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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 136/04
vom
15. November 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
EGBGB Art. 224 § 2 Abs. 3; BGB § 1626 a Abs. 1 Nr. 1
a) Die Ersetzung der Sorgeerklärung nach Art. 224 § 2 Abs. 3 EGBGB, § 1626 a
Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt die positive Feststellung voraus, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl dient.
b) Durch die Ersetzung der Sorgeerklärung kann die gemeinsame elterliche Sorge
nur umfassend und nicht lediglich für bestimmte Teilbereiche begründet werden.
BGH, Beschluss vom 15. November 2007 - XII ZB 136/04 - OLG Stuttgart
AG Tübingen
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. November 2007 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Dr. Ahlt und Dose
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss
des 18. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts
Stuttgart vom 20. April 2004 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 3.000 €
Gründe:
I.
1
Der Beteiligte zu 1 begehrt die Ersetzung der Sorgeerklärung der Beteiligten zu 2 nach Art. 224 § 2 Abs. 3 EGBGB i.V.m. § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB.
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Der Beteiligte zu 1 (Antragsteller, Vater) und die Beteiligte zu 2 (Antragsgegnerin, Mutter) sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des am 2. April
1993 geborenen Kindes J., für das der Vater durch Standesamtsurkunde vom
8. April 1993 die Vaterschaft anerkannt hat. Nach der Geburt des Kindes lebten
die Eltern in nichtehelicher Lebensgemeinschaft und betreuten das Kind zunächst gemeinsam. Seit der Trennung im Jahre 1996 lebt J. aufgrund einer
Vereinbarung der Eltern von Montag bis Mittwoch bei dem Vater und von Mitt-
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woch abends bis Freitag bei der Mutter. Die Wochenenden verbringt er abwechselnd jeweils bei einem Elternteil. Der Vater strebt die gemeinsame elterliche Sorge an; er hat am 12. Februar 1999 vor dem Kreisjugendamt eine Sorgeerklärung nach § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB abgegeben. Die Mutter lehnt ein
gemeinsames Sorgerecht ab, weil sie befürchtet, der Vater wolle sich in ihr Leben einmischen und strebe eventuell auf Dauer das alleinige Sorgerecht an.
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Dem Antrag des Vaters, die elterliche Sorge für J., hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Wahl der Schullaufbahn und der beruflichen
Ausbildung sowie grundlegende Entscheidungen im Bereich der medizinischen
Vorsorge, "auf beide Eltern gemeinsam zu übertragen", hatte das Amtsgericht
- Familiengericht - nicht stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde
des Vaters hatte das Oberlandesgericht zurückgewiesen (FamRZ 2000, 632 f.).
Die zugelassene weitere Beschwerde des Vaters war ohne Erfolg geblieben.
Zur Begründung hatte der Senat ausgeführt, die gemeinsame elterlicher Sorge
komme bereits aus Rechtsgründen nicht in Betracht, da die Eltern nicht miteinander verheiratet seien und die nach § 1626 a Nr. 1 BGB grundsätzlich erforderliche, gerichtlich nicht ersetzbare Zustimmung der Mutter fehle (Senatsbeschluss vom 4. April 2001 - XII ZB 3/00 - FamRZ 2001, 907 ff.).
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Auf die Verfassungsbeschwerde des Vaters hat das Bundesverfassungsgericht den Senatsbeschluss vom 4. April 2001 sowie den Beschluss des
Oberlandesgerichts vom 2. Dezember 1999 aufgehoben und die Sache an das
Oberlandesgericht zurückverwiesen. Dabei hat es § 1626 a BGB insoweit für
verfassungswidrig erklärt und eine gesetzliche Neuregelung gefordert, als eine
Übergangsregelung für Eltern fehlt, die sich noch vor Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 getrennt haben (BVerfGE 107,
150 ff. = FamRZ 2003, 285 ff.).
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Das Oberlandesgericht hat das Verfahren entsprechend § 148 ZPO bis
zur Einführung von Art. 224 § 2 Abs. 3 bis 5 EGBGB ausgesetzt. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens hat es die Eltern, das Kind und dessen Verfahrenspfleger persönlich angehört. Durch Beschluss vom 20. April 2004 hat das Oberlandesgericht die Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts
- Familiengericht - und die zuletzt gestellten Anträge des Vaters zurückgewiesen, die Sorgeerklärung der Mutter zu ersetzen bzw. hilfsweise die Sorgeerklärung insoweit zu ersetzen, als das Aufenthaltsbestimmungsrecht, die Wahl der
Schullaufbahn sowie der beruflichen Ausbildung und grundlegende Entscheidungen im Bereich der medizinischen Versorgung betroffen sind. Dagegen
wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Vaters.
II.
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Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2004, 1397
ff. veröffentlicht ist, hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Voraussetzungen des Art. 224 § 2 Abs. 3 und 4 EGBGB, unter denen
der Vater die von ihm angestrebte Beteiligung an der elterlichen Sorge für J.
erlangen könne, lägen nicht vor. Zwar habe der Vater bereits eine wirksame
Sorgeerklärung abgegeben, auch hätten die nicht verheirateten Eltern längere
Zeit in häuslicher Gemeinschaft die elterliche Verantwortung für ihr Kind gemeinsam getragen und sich vor dem 1. Juli 1998 getrennt. Die gerichtliche Ersetzung der Sorgeerklärung des anderen Elternteils sei allerdings nur dann vorzunehmen, wenn die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl diene. Die
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positive Feststellung der Kindeswohldienlichkeit sei Voraussetzung für den
Übergang zur gemeinsamen Sorge. Die Feststellungslast für das Vorliegen dieser Voraussetzung liege bei dem antragstellenden Elternteil. Bei der Prüfung,
ob die gemeinsame Sorge dem Wohl des Kindes diene, seien die aus anderen
Verfahren betreffend die elterliche Sorge bekannten Kriterien, wie etwa die gewachsenen Bindungen des Kindes oder die Kooperationsfähigkeit und
-bereitschaft der Eltern, unter Berücksichtigung des Kindeswillens heranzuziehen. Abzustellen sei nicht auf den Zeitpunkt der Trennung der Eltern, sondern
der gerichtlichen Entscheidung.
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Aufgrund der persönlichen Anhörung beider Eltern und des Kindes, der
Stellungnahme des Verfahrenspflegers und aufgrund der zur Akte gelangten
Schreiben der Eltern und der Schriftsätze der Verfahrensbevollmächtigten sei
nicht davon auszugehen, dass die gemeinsame Sorge dem Wohle des Kindes
diene. Beiden Eltern fehle die zur Übernahme der gemeinsamen Sorge erforderliche Kooperationsbereitschaft und Kooperationsfähigkeit. Bei seiner Anhörung habe J. erklärt, oftmals führten bereits Alltagsfragen zu heftigen, gütlich
nicht beizulegenden Streitereien zwischen den Eltern. Gegenüber dem Verfahrenspfleger habe J. geäußert, im Falle der Erweiterung der Rechte des Vaters
bestünde die Gefahr, dass die Eltern dann nicht nur über belanglose Dinge stritten, sondern auch noch über wichtige. Dabei sei J. in der Lage, das Verhältnis
der Eltern zueinander einzuschätzen und die Konsequenzen von deren Streitigkeiten für ihn persönlich zu begreifen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Bewertung der Angaben des Kindes und deren Beachtlichkeit
für die zu treffende Entscheidung sei nicht angezeigt, weil sämtliche Senatsmitglieder über langjährige Erfahrungen bei der Anhörung von Kindern und somit
über eigene Sachkunde verfügten. Dass die Eltern selbst in den für J. wesentlichen Fragen nicht konsensfähig seien, zeige die Kontroverse um die Wahl einer
weiterführenden Schule. Diese habe der Vater zum Anlass genommen, am
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6. März 2003 eine einstweilige Anordnung auf Übertragung der gemeinsamen
Sorge zu stellen, obgleich die rechtlichen Voraussetzungen zum damaligen
Zeitpunkt noch gar nicht gegeben gewesen seien. Es sei nicht zu erwarten,
dass sich das Verhältnis der Eltern, deren Kommunikation tiefgreifend gestört
sei, bei einer antragsgemäßen Entscheidung in absehbarer Zeit verbessern und
deshalb die gemeinsame Sorge dem Wohl des Kindes dienen würde, was derzeit nicht der Fall sei. Die Alleinsorge trage eher als die gemeinsame Sorge dazu bei, dem Wohl des Kindes dienende Entscheidungen in wesentlichen Angelegenheiten herbeizuführen.
Auch dem hilfsweise gestellten Antrag des Vaters, die Sorgeerklärung
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der Mutter teilweise zu ersetzen, sei nicht zu entsprechen. Eine Teil-Sorgeerklärung sehe das Gesetz in § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht vor. Die gerichtliche Ersetzung der Sorgeerklärung eines Elternteils dürfe aber nicht mit einem
anderen Inhalt ergehen als sie für die Abgabe der Sorgeerklärung durch den
Elternteil selbst zulässig wäre, ansonsten wäre sie nach § 1626 e BGB unwirksam.
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Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
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2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist Art. 224 § 2
Abs. 3 bis 5 EGBGB nicht verfassungswidrig.
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a) Es verstößt nicht gegen das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes, das Kind nach § 1626 a Abs. 2 BGB zunächst rechtlich allein der
Mutter zuzuordnen und grundsätzlich ihr die Personensorge zu übertragen
(BVerfGE 107, 150, 169 ff. = FamRZ 2003, 285, 287 ff). Denn das Kindeswohl
verlangt, dass ab der Geburt eine Person vorhanden ist, die für das Kind
rechtsverbindlich handeln kann. Zwar ist auch der Vater eines nichtehelichen
Kindes Träger des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG. Angesichts der Unter-
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schiedlichkeit der Lebensverhältnisse, in die nichteeheliche Kinder hineingeboren werden, ist es jedoch gerechtfertigt, das Kind bei seiner Geburt sorgerechtlich grundsätzlich der Mutter und nicht dem Vater oder beiden Elternteilen gemeinsam zuzuordnen. Dem Elternrecht des Vaters ist dadurch Rechnung getragen, dass § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB denjenigen Eltern, die für ihr nichteheliches Kind gemeinsam Sorge tragen wollen, die Möglichkeit einräumt, durch
übereinstimmende Sorgeerklärungen schon bei der Geburt des Kindes auch
rechtlich gemeinsam die Sorge zu tragen. Für die Fälle, in denen die Mutter
trotz Zusammenlebens mit dem Vater und dem Kind keine Sorgeerklärung abgeben will, durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass sie sich nur ausnahmsweise und nur dann einer gemeinsamen Sorge verweigert, wenn sie dafür schwerwiegende Gründe hat, die von der Wahrung des Kindeswohls getragen werden. Unter dieser Annahme ist es mit Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar, dass
der Gesetzgeber davon abgesehen hat, bei einem Nicht-Zustandekommen
übereinstimmender Sorgeerklärungen eine gerichtliche Einzelfallprüfung zuzulassen. Dass hierdurch der Zugang des Vaters eines nichtehelichen Kindes zur
elterlichen Sorge auch von der Zustimmungserklärung der Mutter und damit von
deren Bereitschaft abhängt, mit ihm gemeinsam die Sorge zu tragen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Mutter kann ohne Bereitschaft
des Vaters nicht mit ihm die Sorge für das Kind teilen. Beide Eltern erhalten
damit gleichermaßen Zugang zur gemeinsamen Sorge nur, wenn sie dies übereinstimmend wollen (BVerfGE 107, 150, 175 ff. = FamRZ 2003, 285, 289, unter
C I 2 a cc; vgl. Senatsbeschluss vom 4. April 2001 - XII ZB 3/00 - FamRZ 2001,
907, 909 ff.).
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b) Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings § 1626 a BGB insoweit
für unvereinbar mit Art. 6 Abs. 2 und 5 GG erachtet, als eine Übergangsregelung für Eltern fehlt, die sich noch vor In-Kraft-Treten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes am 1. Juli 1998 getrennt haben. Es verstoße gegen das Eltern-
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recht des Vaters eines nichtehelichen Kindes, wenn er nur deshalb keinen Zugang zur gemeinsamen Sorge für sein Kind erhalte, weil zum Zeitpunkt seines
Zusammenlebens mit der Mutter und dem Kind keine Möglichkeit für ihn und die
Mutter bestanden habe, eine gemeinsame Sorge zu begründen, und die Mutter
nach der Trennung zur Abgabe einer Sorgeerklärung nicht (mehr) bereit ist,
obwohl die gemeinsame Sorge dem Kindeswohl entspreche. Für diese Fälle hat
das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgegeben, bis zum 31. Dezember 2003 eine Regelung zu schaffen, die einem Elternteil die Möglichkeit
zur gerichtlichen Überprüfung einräumt, ob trotz entgegenstehenden Willens
des anderen Elternteils unter Berücksichtigung des Kindeswohls eine gemeinsame elterliche Sorge begründet werden kann (so BVerfGE 107, 150, 180 =
FamRZ 2003, 285, 291, unter C I 3).
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c) Der Gesetzgeber ist dem durch Einführung des Art. 224 § 2 Abs. 3 bis
5 EGBGB aufgrund des zum 31. Dezember 2003 in Kraft getretenen "Gesetzes
zur Umsetzung familienrechtlicher Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts" vom 13. Dezember 2003 (BGBl. I 2547) nachgekommen. In Abs. 3 dieser Vorschrift ist geregelt, dass das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils
die Sorgeerklärung des anderen Elternteils nach § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB zu
ersetzen hat, wenn die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl dient. Die
nicht miteinander verheirateten Eltern müssen dabei längere Zeit in häuslicher
Gemeinschaft gemeinsam die elterliche Verantwortung für ihr Kind getragen
und sich vor dem 1. Juli 1998 getrennt haben. Auch für die Ersetzung der Sorgeerklärung soll - ebenso wie für die Ausübung der elterlichen Sorge nach
§ 1626 BGB - das Kindeswohl entscheidend sein. Die Sorgeerklärung darf nicht
schon dann ersetzt werden, wenn Gründe des Kindeswohls lediglich "nicht entgegenstehen". Die Ersetzung erfordert vielmehr den positiven Nachweis, dass
die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl dient (vgl. OLG Koblenz
FamRZ 2006, 56; OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 831; Prütting/Weinreich/We-
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gen/Ziegler BGB 2. Aufl. § 1626 a Rdn. 3). Der Prüfungsmaßstab soll damit den
in der Praxis erprobten Wertungen der Kindeswohldienlichkeit (vgl. § 1672
Abs. 1 Satz 2, 1680 Abs. 2 Satz 2 BGB) angeglichen werden (vgl. BT-Drucks.
15/1552, 10). Kann deshalb das Gericht trotz bestehender Amtsermittlungspflicht (§ 12 FGG) keine Umstände dafür feststellen, dass die Begründung
der gemeinsamen Sorge gegen den Willen eines Elternteils dem Kindeswohl
dient, bleibt es beim Alleinsorgerecht der Mutter.
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d) Das Erfordernis der positiven Feststellung der Kindeswohldienlichkeit
in Art. 224 § 2 Abs. 3 EGBGB für die Ersetzung der Sorgeerklärung verletzt das
verfassungsrechtlich geschützte Elternrecht des Vaters des nichtehelichen Kindes (Art. 6 Abs. 2 GG) nicht.
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Aus der Trennung der Eltern vor dem 1. Juli 1998 und der nach der Trennung erklärten Weigerung der Mutter, eine Sorgeerklärung abzugeben, kann
nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, die Mutter hätte sich auch
während des Zusammenlebens einer gemeinsamen Sorge verschlossen, wenn
dies rechtlich möglich gewesen wäre. Ebenso lässt dieses Verhalten für sich
betrachtet nicht bereits den Rückschluss zu, elterliche Konflikte entzögen einer
gemeinsamen Sorge die erforderliche Basis und beeinträchtigten deshalb das
Kindeswohl (BVerfGE 107, 150, 181 f. = FamRZ 2003, 285, 291, unter C I 3 b).
Zu beachten ist, dass selbst bei getrennt lebenden Eltern - vorbehaltlich der
Fälle einer mangelnden Kooperationsbereitschaft und eines hohen Konfliktpotentials - die gemeinsame Sorge besser als die Alleinsorge geeignet ist, die Kooperation und die Kommunikation der Eltern miteinander positiv zu beeinflussen
sowie den Kontakt des Kindes zu beiden Elternteilen aufrechtzuerhalten und die
Beeinträchtigung des Kindes durch die Trennung zu mindern (Senatsbeschluss
vom 11. Februar 2004 - XII ZB 158/02 - FamRZ 2004, 802, 803; BVerfGE 107,
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150, 155 = FamRZ 2003, 285, 286, unter A II 1; BVerfGE 84, 168, 182 =
FamRZ 1991, 913, 916; BVerfGE 61, 358, 376 = FamRZ 1982, 1179, 1183).
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Allerdings ist ein Mindestmaß an Konsens- bzw. Kooperationsfähigkeit
der Eltern die entscheidende Voraussetzung für eine gemeinsame Ausübung
des Sorgerechts. Der Gesetzgeber durfte deshalb für die Regelung, unter welchen Voraussetzungen auch nach einer Trennung der Eltern eine gemeinsame
Sorge begründet werden kann, davon ausgehen, dass die gegen den Willen
eines Elternteils erzwungene gemeinsame Sorge regelmäßig mit mehr Nachteilen als Vorteilen für das Kind verbunden ist und in diesen Fällen keine Vermutung für eine Kindeswohldienlichkeit besteht (vgl. BVerfGE 107, 150, 173 f. =
FamRZ 2003, 285, 289, unter C I 2 a bb). Es unterliegt daher keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, die Begründung der gemeinsamen Sorge durch
Ersetzung einer Sorgeerklärung von der positiven Feststellung der Kindeswohldienlichkeit im Rahmen einer gerichtlichen Einzelfallprüfung abhängig zu machen. Das den Eltern gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich gegenüber dem Staat gewährleistete Recht auf Pflege und Erziehung ihrer Kinder
dient nämlich in erster Linie dem Kindeswohl, das zugleich oberste Richtschnur
für die Ausübung der Elternverantwortung ist (BVerfGE 75, 201, 218 f. =
FamRZ 1987, 786, 789; BVerfGE 61, 358, 371 f. = FamRZ 1982, 1179, 1182;
BVerfG FamRZ 2004, 1015 f.). Außerdem will die Übergangsvorschrift Art. 224
§ 2 Abs. 3 bis 5 EGBGB keinen erleichterten Zugang des Vaters zur gemeinsamen Sorge ermöglichen, sondern nur den Mangel ausgleichen, dass vor dem
1. Juli 1998 die Möglichkeit eines gemeinsamen Sorgerechts nach § 1626 a
Abs. 1 Nr. 1 BGB noch nicht bestand (Prütting/Weinreich/Wegen/Ziegler aaO
§ 1626 a Rdn. 3). Wie § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB sieht Art. 224 § 2 Abs. 3
EGBGB deshalb die Alleinsorge als normativen Regelfall an.
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e) Die Regelung des Art. 224 § 2 Abs. 3 bis 5 EGBGB steht auch nicht
im Widerspruch zu Artt. 8 und 14 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950 in der Fassung
vom 17. Mai 2002 (BGBl. 2002 II, 1.054). Zwar schützt die Menschenrechtskonvention das Familienleben unabhängig von einer Eheschließung der Eltern
(vgl. Senatsbeschluss vom 4. April 2001 - XII ZB 3/00 - FamRZ 2001, 907, 911
m.N.). Ebenso wie in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sind jedoch Eingriffe in das Elternrecht des Art. 8 Abs. 1 EMRK (i.V.m. Art. 14 EMRK) durch abweichende rechtliche Gestaltung der familiären Beziehungen eines Kindes, dessen Eltern nicht
miteinander verheiratet sind, gegenüber Kindern von Ehepaaren statthaft, wenn
dies gesetzlich vorgesehen und durch sachliche Gründe zur Wahrung des Kindeswohls erforderlich ist (Art. 8 Abs. 2 EMRK). Deshalb ist die durch objektive
und vernünftige Gründe gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung nichtehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern ohne Verletzung des Art. 8 Abs. 1
EMRK (in Verbindung mit Art. 14 EMRK) möglich. Den jeweiligen Einzelstaaten
steht dabei ein weiter Beurteilungsspielraum bei der Gestaltung der Rechte und
der Pflichten der Eltern zu (Fahrenhorst Familienrecht und EMRK [1994]
S. 455 f.). Insoweit sind die für Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 GG vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Eingriffs- und Regelungskriterien geeignet,
Eingriffe in Art. 8 Abs. 1 EMRK (in Verbindung mit Art. 14 EMRK) in Form einer
unterschiedlichen Gestaltung der Rechtspositionen von Mutter und Vater zu
rechtfertigen, wenn dies dem Kindeswohl dient (Senatsbeschluss vom 4. April
2001 - XII ZB 3/00 - FamRZ 2001, 907, 911). Hierzu kann auf die Ausführungen
zur Verfassungsmäßigkeit des Art. 224 § 2 Abs. 3 bis 5 EGBGB verwiesen
werden, dessen Maßstab für das gemeinsame Sorgerecht nicht miteinander
verheirateter Eltern das Kindeswohl ist.
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f) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, das Erfordernis der Kindeswohldienlichkeit in Art. 224 § 2 Abs. 3 EGBGB benachteilige den Vater eines
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nichtehelichen Kindes unangemessen gegenüber ehelichen Vätern. Dieser
Einwand ist nicht gerechtfertigt. Bei verheirateten Eltern darf der Gesetzgeber
davon ausgehen, dass der durch Eheschluss bekundete Wille zur gemeinsamen Sorge deren Kooperationsbereitschaft zeigt und eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Sorgerechtsausübung durch die Eltern gewährleistet
(BVerfGE 107, 150, 174 = FamRZ 2003, 285, 289, unter C I 2 a bb <1>). Ein
solcher Anknüpfungspunkt steht nicht zur Verfügung, wenn der Vater eines
nichtehelichen Kindes gegen den Willen der Mutter die gemeinsame Sorge anstrebt. Der Vater eines nichtehelichen Kindes ist bei der Erlangung des gemeinsamen Sorgerechts auch nicht gegenüber dem Ehegatten eines allein sorgeberechtigten Elternteils unangemessen benachteiligt, der nicht Elternteil des Kindes ist. Auch dieser kann nach § 1687 b Abs. 1 BGB nur im Einvernehmen mit
dem sorgeberechtigten Elternteil die Befugnis zur Mitentscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes wahrnehmen.
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3. Bei seiner prognostischen und wertenden Abwägung nach Art. 224 § 2
Abs. 3 EGBGB, ob die Begründung der gemeinsamen Sorge nicht verheirateter
Eltern dem Kindeswohl dient, kann das Gericht - unter Berücksichtung des Kindeswillens - auf anerkannte Sorgekriterien zurückgreifen, wie gewachsene Bindungen oder die Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern (Höfelmann
FamRZ 2004, 65, 68 f.; BT-Drucks. 15/1552, S. 10). Das Oberlandesgericht hat
dabei in tatrichterlicher Verantwortung das Verhalten der Eltern, insbesondere
seit der Zeit ihrer Trennung, mit seinen möglichen Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes in rechtlich nicht angreifbarer Weise - unter Anwendung
geeigneter Beurteilungsmaßstäbe und rechtlich zutreffender Kriterien - dahin
gewertet, dass die Ersetzung der Sorgeerklärung der Mutter und die Begründung des gemeinsamen Sorgerechts der Eltern dem Kindeswohl nicht dient.
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a) Die gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus und erfordert ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen (BVerfGE 107, 150, 173 =
FamRZ 2003, 285, 289, unter C I 2 a aa; 92, 158, 178 f. = FamRZ 1995, 789,
792). Für das Wohl des Kindes ist die Kooperationsbereitschaft der Eltern in
Bezug auf das Kind von wesentlicher Bedeutung. Fehlt es hieran bzw. tragen
die Eltern ihren Konflikt auf dem Rücken des Kindes aus, kann die gemeinsame
Sorge dem Kindeswohl zuwider laufen und seine Beziehungsfähigkeit und Entwicklung beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 107, 150, 173 = FamRZ 2003, 285, 289,
unter C I 2 a aa). In solchen Fällen ist der Alleinsorge eines Elternteils der Vorzug zu geben. Entscheidend ist, welche Auswirkungen die mangelnde Einigungsfähigkeit der Eltern bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die
Entwicklung und das Wohl des Kindes haben werden (vgl. Senatsbeschluss
vom 29. September 1999 - XII ZB 3/99 - FamRZ 1999, 1646 f.).
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b) Ohne Erfolg wendet die Rechtsbeschwerde ein, das Oberlandesgericht habe seine Annahme nicht tragfähig begründet, beiden Eltern fehle die zur
Übernahme der gemeinsamen Sorge erforderliche Kooperationsbereitschaft
bzw. -fähigkeit in den für J. wesentlichen Fragen. Deshalb stünden auch für die
Prognoseentscheidung nach Art. 224 § 2 Abs. 3 EGBGB, das gemeinsame Sorgerecht diene nicht dem Kindeswohl, keine ausreichenden Feststellungen zur
Verfügung.
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aa) Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts verwehren beide
Elternteile seit mehr als einem Jahr dem jeweils anderen den Zutritt zu ihren
Wohnungen, ihre Kommunikation beschränkt sich auf konfliktreich verlaufende
Telefonate. Das Kind hat bei seiner Anhörung dem Beschwerdegericht gegenüber geäußert, bereits Alltagsfragen führten zu heftigen, gütlich nicht beizulegenden Streitereien zwischen den Eltern. Insbesondere gebe es "bei 100 % der
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Telefonate" Streit. Im Haushalt des Vaters werde in seiner Anwesenheit abwertend über die Mutter gesprochen und deren Erziehungsfähigkeit in Frage gestellt. In einem Zeitungsartikel hat sich der Vater zudem dahin geäußert, durch
die "merkwürdige" Umgangsregelung habe die Mutter ein halbe Woche einen
"Gratis-Babysitter", damit sie arbeiten und ihre neue Beziehung pflegen könne.
Schließlich kam es im Jahr 2003 zu einer Auseinandersetzung um die Wahl
einer weiterführenden Schule, die - neben anderen Gesichtspunkten - Gegenstand eines Antrags des Vaters auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war.
Es unterliegt keinen rechtlichen Bedenken, aus einer Gesamtbetrachtung dieser
Umständen auf eine fehlende tragfähige Beziehung der Eltern zu schließen und
von der Prognose auszugehen, dass eine Verständigung zwischen ihnen nicht
nur über untergeordnete Belange des Kindes, sondern selbst über wichtige
Sorgerechtsfragen nicht in einer Art und Weise möglich ist, die auch bei einem
Dissens eine dem Kindeswohl dienliche Entscheidung gewährleisten würde. In
diesem Fall kann das nach Art. 6 Abs. 2 GG zu berücksichtigende Elternrecht
des Vaters kein Hindernis für die aus Gründen des Kindeswohls angezeigte
Alleinsorge der Mutter darstellen.
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Für die Begründung eines gemeinsamen Sorgerechts spricht auch nicht
der Einwand der Rechtsbeschwerde, selbst eine fehlende Kommunikationsbereitschaft der Eltern entbinde diese nicht von der Pflicht, auf der "Elternebene"
zum Wohle des Kindes zu kooperieren und einen Konsens zu suchen. Art. 224
§ 2 Abs. 3 EGBGB enthält wie § 1671 Abs. 2 BGB keine gesetzliche Vermutung
dafür, dass die gemeinsame Sorge im Zweifel die beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2005
- XII ZB 33/04 - FamRZ 2005, 1167 und vom 29. September 1999 - XII ZB
3/99 - FamRZ 1999, 1646, 1647; BT-Drucks. 13/4899 S. 63). Einem solchen
normativen Vorrang der gemeinsamen Sorge stünde bereits entgegen, dass
sich elterliche Gemeinsamkeit in der Realität nicht verordnen lässt (vgl. Senats-
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beschluss vom 29. September 1999 - XII ZB 3/99 - FamRZ 1999, 1646, 1647).
Sofern das Gericht davon überzeugt ist, dass die Eltern auch in absehbarer Zukunft keine gemeinsame Kommunikationsbasis für das Kind betreffende Fragen
finden können, darf es vielmehr davon ausgehen, dass eine Begründung der
gemeinsamen Sorge mehr Nachteile als Vorteile für das Kind mit sich bringen
würde (vgl. BVerfGE 107, 150, 173 f. = FamRZ 2003, 285, 289). In diesem Fall
hat es bei der Alleinsorge zu bleiben, auch wenn wichtige Sorgerechtsfragen im
Sinne von § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB im Entscheidungszeitpunkt nicht anstehen. Bereits das Risiko, dass das Kind durch die Begründung der gemeinsamen Sorge verstärkt dem fortdauernden Konflikt der Eltern ausgesetzt wird,
steht regelmäßig der Feststellung der Kindeswohldienlichkeit entgegen.
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bb) Die Rechtsbeschwerde rügt, das Beschwerdegericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt. Für die Bewertung der Angaben des Kindes und deren Beachtlichkeit für die zu treffende Entscheidung hätte es ein
Sachverständigengutachten einholen müssen. Zudem hätte das Oberlandesgericht die Zeugen B. und H. für die vom Vater behauptete positive Kooperation
der Eltern vernehmen müssen. Auch diesen Rügen bleibt der Erfolg versagt.
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§ 12 FGG überlässt es dem Gericht, "die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen". Mit dieser Regelung wird die Frage nach der Notwendigkeit und dem Umfang einer Beweisaufnahme ebenso in das pflichtgemäße Ermessen des Tatrichters gestellt wie die Auswahl der Beweismittel (Senatsbeschluss vom 10. März 2005 - XII ZB 153/03 - FamRZ 2005, 889, 890). Das Verfahren muss jedoch in die elterliche Sorge betreffenden Angelegenheiten geeignet sein, eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen (BVerfGE 55, 171, 182 = FamRZ 1981, 124,
126; BVerfG FamRZ 1999, 1417, 1418).
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Von dem ihm eingeräumten Ermessen hat das Oberlandesgericht keinen
rechtsfehlerhaften Gebrauch gemacht. Es hat seine Entscheidung nicht allein
vom Kindeswillen abhängig gemacht, sondern den Schilderungen des elfjährigen J. über das Verhalten seiner Eltern im Umgang miteinander Glauben geschenkt und seine Einschätzung, das gemeinsame Sorgerecht entspreche nicht
dem Kindswohl, daneben u.a. auf die Anhörung der Eltern und des Verfahrenspflegers gestützt. Einer sachverständigen Überprüfung der Angaben des Kindes
und deren Beachtlichkeit für die zu treffende Sorgeentscheidung bedurfte es
dabei nicht. Dass das Oberlandesgericht bei der Anhörung des elfjährigen Kindes aus eigener Sachkunde und ohne sachverständige Hilfe zu der Überzeugung gelangt ist, dieses sei auch unter Berücksichtigung einer vielleicht etwas
stärkeren Bindung zu der Mutter in der Lage, das Verhältnis seiner Eltern zueinander einzuschätzen und die Konsequenzen von deren Streitigkeiten für sich
persönlich zu begreifen, lässt angesichts des Alters des Kindes und in Ermangelung konkreter Anhaltspunkte für einen erheblichen, die Glaubwürdigkeit seiner Aussage beeinträchtigenden Loyalitätskonflikt Rechtsfehler nicht erkennen.
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Dabei liegt auch der von der Rechtsbeschwerde behauptete Verfahrensfehler nicht vor, das Oberlandesgericht habe die Anhörung der Eltern und des
Kindes nicht ausreichend festgehalten, weshalb eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich sei.
Vielmehr entspricht die angefochtene Entscheidung den Anforderungen des
Senats, wonach es ausreichend ist, dass der wesentliche Inhalt einer Anhörung
im tatbestandlichen Teil des Beschlusses vollständig, im Zusammenhang und
frei von Wertungen des Gerichts wiedergegeben ist (vgl. Senatsbeschluss vom
4. April 2001 - XII ZB 3/00 - FamRZ 2001, 907, 908 m.N.).
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Dass das Beschwerdegericht die vom Vater benannten Zeuginnen B.
und H. für die in der Vergangenheit angeblich positive Zusammenarbeit der El-
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tern nicht vernommen hat, lässt Ermessensfehler ebenfalls nicht erkennen. Bei
seiner Beurteilung, ob die Begründung einer gemeinsamen elterlichen Sorge
dem Kindeswohl dient, hat das Oberlandesgericht zu Recht auf den Zeitpunkt
der gerichtlichen Entscheidung abgestellt. Es durfte deshalb aufgrund der Anhörung der Eltern, des Kindes und des Verfahrenspflegers sowie der zur Akte
gelangten Schreiben der Eltern und ihrer Verfahrensbevollmächtigten zu der
Überzeugung gelangen, die gemeinsame Sorge diene zumindest gegenwärtig
nicht "mehr" dem Kindeswohl, auch wenn es in der Vergangenheit vereinzelt zu
einer Zusammenarbeit der Eltern gekommen war und das seit 1996 geregelte
Umgangsrecht im Wesentlichen funktioniert hat. Vorliegend überstiege gerade
die mit der gemeinsamen Sorge verbundene Erweiterung der Kooperationspflicht die Konsensbereitschaft der Eltern.
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c) Für die Beurteilung, ob die Begründung der gemeinsamen elterlichen
Sorge dem Kindeswohl dient, spielt die Überlegung des Oberlandesgerichts
keine Rolle, dem Antragsteller diene die gemeinsame Sorge möglicherweise
nur als Zwischenschritt zur Erlangung der Alleinsorge nach § 1672 Abs. 1 BGB.
Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, stünde die fehlende Kooperationsfähigkeit
und -bereitschaft beider Eltern der Begründung des gemeinsamen Sorgerechts
entgegen. Ebenso ist es ohne Belang, ob das Schreiben des Vaters vom 7. April 2004 mit dem Beschwerdegericht dahin zu verstehen ist, im Falle des Fortbestands der Alleinsorge wolle er die bisher bestehende Umgangsregelung beenden.
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4. Das Oberlandesgericht hat es abgelehnt, unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten die Konsensfähigkeit der Eltern für jeden einzelnen Teilbereich
der elterlichen Sorge zu überprüfen, um gegebenenfalls die Sorgeerklärung der
Mutter entsprechend dem Hilfsantrag des Vaters teilweise zu ersetzen und das
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gemeinsame Sorgerecht der Eltern nur für bestimmte Teilbereiche zu begründen. Auch dagegen bestehen keine rechtlichen Bedenken.
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Durch die Abgabe wirksamer Sorgeerklärungen nach § 1626 a Abs. 1
Nr. 1 BGB, durch die eine gemeinsame elterliche Sorge erstmals begründet
werden soll, können die Eltern die gemeinsame Sorge nur umfassend übernehmen. Das Sorgerecht kann nicht aufgrund eingeschränkter Erklärungen der
Eltern gegenständlich aufgeteilt werden in der gemeinsamen Sorge unterliegende Teilbereiche (z.B. der Vermögenssorge oder des Aufenthaltsbestimmungsrechts) und nach § 1626 a Abs. 2 BGB bei der Mutter verbleibende Sorgebereiche (h.M., Palandt/Diederichsen BGB 66. Aufl. § 1626 a Rdn. 7; MünchKomm/Huber BGB 4. Aufl. § 1626 a Rdn. 6 ff.; Erman/Michalski BGB 11. Aufl.
§ 1626 a Rdn. 3; Schwab DNotZ 1998, 437, 450; Schwab/Motzer Handbuch
des Scheidungsrechts 5. Aufl. Kap. III Rdn. 216; Sturm/Sturm StAZ 1998, 305,
307; Johannsen/Henrich/Jaeger Eherecht 4. Aufl. § 1626 a Rdn. 4; Lipp/Wagenitz Das neue Kindschaftsrecht § 1626 a Rdn. 8; Hoppenz/van Els Familiensachen 8. Aufl. § 1626 a Rdn. 3).
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Dem wird entgegengehalten, ein gemeinsames Sorgerecht nur für Teilbereiche der elterlichen Sorge könne ohnehin auf Umwegen erreicht werden,
indem nach Abgabe umfassender Sorgeerklärungen gemäß § 1671 Abs. 2
Nr. 1 BGB eine übereinstimmende Teil-Rückübertragung auf die Mutter erfolge
oder indem nach einer Teilübertragung des Sorgerechts auf den Vater gemäß
§ 1672 Abs. 1 BGB für die nach § 1626 a Abs. 2 BGB verbleibende Muttersorge
von den Eltern Sorgeerklärungen nach § 1626 a Abs. 1 Nr. 1 BGB abgegeben
würden. Zu vermuten sei, dass viele Mütter, die eine beschränkte Mitsorge des
Vaters akzeptieren würden, angesichts des Zwangs zur "Alles-oder-nichtsEntscheidung", sich dann eher für die Gesamtablehnung entschieden. Eine restriktive Lesart des § 1626 a BGB sei deshalb wertungswidersprüchlich (Stau-
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dinger/Coester BGB [2002] § 1626 a Rdn. 59 f.; Zimmermann DNotZ 1998, 404,
418 f.). Auch die Alleinentscheidungsbefugnis eines Elternteils in Angelegenheiten des täglichen Lebens nach § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB setze inzident voraus, dass sich die Eltern, die nicht nur vorübergehend getrennt lebten, über den
gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes und damit über einen Teil des Personensorgerechts einigten. Eine solche Möglichkeit müsse deshalb auch bereits bei
Begründung der elterlichen Sorge möglich sein (Bambeger/Roth/Veit BGB
§ 1626 a Rdn. 6 für eine Änderung de lege ferenda; i.d.S. auch die Stellungnahme der Sorgerechtskommission des DFGT FamRZ 1997, 337, 338 und Lipp
FamRZ 1998, 65, 72 f.).
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Allerdings kann durch die Abgabe von Sorgeerklärungen nach § 1626 a
Abs. 1 Nr. 1 BGB ein partielles gemeinsames Sorgerecht weder nach dem
Wortlaut der Norm noch nach dem Willen des Gesetzgebers begründet werden
(BT-Drucks. 13/4899, S. 93 f.). Die Regelung will nichtehelichen Kindern eine
gleiche Sorgerechtslage ermöglichen wie ehelichen. Jedoch haben auch die
Eltern ehelicher Kinder von deren Geburt an das in § 1626 Abs. 1 BGB definierte Sorgerecht vollumfänglich gemeinsam inne, ohne dass dies ihrer Disposition
unterläge (Johannsen/Henrich/Jaeger aaO § 1626 a Rdn. 4). Nach der Konzeption des Gesetzes bleibt die Teilung des Sorgerechts auf Antrag eines Elternteils durch Entzug bzw. Übertragung bei nicht nur vorübergehendem Getrenntleben den in §§ 1671, 1672 BGB besonders geregelten Ausnahmefällen vorbehalten (vgl. Schwab aaO S. 450; Lipp/Wagenitz aaO § 1626 a Rdn. 8; MünchKomm/Huber aaO § 1626 a Rdn. 8), die eine gerichtliche Entscheidung erfordern. Bei Bestehen eines gemeinsamen Sorgerechts bleibt es unter den Voraussetzungen des § 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB im Übrigen in Angelegenheiten
des täglichen Lebens bei der Alleinentscheidungsbefugnis desjenigen Elternteils, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält bzw. im Einzelfall bei der Entscheidungsmöglichkeit des Familiengerichts nach § 1628 BGB. Das Bestreben
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des Gesetzgebers, bei der Begründung der gemeinsamen Sorge nach §§ 1626,
1626 a BGB ein partielles gemeinsames Sorgerecht zu vermeiden und dies einer richterlichen Entscheidung im Einzelfall vorzubehalten, liegt im Rahmen
seiner Befugnis zur Ausgestaltung des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG und
begegnet auch unter Berücksichtigung der Kindesinteressen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Hahne
Sprick
Ahlt
Weber-Monecke
Dose
Vorinstanzen:
AG Tübingen, Entscheidung vom 19.05.1999 - 6 F 60/99 OLG Stuttgart, Entscheidung vom 20.04.2004 - 18 UF 30/03 -