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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 146/04
vom
9. Februar 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 269 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 i.d.F. des 1. Justizmodernisierungsgesetzes
vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198)
Zur Kostentragung unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstandes nach
billigem Ermessen (§ 269 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 ZPO) auch in den Fällen, in
denen die mit einem Prozeßkostenhilfeantrag verbundene Klage noch vor ihrer
Zustellung zurückgenommen wurde.
BGH, Beschluß vom 9. Februar 2005 - XII ZB 146/04 - OLG Frankfurt am Main
LG Wiesbaden
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Februar 2005 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des
17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
10. März 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung
- auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Dem Kläger wird als Rechtsbeschwerdeführer Prozeßkostenhilfe
bewilligt und Rechtsanwalt Dr. Kortüm beigeordnet. Die Partei hat
auf die Prozeßkosten monatliche Raten von 75 € ab 1. April 2005
zu zahlen. Die Zahlungen sind an die Bundeskasse zu leisten.
Gründe:
I.
Am 6. Oktober 2003 hat der Kläger - nachdem er zuvor der Beklagten
vergeblich eine Frist zur Abgabe der Erklärung gesetzt hatte - eine auf Zustimmung der Beklagten in die Kündigung eines gemeinsam abgeschlossenen Bausparvertrags gerichtete Klage eingereicht. Zugleich hat er um Bewilligung von
Prozeßkostenhilfe nachgesucht. Das Landgericht hat der Beklagten eine nicht
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beglaubigte Abschrift des Schriftsatzes übersandt und sie aufgefordert, zum
Prozeßkostenhilfegesuch des Klägers Stellung zu nehmen. Die Beklagte hat
daraufhin die begehrte Zustimmung zur Kündigung des Bausparvertrags erklärt.
Der Kläger hat sodann die Klage zurückgenommen und beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil sie durch ihr Verhalten Anlaß
zur Einreichung der Klage gegeben habe.
Das Landgericht hat daraufhin der Beklagten gemäß § 269 Abs. 3 Satz 3
ZPO a.F. die Kosten auferlegt. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat
das Oberlandesgericht die Entscheidung des Landgerichts abgeändert und den
Kostenantrag des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen Kostenantrag weiter.
II.
Das Rechtsmittel ist begründet. Es führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liegen die Voraussetzungen,
die § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO (a.F.) für die vom Antragsteller begehrte Kostenentscheidung aufstellt, nicht vor. Die Kostenregelungen des § 269 ZPO bezögen sich auf die Parteien eines Rechtsstreits, zu dem es jedoch erst mit der
- hier fehlenden - Zustellung der Klage komme. Für die Regelung des § 269
Abs. 3 Satz 3 ZPO (a.F.) gelte nichts anderes. Im Prozeßkostenhilfeverfahren
ergebe sich die Unanwendbarkeit des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO (a.F.) im übri-
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gen bereits daraus, daß eine Kostenerstattung in diesem Verfahren nach § 118
Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht stattfinde.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Wie der Bundesgerichtshof - nach Erlaß des angefochtenen Beschlusses - entschieden hat, ist die durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses
vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) eingefügte Vorschrift des § 269 Abs. 3
Satz 3 ZPO (a.F.) auch dann anwendbar, wenn eine Klage zurückgenommen
wird, bevor sie zugestellt worden ist, und wenn die Zustellung deshalb nachfolgend unterbleibt (BGH Beschlüsse vom 18. November 2003 - VIII ZB 72/03 FamRZ 2004, 697 und vom 18. Dezember 2003 - VII ZB 55/02 - ZfBR 2004,
373). Diese Auffassung hat inzwischen mit der Einfügung eines § 269 Abs. 3
Satz 3 2. Halbsatz ZPO durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24. August 2004 (BGBl. I S. 2198) Eingang in das Gesetz gefunden.
Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht deshalb als richtig, weil im Prozeßkostenhilfeverfahren Gerichtskosten nicht entstanden und
außergerichtliche Kosten dem Gegner (gemäß § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO) nicht
zu erstatten sind. Der Kläger hat nämlich nicht nur Prozeßkostenhilfe beantragt,
sondern zugleich Klage eingereicht. Richtig ist zwar, daß ein als Klage bezeichneter Schriftsatz zunächst nur als ein Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe gemeint sein kann. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn in dem
Schriftsatz gebeten wird, "vorab" über die Gewährung von Prozeßkostenhilfe zu
entscheiden, oder wenn die Klagebegründung in anderer Weise klarstellt, daß
eine Klageerhebung noch nicht beabsichtigt ist (vgl. etwa Senatsurteil vom
22. Mai 1996 - XII ZR 14/95 - FamRZ 1996, 1142, 1143; Musielak /Foerste ZPO
4. Aufl. § 253 Rdn. 6). Im vorliegenden Fall sind dem Schriftsatz des Klägers
Anhaltspunkte für eine solche Willensrichtung indes nicht zu entnehmen. Der
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Kläger hat im Gegenteil ausdrücklich erklärt, Klage zu erheben und gleichzeitig
um Prozeßkostenhilfe nachgesucht. Von diesem Verständnis geht im Ergebnis
- unbeschadet seiner Hilfsbegründung - letztlich wohl auch das Oberlandesgericht aus, da es anderenfalls auf die Zulassungsfrage nach der Anwendbarkeit
des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auf den vorliegenden Fall nicht ankäme.
3. Die angefochtene Entscheidung kann nach allem nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden, da das
Oberlandesgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - die ihm nach
§ 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO obliegende Ermessensentscheidung noch nicht getroffen hat. Die Sache war daher an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen,
damit es diese Entscheidung nachholt.
Hahne
Sprick
Wagenitz
Weber-Monecke
Dose