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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
BESCHLUSS
XII ZB 133/17
Verkündet am:
31. Januar 2018
Fahrner,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 207 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 242 Cc
a) Ein nicht geltend gemachter Unterhaltsanspruch kann grundsätzlich schon
vor Eintritt der Verjährung und auch während der Hemmung nach § 207
Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB verwirkt sein (Fortführung von Senatsurteil BGHZ
103, 62 = FamRZ 1988, 370 und Senatsbeschluss vom 16. Juni 1999
- XII ZA 3/99 - FamRZ 1999, 1422).
b) Das bloße Unterlassen der Geltendmachung des Unterhalts oder der Fortsetzung einer begonnenen Geltendmachung kann das Umstandsmoment der
Verwirkung nicht begründen (Anschluss an Senatsurteil vom 9. Oktober 2013
- XII ZR 59/12 - NJW-RR 2014, 195).
BGH, Beschluss vom 31. Januar 2018 - XII ZB 133/17 - OLG Karlsruhe
AG Mannheim
ECLI:DE:BGH:2018:310118BXIIZB133.17.0
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Januar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dose und die Richter
Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss
des 16. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 2. März 2017 unter Zurückweisung des
weitergehenden Rechtsmittels teilweise aufgehoben.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des
Amtsgerichts Mannheim vom 23. August 2016 teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde
insgesamt wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller für den
Zeitraum von Juli 2011 bis August 2013 rückständigen Kindesunterhalt in Höhe von 4.072 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. August 2013 zu
zahlen. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Antragsgegner zu 80 % und der Antragsteller zu 20 % zu tragen. Der Antragsgegner hat die Kosten beider Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
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Gründe:
I.
1
Die Beteiligten streiten um rückständigen Kindesunterhalt für die Zeit von
Juli 2011 bis August 2013.
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Der Antragsteller ist der im Juni 1993 geborene Sohn des Antragsgegners. Er lebte während des streitgegenständlichen Unterhaltszeitraums bei seiner Mutter und befand sich in der allgemeinen Schulausbildung. Mit Schreiben
vom 14. Juli 2011 forderte er den Antragsgegner zur Auskunftserteilung über
dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse und Zahlung von Unterhalt
auf. Mit Schreiben vom 26. Juli 2011 erteilte der Antragsgegner die begehrte
Auskunft. Nachdem er vom Antragsteller über das Einkommen der Mutter informiert worden war, errechnete der Antragsgegner im Oktober 2011 eine auf
ihn entfallende Unterhaltsquote von 129 €. Er forderte den Antragsteller zur Bestätigung auf, worauf dieser nicht reagierte. Der Antragsgegner zahlte dreimal
140 €. Erstmals mit Schreiben vom 19. August 2013 bezifferte der Antragsteller
seinen monatlichen Unterhaltsanspruch auf 205 €. Mit Schreiben vom 27. August 2013 wies der Antragsgegner die Unterhaltsforderung zurück und verwies
den Antragsteller auf den Klageweg.
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Gegen einen im Dezember 2014 beantragten und im Januar 2015 erlassenen Mahnbescheid hat der Antragsgegner Widerspruch eingelegt. Die noch
im Januar 2015 angeforderte zweite Gebührenhälfte hat der Antragsteller im
Juli 2015 eingezahlt, worauf das Verfahren an das für das streitige Verfahren
zuständige Amtsgericht abgegeben worden ist. Die im Juli 2015 angeforderte
Anspruchsbegründung hat der Antragsteller im Januar 2016 eingereicht.
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4
Das Amtsgericht hat den Antragsgegner antragsgemäß zur Zahlung
eines Unterhaltsrückstands von 4.104 € (26 x 174 € abzüglich Zahlungen von
420 €) nebst Zinsen verpflichtet. Das Oberlandesgericht hat den Antrag auf die
Beschwerde des Antragsgegners abgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, der die Wiederherstellung der
amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.
II.
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Die Rechtsbeschwerde hat bis auf einen kleinen Teil Erfolg.
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1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts, dessen Entscheidung in
juris veröffentlicht ist, sind die Unterhaltsansprüche nach allgemeinen Grundsätzen gemäß § 242 BGB verwirkt. Die Verwirkung könne deutlich früher greifen
als eine Verjährung. Da ein Unterhaltsberechtigter zeitnah auf den Unterhalt
angewiesen sei, könne der Unterhaltsschuldner auch zeitnah mit der Durchsetzung der Ansprüche rechnen. Eine Verwirkung könne auch unter Berücksichtigung des Umstandsmoments in Betracht kommen, wenn der Unterhaltsgläubiger auf eine von ihm angeforderte Auskunft über die Einkommensverhältnisse
des Unterhaltsschuldners den Unterhaltsanspruch nicht beziffere.
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Richtig sei zwar, dass während einer Hemmung der Verjährung auch eine Verwirkung in der Regel nicht in Betracht komme. Maßgeblich sei aber, ob
das Umstands- und das Zeitmoment erfüllt seien, was vorliegend der Fall sei.
Das Zeitmoment sei nach Ablauf eines Jahres für die betreffenden Unterhaltsansprüche erfüllt, was ebenfalls für den Minderjährigenunterhalt und für den
Unterhalt privilegierter Volljähriger gelte.
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Auch das Umstandsmoment sei erfüllt, denn der Antragsgegner habe darauf vertrauen können, dass kein Unterhalt mehr für den streitgegenständlichen
Unterhaltszeitraum geltend gemacht werde. Im Hinblick auf die beengten Verhältnisse des Antragsgegners bedürfe es keiner besonderen Feststellungen
dazu, dass sich dieser auf den Fortfall der Unterhaltszahlungen eingerichtet
habe. Dass der Antragsgegner selbst seine Unterhaltsverpflichtung auf monatlich 129 € errechnet habe, stehe dem nicht entgegen. Denn eine Bestätigung
des Antragstellers sei nicht eingegangen, der Antragsteller habe vielmehr überhaupt nicht reagiert. Teilzahlungen habe der Antragsgegner nur dreimal geleistet und dann seine Zahlungen eingestellt, ohne dass eine Reaktion des Antragstellers erfolgt sei. Gerade dieses Verhalten habe in dem Antragsgegner zu
Recht die Erwartung erwecken können, der Antragsteller werde seine Unterhaltsansprüche nicht mehr geltend machen. Der volljährige Antragsteller habe
mit der Durchsetzung seiner Ansprüche begonnen, dann aber aus welchen
Gründen auch immer nicht reagiert. Dies rechtfertige aus der Sicht des Antragsgegners die Erwartung, Ansprüche würden nicht mehr durchgesetzt.
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§ 207 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB stehe der Annahme einer Verwirkung
nicht entgegen. Aus der Neufassung der Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24. September 2009 folge nicht, dass
generell keine Verwirkung von Unterhaltsansprüchen während des Hemmungszeitraums, also bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes, in
Betracht komme. Zwar müsse angesichts der Neufassung die Annahme einer
Verwirkung streng geprüft werden. Der Gläubiger brauche seine Forderung
einstweilen nicht anzumelden. Daraus könne aber nicht generell geschlossen
werden, dass eine Verwirkung innerhalb des Hemmungszeitraums nicht möglich sei. Das entspreche auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur
Verwirkung während der Minderjährigkeit im Bereich von § 204 Satz 2 BGB aF.
Die ratio legis des § 207 BGB erfordere jedoch besondere Umstände, die wäh-
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rend der Dauer der Hemmung der Verjährung eine Verwirkung rechtfertigen
würden, und stehe der Verwirkung nicht entgegen, wenn das volljährige Kind
seinen Unterhaltsanspruch außergerichtlich mit anwaltlicher Hilfe geltend mache, dann aber nicht weiter durchsetze. Dass dann ohnehin die Wahrung des
Familienfriedens nicht mehr gegeben sei, stehe außer Frage. Maßgeblich bleibe, ob der Unterhaltsschuldner die berechtigte Erwartung haben durfte, der Anspruch werde nicht mehr geltend gemacht.
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Letzteres sei vorliegend zu bejahen. Der Antragsteller habe unmittelbar
nach Eintritt seiner Volljährigkeit seinen Verfahrensbevollmächtigten mit der
Geltendmachung von Volljährigenunterhalt beauftragt. Er habe ausdrücklich
eine Bezifferung des Anspruchs nach Auskunftserteilung durch den Antragsgegner angekündigt. Der Antragsgegner habe die Auskunft erteilt und den Unterhalt berechnet. Eine Bestätigung durch den Antragsteller innerhalb der gesetzten Frist sei nicht erfolgt, vielmehr habe sich der Antragsteller bis zu seinem
Schreiben vom 19. August 2013 gar nicht mehr geäußert. Auch die nur dreimalige Zahlung von Unterhalt in Höhe von jeweils 140 € sei von ihm nicht moniert
worden. Nachdem der Antragsgegner eine Zahlung mit Schreiben vom 27. August 2013 abgelehnt habe, habe der Antragsteller bis zur Einleitung des Mahnverfahrens Ende 2014 nichts mehr veranlasst. Aufgrund dieses "Verfahrensablaufs" habe der Antragsgegner jedoch hinsichtlich sämtlicher geltend gemachter
Rückstände davon ausgehen können, dass der Antragsteller diese nicht mehr
beanspruchen werde. Das Vertrauen auf die Nichtgeltendmachung sei auch im
Hinblick darauf gerechtfertigt gewesen, dass eine Mithaftung beider Elternteile
gegeben sei und der Antragsgegner in der Korrespondenz immer wieder auf die
wesentlich bessere Einkommenssituation der Mutter hingewiesen habe. Dass
der Antragsteller auf den Unterhalt angewiesen sei, sei für den Antragsgegner
vor diesem Hintergrund nicht zwingend ersichtlich gewesen.
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2. Das hält rechtlicher Überprüfung im Wesentlichen nicht stand.
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a) Eine Verwirkung kommt, wovon das Oberlandesgericht zutreffend
ausgegangen ist, nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage
wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des
Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein
Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Insofern gilt für Unterhaltsrückstände nichts anderes als für andere in der Vergangenheit fällig gewordene
Ansprüche (Senatsurteile vom 22. November 2006 - XII ZR 152/04 - FamRZ
2007, 453, 455 und BGHZ 152, 217 = FamRZ 2002, 1698 mwN).
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aa) Bei Unterhaltsrückständen spricht vieles dafür, an das sogenannte
Zeitmoment der Verwirkung keine strengen Anforderungen zu stellen. Nach
§ 1613 Abs. 1 BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit ohnehin nur ausnahmsweise gefordert werden. Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, muss eher als von einem
Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden, dass er sich zeitnah um die
Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Andernfalls können Unterhaltsrückstände zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen. Abgesehen davon sind
im Unterhaltsverfahren die für die Bemessung des Unterhalts maßgeblichen
Einkommensverhältnisse der Parteien nach längerer Zeit oft nur schwer aufklärbar. Diese Gründe, die eine möglichst zeitnahe Geltendmachung von Unterhalt nahelegen, sind so gewichtig, dass das Zeitmoment der Verwirkung
auch dann erfüllt sein kann, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die
etwas mehr als ein Jahr zurückliegen. Denn nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1585 b Abs. 3, 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB verdient der Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes bei Unterhaltsrückständen für eine mehr als ein
Jahr zurückliegende Zeit besondere Beachtung. Diesem Rechtsgedanken kann
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im Rahmen der Bemessung des Zeitmoments in der Weise Rechnung getragen
werden, dass das Verstreichenlassen einer Frist von mehr als einem Jahr ausreichen kann (Senatsurteile vom 22. November 2006 - XII ZR 152/04 - FamRZ
2007, 453, 455; BGHZ 152, 217 = FamRZ 2002, 1698 f. mwN und BGHZ 103,
62 = FamRZ 1988, 370, 372).
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bb) Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen
zum reinen Zeitablauf besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen (Senatsurteile vom 9. Oktober 2013 - XII ZR 59/12 - NJW-RR 2014, 195 Rn. 11
mwN und BGHZ 152, 217 = FamRZ 2002, 1698, 1699).
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Der Vertrauenstatbestand kann nicht durch bloßen Zeitablauf geschaffen
werden (Senatsurteil vom 9. Oktober 2013 - XII ZR 59/12 - NJW-RR 2014, 195
Rn. 11 mwN). Dementsprechend kann ein bloßes Unterlassen der Geltendmachung des Anspruchs für sich genommen kein berechtigtes Vertrauen des
Schuldners auslösen. Dies gilt nicht nur für eine bloße Untätigkeit des Gläubigers, sondern grundsätzlich auch für die von diesem unterlassene Fortsetzung
einer bereits begonnenen Geltendmachung. Auch wenn der Gläubiger davon
absieht, sein Recht weiter zu verfolgen, kann dies für den Schuldner nur dann
berechtigterweise Vertrauen auf eine Nichtgeltendmachung hervorrufen, wenn
das Verhalten des Gläubigers Grund zu der Annahme gibt, der Unterhaltsberechtigte werde den Unterhaltsanspruch nicht mehr geltend machen, insbesondere weil er seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben habe (vgl. Senatsurteil
BGHZ 103, 62 = FamRZ 1988, 370, 373).
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cc) Das Oberlandesgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die
für die Verjährung geltende Regelung in § 207 BGB eine Verwirkung nicht aus-
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schließt. Auch wenn dem Anspruchsgläubiger im Rahmen der Verjährung ein
gesetzlicher Hemmungstatbestand zugutekommt, steht dies einer Verwirkung
des Unterhaltsanspruchs nach der Rechtsprechung des Senats nicht entgegen.
So hat der Senat für den Trennungsunterhalt die Hemmung während bestehender Ehe nach § 204 Satz 1 BGB in der Fassung vom 1. Januar 1964 nicht als
Hinderungsgrund für die Verwirkung angesehen (Senatsurteil BGHZ 103, 62
= FamRZ 1988, 370, 372). Ebenso hat der Senat beim Minderjährigenunterhalt
in Bezug auf die Hemmung nach § 204 Satz 2 BGB in der Fassung vom 1. Januar 1964 entschieden (Senatsbeschluss vom 16. Juni 1999 - XII ZA 3/99 FamRZ 1999, 1422).
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Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (MünchKommBGB/Grothe 7. Aufl. § 207 Rn. 7 mwN) schließt die ratio legis des § 207
BGB den Eintritt der Verwirkung während des Hemmungszeitraums nicht aus.
Die gesetzlichen Hemmungstatbestände beziehen sich auf das Verjährungsrecht und haben wie die Verjährung im allgemeinen nur Bedeutung für die Frage, ob die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs allein aus Zeitgründen scheitert.
Ihre Wirkung besteht dementsprechend darin, dass sie den Ablauf der Verjährungsfrist hinausschieben. Für die Verwirkung muss hingegen das Umstandsmoment hinzutreten. Zur Annahme der Verwirkung muss für den Schuldner ein
vom Gläubiger gesetzter besonderer Vertrauenstatbestand vorliegen, der vom
Schuldner konkret darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen ist. Da Verjährung und Verwirkung auf unterschiedlichen Grundlagen beruhen, widerspricht der Eintritt der Verwirkung mithin nicht dem Hemmungstatbestand des
§ 207 BGB. Eine Verwirkung kann bei Vorliegen eines entsprechenden Vertrauenstatbestands folglich auch während der Hemmung eintreten. Zu beachten
ist allerdings stets, dass der Unterhaltsberechtigte dem Unterhaltspflichtigen
durch sein Verhalten Anlass gegeben haben muss, auf die künftige Nichtgel-
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tendmachung von Unterhaltsansprüchen zu vertrauen, wofür jedenfalls ein bloßes Unterlassen nicht ausreicht.
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b) Nach diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts eine Verwirkung nicht eingetreten. Zwar steht die
Annahme des Zeitmoments im Einklang mit der Senatsrechtsprechung. Es fehlt
aber an der Verwirklichung des Umstandsmoments.
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Die vom Oberlandesgericht angeführten Umstände waren nicht geeignet,
ein berechtigtes Vertrauen des Antragsgegners zu begründen. Dass der Antragsteller den Anspruch entgegen seiner Ankündigung nach der Auskunftserteilung durch den Antragsgegner - zunächst - nicht bezifferte, ließ einen entsprechenden Rückschluss auf die künftige Nichtgeltendmachung noch nicht zu.
Zu der Annahme, der Antragsteller habe nach der Auskunftserteilung etwa seinen Rechtsstandpunkt aufgegeben und sei selbst davon ausgegangen, ein Unterhaltsanspruch bestehe nicht, bestand für den Antragsgegner keine Veranlassung. Gegenteiliges könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn der
Anspruch ausgehend von der Auskunft etwa wegen eines dadurch ausgewiesenen, unterhalb des Selbstbehalts liegenden Einkommens ersichtlich mangels
Leistungsfähigkeit nicht gegeben gewesen wäre. Da das Einkommen des Antragsgegners aber schon nach der Auskunft oberhalb des angemessenen
Selbstbehalts lag, kann auch der in der vorgerichtlichen Korrespondenz vom
Antragsgegner gegebene Hinweis auf eine wesentlich bessere Einkommenssituation der Mutter des Antragstellers zu keiner anderen Einschätzung führen.
Denn daraus konnte sich hier nur eine Reduzierung, nicht aber der vollständige
Ausschluss eines vom Antragsgegner geschuldeten Unterhalts ergeben.
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Der Antragsgegner ist dementsprechend zunächst selbst nicht davon
ausgegangen, er müsse keinen Unterhalt zahlen. Denn er berechnete seiner-
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seits den von ihm zu erbringenden Unterhaltsanteil auf monatlich 129 € und
leistete drei Zahlungen von je 140 €. Die übrigen vom Oberlandesgericht angeführten Umstände bestehen schließlich nur im Unterlassen der weiteren Geltendmachung des Unterhalts durch den Antragsteller. Dadurch allein konnte ein
berechtigtes Vertrauen des Antragsgegners nicht begründet werden. Nach den
von den Vorinstanzen erschöpfend getroffenen Feststellungen ist der geltend
gemachte Unterhalt folglich nicht verwirkt.
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3. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts hat dennoch in geringem
Umfang Bestand. Der Antrag ist teilweise abzuweisen, weil das Amtsgericht
den Unterhalt geringfügig zu hoch berechnet hat.
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Das Amtsgericht hat die nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB zu bildende Unterhaltsquote unter Zugrundelegung des sogenannten notwendigen Selbstbehalts ermittelt, was zu einer überhöhten Unterhaltsbeteiligung des Antragsgegners geführt hat. Das Amtsgericht ist ausgehend von einem nach Abzug des
vollen Kindergelds verbleibenden Unterhaltsbedarf von durchgehend monatlich
441 € zu auf den Antragsgegner entfallenden Unterhaltsbeträgen in Höhe von
monatlich 187 € (7/2011 bis 12/2012) bzw. 184 € (1-8/2013) gelangt. Dies steht
mit der Rechtsprechung des Senats nicht im Einklang. Nach dieser sind die auf
die Eltern entfallenden Unterhaltsanteile zu berechnen, indem das Einkommen
grundsätzlich nicht um den notwendigen, sondern um den angemessenen
Selbstbehalt bereinigt wird und die den Eltern danach verbleibenden verfügbaren Einkommen ins Verhältnis gesetzt werden (Senatsbeschluss vom 11. Januar 2017 - XII ZB 565/15 - FamRZ 2017, 437 Rn. 41 mwN; so auch Nr. 13.1.1
und Nr. 13.3 der vom Amtsgericht herangezogenen Süddeutschen Leitlinien).
Die hier erforderliche Korrektur führt aber rechnerisch wegen der geringen
Differenz zwischen den beiden Elterneinkommen nur zu geringfügig niedrigeren Unterhaltsbeträgen von monatlich 174 € (7/2011 bis 12/2012) bzw. 170 €
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(1-8/2013). Die Gesamtsumme des für den streitgegenständlichen Zeitraum
nach Abzug der gezahlten 420 € aufgelaufenen Unterhalts beträgt mithin nur
4.072 €.
Dose
Klinkhammer
Nedden-Boeger
Günter
Guhling
Vorinstanzen:
AG Mannheim, Entscheidung vom 23.08.2016 - 6 F 75/15 OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 02.03.2017 - 16 UF 212/16 -