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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 176/07
vom
23. Januar 2008
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VBVG § 5 Abs. 1 bis 3
a) Der Aufenthalt eines mittellosen Betreuten in einer Pflegefamilie ist grundsätzlich nicht als Aufenthalt in einem "Heim" anzusehen, der es rechtfertigt,
der Betreuervergütung nur den in § 5 Abs. 2 Satz 1 VBVG vorgesehenen geringeren Arbeitsaufwand zugrunde zu legen.
b) Eine Ausnahme kann sich ergeben, wenn der Aufenthalt in der Pflegefamilie
von einem Heimträger organisiert wird, der diesen Aufenthalt ständig kontrolliert und begleitet und eine umfassende, von der aktuellen Situation des Betroffenen grundsätzlich unabhängige und dadurch den Betreuer dauerhaft
entlastende Versorgungsgarantie übernommen hat. Daran fehlt es, wenn die
Familienpflege von einer nur auf ambulante Betreuung ausgerichteten Organisation begleitet wird.
BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 176/07 - OLG Stuttgart
LG Heilbronn
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2008 durch den
Richter Sprick, die Richterin Weber-Monecke, den Richter Prof. Dr. Wagenitz,
die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose
beschlossen:
Die Sache wird zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit an das Oberlandesgericht Stuttgart zurückgegeben.
Gründe:
I.
1
Die Beteiligte zu 1 ist Mitarbeiterin des Beteiligten zu 2 (Betreuungsverein) und in dieser Eigenschaft (Vereins-) Betreuerin der mittellosen Betreuten.
Im Streit steht die Vergütung nach § 7 Abs. 1 i.V. mit § 5 Abs. 2 Vormünderund Betreuervergütungsgesetz (VBVG).
2
Die Betreute ist psychisch krank und lebt in der Pflegefamilie H. in G. Die
Unterbringung bei der Familie H. erfolgt aufgrund eines Formularvertrages zwischen der Betreuten, vertreten durch ihre Betreuerin, der Pflegefamilie H. und
dem "W.
e.V. - Ambulante psychiatrische Dienste". Dieser Verein hat
nach dem von ihm zur Verfügung gestellten Vertragsformular die - mit einer
Leistungspauschale zu vergütende - Aufgabe, als "Träger des Betreuten Wohnens" (oder "Familienpflegeträger") die Pflegefamilie und die Betreute "in regelmäßigen Abständen und ‘bedarfsgerecht' … zu besuchen", beide bei der
"Krisen- und Alltagsbewältigung" zu unterstützen und ihnen "auch bei der Koor-
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dination und Durchführung der verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten behilflich" zu sein. Er kann das Pflegefamilienverhältnis "jederzeit nach pflichtgemäßem Ermessen … beenden und für eine anderweitige Unterbringung … [der
Betreuten] sorgen“.
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In der Pflegefamilie steht der Betreuten ein Zimmer zur Verfügung; Küchenzeile und Bad kann sie zusammen mit den ein bis zwei anderen Pfleglingen der Familie nutzen. Ihre Verpflegung übernimmt die Betreute teilweise - je
nach ihrer Befindlichkeit und der aktuellen Qualität ihrer Beziehung zur Pflegefamilie - selbst. Das Putzen ihres Zimmers wird ausschließlich von der Betreuten selbst wahrgenommen, ebenso die Einnahme ihrer Medikamente. Eine weitere Einbeziehung in die Pflegefamilie wünscht die Betreute nicht; für ihre Tagesstruktur ist sie selbst verantwortlich.
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Das Vormundschaftsgericht hat den Vergütungsanspruch des Beteiligten
zu 2 für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2006 auf der Grundlage eines
pauschalierten Arbeitsaufwandes von zwei Stunden im Monat berechnet und
mit (12 x 2 Stunden x 44,00 € =) 1.056 € festgesetzt. Es hat die Auffassung vertreten, der Aufenthalt der Betreuten in der Pflegefamilie entspreche der Unterbringung in einem Heim. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat das
Landgericht die Betreuervergütung für den genannten Zeitraum mit (12 x 3 1/2
Stunden x 44,00 € =) 1.848 € festgesetzt, weil die Pflegefamilie, in welcher die
Betreute untergebracht sei, nicht die Kriterien des Begriffs "Heim" im Sinne des
§ 5 Abs. 3 VBVG erfülle. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde des
Beteiligten zu 3.
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Das Oberlandesgericht möchte der weiteren Beschwerde nicht entsprechen. Es ist der Auffassung, dass eine Familienpflege die Kriterien für den Aufenthalt in einem "Heim" generell nicht erfüllt. Der einem Betreuer oder Betreu-
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ungsverein pauschal zu vergütende Arbeitsaufwand könne deshalb nicht (gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VBVG) mit nur zwei Stunden bemessen werden,
wenn der mittellose Betreute in einer Pflegefamilie lebe und die Betreuung bereits länger als zwölf Monate bestehe; vielmehr sei in solchem Fall der (gemäß
§ 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VBVG) für die Betreuung Mittelloser ab einem Jahr allgemein geltende Zeitaufwand von 3 1/2 Stunden zugrunde zu legen. Dies gelte
unabhängig von den Gegebenheiten in der einzelnen Pflegefamilie. Deshalb
komme es nicht darauf an, ob die Pflegefamilie einen oder zwei Pfleglinge aufgenommen habe, ob die Betreuten Einfluss auf die Aufnahme eines anderen
Betreuten hätten, ob sie über eine eigene Kochgelegenheit verfügten oder die
Mahlzeiten mit der Familie einnähmen, ob sie ihr Zimmer und ihre Wäsche selber reinigten oder insoweit die Hilfe der Familie in Anspruch nähmen und ob sie
in deren Haushalt überwiegend integriert seien oder ihren Tagesablauf selbst
gestalteten. Entscheidend sei vielmehr, dass die Pflege in einer Familie schon
vom Grundsatz her nicht der Pflege in einem Heim gleichstehe. Ein Heim werde
professionell geführt und verfüge über geschultes Personal, so dass die Pflege
im Heim ausreichend gesichert sei und schon in dieser Einrichtung selbst einer
an sich genügenden Überwachung unterliege.
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Das Oberlandesgericht sieht sich an der beabsichtigten Entscheidung allerdings durch einen Beschuss des Oberlandesgerichts Oldenburg (FamRZ
2006, 1710) gehindert. In dieser Entscheidung hat das Oberlandesgericht die
Pflege eines mittellosen Betreuten in einer Familie als Aufenthalt in einem Heim
angesehen und für dessen Betreuung nur den verminderten pauschalen Arbeitsaufwand (gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 VBVG) in Ansatz gebracht. Es hat dabei darauf abgestellt, dass die Pflegefamilie im zu entscheidenden Fall eine umfassende, auch Veränderungen des Gesundheitszustandes oder des Hilfebedarfs einbeziehende Versorgungsgarantie übernommen habe, das für die Pflege vereinbarte Entgelt weit über den Mietzins für das dem Betreuten von der
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Familie zur Verfügung gestellte Zimmer hinausgehe, der Betreute über keine
eigene Kochgelegenheit verfüge und in den Haushalt der Pflegefamilie integriert
sei. Der Qualifizierung als "Heim" stehe nicht entgegen, dass in der Pflegefamilie nur zwei Betreute lebten. Maßgebend für den Heimcharakter sei allein die
Absicht der Pflegefamilie, einen Wechsel der zu betreuenden Personen jederzeit zuzulassen. Diese Voraussetzung sei im zu entscheidenden Fall erfüllt, da
bei der Aufnahme eines Betreuten in die Pflegefamilie zwar geprüft werde, ob
sich dieser in die Pflegefamilie integrieren lasse, die Aufnahme aber nicht an
bestimmte Bedingungen, insbesondere nicht an eine besondere persönliche
Verbundenheit der Pflegefamilie zum Betreuten geknüpft sei; auch die schon in
der Pflegefamilie lebenden Betreuten hätten nicht die Möglichkeit selbst zu
bestimmen, wer künftig mit ihnen zusammenwohne.
II.
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Die Vorlage ist unzulässig.
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1. Eine Sache aus dem Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ist vom
Oberlandesgericht - unter Begründung seiner Rechtsauffassung - gemäß § 28
Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn das Gericht von der auf
eine weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen will. Der Bundesgerichtshof hat zu prüfen, ob in der
streitigen Rechtsfrage tatsächlich ein Abweichungsfall vorliegt und ob die begehrte Stellungnahme zu der Rechtsfrage für die Entscheidung des von dem
Oberlandesgericht vorgelegten Falles tatsächlich erheblich ist. Dies zu überprüfen muss das vorlegende Oberlandesgericht dem Bundesgerichtshof auf der
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Grundlage des im Vorlagebeschluss mitgeteilten Sachverhalts und der dort zum
Ausdruck gebrachten rechtlichen Beurteilung des Falles ermöglichen. Aus dem
Vorlagebeschluss muss sich deshalb durch im Einzelnen begründete Darlegungen ergeben, dass die Befolgung der abweichenden Rechtsansicht bei dem zur
Beurteilung stehenden Sachverhalt zu einer abweichenden Fallentscheidung
führen würde. Dementsprechend ist eine Vorlage nur dann zulässig, wenn das
Oberlandesgericht darlegt, dass es ohne Abweichung nicht dieselbe Entscheidung treffen könnte (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 144 = FamRZ 2006,
615 m.w.N.).
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2. Nach diesen Maßstäben ist die Vorlage nicht zulässig.
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Nach der Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts kann die
Pflege eines mittellosen Betreuten in einer Familie grundsätzlich nicht als Aufenthalt in einem "Heim" mit der Folge qualifiziert werden, dass für die Vergütung des Betreuers oder Betreuungsvereins nur der in § 5 Abs. 2 Satz 1 VBVG
vorgesehene niedrigere Stundenansatz zugrunde gelegt werden kann. Eine
Pflegeeinrichtung ist nach dem Verständnis des vorlegenden Oberlandesgerichts - wie dargelegt - nur dann als "Heim" im Sinne dieser Vorschrift zu qualifizieren, wenn sie professionell geführt werde und über geschultes Personal verfüge, so dass die Pflege in dieser Einrichtung einer genügenden Überwachung
unterliege. Bei diesem Verständnis lebt die Betreute in dem dem Vorlagebeschluss zugrunde liegenden Fall nicht in einem "Heim", so dass für die Vergütung - wie vom Landgericht angeordnet - der in § 5 Abs. 2 Satz 2 VBVG vorgesehene höhere Arbeitsaufwand der Vereinsbetreuerin in Ansatz zu bringen und
die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3 unbegründet wäre.
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Folgt man der vom Oberlandesgericht Oldenburg vertretenen Rechtsauffassung, kann zwar im Einzelfall auch das Wohnen des Betreuten in einer Pfle-
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gefamilie als Aufenthalt in einem "Heim" im Sinne des § 5 Abs. 3 VBVG mit der
Folge anzusehen sein, dass für die Betreuervergütung nur die in § 5 Abs. 2
Satz 1 VBVG vorgesehene niedrigere Stundenzahl in Ansatz zu bringen ist. Für
eine Qualifikation als "Heim" entscheidend sollen aber die Gegebenheiten in
der konkreten Pflegefamilie sein. Dabei komme es insbesondere auf die Intensität der Eingliederung in den Organismus der Pflegeinrichtung an, wie sie bei
Einrichtungen des betreuten Wohnens regelmäßig nicht gegeben sei. Hinsichtlich der Familienpflege stellt das Oberlandesgericht Oldenburg nicht auf die
Zahl der in der Familie Betreuten ab, sondern auf Kriterien der Einbindung des
einzelnen Betreuten in die Pflegefamilie, insbesondere auch darauf, ob die Familie für den Betreuten eine auch Veränderungen in seinem Gesundheitszustand und Hilfebedarf umfassende Versorgungsgarantie übernommen habe.
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Unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts
Oldenburg käme das vorlegende Oberlandesgericht nur dann zu einer von der
beabsichtigten Entscheidung abweichenden Beurteilung, wenn die vom Oberlandesgericht Oldenburg für den Aufenthalt in einem "Heim" genannten Kriterien in dem dem Vorlagebeschluss zugrunde liegenden Fall erfüllt wären, wenn
also die Pflegefamilie eine umfassende Versorgungsgarantie übernommen und
die organisatorische Integration der Betreuten in diese Familie eine Intensität
erreicht hätte, wie sie für die Eingliederung von Betreuten in herkömmlich als
"Heim" zu qualifizierenden Pflegeeinrichtungen kennzeichnend ist. Das ist indes
weder festgestellt noch sonst ersichtlich. Der vom Landgericht ermittelte Sachverhalt spricht im Gegenteil eher für ein nur lockeres, im Wesentlichen auf die
Zur-Verfügung-Stellung von Wohnraum und auf eine Kontrolle beschränktes
Miteinander in der konkreten Pflegefamilie. Fehlt es aber im vorliegenden Fall
an der heimtypischen Intensität der Betreuung in der Pflegefamilie, so müsste
das vorlegende Oberlandesgericht auch dann, wenn es der Rechtsaufassung
des Oberlandesgerichts Oldenburg folgte, zu der Entscheidung gelangen, dass
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für die Vergütung des Betreuungsvereins der in § 5 Abs. 2 Satz 2 VBVG vorgesehene - für die Betreuung von nicht in einem Heim lebende Betreuten geltende - höhere Stundenansatz maßgebend und die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 3 deshalb unbegründet ist. Damit fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage mit der Folge, dass die Vorlage unzulässig ist.
III.
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Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
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Die einem Betreuungsverein für die Betreuungsleistung eines Vereinsbetreuers zu zahlende Vergütung bestimmt sich nach § 7 Abs. 1, § 5 VBVG. Der
zu vergütende Zeitaufwand des Betreuers wird in § 5 VBVG pauschaliert. Die
Pauschale, die nicht nach Aufgabenkreisen des Betreuers, sondern nach der
Bemitteltheit oder Mittellosigkeit des Betreuten differenziert, stellt innerhalb dieser Differenzierung darauf ab, ob der Betreute seinen gewöhnlichen Aufenthalt
in einem Heim hat oder nicht. Im ersten Fall wird für die Vergütung, wenn der
Betreute mittellos ist und die Betreuung seit mehr als einem Jahr besteht, ein
Arbeitsaufwand des Betreuers von zwei Stunden im Monat, im zweiten Fall von
3 1/2 Stunden im Monat zugrunde gelegt. Der danach maßgebende Begriff
"Heim" wird - in Anlehnung an § 1 Abs. 2 HeimG - in § 5 Abs. 3 VBVG definiert.
Heime im Sinne des Vergütungsrechts sind danach "Einrichtungen, die dem
Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie
tatsächliche Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind".
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Die Regelung beruht auf dem 2. Gesetz zur Änderung des Betreuungs-
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rechts. Ziel dieses Gesetzes, das auf Vorschläge einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe "Betreuungsrecht" zurückgeht, ist es u.a., mit der Einführung von pauschalierenden Stundenansätzen die Abrechnung der Betreuervergütung zu vereinfachen. Dieses Ziel würde, worauf das Oberlandesgericht mit Recht hinweist,
nicht oder nur unzulänglich erreicht, wenn der Begriff des Aufenthalts in einem
"Heim" auch solche Wohnformen umfasste, deren Subsumtion unter den Heimbegriff u.U. umfängliche Recherchen erfordern würde - beim Aufenthalt eines
Betreuten in einer Familienpflege etwa nach den konkreten sachlichen wie persönlichen Gegebenheiten in der jeweiligen Pflegefamilie sowie nach der Intensität, mit der der Betreute in den Tagesablauf und die Organisation dieser Familie
eingebunden ist. Dies gilt um so mehr, als die Gerichte bei der Feststellung solcher - im Laufe der Pflege zudem wandelbaren - Gegebenheiten auf die Angaben des Betreuers angewiesen wären, dessen Vergütung wiederum von dem
Ergebnis der gerichtlichen Feststellungen nachhaltig beeinflusst würde.
Praktisch sinnvoll erscheint danach ein striktes, an griffige und leicht
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feststellbare Kriterien gebundenes Verständnis des vergütungsrechtlichen
Heimbegriffs. Hierfür spricht auch, dass der Abschlussbericht der Bund-LänderArbeitsgruppe "Betreuungsrecht" für den einem Berufsbetreuer zuzubilligenden
Arbeitsaufwand darauf abstellen wollte, ob der Betreute "in einem Pflegeheim
oder
einer vergleichbaren
Einrichtung"
lebt (Bund-Länder-Arbeitsgruppe
"Betreuungsrecht" Abschlussbericht, veröffentlicht vom Vormundschaftsgerichtstag e.V., "Betrifft: Betreuung" Bd. 6 122). Diese Formulierung ist nicht Gesetz geworden; der Gesetzgeber hat die Gerichte offenbar der Mühe entheben
wollen, im Einzelfall die "Vergleichbarkeit" der konkreten Wohnsituation eines
Betreuten mit einem Pflegeheim prüfen zu müssen. Allerdings kann, wie die
Vorlagefrage zeigt, auch die vergütungsrechtliche Handhabung des vom Gesetz statt dessen verwandten Begriffs "Heim" - unbeschadet seiner Legaldefini-
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tion in § 5 Abs. 3 VBVG - im Einzelfall Schwierigkeiten mit sich bringen. Diesen
Schwierigkeiten lässt sich nach Auffassung des Senats am ehesten durch eine
teleologische Auslegung begegnen (vgl. etwa Fröschle, Betreuungsrecht 2005,
Rdn. 298).
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Dem Gesetz liegt die Vorstellung zugrunde, dass sich der Aufwand der
rechtlichen Betreuung erheblich danach unterscheidet, ob der Betreute zuhause
oder in einem Heim lebt. Der Aufenthalt in einem "Heim" dürfte allerdings, worauf das vorlegende Oberlandesgericht mit Recht hinweist, die in anderen
Wohnformen anfallenden Betreuungsaufgaben nur deshalb deutlich verringern,
weil ein Heim herkömmlicherweise professionell - das heißt von einer geschulten Heimleitung und unter Heranziehung von ausgebildetem Pflegepersonal geführt wird. Der mit einem solchen professionell geführten Heim einhergehende Organisationsapparat lässt - jedenfalls mit zunehmender Dauer der Heimbetreuung - eigene organisatorische Vorkehrungen des Betreuers mehr und
mehr entbehrlich werden. Auch die Überwachung der täglichen Pflege kann der
Betreuer unbeschadet gelegentlicher Kontrollen zumeist dem für diese Aufgabe
verantwortlich zuständigen Leitungspersonal des Heims überlassen. Daraus
lässt sich umgekehrt herleiten, dass Wohnformen für Betreute, die eine solche
professionelle Führung durch ausgebildetes Leitungs- und geschultes Pflegepersonal nicht kennen, dem vergütungsrechtlichen Heimbegriff auch dann nicht
unterfallen, wenn sie sich formal unter die - in ihrem Wortlaut zu weit greifende Definition des § 5 Abs. 3 VBVG subsumieren lassen. Dies dürfte beim Aufenthalt von Betreuten in Pflegefamilien - schon im Hinblick auf die relativ geringe
Zahl der dort wohnenden Betreuten, die eine größere Organisationsdichte ausschließt und auch eine regelmäßige eigene Kontrolltätigkeit des Betreuers nicht
verzichtbar erscheinen lässt - generell der Fall sein. Der Aufenthalt eines (mittellosen) Betreuten in einer Pflegefamilie dürfte es deshalb nicht rechtfertigen,
der Vergütung des Betreuers oder Betreuungsvereins nur den in § 5 Abs. 2
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Satz 1 VBVG vorgesehenen geringeren Arbeitsaufwand des Betreuers zugrunde zu legen. Maßgebend dürfte vielmehr insoweit der in § 5 Abs. 2 Satz 2
VBVG vorgesehene Stundenansatz sein; einer Prüfung der Gegebenheiten in
der einzelnen Pflegefamilie bedürfte es zur Anwendung des nach § 5 Abs. 2
Satz 2 VBVG höheren Stundenansatzes insoweit nicht (so auch OLG Schleswig
FamRZ 2007, 236).
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Eine Ausnahme mag sich ergeben, wenn die Unterbringung in einer
Pflegefamilie von einem Träger organisiert sowie ständig kontrolliert und begleitet wird, der Heime im vorbezeichneten Sinn unterhält und dessen umfassende
Betreuungsleistung durch geschultes Personal auch dort im Vordergrund steht,
wo im Einzelfall die Betreuung des Betroffenen lediglich - vom Heim in eine
Pflegefamilie als einer für den individuellen Betroffenen besonders geeignet
erscheinenden Wohnform - "ausgelagert" ist. Auch in einem solchen Fall werden die Betreuung des Betroffenen in der Pflegefamilie und die Organisation
und Begleitung des Betreuten durch den Träger aber nur dann als Einheit angesehen und die Familienpflege als eine für den Betreuer arbeitsersparende
Unterbringung in einem "Heim" beurteilt werden können, wenn - worauf das
Oberlandesgericht Oldenburg mit Recht abhebt - der Träger eine umfassende,
von der aktuellen Situation des Betroffenen grundsätzlich unabhängige und dadurch den Betreuer dauerhaft entlastende Versorgungsgarantie übernommen
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hat. Diese Voraussetzungen sind, worauf auch das vorlegende Oberlandesgericht hinweist, im vorliegenden Fall, in dem eine auf ambulante Betreuung ausgerichtete Organisation sich lediglich zu Beratungs- und Unterstützungsleistungen verpflichtet hat, nicht gegeben.
Sprick
Weber-Monecke
Vézina
Wagenitz
Dose
Vorinstanzen:
LG Heilbronn, Entscheidung vom 10.07.2007 - 1 T 124/07 u. 1 T 125/07 OLG Stuttgart, Entscheidung vom 25.10.2007 - 8 W 313/07 -