecherischen Verhaltens die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1579 Ziffer 6 i.V.m. § 1361 Abs. 3 BGB erfüllt und deshalb ihren Unterhaltsanspruch
gegen [den Antragsteller] verwirkt hat.
Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und lediglich um anfängliche Härten
nach der Trennung zu vermeiden, verpflichtet sich [der Antragsteller] ab dem
Zeitpunkt einer eventuellen Trennung … an [die Antragsgegnerin] einen monatlichen, jeweils im Voraus fälligen Unterhaltsbetrag in Höhe von 1.500 Euro, befristet auf die Zeitdauer von 12 Monaten ab Beginn der Trennung zu leisten.
Dieser Betrag ist fest und unabänderlich und unabhängig von den jeweiligen
Einkommensverhältnissen der Parteien zu entrichten.
Letztendlich sind sie aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse
selbst in der Lage, ihren den ehelichen Verhältnissen entsprechenden Unterhalt
selbst zu befriedigen."
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Ausgehend von der übereinstimmenden "Feststellung", dass auch Ansprüche der Antragsgegnerin auf Nachscheidungsunterhalt wegen Verwirkung
nicht bestünden, verzichteten die Eheleute darüber hinaus "vorsorglich" auf
nachehelichen Unterhalt, auch für den Fall der Not. Schließlich schlossen die
Eheleute durch den Ehevertrag auch den öffentlich-rechtlichen und den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vollständig aus. Der Antragsteller verpflichtete sich, auf eine von der Antragsgegnerin abzuschließende und mit Vollendung
ihres 65. Lebensjahres fällig werdende Lebensversicherung auf Kapital- oder
Rentenbasis für die Dauer der Laufzeit der Versicherung monatliche Beiträge in
Höhe von 500 € einzuzahlen.
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Im Juni 2007 schloss die Antragsgegnerin einen privaten Rentenversicherungsvertrag ab, dessen Jahresbeitrag in Höhe von 6.000 € seither von dem
Antragsteller bedient wird. Die Eheleute trennten sich im April 2010. Die Antragsgegnerin hat sich nach der Trennung mit einem Büroservice selbständig
gemacht und erzielte hieraus im Jahre 2011 Gewinneinkünfte vor Steuern in
Höhe von 17.375 €.
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Der Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin am 29. Juli 2011 zugestellt worden. Die Antragsgegnerin hat im Scheidungsverbund die Durchführung
des Versorgungsausgleichs beantragt und den Antragsteller zum Zugewinnausgleich im Wege des Stufenantrages zunächst auf Auskunft über sein Anfangs- und Endvermögen sowie über sein Vermögen im Trennungszeitpunkt in
Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat - nach vorheriger Einholung von
Versorgungsauskünften - die Ehe durch Beschluss vom 18. Oktober 2012 geschieden und ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde;
das Begehren der Antragsgegnerin auf Zugewinnausgleich hat das Amtsgericht
insgesamt abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die gegen den Ausspruch
zum Versorgungsausgleich und zum Zugewinnausgleich gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, die ihr Begehren auf Durchführung
des Versorgungsausgleichs und ihren in der ersten Stufe erhobenen Auskunftsantrag zum Zugewinnausgleich weiterverfolgt.
II.
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Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
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1. Das Beschwerdegericht hat die Entscheidung des Amtsgerichts, nach
der ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde und der Antrag der Antragsgegnerin in der Folgesache Güterrecht insgesamt der Abweisung unterliege, im Ergebnis gebilligt und zur Begründung das Folgende ausgeführt:
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Der Ehevertrag halte einer Wirksamkeitskontrolle nach dem Maßstab des
§ 138 BGB stand. Nach ständiger Rechtsprechung erweise sich der Zugewinnausgleich einer ehevertraglichen Disposition am weitesten zugänglich, so dass
ein Ausschluss des gesetzlichen Güterstandes für sich genommen regelmäßig
nicht sittenwidrig sei. Hinzu komme, dass der Verzicht auf den Zugewinnausgleich nicht entschädigungslos erfolgt sei, weil die Antragsgegnerin nicht nur
Alleineigentümerin der von ihr im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung
ausgewählten Eigentumswohnung geworden sei, sondern der Antragsteller sich
zusätzlich verpflichtet habe, die Antragsgegnerin von den auf beiden Wohnungen ruhenden Belastungen freizustellen. Angesichts der erheblichen Darlehensbelastungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses stelle dies eine deutliche Gegenleistung des Antragstellers dar. Der Versorgungsausgleich sei demgegenüber dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zuzuordnen. Im Hinblick auf
die Regelungen zum Versorgungsausgleich erscheine eine ungleiche Lastenverteilung und damit die Verwirklichung des objektiven Tatbestands von § 138
Abs. 1 BGB "sehr wahrscheinlich", wobei es keine entscheidende Rolle spiele,
dass der Ehevertrag nicht zu Anfang der Ehe, sondern erst zu einem späteren
Zeitpunkt abgeschlossen wurde, weil der Verzicht auf die gesamte Ehezeit zurückwirke. Auch unter Berücksichtigung der im notariellen Vertrag vereinbarten
monatlichen Zahlungen von 500 € für die Altersversorgung der Antragsgegnerin
dürfte aus Sicht des Vertragsschlusses ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen den von den Eheleuten zu erwartenden Versorgungsleistungen gegeben
sein. Der Antragsteller habe zwar die Behauptung der Antragsgegnerin, seine
künftig zu erwartende Versorgung betrage "monatlich 12.000 €", als Fiktion be-
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zeichnet. Es könne aber davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller
wegen seiner Berufstätigkeit und der während der Ehedauer erfolgten "Einzahlungen in das Vertreterversorgungswerk" erheblich höhere Rentenanwartschaften als die Antragsgegnerin zu erwarten habe.
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Es könne auch unterstellt werden, dass eine Gesamtwürdigung der notariellen Vereinbarung, bei der auch der Ausschluss von nachehelichen Unterhaltsansprüchen eine Rolle spiele, objektiv den Tatbestand des § 138 Abs. 1
BGB verwirkliche. Es fehle aber am subjektiven Tatbestand. Eine ungleiche
Verhandlungsposition bei Dominanz des Antragstellers, eine Zwangslage oder
eine intellektuelle Unterlegenheit der Antragsgegnerin könne nicht festgestellt
werden. Es möge zwar sein, dass die Antragsgegnerin aufgrund ihres "Fehltritts" Schuldgefühle gehabt habe und - wie im Übrigen auch der Antragsteller dem Sohn eine Scheidung ersparen wollte. Dem stehe aber gegenüber, dass
die Eheleute mehrere Monate über den Ehevertrag verhandelt hätten. Zwar
möge es zutreffen, dass sich die Antragsgegnerin mit ihren Positionen nicht
oder nur teilweise habe durchsetzen können und der Vertrag letztendlich im
Wesentlichen durch die Vorstellungen des Antragstellers geprägt gewesen sei.
Eine Störung der subjektiven Vertragsparität lasse sich hieraus nicht herleiten.
Vielmehr trage die Antragsgegnerin selbst vor, sie sei bei Vertragsschluss der
sich im nachhinein als Fehleinschätzung erweisenden Vorstellung unterlegen,
aus ihrem Vermögen erhebliche Kapitaleinkünfte erzielen und im Wesentlichen
von diesen Kapitaleinkünften und Mieterträgen leben zu können. Es sei unerheblich, worauf diese Fehleinschätzung beruhe, ob also bereits die von der Antragsgegnerin vor Vertragsschluss bei einem Finanzberater eingeholte Auskunft
zu optimistisch gewesen sei oder ob sich aufgrund der allgemeinen Zinsentwicklung in der Finanzkrise die ursprünglich realistische Erwartung nicht erfüllt
habe.
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Schließlich sei der Ehevertrag auch nicht im Wege der Ausübungskontrolle nach § 242 BGB zu korrigieren oder nach den Grundsätzen des Wegfalls
der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) anzupassen. Es sei in der Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin nach Vertragsschluss keine Änderung der
Lebensumstände eingetreten. Eine Vertragsanpassung könne auch nicht damit
gerechtfertigt werden, dass die Antragsgegnerin nach Vertragsschluss ihr Vermögen nicht habe mehren können, sondern sich dieses aufgrund der Finanzkrise sogar noch verringert habe, während der Antragsteller seinen Vermögensaufbau habe weiter betreiben können. Dass die Erwartung weiteren Vermögensaufbaus durch die Antragsgegnerin Grundlage des Ehevertrages gewesen sei, habe die Antragsgegnerin nicht vorgetragen, und dies ergebe sich auch
nicht aus den inhaltlichen Regelungen des Ehevertrages. Auch der - im Übrigen
von dem Antragsteller bestrittene - Umstand, dass die Ehekrise nach Vertragsschluss überwunden worden sei, habe unter dem Gesichtspunkt der Ausübungskontrolle keine Bedeutung. Der "Fehltritt" der Antragsgegnerin möge
Anlass für den Ehevertrag gewesen sein und hinsichtlich des Unterhaltsverzichts eine Rolle gespielt haben; Geschäftsgrundlage für die notarielle Vereinbarung sei er dagegen nicht geworden. Hinzu komme, dass im Rahmen der
Ausübungskontrolle zu berücksichtigen sei, dass die Anpassung dem Ausgleich
ehebedingter Nachteile diene. Dies bedeute, dass die Antragsgegnerin durch
eine nach Treu und Glauben gebotene Vertragsanpassung nur erreichen könne, nicht einseitig mit ehebedingten Nachteilen belastet zu bleiben. Die Antragsgegnerin trage aber selbst nicht vor, dass sie nach Abschluss des Ehevertrages wirtschaftliche Risiken auf sich genommen habe, die sich nach dem
endgültigen Scheitern der Ehe als Folge des Verzichts auf Unterhalt, Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich als einseitige Belastung erwiesen. Der
Behauptung des Antragstellers, dass die Antragsgegnerin trotz des notariellen
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Ehevertrages durch die Ehe finanziell besser ausgestattet sei als ohne Eheschließung, habe die Antragsgegnerin nicht widersprochen.
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Dies ist nicht in jeder Hinsicht frei von rechtlichen Bedenken.
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2. Mit Recht geht das Beschwerdegericht allerdings davon aus, dass die
in dem Ehevertrag vom 18. Januar 2007 enthaltenen Abreden hinsichtlich Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich sowohl für sich genommen als auch
im Rahmen der Gesamtwürdigung aller zu den Scheidungsfolgen getroffenen
Einzelregelungen einer Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 Abs. 1
BGB standhalten.
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a) Wie der Senat wiederholt dargelegt hat (grundlegend Senatsurteil
BGHZ 158, 81, 94 ff. = FamRZ 2004, 601, 604 ff.), darf die grundsätzliche Disponibilität der Scheidungsfolgen nicht dazu führen, dass der Schutzzweck der
gesetzlichen Regelungen durch vertragliche Vereinbarungen beliebig unterlaufen werden kann. Das wäre der Fall, wenn dadurch eine evident einseitige und
durch die individuelle Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigte Lastenverteilung entstünde, die hinzunehmen für den belasteten
Ehegatten - bei angemessener Berücksichtigung der Belange des anderen
Ehegatten und seines Vertrauens in die Geltung der getroffenen Abrede - bei
verständiger Würdigung des Wesens der Ehe unzumutbar erscheint. Die Belastungen des einen Ehegatten wiegen dabei umso schwerer und die Belange des
anderen Ehegatten bedürfen umso genauerer Prüfung, je unmittelbarer die vertragliche Abbedingung gesetzlicher Regelungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift. Zu diesem Kernbereich gehört in erster Linie der
Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB). Im Übrigen wird man eine Rangabstufung
vornehmen können, die sich vor allem danach bemisst, welche Bedeutung die
einzelnen Scheidungsfolgenregelungen für den Berechtigten in seiner jeweiligen Lage haben.
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Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter dabei zunächst
zu prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens
offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall
führt, dass ihr - und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten
und ihrer Lebensverhältnisse - wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die
Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen
ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB).
Erforderlich ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommensund Vermögensverhältnisse, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und auf die Kinder. Subjektiv sind die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke
sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen, die den begünstigten
Ehegatten zu seinem Verlangen nach der ehevertraglichen Gestaltung veranlasst und den benachteiligten Ehegatten bewogen haben, diesem Verlangen zu
entsprechen (Senatsurteil BGHZ 158, 81, 100 f. = FamRZ 2004, 601, 606; vgl.
zuletzt Senatsbeschluss vom 27. Februar 2013 - XII ZB 90/11 - FamRZ 2013,
770 Rn. 16 mwN). Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in
Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich
des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen
Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder
durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt
wird (vgl. Senatsurteil vom 28. März 2007 - XII ZR 130/04 - FamRZ 2007, 1310
Rn. 15 und Senatsbeschluss vom 18. März 2009 - XII ZB 94/06 - FamRZ 2009,
1041 Rn. 14).
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b) Der ehevertragliche Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nach
diesen Maßstäben - für sich genommen - nicht zu beanstanden.
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aa) Allerdings hat der Senat den Versorgungsausgleich dem Kernbereich
der Scheidungsfolgen zugeordnet und ausgesprochen, dass der Versorgungsausgleich als vorweggenommener Altersunterhalt einer vertraglichen Gestaltung nur begrenzt offen steht. Die hochrangige Bedeutung des Versorgungsausgleichs innerhalb des Systems der Scheidungsfolgen rechtfertigt sich auch
daraus, dass die Ansammlung von Vorsorgevermögen - gerade in den Regelsicherungssystemen - wirtschaftlichen Dispositionen der Ehegatten weitgehend
entzogen und auch auf diese Weise sichergestellt ist, dass das gebildete Vermögen entsprechend seiner Zweckbestimmung für die Absicherung bei Alter
oder Invalidität tatsächlich zur Verfügung steht (Senatsurteil vom 21. November
2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 21).
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bb) Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist nach § 138 Abs. 1
BGB schon für sich genommen unwirksam, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund des bereits beim Vertragsschluss geplanten (oder zu diesem
Zeitpunkt schon verwirklichten) Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität
schlechthin unvereinbar erscheint. Das ist namentlich dann der Fall, wenn sich
ein Ehegatte, wie schon beim Vertragsschluss geplant oder verwirklicht, der
Betreuung der gemeinsamen Kinder gewidmet und deshalb auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit in der Ehe verzichtet hat. In diesem Verzicht liegt ein Nachteil, den der Versorgungsausgleich gerade auf beide Ehegatten gleichmäßig verteilen will und der ohne Kompensation nicht einem Ehegatten allein angelastet werden kann, wenn die Ehe scheitert (Senatsurteil vom
9. Juli 2008 - XII ZR 6/07 - FamRZ 2008, 2011 Rn. 17).
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cc) Die richterliche Kontrolle, ob durch eine Vereinbarung über den Versorgungsausgleich eine evident einseitige und unzumutbare Lastenverteilung
entsteht, hat der Tatrichter durchzuführen, wenn und soweit das Vorbringen der
Beteiligten oder die Sachverhaltsumstände hierzu Veranlassung geben. Es besteht demgegenüber auch bei scheidungsnahen Vereinbarungen grundsätzlich
keine Verpflichtung des Gerichts, bereits von Amts wegen umfassende Ermittlungen zu den wirtschaftlichen Folgen eines etwaigen Verzichts auf den Versorgungsausgleich durchzuführen, weil ein faktischer Rückgriff auf die
Prüfungsmaßstäbe des früheren § 1587 o Abs. 2 Satz 4 BGB mit der sich
aus den §§ 6 ff. VersAusglG ergebenden gesetzlichen Wertung, Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich möglichst zu erleichtern, nicht in Einklang
zu bringen wäre (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2012, 1719, 1720 f.; Soergel/
Grziwotz BGB 13. Aufl. § 8 VersAusglG Rn. 10; Erman/Norpoth BGB 13. Aufl.
§ 8 VersAusglG Rn. 31; Hahne FamRZ 2009, 2041, 2043; Wick FPR 2009, 219,
220; Hauß FPR 2011, 26, 30).
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Nach diesen Maßstäben erscheint es schon zweifelhaft, ob das Beschwerdegericht überhaupt davon ausgehen konnte, dass die aufgrund der
ehevertraglichen Abreden aus Mitteln des Antragstellers zu finanzierende Lebens- oder Rentenversicherung von vornherein keinen adäquaten Ausgleich für
die mit dem Verzicht auf den Versorgungsausgleich einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile schaffen konnte.
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(1) Da der Antragsteller während der Ehezeit keine sonstigen nennenswerten Versorgungsanrechte erworben hatte, wurden durch die ehevertraglichen Abreden in erster Linie dessen bei dem Vertreterversorgungswerk der
A.-Beratungs- und Vertriebs-AG (Beteiligte zu 1) erlangten Anrechte der betrieblichen Altersversorgung dem Versorgungsausgleich entzogen. Nach der
von der Beteiligten zu 1 erteilten Versorgungsauskunft wäre die Vertreterver-
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sorgung des Antragstellers wegen fehlender Ausgleichsreife insgesamt schuldrechtlich auszugleichen gewesen, weil die Höhe der Altersrente bzw. der bei
einer Beendigung des Vertretervertrages unverfallbaren Rentenanwartschaft
wegen der Ungewissheit über die Festsetzung der künftigen Versorgungszusage bei der Scheidung nicht vorhergesagt werden könne.
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(a) Auch mit der Rechtsbeschwerde zeigt die Antragsgegnerin keine Anhaltspunkte dafür auf, dass diese Versorgungsauskunft unrichtig gewesen sein
könnte. Sowohl nach altem (§ 1587 a Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 BGB) als auch nach
neuem Recht (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG) können nur diejenigen Anrechte
der betrieblichen Altersversorgung bei der Scheidung ausgeglichen werden, die
im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung bereits nach Grund und Höhe unverfallbar sind. Nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Antragstellers
knüpft die Bemessung der als Festbetrag gewährten Versorgungszusage an
den selbstvermittelten Versicherungsbestand des Vertreters an, wobei für die
tatsächliche Höhe der Versorgung die wegen ihrer Bestandsabhängigkeit noch
nicht bestimmbare Versorgungszusage im Zeitpunkt des Versorgungsfalls bzw.
der Beendigung des Vertretervertrages maßgeblich ist. Der Antragsteller hat
ferner geltend gemacht, dass sich die Beteiligte zu 1 eine jährliche Überprüfung
und Neufestsetzung der Versorgungszusage vorbehalten habe, so dass er im
Falle einer rückläufigen Bestandsentwicklung - die ihm konkret beim Verlust
seiner Großkunden drohe - mit einer Herabsetzung der Versorgungszusage
rechnen müsse. Die Antragsgegnerin hat demgegenüber nicht dargelegt, aus
welchen Gründen gleichwohl von einem ganz oder teilweise gesicherten Versorgungswert (vgl. dazu zuletzt Senatsbeschlüsse vom 21. November 2013
- XII ZB 403/12 - juris Rn. 21 und vom 17. April 2013 - XII ZB 371/12 - FamRZ
2013, 1021 Rn. 9) ausgegangen werden könnte.
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(b) Legt man für die Beurteilung der wirtschaftlichen Reichweite des Verzichts auf den Versorgungsausgleich mangels besserer Erkenntnisse die dem
Antragsteller im Jahr 2009 mitgeteilte Neufestsetzung der Versorgungszusage
zugrunde, wonach er - auf der Grundlage seines damaligen Versicherungsbestandes - eine monatliche Altersrente von 5.412 € beanspruchen konnte, relativiert sich die Höhe dieses Betrages bereits dadurch, dass eine künftige schuldrechtliche Ausgleichsrente der Antragsgegnerin nur nach der Hälfte des - nach
dem Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Betriebszugehörigkeit zu der gesamten Betriebszugehörigkeit bis zum Erreichen der Altersgrenze zu ermittelnden (vgl. Senatsbeschluss vom 13. November 1996 - XII ZB 131/94 - FamRZ
1997, 285, 286) - Ehezeitanteils der Versorgung zu bemessen gewesen wäre.
Zwar hätte die Antragsgegnerin auch von einer Erhöhung der von dem Vertreterversorgungswerk zugesagten Versorgungsleistungen profitieren können,
wenn der Antragsteller bis zum Erreichen der für ihn maßgeblichen Altersgrenze den für die Bemessung der Versorgung relevanten Versicherungsbestand
im Rahmen seiner gewöhnlichen Berufstätigkeit weiter ausgebaut hätte (Senatsbeschluss vom 13. November 1996 - XII ZB 131/94 - FamRZ 1997, 285,
286). Andererseits hätte die Antragsgegnerin aber auch das Risiko einer Herabsetzung der Versorgungszusage aufgrund einer rückläufigen Bestandsentwicklung mittragen müssen. Ein Abfindungsanspruch (§ 1587 l BGB bzw. § 23
VersAusglG) hätte von ihr nicht geltend gemacht werden können, soweit und
solange das dem Ausgleich unterliegende Anrecht noch nicht unverfallbar war
(vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. April 2013 - XII ZB 371/12 - FamRZ 2013, 1021
Rn. 15 und vom 29. Februar 1984 - IV b ZB 915/80 - FamRZ 1984, 668, 669).
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(c) Die Zahlung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente kann zudem erst
verlangt werden, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte aus dem auszugleichenden Anrecht eine Versorgung erlangt hat (§ 1587 g Abs. 1 Satz 2 BGB
bzw. § 20 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG). Der Antragsteller kann eine reguläre Al-
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tersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch nehmen; zu diesem Zeitpunkt würde die lebensältere Antragsgegnerin bereits im 69. Lebensjahr stehen. Hinzu kommt, dass der Antragsteller zwar berechtigt, aber wohl
nicht verpflichtet gewesen wäre, schon im Alter von 63 Jahren - also deutlich
vor dem Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenzen - in den Versorgungsbezug einzutreten. Die Zahlung einer Ausgleichsrente bedingt nach dem klaren
Gesetzeswortlaut den tatsächlichen Bezug der schuldrechtlich auszugleichenden Versorgung durch den Ausgleichspflichtigen und knüpft nicht an die bloße
Erfüllung der in der Versorgungsordnung festgelegten Anspruchsvoraussetzungen an (vgl. FAKomm-FamR/Wick 5. Aufl. § 20 VersAusglG Rn. 12; Johannsen/
Henrich/Holzwarth Familienrecht 5. Aufl. § 20 VersAusglG Rn. 40; Ruland Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 691; vgl. zum alten Recht OLG Celle FamRZ
1995, 812, 814). Daher wäre der schuldrechtliche Versorgungsausgleich für die
Antragsgegnerin mit dem zusätzlichen Risiko belastet gewesen, möglicherweise erst weit nach Vollendung des 70. Lebensjahres eine Ausgleichsrente
beziehen zu können.
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(2) Demgegenüber steht der Antragsgegnerin durch die aus den Mitteln
des Antragstellers finanzierte Rentenversicherung bei Vollendung ihres 65. Lebensjahres im Jahre 2023 eine garantierte Mindestrente in Höhe von monatlich
410,90 € zur Verfügung. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahre 2007
war zudem die Annahme gerechtfertigt, dass sich diese Garantierente durch
eine (nicht garantierte) Beteiligungsrente noch deutlich erhöhen wird. Nach den
Angaben in dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Versicherungsschein
hätte sich die Rentenerwartung - wäre die vom Versicherer erwirtschaftete Kapitalverzinsung während der gesamten Laufzeit des Versicherungsvertrages auf
dem Niveau von 2007 verblieben - durch Überschussbeteiligungen auf monatlich 689,66 € erhöht. Angesichts der Ungewissheit über Höhe und Laufzeitbeginn einer statt dessen im Versorgungsausgleich erworbenen schuldrechtlichen
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Ausgleichsrente lässt sich schon objektiv nicht mit hinreichender Sicherheit
feststellen, dass der Verzicht auf den Versorgungsausgleich aus Sicht des Vertragsschlusses im Jahre 2007 wirtschaftlich gänzlich unzureichend ausgeglichen worden wäre.
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dd) Im Übrigen ist die richterliche Inhaltskontrolle selbst im Kernbereich
des Scheidungsfolgenrechts keine Halbteilungskontrolle. Wie der Senat bereits
mehrfach ausgesprochen hat, ist der Halbteilungsgrundsatz für sich genommen
kein tauglicher Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob ein Ehegatte durch
die Regelungen in einem Ehevertrag evident einseitig belastet wird (vgl. Senatsurteile BGHZ 178, 322 = FamRZ 2009, 198 Rn. 22 und vom 25. Mai 2005
- XII ZR 296/01 - FamRZ 2005, 1444, 1446).
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(1) Ein vollständiger Ausschluss des Versorgungsausgleichs kann auch
bei den in einer Ehekrise oder im Zusammenhang mit einer bereits beabsichtigten Scheidung geschlossenen Eheverträgen nicht dem Verdikt der Sittenwidrigkeit unterworfen werden, wenn ein nach der gesetzlichen Regelung stattfindender Versorgungsausgleich von beiden Eheleuten nicht gewünscht wird, soweit
dies mit dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs vereinbar ist. Dies ist
etwa dann der Fall, wenn beide Ehegatten während der Ehezeit vollschichtig
und von der Ehe unbeeinflusst berufstätig waren und jeder seine eigene Altersversorgung aufgebaut oder aufgestockt hat, wobei aber der eine Ehegatte aus
nicht ehebedingten Gründen mehr Versorgungsanrechte erworben hat als der
andere. In dieser Situation müssten die Eheleute die Unzulässigkeit einer von
ihnen gewünschten Ausschlussvereinbarung und eine ihrem frei gebildeten Vertragswillen widersprechende Zwangsteilhabe an den Anrechten des wirtschaftlich erfolgreicheren Ehegatten als staatliche Bevormundung empfinden (so
Langenfeld Handbuch der Eheverträge und Scheidungsvereinbarungen 6. Aufl.
Rn. 651).
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(2) Vor diesem Hintergrund kann es nicht von vornherein missbilligt werden, wenn die Eheleute durch eine Vereinbarung den Versorgungsausgleich
auf den Ausgleich ehebedingter Versorgungsnachteile des wirtschaftlich
schwächeren Ehegatten beschränken (Münch FPR 2011, 504, 508). Der Halbteilungsgrundsatz kann deshalb auch nicht als Maßstab für die Beurteilung herangezogen werden, ob die wirtschaftlich nachteiligen Folgen eines Ausschlusses des Versorgungsausgleichs für den belasteten Ehegatten durch die ihm
versprochenen Gegenleistungen ausreichend abgemildert werden. Die von dem
begünstigten Ehegatten vertraglich zugesagten Kompensationsleistungen müssen zwar zu einem angemessenen, aber nicht notwendig zu einem gleichwertigen Ausgleich für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich führen (Rauscher
DNotZ 2004, 524, 538). Im Rahmen richterlicher Wirksamkeitskontrolle könnten
die Kompensationsleistungen allenfalls dann als unzureichend angesehen werden, wenn sie nicht annähernd geeignet sind, die aufgrund des geplanten Zuschnitts der Ehe sicher vorhersehbaren oder die bereits entstandenen ehebedingten Versorgungsnachteile des verzichtenden Ehegatten zu kompensieren
(vgl. auch OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 34, 35; OLG Zweibrücken FamRZ
2006, 1683, 1684; Siegler MittBayNot 2012, 95, 96; Bredthauer FPR 2009, 500,
504).
31
(3) Die Antragsgegnerin hat nichts dazu vorgetragen, dass die ihr vertraglich zugesicherten Leistungen nicht geeignet gewesen sein könnten, ihre
aufgrund der durch Ehe und Kindererziehung bedingten Berufspause erlittenen
Versorgungsnachteile auszugleichen.. Hierfür ist auch nichts ersichtlich, zumal
die bei Eingehung der Ehe bereits 32-jährige Antragsgegnerin ausweislich ihres
Versicherungsverlaufes nach Beendigung ihrer nicht abgeschlossenen Ausbildung an der Hauswirtschaftsschule keiner sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mehr nachgegangen ist und ihr nach eigenen Angaben bei Eheschließung im Jahre 1991 auch nur ein geringes Privatvermögen zur Verfügung
- 18 -
stand. Im Übrigen wäre bei der Beurteilung, ob etwaige ehebedingte Versorgungsnachteile durch anderweitige Leistungen ausreichend kompensiert werden, hier nicht allein auf die als zusätzliche Altersvorsorge eingerichtete private
Rentenversicherung, sondern auch darauf abzustellen, dass der Antragsgegnerin im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung eine der vormals im gemeinsamen Eigentum stehenden Immobilien übertragen worden ist und der Antragsteller sich zu deren Entschuldung verpflichtet hat. Kann - wie hier - nicht
festgestellt werden, dass der mit ehebedingten Versorgungsnachteilen belastete Ehegatte auch ohne die Ehe ein vergleichbares Immobilienvermögen hätte
bilden können, ist in der Überlassung einer Immobilie grundsätzlich eine geeignete Kompensation für den Verzicht auf den Versorgungsausgleich zu erblicken
(vgl. schon BT-Drucks. 16/10144 S. 51), weil eine Immobilie für ihren Eigentümer - sei es durch den Vorteil mietfreien Wohnens, sei es durch Einnahmen aus
Vermietung und Verpachtung - über den Vermögenswert hinaus typischerweise
die nachhaltige Erzielung von unterhaltssichernden Alterseinkünften gewährleistet.
32
c) Auch der Verzicht auf den Ausgleich des Zugewinns begegnet für sich
genommen keinen Wirksamkeitsbedenken am Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erweist sich der Zugewinnausgleich schon im Hinblick auf seine nachrangige Bedeutung im System der
Scheidungsfolgen einer ehevertraglichen Disposition am weitesten zugänglich
(grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81, 95, 98 f. = FamRZ 2004, 601, 605,
608; vgl. zuletzt Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ
2013, 269 Rn. 17). Ob trotz der grundsätzlichen Kernbereichsferne des Zugewinnausgleichs im Einzelfall Anlass zu einer verstärkten Inhaltskontrolle besteht, wenn der Ehevertrag zu einem Verzicht auf bereits begründete Rechtspositionen führt, also insbesondere dann, wenn der haushaltsführende Ehegatte nach langjähriger Ehe auf den Zugewinn auch für die Vergangenheit verzich-
- 19 -
tet (vgl. BeckOK BGB/J. Mayer [Stand: 1. November 2013] § 1408 Rn. 29;
Münch Ehebezogene Rechtsgeschäfte 3. Aufl. Rn. 802), bedarf im vorliegenden
Fall keiner näheren Erörterung. Denn der Verzicht auf den Zugewinnausgleich
ist, worauf das Beschwerdegericht zu Recht hingewiesen hat, nicht kompensationslos erfolgt, sondern gegen Übernahme der Verpflichtung, die nach dem
unwiderlegten Vorbringen des Antragstellers bei Vertragsschluss mit noch
70.000 € valutierenden Verbindlichkeiten auf der von der Antragsgegnerin ausgewählten Wohnung zu tilgen. Treffen Eheleute im Übrigen unter dem Eindruck
einer Ehekrise oder im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung umfassende Regelungen über ihre vermögensrechtlichen Verhältnisse und schließen
sie in diesem Zusammenhang wechselseitige güterrechtliche Ansprüche aus,
verfolgen sie damit regelmäßig den legitimen Zweck, ihre Vermögensauseinandersetzung zu beschleunigen und zu vereinfachen und gegebenenfalls auch
von den Unwägbarkeiten des Stichtagsprinzips im Zugewinnausgleich unabhängig zu machen. Anhaltspunkte dafür, dass der Verzicht auf den Zugewinnausgleich für die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall mit gravierenden wirtschaftlichen Nachteilen verbunden gewesen wäre, ergeben sich nicht, und zwar
auch deshalb nicht, weil bei Vertragsschluss noch nicht vorhersehbar war, zu
welchem Zeitpunkt und unter welchen wirtschaftlichen Verhältnissen der Güterstand enden würde.
33
d) Auch der vollständige Verzicht auf den nachehelichen Unterhalt ist für
sich allein betrachtet noch nicht sittenwidrig.
34
aa) Der vertragliche Ausschluss des Betreuungsunterhalts (§ 1570 BGB)
kann im vorliegenden Fall unberücksichtigt bleiben, weil der gemeinsame Sohn
der Eheleute im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits 17 Jahre alt und mit
weiteren Kindern nicht mehr zu rechnen war.
- 20 -
35
bb) Dem Unterhalt wegen Alters und Krankheit (§§ 1571, 1572 BGB)
misst das Gesetz als Ausdruck nachehelicher Solidarität zwar besondere Bedeutung bei, was eine Disposition über diese Unterhaltsansprüche jedoch nicht
schlechthin ausschließt. Das ergibt sich in der Regel schon daraus, dass im
Zeitpunkt des Vertragsschlusses für die Parteien noch nicht absehbar war, ob,
wann und unter welchen wirtschaftlichen Gegebenheiten der verzichtende Ehegatte wegen Alters oder Krankheit unterhaltsbedürftig werden könnte (Senatsurteile vom 12. Januar 2005 - XII ZR 238/03 - FamRZ 2005, 691, 692 und vom
28. November 2007 - XII ZR 132/05 - FamRZ 2008, 582 Rn. 22). Auch wenn
bei Abschluss eines "Krisen-Ehevertrages" (Bergschneider Verträge in Familiensachen 4. Aufl. Rn. 9) eher damit gerechnet werden muss, dass dessen
belastende Regelungen in dem nunmehr tatsächlich drohenden Fall des Scheiterns der Ehe zum Tragen kommen können, ergeben sich unter den hier obwaltenden Umständen gegen den Ausschluss dieser Unterhaltsansprüche unter
dem Gesichtspunkt der Wirksamkeitskontrolle nach § 138 Abs. 1 BGB keine
Bedenken. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die seinerzeit 48-jährige
Antragsgegnerin noch weit von den gesetzlichen Regelaltersgrenzen entfernt
und unterlag auch keinen gesundheitlichen Erwerbseinschränkungen. Es war
deshalb schon in Hinblick auf die Einsatzzeitpunkte zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin nach einer Scheidung überhaupt Unterhaltsansprüche wegen Alters
oder Krankheit nach §§ 1571, 1572 BGB haben würde. Zudem verfügte
die Antragsgegnerin im Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahre 2007 nach
ihren eigenen Angaben über ein - aus Erbschaften und familiären Zuwendungen zwischen 1995 und 2007 herrührendes - Privatvermögen in Höhe von rund
115.000 €. Berücksichtigt man daneben den ehebedingten Erwerb des Wertpapiervermögens in Höhe von 130.000 €, die im Ehevertrag zugesagte Überlassung der lastenfreien Eigentumswohnung und (für den Altersunterhalt) die späteren Einkünfte aus der als zusätzliche Altersvorsorge eingerichteten privaten
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Rentenversicherung, kann auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Antragsgegnerin im Falle von Alter oder Krankheit ohne Unterhaltszahlungen des Antragstellers einer wirtschaftlichen Notlage anheimgefallen
wäre und der Unterhaltsverzicht aus diesem Grunde mit dem Gebot der ehelichen Solidarität schlechthin unvereinbar wäre.
36
cc) Auch der hier möglicherweise wirtschaftlich ins Gewicht fallende Verzicht auf den Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit (§ 1573 Abs. 1 BGB) und den
Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB) begegnet noch keinen Wirksamkeitsbedenken. Zwar ordnet der Senat diese Unterhaltstatbestände in ständiger
Rechtsprechung grundsätzlich nicht dem Kernbereich der Scheidungsfolgen zu
(grundlegend Senatsurteil BGHZ 158, 81, 97 f., 105 f. = FamRZ 2004, 601, 605,
607). Dennoch können diese Unterhaltstatbestände im Einzelfall mit Rücksicht
auf das von den Eheleuten beabsichtigte oder bei Vertragsschluss bereits
gelebte Ehemodell im Zusammenhang mit dem Ausgleich von ehebedingten
Nachteilen im beruflichen Fortkommen des durch den Verzicht belasteten
Ehegatten Bedeutung gewinnen (Senatsurteil vom 28. November 2007
- XII ZR 132/05 - FamRZ 2008, 582 Rn. 23; vgl. auch Eickelberg RNotZ 2009,
1, 27). Solche Erwerbsnachteile sind aufseiten der Antragsgegnerin aber weder
vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zudem gilt auch hier, dass die Antragsgegnerin aus Sicht der beteiligten Eheleute bei Vertragsschluss auch aufgrund des
ehebedingten Vermögenserwerbs nach einer Scheidung ihren notwendigen
Lebensbedarf unabhängig von Unterhaltszahlungen des Antragstellers würde
decken können.
37
e) Auch in der Gesamtwürdigung hält der Ehevertrag der Wirksamkeitskontrolle am Maßstab des § 138 BGB stand.
38
Selbst wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen jeweils für sich genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu
- 22 -
rechtfertigen vermögen, kann sich ein Ehevertrag nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Rahmen einer Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen, wenn das Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt
(vgl. Senatsurteile vom 12. Januar 2005 - XII ZR 238/03 - FamRZ 2005, 691,
693 und vom 9. Juli 2008 - XII ZR 6/07 - FamRZ 2008, 2011 Rn. 20 f.).
39
Das Gesetz kennt indessen keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an
Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten, so dass auch aus
dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf
die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten
geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in
dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung
der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit
der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen. Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine
unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl
wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn
außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen
sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung
einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten (Senatsurteile vom 31. Oktober 2012
- XII ZR 129/10 - FamRZ 2013, 195 Rn. 24 und vom 21. November 2012
- XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 27).
40
aa) Soweit das Beschwerdegericht im vorliegenden Fall keine genügenden Anhaltspunkte für eine Störung der subjektiven Vertragsparität zu erkennen
- 23 -
vermochte, halten seine diesbezüglichen Ausführungen den Angriffen der
Rechtsbeschwerde stand.
41
(1) Das Ansinnen eines Ehegatten, eine Ehe nur unter der Bedingung eines Ehevertrages eingehen oder - wie hier - fortsetzen zu wollen, begründet für
sich genommen für den anderen Ehegatten noch keine Lage, aus der ohne weiteres auf dessen unterlegene Verhandlungsposition geschlossen werden kann.
Etwas anderes mag unter Umständen bei einem erheblichen Einkommensoder Vermögensgefälle zwischen den Ehegatten gelten, wenn der mit dem Verlangen auf Abschluss eines Ehevertrages konfrontierte Ehegatte erkennbar in
einem besonderem Maße auf die Eingehung oder Fortführung der Ehe angewiesen ist, weil er ohne den ökonomischen Rückhalt der Ehe einer ungesicherten wirtschaftlichen Zukunft entgegensehen würde (Senatsurteil vom 21. November 2012 - XII ZR 48/11 - FamRZ 2013, 269 Rn. 28 und Senatsbeschluss
vom 18. März 2009 - XII ZB 94/06 - FamRZ 2009, 1041 Rn. 17). So liegt der
Fall hier aber nicht, selbst wenn man zugunsten der Antragsgegnerin anführen
will, dass sie nach ihren eigenen beruflichen Möglichkeiten für den Fall der
Scheidung nur die Erzielung eines bescheidenen Einkommens zu erwarten hatte und sie unter dem Eindruck der Ankündigung des Antragstellers gestanden
haben mag, ihr wegen vermeintlicher Verwirkung sämtlicher Unterhaltsansprüche keinerlei Unterhalt zahlen zu wollen. Denn andererseits besaß die Antragsgegnerin angesichts ihres Privatvermögens in Höhe von rund 115.000 € und
den letztlich gegen ihren Willen nicht entziehbaren Rechtspositionen, die sie
bezüglich Güterrecht, Versorgungsausgleich und Teilhabe am gemeinsamen
Wertpapier- und Immobilienvermögen bereits erworben hatte, genügend wirtschaftliche Unabhängigkeit, um dem Ansinnen des Antragstellers entgegentreten oder auf die Gestaltung des Ehevertrages Einfluss nehmen zu können.
- 24 -
42
(2) Das Beschwerdegericht hat auch das Vorbringen der Antragsgegnerin, dass diese eine Scheidung im Interesse des gemeinsamen Sohnes unbedingt vermeiden wollte und sie daher in einer Zwangslage gewesen sei, gewürdigt und hierin keinen tragfähigen Anhaltspunkt für eine Störung der subjektiven
Vertragsparität erblickt, weil auch die Verhandlungsposition des Antragstellers
davon geprägt gewesen sei, seinem Sohn eine Scheidung ersparen zu wollen.
Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
43
(3) Soweit der Senat darauf hingewiesen hat, dass in einem objektiv benachteiligenden Vertragsinhalt ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten zu sehen sein kann, hat das Beschwerdegericht dieses Indiz ersichtlich durch die Umstände des Vertragsschlusses, in
dessen Vorfeld mehrere Monate lang unter Austausch von Entwurf und Gegenentwurf über den Inhalt des Ehevertrages verhandelt worden war, widerlegt gesehen. Auch hiergegen bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
44
Schließen Eheleute im Hinblick auf eine Ehekrise oder auf eine bevorstehende Scheidung unter anwaltlichem Beistand auf beiden Seiten nach
langen Verhandlungen und genügender Überlegungszeit einen Vertrag zur umfassenden Regelung aller Scheidungsfolgen, kann zunächst davon ausgegangen werden, dass sie ihre gegenläufigen vermögensrechtlichen Interessen zu
einem angemessenen Ausgleich gebracht haben und selbst eine besondere
Großzügigkeit oder Nachgiebigkeit des einen Ehegatten nicht auf einer Störung
der subjektiven Vertragsparität beruht (vgl. bereits Senatsbeschluss vom 3. November 1993 - XII ZB 33/92 - FamRZ 1994, 234, 236 zu § 1587 o Abs. 2 Satz 4
BGB; vgl. auch OLG Düsseldorf FamRZ 2005, 216, 217 mit zust. Anm.
Bergschneider FamRZ 2005, 220 f.). Soweit die Antragsgegnerin ihre eigene
anwaltliche Beratung durch die Behauptung, sie habe "vor Abschluss des Vertrages lediglich einmal mit einem Rechtsanwalt aus ihrem Bekanntenkreis tele-
- 25 -
foniert", zu relativieren sucht, hat sie bereits den widerstreitenden Vortrag des
Antragstellers, sie habe ihren Rechtsanwalt mandatiert und auch bezahlt, nicht
widerlegt. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts beruhte die Bereitschaft der
Antragsgegnerin, den Ehevertrag mit einem für sie objektiv möglicherweise
deutlich nachteiligen Inhalt abzuschließen, nicht auf einer ungleichen Verhandlungsposition, sondern vielmehr auf einer groben Fehleinschätzung über die
Höhe der Kapitalerträge, welche die Antragsgegnerin nach Vertragsschluss mit
ihrem dann vorhandenen Geld- und Wertpapiervermögen zukünftig würde erwirtschaften können. Dies hält sich im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung, zumal die Antragsgegnerin hierzu selbst vorträgt, dass sie vor Abschluss des Ehevertrages mit einem Finanzberater der D.-Bank Kontakt aufgenommen hatte, nach dessen Auskunft bei einem "Gesamtdepotwert von ca.
240.000 € monatliche Zinsen von 1.500 € erzielbar seien".
45
bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich eine Sittenwidrigkeit des Ehevertrages schließlich auch nicht daraus, dass der Antragsteller mit dem Vertrag das verwerfliche Ziel verfolgt habe, die Antragsgegnerin
für den ihr vorgeworfenen Ehebruch unter Umgehung von gesetzlichen Wertungen (§ 1587 c Nr. 1 BGB bzw. § 27 VersAusglG) mit dem Ausschluss des
Versorgungsausgleichs "bestrafen" zu wollen.
46
Ob dies überhaupt zutrifft, kann dahinstehen. Das Motiv des begünstigten Ehegatten, sich Genugtuung für die durch den Ehebruch des Partners erlittenen Verletzungen verschaffen zu wollen, könnte zwar entgegen der Auffassung des Antragstellers einem unter unfairen Verhandlungsbedingungen zustande gekommenen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht zur Wirksamkeit verhelfen. Lässt sich indessen - wie hier - eine ungleiche Verhandlungsposition nicht feststellen, vermag eine solche Motivation umgekehrt für
sich genommen dem Ehevertrag nicht den Makel der Sittenwidrigkeit anzuhef-
- 26 -
ten. Denn es kann nicht einleuchten, warum ein tatsächlich oder vermeintlich
"betrogener" Ehegatte, der bei den Verhandlungen über einen Ehevertrag einen
Ausschluss des Versorgungsausgleiches verlangt, subjektiv verwerflich handeln
sollte, ein "nicht betrogener" Ehegatte in derselben Situation aber nicht.
47
3. Allerdings hat sich das Beschwerdegericht nicht mit der Wirksamkeit
der in der notariellen Vereinbarung beurkundeten Vereinbarung zum Trennungsunterhalt unter dem Gesichtspunkt des § 134 BGB und den Auswirkungen einer etwaigen Nichtigkeit dieser Abrede auf die Wirksamkeit des Gesamtvertrages befasst (§ 139 BGB).
48
a) Nach §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360 a Abs. 3 iVm § 1614 BGB ist ein
Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt unwirksam und daher nach § 134
BGB nichtig. Die Vorschrift hat sowohl individuelle als auch öffentliche Interessen im Blick und will verhindern, dass sich der Unterhaltsberechtigte während
der Trennungszeit durch Dispositionen über den Bestand des Unterhaltsanspruches seiner Lebensgrundlage begibt und dadurch gegebenenfalls öffentlicher Hilfe anheimzufallen droht. Ein sogenanntes pactum de non petendo, d.h.
die Verpflichtung oder das Versprechen des unterhaltsberechtigten Ehegatten,
Trennungsunterhalt nicht geltend zu machen, berührt zwar den Bestand des
Unterhaltsanspruches nicht, doch begründet dieses eine Einrede gegen den
Unterhaltsanspruch, die wirtschaftlich zu dem gleichen Ergebnis führt wie ein
Unterhaltsverzicht. Die ganz herrschende Meinung sieht daher in einem pactum
de non petendo zu Recht ein unzulässiges und daher unwirksames Umgehungsgeschäft (OLG Karlsruhe FamRZ 1992, 316, 317; MünchKommBGB/
Weber-Monecke 6. Aufl. § 1361 Rn. 49; Büte in Büte/Poppen/Menne Unterhaltsrecht 2. Aufl. § 1614 BGB Rn. 2; Kilger/Pfeil in Göppinger/Börger Vereinbarungen anlässlich der Ehescheidung 10. Aufl. 5. Teil Rn. 140; Niepmann/
Schwamb Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 12. Aufl. Rn. 153;
- 27 -
Erman/Hammermann BGB 13. Aufl. § 1614 Rn. 5; jurisPK-BGB/Viefhues
[Stand: 1. Oktober 2012] § 1614 Rn. 11; Deisenhofer FamRZ 2000, 1368 f.;
Schwackenberg FPR 2001, 107, 108; Huhn RNotZ 2007, 177, 187; aA OLG
Köln FamRZ 2000, 609). Auch ergänzende "Feststellungen" der Ehegatten zum
Nichtbestehen eines ungedeckten Unterhaltsbedarfs oder zum Vorliegen eines
Verwirkungsgrundes können einem pactum de non petendo nicht zur Wirksamkeit verhelfen. Denn der Schutzzweck von § 1614 BGB verbietet es generell,
der unterhaltsberechtigten Person unter Hinweis auf den Parteiwillen den Unterhaltsanspruch ganz zu versagen (Deisenhofer FamRZ 2000, 1368, 1369).
Damit wäre es nicht in Einklang zu bringen, wenn die Ehegatten durch eine Parteivereinbarung, der im Übrigen das Risiko einer unrichtigen Tatsachenermittlung oder falschen Einschätzung der Rechtslage anhaftet, eine den Trennungsunterhaltsanspruch ausschließende Situation darstellen und diese anschließend
durch ein pactum de non petendo unangreifbar machen könnten (vgl. auch
Huhn RNotZ 2007, 177, 187).
49
b) Durch Auslegung der notariellen Vereinbarung vom 18. Januar 2007
ist zu ermitteln, ob die Bestimmung, wonach "für den Fall der Trennung keine
der Parteien gegen die andere Getrenntlebensunterhaltsansprüche geltend machen" wird, ein unzulässiges pactum de non petendo darstellt. Das wäre dann
der Fall, wenn die Bestimmung über eine bloße Absichtserklärung oder die Mitteilung einer Geschäftsgrundlage hinaus eine verbindliche Rechtsposition in
Bezug auf die Abwehr einer künftigen gerichtlichen oder außergerichtlichen
Geltendmachung des Anspruches auf Trennungsunterhalt begründen soll. Der
Wortlaut der Bestimmungen in der vorliegenden notariellen Urkunde schließt
eine solche Auslegung jedenfalls nicht aus.
50
c) Sollte die Auslegung der Bestimmungen zum Trennungsunterhalt ergeben, dass sie ein unwirksames pactum de non petendo enthalten, ist im Hin-
- 28 -
blick auf den dann vorliegenden Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134
BGB) weiter zu prüfen, ob die Teilnichtigkeit gemäß § 139 BGB auch die weiteren Bestimmungen in der notariellen Vereinbarung erfasst. Dabei kommt es
zunächst darauf an, ob und inwieweit ein enger Zusammenhang zwischen den
einzelnen Vereinbarungen besteht und nach dem Willen der Parteien bestehen
soll. Ob es sich bei gemeinsam beurkundeten Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen aufgrund eines Einheitlichkeitswillens der Vertragsparteien
um ein einheitliches Rechtsgeschäft handelt, ist durch Ermittlung und Auslegung des Parteiwillens festzustellen, wobei nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs bei gemeinsamer Aufnahme mehrerer Vereinbarungen in
eine Urkunde eine tatsächliche Vermutung für einen Einheitlichkeitswillen besteht (vgl. BGHZ 157, 168, 173 f. = NVwZ 2005, 484, 485; BGHZ 54, 71, 72
= NJW 1970, 1414, 1415). Ist von einem einheitlichen Rechtsgeschäft auszugehen, muss nach den für die ergänzende Vertragsauslegung geltenden
Grundsätzen weiter ermittelt werden, ob die beteiligten Eheleute die gleichen
Vereinbarungen zu den Scheidungsfolgen auch getroffen hätten, wenn ihnen
bewusst gewesen wäre, dass ein Verzicht auf Trennungsunterhalt oder eine
ihm gleichstehende Beschränkung der Rechte auf Geltendmachung von Trennungsunterhalt für die Zukunft nicht wirksam vereinbart werden kann (vgl. OLG
Brandenburg FamRZ 2003, 764, 765; Huhn RNotZ 2007, 177, 184). Dagegen
könnte es unter Umständen sprechen, wenn der unwirksame Ausschluss von
Trennungsunterhalt durch Leistungen ausgeglichen werden sollte, die dem berechtigten Ehegatten im Rahmen der Auseinandersetzung über die Scheidungsfolgen zugesagt worden sind (vgl. auch Langenfeld in Heiß/Born Unterhaltsrecht [Bearbeitungsstand: 2013] 15. Kap. Rn. 14).
51
d) Die Auslegung von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen ist Sache
des Tatrichters. Eine vom Beschwerdegericht nicht vorgenommene Auslegung
darf das Rechtsbeschwerdegericht nur dann selbst vornehmen, wenn alle dazu
- 29 -
erforderlichen Feststellungen getroffen sind und eine weitere Aufklärung nicht
mehr in Betracht kommt (BGH Urteil vom 12. Dezember 1997 - V ZR 250/96 NJW 1998, 1219 mwN.). Davon kann hier nicht ausgegangen werden, zumal
die beteiligten Ehegatten noch keine Gelegenheit hatten, zu diesen erkennbar
noch nicht beachteten Gesichtspunkten vorzutragen.
52
4. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache
ist an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG).
53
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass
die Erwägungen des Beschwerdegerichts zu der Frage, ob dem Antragsteller
die Berufung auf die Regelungen des Ehevertrages nach Treu und Glauben zu
versagen oder der Ehevertrag wegen einer Störung der Geschäftsgrundlage
anzupassen sei, keinen rechtlichen Bedenken begegnen. Ob sich der Ausschluss des Versorgungsausgleichs nachträglich zu einer einseitigen und unzumutbaren Lastenverteilung für die Antragsgegnerin hätte entwickeln können,
wenn diese bei einem Fortbestand der Ehe aufgrund ehelicher Arbeitsteilung
weiterhin auf eine eigene versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit verzichtet
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hätte und die Ehe erst in hohem Alter der Eheleute geschieden worden wäre,
bedarf hier keiner näheren Erörterung, weil die dem Vertragsschluss zugrunde
liegende Ehekrise bereits nach vergleichsweise kurzer Zeit zum Scheitern der
Ehe geführt hat. Auch die weitere Auffassung des Beschwerdegerichts, dass
etwaige Vorstellungen und Erwartungen der Antragsgegnerin hinsichtlich der
von ihr zu erzielenden Vermögenseinkünfte nicht zur Geschäftsgrundlage der
notariellen Vereinbarung geworden sind, lässt keine Rechtsfehler erkennen und
wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht angegriffen.
Dose
Klinkhammer
Botur
Günter
Guhling
Vorinstanzen:
AG Erlangen, Entscheidung vom 18.10.2012 - 6 F 1006/11 OLG Nürnberg, Entscheidung vom 21.05.2013 - 11 UF 1740/12 -