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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 188/99
vom
23. Juli 2003
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGB §§ 1587 Abs. 1, 1587 c; FremdrentenG; EGBGB Art. 17 Abs. 3, Art. 14 Abs. 1,
Art. 5 Abs. 1 Satz 2
1. Hat ein Ehegatte ausländische Versorgungsanrechte erworben, die im Inland
nicht realisierbar sind, steht dies der Durchführung des Versorgungsausgleichs
nicht entgegen, wenn dieser Ehegatte auch die deutsche Staatsangehörigkeit
besitzt und nicht zu erwarten ist, daß er in das Ausland zurückkehrt und so in den
Genuß seiner dort erworbenen Versorgungsanrechte gelangt.
2. Der Umstand, daß nur ein Ehegatte die Voraussetzungen des Fremdrentengesetzes erfüllt, läßt es nicht als grob unbillig erscheinen, daß dieser die rentenrechtlichen Vorteile, die ihm aus der Berücksichtigung seiner in der Ehezeit im
Ausland (hier: Kasachstan) zurückgelegten Beitragszeiten erwachsen, mit dem
anderen Ehegatten teilt.
BGH, Beschluß vom 23. Juli 2003 - XII ZB 188/99 - OLG Karlsruhe
AG Karlsruhe
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof.
Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt
beschlossen:
Die weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluß
des 2. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 29. Oktober 1999 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 1.596
Gründe:
I.
Die am 18. Oktober 1975 in Karaganda (Kasachstan) geschlossene Ehe
der Parteien wurde auf den dem Ehemann (Antragsgegner) am 29. November
1996 zugestellten Antrag der Ehefrau (Antragstellerin) durch Verbundurteil des
Amtsgerichts Karlsruhe - Familiengericht - vom 17. Juni 1998 geschieden (insoweit rechtskräftig seit dem 22. September 1998) und der Versorgungsausgleich geregelt. Die Ehefrau ist deutscher Abstammung und deutsche Staatsangehörige; der Ehemann ist russischer Abstammung und besitzt die russische
sowie die deutsche Staatsangehörigkeit.
Während der Ehezeit (1. Oktober 1975 bis 31. Mai 1998; § 1587 Abs. 2
BGB) erwarb die am 26. Juni 1954 geborene Ehefrau Rentenanwartschaften
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der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte (weitere Beteiligte zu 1, BfA) in Höhe von 550,74 DM; in diesen Anwartschaften sind aufgrund des Fremdrentengesetzes Beitragszeiten berücksichtigt, welche die Ehefrau in Kasachstan zurückgelegt hat. Der am 26. Juli
1954 geborene Ehemann erwarb während der Ehezeit Rentenanwartschaften
der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Landesversicherungsanstalt für
Angestellte Baden (weitere Beteiligte zu 2, LVA) in Höhe von 18,66 DM; außerdem bestehen für ihn aufgrund in Kasachstan zurückgelegter Beitragszeiten bei
einem dortigen Versorgungsträger weitere Rentenanwartschaften in ungeklärter
Höhe.
Das Amtsgericht hat (ausgehend von einer Rentenanwartschaft der
Ehefrau in Höhe von nur 538,95 DM) den Versorgungsausgleich dahin geregelt,
daß es Rentenanwartschaften der Ehefrau bei der BfA in Höhe von monatlich
260,14 DM, bezogen auf den 30. Oktober 1996, auf das Rentenkonto des Ehemanns bei der LVA übertragen hat. Gegen diese Entscheidung hat die Ehefrau
Beschwerde eingelegt.
Im Verfahren vor dem Oberlandesgericht haben BfA und LVA bestätigt,
daß mit Kasachstan kein Sozialversicherungsabkommen bestehe und mitgeteilt, daß ein solches Abkommen auch nicht absehbar sei; im übrigen haben sie
zu den in Kasachstan bestehenden Rentenanwartschaften des Ehemannes
keine Stellungnahme abgegeben. Das Oberlandesgericht hat zu der Frage, in
welcher Form der Versorgungsausgleich unter Berücksichtigung der von beiden
Parteien in Kasachstan erworbenen Anwartschaften durchzuführen sei, bei dem
Sachverständigen G. ein Gutachten in Auftrag gegeben. Der Sachverständige
hat die Akte unbearbeitet zurückgegeben, weil es ihm nicht möglich sei, zu den
dort erworbenen Anwartschaften Auskünfte zu erhalten. Das Oberlandesgericht
hat daraufhin die Beschwerde der Ehefrau gegen die Entscheidung des Amts-
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gerichts zurückgewiesen. Dagegen richtet sich ihre zugelassene weitere Beschwerde, mit der sie weiterhin die Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung begehrt, weil diese die in Kasachstan bestehenden Rentenanwartschaften des Ehemannes unberücksichtigt lasse.
II.
Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das Oberlandesgericht geht davon aus, daß die vom Ehemann in
Kasachstan erworbenen Rentenanwartschaften als tatsächlich wertlos anzusehen sind und es voraussichtlich auch bleiben werden. Mangels eines bestehenden oder zu erwartenden Sozialversicherungsabkommens sei nicht ersichtlich,
daß der Ehemann jetzt oder in absehbarer Zeit in der Lage sein werde, diese
Anwartschaften zu realisieren. Auch sei wenig wahrscheinlich, daß die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion gegenüber ausgewanderten Einwohnern jemals verbindliche Rentenverpflichtungen übernehmen werden. Ebenso
sei nicht ersichtlich, daß der Ehemann - angesichts seiner auch deutschen
Staatsangehörigkeit - jemals wieder nach Kasachstan zurückkehren werde. Da
somit nicht zu erwarten sei, daß der Ehemann aus den in Kasachstan erworbenen Anwartschaften jemals Versorgungsleistungen erhalten werde, seien diese
nach dem gegenwärtigen Stand überhaupt nicht in den Versorgungsausgleich
einzubeziehen.
2. Diese Ausführungen sind frei von Rechtsirrtum.
a) Das Oberlandesgericht hat zu Recht den Versorgungsausgleich deutschem Recht unterstellt, da im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags die Ehefrau deutsche Staatsangehörige war und der Ehemann
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auch die deutsche Staatsangehörigkeit besaß (Art. 17 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1,
Art. 14 Abs. 1 Nr. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB).
b) Ebenfalls zu Recht hat das Oberlandesgericht den Versorgungsausgleich öffentlich-rechtlich durchgeführt.
Zwar wird in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte die Ansicht
vertreten, ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich könne dann nicht
durchgeführt werden, wenn feststehe, daß der Ehegatte mit den wertniederen
Anrechten in der Ehe ausländische Anrechte erworben habe, deren Höhe jedoch nicht aufgeklärt werden könne. Denn der Ehegatte, der Ausgleich beanspruche, müsse die Höhe seiner eigenen Anwartschaften darlegen und beweisen; die geringere Höhe der eigenen Anwartschaften sei nämlich tatbestandliche Voraussetzung für den Anspruch (OLG Köln FamRZ 1986, 689, 690). Stehe fest, daß der Ehegatte, der ohne Berücksichtigung der ausländischen Anwartschaften ausgleichsberechtigt wäre, über eben solche ausländischen Anwartschaften verfüge, sei deren Umfang aber nicht feststellbar, so trage er das
Risiko der mangelnden Feststellbarkeit; denn ihm sei eher zuzumuten, sich hinsichtlich sämtlicher Anwartschaften mit dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu begnügen (OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 903).
So liegen die Dinge hier indes nicht. Zwar mögen die in Kasachstan bestehenden Anrechte des Ehemannes hinsichtlich ihres Nominalbetrags nicht
feststellbar sein und sich schon deshalb nicht in die Versorgungsausgleichsbilanz (§ 1587 Abs. 1 BGB) einstellen lassen. Entscheidend ist jedoch, daß nach
den tatrichterlichen Feststellungen, die revisionsrechtlich bedeutsame Fehler
nicht erkennen lassen, die in Kasachstan begründeten Anrechte des Ehemannes in Deutschland nicht realisierbar und damit - auch für den Ehemann, mit
dessen Rückkehr nach Kasachstan nach der Überzeugung des Oberlandesge-
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richts nicht zu rechnen ist - wertlos sind. Angesichts dieser Wertlosigkeit kommt
es - anders als in den von den Oberlandesgerichten Köln und Düsseldorf (aaO)
entschiedenen Fällen, in denen werthaltige italienische Anrechte zu bewerten
waren - auf den Nominalbetrag der in Kasachstan begründeten Anrechte des
Ehemannes nicht an. Vielmehr sind diese Anrechte, weil wertlos, mit Null in die
Ausgleichsbilanz einzustellen und die verbleibenden, in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung begründeten Anrechte der Parteien gemäß § 1587 b
Abs. 1 BGB zur Ausgleichung zu bringen (so auch OLG Nürnberg FamRZ
1999, 1203 für in Tadschikistan begründete Anrechte). Gründe, die es rechtfertigen könnten, den Ehemann statt dessen auf den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich zu verweisen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere entstehen
der Ehefrau aus der Durchführung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs keine unzumutbaren Nachteile; denn sie kann, falls sich die in Kasachstan begründeten Anrechte des Ehemannes wider Erwarten irgendwann doch
noch als realisierbar erweisen sollten, gemäß § 10 a VAHRG auf eine Abänderung der Versorgungsausgleichsentscheidung antragen.
c) Schließlich war das Oberlandesgericht auch nicht, wie die Revision
meint, aus sonstigen Billigkeitsgründen gehalten, von einer Durchführung des
öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs abzusehen.
Die Frage, ob die Inanspruchnahme eines Versorgungsausgleichsverpflichteten aus Gründen der Billigkeit auszuschließen ist, kann nicht nach den
allgemeinen Regeln entschieden werden. Vielmehr werden diese Regeln insoweit durch die Härteklausel des § 1587 c BGB ausgeschlossen, bei der es sich
um eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben handelt, die aber
andere und, vor allem durch das Merkmal der groben Unbilligkeit, strengere
Maßstäbe als § 242 BGB setzt (vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 29. April 1981
- IVb ZB 813/80 - FamRZ 1981, 756 und vom 30. September 1992 - XII ZB
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100/89 - FamRZ 1993, 176, 178). Eine grobe Unbilligkeit liegt hier nicht vor. Der
Umstand, daß nur die Ehefrau die Voraussetzungen des Fremdrentengesetzes
erfüllt, läßt es nicht als grob unbillig erscheinen, daß diese die rentenrechtlichen
Vorteile, die sie aus der Berücksichtigung ihrer in der Ehezeit in Kasachstan
zurückgelegten Beitragszeiten zieht, mit ihrem Ehemann teilt. Ebenso kann eine
grobe Unbilligkeit nicht daraus hergeleitet werden, daß der Ehemann sich durch
seinen fortdauernden Aufenthalt in Deutschland um die Möglichkeit bringt, den
Wert seiner in Kasachstan erworbenen Rentenanrechte in Kasachstan zu realisieren. Der Ehemann besitzt - auch - die deutsche Staatsangehörigkeit. Seine
Rückkehr nach Kasachstan steht schon von daher nicht zu erwarten; sie kann
ihm auch nicht mit dem Ziel angesonnen werden, seine geschiedene Ehefrau
versorgungsausgleichsrechtlich zu entlasten.
3. Das Oberlandesgericht hat mit Recht davon abgesehen, dem Ehemann höhere als die ihm vom Familiengericht zuerkannten Rentenanwartschaften zu übertragen. Zwar hat sich infolge der zwischenzeitlich veränderten
Bewertung der Kindererziehungszeiten die Rentenanwartschaft der Ehefrau
und damit auch der Ausgleichsanspruch des Ehemannes erhöht. Diese Erhöhung mußte jedoch unberücksichtigt bleiben, da anderenfalls die angefochtene
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Entscheidung des Familiengerichts zum Nachteil der Ehefrau als Rechtsmittelführerin abgeändert worden wäre (st. Rspr., vgl. etwa BGHZ 85, 180 ff.).
Hahne
Sprick
Wagenitz
Weber-Monecke
Bundesrichter Dr. Ahlt ist
urlaubsbedingt verhindert
zu unterschreiben.
Hahne