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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
XI ZR 98/01
URTEIL
Verkündet am:
15. Januar 2002
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
_____________________
BGB §§ 765, 138 Aa
Die vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätze zur Sittenwidrigkeit
von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Lebenspartner gelten grundsätzlich nicht für GmbH-Gesellschafter, die für Verbindlichkeiten
der GmbH die Mithaftung oder Bürgschaft übernehmen. Etwas anderes gilt,
wenn der GmbH-Gesellschafter ausschließlich Strohmannfunktion hat, die
Mithaftung oder Bürgschaft nur aus emotionaler Verbundenheit mit der
hinter ihm stehenden Person übernimmt und beides für die kreditgebende
Bank evident ist.
BGH, Urteil vom 15. Januar 2002 - XI ZR 98/01 - OLG München
LG München II
-3-
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe,
die Richter Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Dr. Joeres und die Richterin Mayen
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden das Urteil
des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München
vom 19. Dezember 2000 aufgehoben und das Urteil
des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 13. Juni 2000 abgeändert.
Die
Beklagte
wird
verurteilt,
an
die
Klägerin
51.129,19 € ( = 100.000DM) nebst 5% Zinsen über
dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank vom 8. Oktober 1995 bis zum 31. Dezember
1998 und 5% Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 1. Januar
1999 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
-4-
Tatbestand:
Die klagende Sparkasse nimmt die Beklagte als Bürgin in Anspruch.
Mit
vier
Kontokorrentkredit-
bzw.
Darlehensverträgen
vom
25. November 1993, 27. Januar und 28. April 1994 gewährte die Klägerin
der A. GmbH Kredite in Höhe von insgesamt 2 Millionen DM. Gesellschafter der GmbH mit einem Anteil von je 25% waren die Beklagte, deren früherer Ehemann sowie W. und F. R., Geschäftsführer der frühere
Ehemann der Beklagten und W. R.
Die 1947 geborene Beklagte verbürgte sich in einer Urkunde vom
7. Dezember 1993 bis zu einem Höchstbetrag von 500.000 DM für alle
bestehenden und künftigen Forderungen der Klägerin aus der Geschäftsverbindung mit der GmbH. Sie übte in diesem Zeitpunkt keine Erwerbstätigkeit aus, sondern war Hausfrau, betreute ihren 1985 geborenen Sohn und erhielt von ihrem Ehemann ein monatliches "Hausgeld" in
Höhe von 2.000 DM. Inzwischen ist sie geschieden und bezieht als
kaufmännische Angestellte ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe
von 4.000 DM.
Als weitere Sicherheiten für die Kredite der Klägerin dienten eine
erstrangige Grundschuld in Höhe von 2 Millionen DM auf dem mit Hilfe
der Kredite erworbenen Werksgrundstück der GmbH, die Sicherungsübereignung des übernommenen Anlage- und Umlaufvermögens, eine
Sicherungsabtretung von Forderungen der GmbH, Höchstbetragsbürg-
-5-
schaften der anderen drei GmbH-Gesellschafter bis zu einem Betrag von
jeweils 500.000 DM sowie eine Ausfallbürgschaft der B.-bank T. in Höhe
von 1,28 Millionen DM.
Als die GmbH die Eröffnung der Gesamtvollstreckung über ihr
Vermögen beantragte, kündigte die Klägerin am 2. Oktober 1995 die in
Höhe von 1.944.035,84 DM valutierenden Kredite und nahm die Beklagte
aus der Bürgschaft in Höhe von 500.000 DM in Anspruch.
Die Beklagte macht die Sittenwidrigkeit der Bürgschaft wegen
krasser finanzieller Überforderung geltend und hat vorgetragen, sie sei
nur aus steuerlichen Gründen Gesellschafterin geworden. Sie habe nie
an geschäftlichen Entscheidungen mitgewirkt und besitze keine Erfahrungen und Kenntnisse in dem Geschäftsbereich der GmbH. Am
10. Januar 1994 habe sie ihrem Ehemann ihren Gewinnanteil aus ihrer
Beteiligung an der GmbH übertragen. Die Klägerin habe gewußt, daß sie
nur als Strohfrau Gesellschafterin geworden sei.
Ferner hat die Beklagte die Bürgschaft am 22. Juli 1996 angefochten. Sie hat vorgetragen, sie habe die Bürgschaftserklärung ohne
Brille, ohne die sie nicht lesen könne, unterschrieben und erst am
2. Oktober 1995 Kenntnis von dieser Erklärung erlangt. Ihr Ehemann habe ihr bei Vorlage der Bürgschaftserklärung vorgetäuscht, daß mit der
Unterzeichnung keine finanziellen Risiken verbunden seien. Ferner habe
er ihr mit dem Entzug des "Hausgeldes" gedroht und erklärt, die Valutierung der Kredite hänge von ihrer Unterschrift ab.
-6-
Die Teilklage auf Zahlung von 100.000 DM nebst Zinsen ist in den
Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin
ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet; sie führt zur antragsgemäßen Verurteilung der Beklagten.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im
wesentlichen ausgeführt:
Die Bürgschaft der Beklagten sei gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig.
Für die Klägerin sei erkennbar gewesen, daß die Beklagte durch die
Bürgschaft finanziell kraß überfordert werde, weil sie nicht in der Lage
sei, auch nur die laufende Zinslast zu tragen, und daß sie die Bürgschaft
ohne unmittelbares eigenes wirtschaftliches Interesse aus persönlicher
Verbundenheit zu ihrem Ehemann übernehme. Ihre Beteiligung an der
GmbH sei kein dem Bürgenrisiko entsprechender Gegenwert, weil das
gesamte Vermögen der GmbH als Kreditsicherheit gedient habe. Die Beklagte habe aus ihrer Beteiligung keine Vorteile gezogen, sondern die
Bürgschaft auf Drängen ihres Ehemannes übernommen. Die Klägerin
habe die Einkommensverhältnisse der Beklagten gekannt. Deshalb habe
-7-
ihr klar sein müssen, daß die Bürgschaft wirtschaftlich sinnlos war und
allenfalls als Mittel zur Erlangung der werthaltigen Ausfallbürgschaft der
B.-bank T. dienen konnte.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die von der Beklagten übernommene Bürgschaft verstößt nicht gegen
die guten Sitten (§ 138 Abs. 1 BGB).
1. Die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Sittenwidrigkeit von Mithaftung und Bürgschaft finanziell überforderter Lebens-, insbesondere Ehepartner entwickelten Grundsätze (vgl. BGH,
Urteil vom 27. Januar 2000 - IX ZR 198/98, WM 2000, 410 ff.; Senat
BGHZ 146, 37 ff., jeweils m.w.Nachw.) gelten, was das Berufungsgericht
verkannt hat, für die Bürgschaft der Beklagten als Mitgesellschafterin der
Hauptschuldnerin nicht.
a) Ein Kreditinstitut, das einer GmbH ein Darlehen gewährt, hat
grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der persönlichen Haftung der
maßgeblich beteiligten Gesellschafter. Die gängige Bankpraxis, bei der
Gewährung von Geschäftskrediten für eine GmbH Bürgschaften der Gesellschafter zu verlangen, ist deshalb rechtlich nicht zu beanstanden.
Die kreditgebende Bank kann dabei im allgemeinen davon ausgehen,
daß der Gesellschafter, der sich an einer GmbH beteiligt, dies aus eigenem finanziellen Interesse tut und schon deshalb durch die Haftung kein
-8-
unzumutbares Risiko auf sich nimmt (BGHZ 137, 329, 336; BGH, Urteil
vom 18. September 2001 - IX ZR 183/00, WM 2001, 2156, 2157). Weder
eine krasse finanzielle Überforderung eines bürgenden Gesellschafters
noch seine emotionale Verbundenheit mit einem die Gesellschaft beherrschenden Dritten begründen daher die Vermutung der Sittenwidrigkeit
(BGH,
Urteil
vom 18. September
2001
aaO;
Nobbe/Kirchhof
BKR 2001, 5, 14).
b) Dies gilt in der Regel selbst dann, wenn der Gesellschafter nur
die Funktion eines Strohmannes hat. Nur wenn für das Kreditinstitut klar
ersichtlich ist, daß derjenige, der bürgen soll, finanziell nicht beteiligt ist
und die Stellung eines Gesellschafters ohne eigenes wirtschaftliches
Interesse nur aus persönlicher Verbundenheit mit einer die GmbH wirtschaftlich beherrschenden Person übernommen hat, gelten die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Ehegattenbürgschaften entsprechend
(BGHZ 137, 329, 336 f.; BGH, Urteil vom 18. September 2001 - IX ZR
183/00, WM 2001, 2156, 2157).
Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Nach den Feststellungen
des Berufungsgerichts hat die Beklagte die Bürgschaft nicht nur aus persönlicher Verbundenheit mit ihrem Ehemann ohne eigenes wirtschaftliches Interesse übernommen. Dem Vortrag der Beklagten zufolge waren
steuerliche Gründe für die Übernahme der Gesellschafterstellung maß geblich. Nach § 14 der Satzung der GmbH kam der zu versteuernde Gewinn der Beklagten entsprechend ihrer 25%igen Beteiligung zugute. Die
von ihr behauptete Übertragung des Gewinnanteils am 10. Januar 1994
an ihren früheren Ehemann ist für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit
-9-
ihrer bereits am 7. Dezember 1993 übernommenen Bürgschaft rechtlich
irrelevant, da es auf die Verhältnisse bei Übernahme der Bürgschaft ankommt. Eine mündliche Vereinbarung über den Ausschluß ihrer Gewinnbeteiligung bereits zu diesem Zeitpunkt hat die Beklagte nicht substantiiert geltend gemacht.
Ihr Vorbringen enthält überdies keinen Anhaltspunkt dafür, daß
das etwaige Fehlen eines eigenen wirtschaftlichen Interesses für die
Klägerin klar ersichtlich gewesen wäre. Daß die Klägerin - wie üblich die Kreditverhandlungen nur mit den geschäftsführenden Gesellschaftern der GmbH, nicht aber mit der Beklagten geführt hat, besagt nichts
darüber, daß der Klägerin eine etwaige Funktion der Beklagten als bloße
Strohfrau bekannt war.
2. Wenn - wie hier - die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Ehegattenbürgschaften nicht anwendbar sind, können nur besondere, dem
Kreditinstitut zurechenbare Umstände, etwa die Ausnutzung der geschäftlichen Unerfahrenheit (BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 - IX ZR
250/95, WM 1997, 511, 512) oder die Beeinträchtigung der Willensbildung und Entschließungsfreiheit durch Irreführung (BGH, Urteil vom
18. Dezember 1997 - IX ZR 271/96, WM 1998, 239, 240, insoweit in
BGHZ 137,
Zwangslage
329 ff.
(BGH,
nicht
Urteil
abgedruckt),
vom
Schaffung
16. Januar
1997
einer
seelischen
- IX ZR
250/95,
WM 1997, 511, 512) oder Ausübung unzulässigen Drucks (BGH, Urteile
vom 15. Februar 1996 - IX ZR 245/94, WM 1996, 588, 592 und vom
18. Dezember 1997 - IX ZR 271/96, WM 1998, 239, 240, insoweit in
- 10 -
BGHZ 137, 329 ff. nicht abgedruckt) die Bürgschaft eines Gesellschafters sittenwidrig erscheinen lassen (Nobbe/Kirchhof aaO S. 13 f.).
Solche Umstände hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
a) Den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vortrag der
Beklagten ist nicht zu entnehmen, daß die Beklagte durch eine der Kl ägerin zurechenbare Ausnutzung ihrer geschäftlichen Unerfahrenheit zur
Übernahme der Bürgschaft veranlaßt worden ist. Die im Gesellschaftsvertrag als Kauffrau bezeichnete, damals 45 Jahre alte Beklagte hatte im
Jahre 1992 als Angestellte in einem medizintechnischen Unternehmen
gearbeitet und ein jährliches - nicht, wie das Berufungsgericht irrtümlich
angenommen
hat,
monatliches -
Bruttoeinkommen
in
Höhe
von
34.250 DM erzielt. Da der Klägerin dies aufgrund der Einkommensteuererklärung der Eheleute bekannt war, bevor sie der GmbH die Kredite
bewilligte und die Beklagte sich zur Übernahme der Bürgschaft bereit
fand, hatte die Klägerin keinen Anlaß, von einer geschäftlichen Unerfahrenheit der Beklagten auszugehen.
b) Auch eine der Klägerin zurechenbare Beeinträchtigung ihrer
Willensbildung und Entschließungsfreiheit hat die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Sie hat zwar geltend gemacht, sie habe die Bürgschaftserklärung vor der Unterzeichnung nicht lesen können und sei von
ihrem Ehemann durch Täuschung und Drohung zur Unterschrift veranlaßt worden. Das von der Beklagten behauptete Verhalten ihres Ehemannes ist der Klägerin aber nicht zurechenbar. Die Beklagte hat keine
Umstände vorgetragen, aufgrund derer die Klägerin von einer sittlich zu
- 11 -
mißbilligenden Einwirkung des Ehemannes auf die Entschließung der
Beklagten ausgehen mußte.
- 12 -
III.
Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO).
1. Die Bürgschaft ist nicht gemäß §§ 119 Abs. 1, 123 Abs. 1, 142
Abs. 1 BGB nichtig.
a) Die Beklagte hatte kein Anfechtungsrecht wegen Irrtums gemäß
§ 119 Abs. 1 BGB. Irrtum ist das unbewußte Auseinanderfallen von Wille
und Erklärung (BGH, Urteil vom 28. April 1971 - V ZR 201/68, LM § 119
BGB Nr. 21). Deshalb liegt grundsätzlich kein Irrtum vor, wenn jemand
eine Erklärung in dem Bewußtsein abgibt, ihren Inhalt nicht zu kennen
(Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. § 119 Rdn. 9). Wer eine Urkunde ungelesen unterschreibt, hat nur dann ein Anfechtungsrecht, wenn er sich
von deren Inhalt eine bestimmte, allerdings unrichtige Vorstellung gemacht hat (BGH, Urteil vom 27. Oktober 1994 - IX ZR 168/93, WM 1994,
2274, 2276). Gemessen hieran befand sich die Beklagte bei Unterzeichnung der Bürgschaftsurkunde über deren Inhalt nicht im Irrtum. Ihrem
Vortrag zufolge hat sie die Urkunde ungelesen unterschrieben, ohne sich
von deren Inhalt eine bestimmte, unrichtige Vorstellung zu machen.
b) Soweit sie eine arglistige Täuschung durch ihren Ehemann
geltend macht, sind die Anfechtungsvoraussetzungen des § 123 Abs. 2
Satz 1 BGB nicht erfüllt. Der Ehemann war Dritter im Sinne dieser Vorschrift. Ein am Zustandekommen eines Vertrages Beteiligter ist nur dann
nicht als Dritter anzusehen, wenn sein Verhalten dem des Anfechtungs-
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gegners gleichzusetzen ist. Dies ist über den Bereich der gesetzlichen
und rechtsgeschäftlichen Vertretung hinaus bei einem vom Erklärungsempfänger beauftragten Verhandlungsführer oder -gehilfen sowie bei
einem Beteiligten, dessen Verhalten dem Erklärungsgegner wegen besonders enger Beziehungen zwischen beiden oder wegen sonstiger besonderer Umstände zuzurechnen
ist,
der
Fall
(BGH,
Urteil
vom
20. November 1995 - II ZR 209/94, WM 1996, 201, 203 m.w.Nachw.).
Eine derartige Stellung hatte der Ehemann der Beklagten im Verhältnis
zur Klägerin nicht inne. Daß die Klägerin die Bürgschaftsurkunde entworfen und den Anlaß für die Einholung der Unterschrift der Beklagten
gegeben hat, reicht hierfür ebenso wenig aus wie das gleichgerichtete
Interesse der Klägerin und des Ehemannes an der Bürgschaftsübernahme durch die Beklagte (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 1992 - IX ZR
145/91, WM 1992, 1016). Der Ehemann der Beklagten war insbesondere
weder Verhandlungs- noch Erfüllungsgehilfe der Klägerin (vgl. für § 1
HWiG: Senat, Urteile vom 9. März 1993 - XI ZR 179/92, WM 1993, 683,
684 und vom 4. Oktober 1995 - XI ZR 215/94, WM 1995, 2133, 2134,
insoweit in BGHZ 131, 55 ff. nicht abgedruckt). Daß die Klägerin die angebliche Täuschung durch den Ehemann der Beklagten kannte oder
kennen mußte, hat die Beklagte nicht behauptet.
c) Die Anfechtung wegen Drohung gemäß § 123 Abs. 1 BGB hat
die Beklagte nicht rechtzeitig binnen Jahresfrist erklärt (§ 124 Abs. 1
BGB). Von einer angeblichen Drohung ihres Ehemanns ist in der Anfechtungserklärung vom 22. Juli 1996 keine Rede. Die erstmalige Berufung
auf
diesen
Anfechtungsgrund
in
der
Klageerwiderung
vom
13. August 1999 ist eine neue Anfechtungserklärung, deren Rechtzeitig-
- 14 -
keit nach dem Zeitpunkt ihrer Abgabe zu beurteilen ist (vgl. BGH, Urteile
vom 11. Oktober 1965 - II ZR 45/63, WM 1965, 1196, 1197 und vom
19. Februar 1993 - V ZR 249/91, NJW-RR 1993, 948). In diesem Zeitpunkt war die Anfechtungsfrist gemäß § 124 Abs. 1 BGB bereits abgelaufen. Die Frist begann gemäß § 124 Abs. 2 Satz 1 BGB, als die durch
die angebliche Drohung geschaffene Zwangslage aufhörte. Dies war
spätestens bei Abgabe der Anfechtungserklärung vom 22. Juli 1996 der
Fall.
2. Die Ausdehnung der Bürgenhaftung der Beklagten durch die in
der formularmäßigen Bürgschaftsurkunde enthaltene Zweckerklärung
über die Verbindlichkeiten der GmbH hinaus, die objektiv Anlaß der Verbürgung waren, ist zwar gemäß § 9 AGBG unwirksam. Die Haftung der
Beklagten für die Verbindlichkeiten, die den Anlaß zur Übernahme der
Bürgschaft bildeten, bleibt davon aber unberührt (BGHZ 143, 95, 97
m.w.Nachw.). Daß dies die Kredite vom 25. November 1993, 27. Januar
und 28. April 1994 waren, zieht die Beklagte nicht in Zweifel.
- 15 -
IV.
Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben (§ 564 Abs. 1
ZPO). Die Sache ist zur Endentscheidung reif, da es weiterer Feststellungen nicht bedarf (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Da die Bürgschaft wirksam
und die Zinsforderung unstreitig ist, war die Beklagte antragsgemäß zu
verurteilen.
Nobbe
Siol
Joeres
Bungeroth
Mayen