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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 52/08
Verkündet am:
21. Dezember 2010
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 133 C, § 157 F
a) Zur ergänzenden Vertragsauslegung bei Unwirksamkeit einer Zinsänderungsklausel zu laufenden Zinsen in einem Sparvertrag (im Anschluss an BGH, Urteil vom
13. April 2010 - XI ZR 197/09).
b) Soweit statistische Daten eines geeigneten Referenzzinses nicht während der gesamten Laufzeit eines Sparvertrags zur Verfügung stehen, kann dem im zeitlichen
Anschluss durch Heranziehung der Zinsentwicklung eines neuen Referenzzinses
Rechnung getragen werden. Diese Referenzzinssätze müssen unabhängig von
Unterschieden in ihrer Erhebung und Berechnung jeweils für sich die Zinsentwicklung des konkreten Sparvertrags möglichst weitgehend abbilden.
BGH, Urteil vom 21. Dezember 2010 - XI ZR 52/08 - OLG Köln
LG Köln
-2-
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Dezember 2010 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers und die
Richterin Mayen, die Richter Dr. Grüneberg, Maihold und Pamp
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Köln vom 16. Januar 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin
entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin begehrt aus eigenem und aus abgetretenem Recht ihrer
Geschwister von den beklagten Banken die Zahlung weiterer Zinsbeträge aus
ausgelaufenen Sparverträgen.
2
Die Klägerin und ihre fünf Geschwister schlossen, vertreten durch ihre
Eltern, zwischen dem 25. September 1986 und dem 30. März 1989 mit der Beklagten zu 1) insgesamt 24 Sparverträge mit einer Laufzeit von jeweils 15 Jahren ab, die neben laufender Verzinsung bei Beendigung zeitlich gestaffelte, bis
-3-
auf 15% der Sparsumme ansteigende Bonuszahlungen vorsahen. Die Sparguthaben wurden in einem Betrag jeweils zu Vertragsbeginn eingezahlt. Alle Verträge sahen eine Kündigungsfrist von vier Jahren vor. Die Sparverträge von drei
der Geschwister übernahm später die Beklagte zu 2). In den "Bedingungen für
Sparkonten" der Beklagten zu 1), die den Sparverträgen zugrunde lagen (im
Folgenden: AGB), wurde die Anpassung der laufenden Verzinsung wie folgt
geregelt:
"Die Bank vergütet dem Sparkontoinhaber im Rahmen der geltenden Bestimmungen die von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum der kontoführenden Stelle bekannt gegebenen Zinsen. Eine
Änderung des Zinssatzes tritt auch für bestehende Sparguthaben
ohne besondere Mitteilung mit dem Tage in Kraft, der durch Aushang im Kassenraum bekannt gegeben wird."
3
Entsprechend dieser Regelung und auf Grundlage der von der Bundesbank veröffentlichten "Zeitreihe WZ9816" wurden von den Beklagten die Zinsen
angepasst, den Sparverträgen, wie in den AGB weiter festgelegt war, jährlich
Zinserträge gutgeschrieben und am Ende der regulären Vertragslaufzeit das
sich daraus ergebende Guthaben zuzüglich des jeweiligen Bonus ausbezahlt.
4
Die Klägerin hält die Zinsänderungsklausel für unwirksam und die während der Laufzeit der Sparverträge gewährte Verzinsung für zu niedrig.
5
Die Klage, mit der die Klägerin von der Beklagten zu 1) Zahlung von
38.698,62 € und von der Beklagten zu 2) Zahlung von 37.812,57 € jeweils zuzüglich Zinsen begehrt hat, ist in erster Instanz abgewiesen worden. Auf die
Berufung der Klägerin sind die Beklagten zur Zahlung von jeweils 4.074,24 €
nebst Zinsen verurteilt worden; im Übrigen ist die Berufung zurückgewiesen
-4-
worden. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre
weitergehenden Zahlungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe:
6
Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
7
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit dies für die Revisionsinstanz von Bedeutung ist, im Wesentlichen wie folgt begründet:
8
Nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sei die von
den Beklagten verwendete Zinsanpassungsklausel unwirksam. Stattdessen sei
den Banken aufgegeben, unter den Bezugsgrößen des Kapitalmarkts diejenige
auszuwählen, die den tatsächlichen Gegebenheiten der Zinsanpassung bei den
vorliegenden Verträgen möglichst nahe komme. Dem werde die von den Beklagten vorgenommene Zinsberechnung gerecht, da sie das vertragliche Äquivalenzverhältnis wahre und sich deshalb im Rahmen des § 315 BGB halte. Die
Beklagten hätten sich zu Recht an einem Zinssatz nach der Methode gleitender
Durchschnitte und einer Ablauffiktion von fünf Jahren orientiert. Wie der Sachverständige überzeugend dargestellt habe, komme diese Berechnung den tatsächlichen Gegebenheiten am Kapitalmarkt am ehesten nahe, da in der Bankpraxis variable Geschäfte produktweise - nicht einzelgeschäftsbezogen - gesteuert und deswegen üblicherweise mit dieser Methode kalkuliert würden. Das
-5-
Äquivalenzprinzip sei gewahrt, da die bei Vertragsbeginn zwischen den Vertragsparteien implizit vereinbarte Marge für die gesamte Laufzeit des Vertrages
bestehen bleibe. Eine Orientierung am Spareckzins scheide aus, da sich dieser
auf eine dreimonatige Kündigungsfrist beziehe, während die Parteien eine Kündigungsfrist von 48 Monaten vereinbart hätten. Zudem müsse die Auswahl der
Bezugsgröße dem geschäftspolitischen Ermessen der Bank überlassen bleiben, sofern – wie im vorliegenden Fall – das Äquivalenzprinzip gewahrt sei.
9
Kapitalertragsteuer sei entsprechend der Nachberechnung des Sachverständigen zu berücksichtigen, da die Klägerin nicht schlüssig dargetan habe, ob
und in welchem Umfang für die einzelnen Sparverträge Freistellungsaufträge
erteilt worden seien.
II.
10
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in entscheidenden
Punkten nicht stand. Auf Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen kann
das Begehren der Klägerin auf Zahlung weiterer Zinsen aus den Sparverträgen
(§ 700 Abs. 1, § 488 Abs. 1, § 398 BGB) nicht zurückgewiesen werden.
11
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen,
dass die in den AGB der Beklagten zu 1) enthaltene Zinsänderungsklausel
nach § 10 Nr. 4 AGBG, soweit die Sparverträge vor dem 1. Januar 2003 ausgelaufen sind, bzw. nach § 308 Nr. 4 BGB, Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB für nach
diesem Zeitpunkt endende Verträge unwirksam ist, da die Befugnis eines Kreditinstituts, dem Sparer den jeweils durch Aushang bekannt gemachten Zinssatz zu zahlen, nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist (Senat, Urteile vom 17. Februar 2004 - XI ZR
-6-
140/03, BGHZ 158, 149, 153 ff., vom 10. Juni 2008 - XI ZR 211/07, WM 2008,
1493 Rn. 12 und vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, WM 2010, 933 Rn. 15).
12
Weiter zutreffend hat das Berufungsgericht unausgesprochen angenommen, dass von der Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel nicht die
zugrunde liegende Vereinbarung eines variablen Zinssatzes erfasst wird, da es
sich dabei um eine eigenständige, ihrerseits nicht gegen ein Klauselverbot verstoßende, kontrollfreie Preisregelung handelt (Senat, Urteile vom 10. Juni 2008
- XI ZR 211/07, WM 2008, 1493 Rn. 16 f. und vom 13. April 2010 - XI ZR
197/09, WM 2010, 933 Rn. 16).
13
2. Zu Unrecht geht jedoch das Berufungsgericht im Weiteren von einem
einseitigen Leistungsbestimmungsrecht der beklagten Banken nach § 315
Abs. 1 BGB aus.
14
a) Eine Regelungslücke, die durch die Unwirksamkeit einer Zinsänderungsklausel bei gleichzeitiger Wirksamkeit der Vereinbarung über die Variabilität der Zinshöhe entstanden ist, kann nicht nach § 306 Abs. 2 BGB durch ein
einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Bank entsprechend § 315 BGB geschlossen werden. Dazu hätte es der wirksamen Vereinbarung bedurft, einer
Vertragspartei das einseitige Leistungsbestimmungsrecht zu übertragen. Ist
jedoch - wie hier - die in den Vertragsbedingungen enthaltene Preisanpassungsklausel unwirksam, so ist damit zugleich ein darin enthaltenes einseitiges
Leistungsbestimmungsrecht des Klauselverwenders ersatzlos entfallen (vgl.
BGH, Urteile vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 72 f. und vom
13. April 2010 - XI ZR 197/09, WM 2010, 933 Rn. 19 mwN).
15
b) Ein einseitiges Zinsbestimmungsrecht steht den Beklagten auch nicht
als Ergebnis einer ergänzenden Vertragsauslegung zu.
-7-
16
Da einerseits die unwirksame Zinsänderungsklausel nicht durch dispositives Recht ersetzt werden kann und andererseits das Gefüge der vorliegenden
Sparverträge ohne eine Regelung zur Zinsanpassung nachhaltig gestört wäre,
ist diese Regelungslücke im Grundsatz zwar durch ergänzende Vertragsauslegung nach den §§ 133, 157 BGB auszufüllen (vgl. BGH, Urteil vom
13. November 1997 - IX ZR 289/96, BGHZ 137, 153, 157; Senat, Urteil vom
10. Juni 2008 - XI ZR 211/07, WM 2008, 1493 Rn. 18 mwN). Aus der bei
Schließung von Regelungslücken in Allgemeinen Geschäftsbedingungen gebotenen objektiv-generalisierenden Sicht (vgl. BGH, Urteile vom 7. März 1989
- KZR 15/87, BGHZ 107, 273, 276 f. und vom 12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03,
BGHZ 164, 297, 317) ist aber der hypothetische Vertragswille typischer Parteien, sofern ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bei Vertragsschluss bekannt
gewesen wäre, nicht darauf gerichtet, eine unwirksame, den Vertragspartner
des Klauselverwenders unangemessen benachteiligende Klausel durch eine
der unausgewogenen Regelung im Kern gleichende Gestaltung zu ersetzen
(BGH, Urteile vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 78 und vom
12. Oktober 2005 - IV ZR 162/03, BGHZ 164, 297, 315). Deswegen kann an die
Stelle einer unwirksamen, einseitigen Zinsanpassungsklausel kein einseitiges
Leistungsbestimmungsrecht der Bank treten, das - ungeachtet der nach § 315
Abs. 3 BGB bestehenden Billigkeitskontrolle - die unwirksame Klausel entgegen
der Wertung von § 10 Nr. 4 AGBG aF bzw. § 308 Nr. 4 BGB im Wesentlichen
wirkungsgleich ersetzen würde (vgl. Senat, Urteil vom 13. April 2010 - XI ZR
197/09, WM 2010, 933 Rn. 19).
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c) Die Beklagten hatten demnach nicht die Rechtsmacht, einseitig die
Parameter für eine Neuberechnung der Zinsen festzulegen. Ebenso besteht
- anders als das Berufungsgericht ausführt - hierzu kein Raum für ein geschäftspolitisches Ermessen der beklagten Banken. Vielmehr ist vom Gericht im
Wege ergänzender Vertragsauslegung Anpassungsmaßstab und -modus zu
-8-
bestimmen, wobei in sachlicher und zeitlicher Hinsicht Parameter zu wählen
sind, die dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen genügen (Senat, Urteile vom 21. April 2009 - XI ZR 78/08, BGHZ
180, 257 Rn. 35 und vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, WM 2010, 933 Rn. 19).
18
3. Weiter rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht Zinsansprüche der
Klägerin um Kapitalertragsteuer gekürzt, die während der Laufzeit der Sparverträge für zusätzlich geschuldete Zinszahlungen im Falle einer Auszahlung angefallen wäre. Dabei ist es - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - unerheblich, ob die Klägerin und ihre Geschwister Freistellungsaufträge in entsprechender Höhe erteilt haben. Bisher ist ihnen in Höhe der streitgegenständlichen Zinsnachzahlungen jedenfalls kein steuerbares Einkommen zugeflossen.
Kapitalertragsteuer entsteht nach § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG in dem Zeitpunkt, in
dem die Zinsen dem Gläubiger von Kapitalerträgen zufließen. Nach § 11 Abs. 1
Satz 1 EStG gelten Einnahmen als zugeflossen, wenn der Gläubiger darüber
wirtschaftlich verfügen kann (BFHE 134, 315, 317; BFHE 140, 542, 545; BFHE
229, 141 Rn. 28 ff.). Dafür reicht nicht aus, dass der Gläubiger einen - hier zudem bestrittenen - Anspruch auf Zahlungen hat (BFH/NV 2002, 643). Vielmehr
fließen Einnahmen im Allgemeinen dem Gläubiger erst mit tatsächlicher Gutschrift auf einem Bankkonto zu (BFHE 134, 315, 317; BFHE 140, 542, 545).
19
Für eine Kürzung bislang streitiger und nicht erfüllter Zinsansprüche um
fiktive Steuerzahlungen fehlt mithin eine Grundlage. Soweit die Beklagten während der Laufzeit der Sparverträge auf von ihnen gebuchte Zinsen für die Klägerin und deren Geschwister Kapitalertragsteuer abgeführt haben, ist diese im
Umfang der tatsächlichen Zahlungen zu berücksichtigen. Fiktive Steuern, die
bei Zahlung höherer Zinsen in zurückliegenden Jahren aufgrund eines anderen
Anpassungsverfahrens möglicherweise angefallen wären, sind bisher weder
entstanden noch von den Beklagten aus dem Sparguthaben tatsächlich an die
-9-
Finanzbehörden abgeführt worden, konnten mithin während nachfolgender
Zinsperioden das zu verzinsende Kapital nicht mindern und beeinflussen damit
das bei Beendigung der Sparverträge bestehende Guthaben nicht. Dies gilt ungeachtet einer möglichen Pflicht der beklagten Banken, im Falle einer tatsächlichen Nachzahlung von Zinsen für die Klägerin Steuern an die zuständigen Finanzbehörden abzuführen.
III.
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Das Berufungsurteil ist somit im Umfang der Anfechtung aufzuheben
(§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur abschließenden Entscheidung reif
ist, ist sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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1. Vom Berufungsgericht werden im Wege ergänzender Vertragsauslegung die Parameter einer Zinsanpassung festzustellen sein, die in sachlicher
und zeitlicher Hinsicht dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechen. Dabei
kommt es nicht darauf an, ob Anpassungsmaßstab und -methode, die die Beklagten der tatsächlich vorgenommenen Zinsanpassung zugrunde gelegt haben, einer Inhaltskontrolle standhalten würden, da diese nicht Inhalt der Sparverträge geworden sind (Senat, Urteil vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, WM
2010, 933 Rn. 19). Wegen des Vorrangs einer ergänzenden Vertragsauslegung
wird auch nicht der von der Revision vertretenen Ansicht zu folgen sein, die
durch die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel entstandene Vertragslücke
sei nach § 316 BGB durch ein Leistungsbestimmungsrecht der Klägerin zu
schließen (Senat, Urteil vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, WM 2010, 933
Rn. 18).
- 10 -
22
2. Der Referenzzins, dessen Veränderung Anlass und Höhe einer Zinsanpassung bestimmt, hat sich bei Spareinlagen, die - wie hier - wegen des damit verbundenen Verlustes der Abschlussprämie wirtschaftlich sinnvoll nicht
vorzeitig gekündigt werden, grundsätzlich an Zinsen für vergleichbare langfristige Spareinlagen zu orientieren (Senat, Urteil vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09,
WM 2010, 933 Rn. 22 f.). Diesem Grundsatz kommt für die vorliegenden Sparverträge besondere Bedeutung zu, da das gesamte Sparguthaben jeweils in
einem Betrag bei Abschluss der Sparverträge und nicht in laufenden monatlichen Raten eingezahlt worden ist. Diesen Anforderungen entspricht die vom
Berufungsgericht akzeptierte "Zeitreihe WZ9816" weder sachlich noch zeitlich,
da es sich um die Abbildung einer rechnerisch ermittelten Zinsstrukturkurve für
börsennotierte Bundeswertpapiere mit einer Laufzeit von fünf Jahren handelt.
Ebenso kann der von der Revision angesprochene Spareckzins nicht als Referenz herangezogen werden, da er den Zinssatz für Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist von lediglich drei Monaten angibt (Senat, Urteil vom 13. April 2010
- XI ZR 197/09, WM 2010, 933 Rn. 22).
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3. Die Anpassung des Vertragszinses wird weiter nicht nach der vom Berufungsgericht gebilligten Methode gleitender Durchschnitte bei einer Ablauffiktion von fünf Jahren erfolgen können, da die Parteien im Sparvertrag keine Anpassungsschwelle vorgesehen haben. Nach den AGB der Beklagten zu 1) sollte jede Veränderung des dort genannten – unzulässigen – Referenzzinssatzes
sogleich zu einer entsprechenden Anpassung des Vertragszinses führen. Dann
erscheint es beiderseits interessengerecht, dass auch jede Veränderung des
zutreffenden Referenzzinses ohne Erreichen eines bestimmten Schwellenwertes und ohne zeitliche Verzögerung zu einer entsprechenden Anpassung des
Vertragszinses führt (vgl. auch Senat, Urteil vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09,
WM 2010, 933 Rn. 25).
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Ein Anpassungsmodus, dem fünfjährige gleitende Durchschnittszinsen
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aus einem Referenzzins für Wertpapiere mit fünfjähriger Laufzeit zugrunde liegen, würde zudem einseitig das Interesse der beklagten Banken berücksichtigen, Zinsänderungseffekte im Passivgeschäft durch produktspezifische Gegengeschäfte zu festen Zinssätzen auszugleichen. Demgegenüber wäre der Sparer
- entgegen seiner Erwartung - bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
überwiegend an die Zinsentwicklung zurückliegender Jahre gebunden, da künftige Zinsänderungen in den maßgeblichen Durchschnittszins nur entsprechend
ihrem Zeitanteil an dem unterstellten Anlagezeitraum von fünf Jahren einfließen.
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4. Das Berufungsgericht wird schließlich den von ihm bei der Berechnung des laufenden Vertragszinses hingenommenen absolut gleich bleibenden
Abstand zum Referenzzins zu überprüfen haben. Die damit erzielte Sicherung
einer fixen absoluten Marge der Bank entspricht im Allgemeinen nicht sachgerechter Berücksichtigung der Interessen beider Vertragsparteien. Eine darauf
aufbauende Zinsanpassung kann bei fallenden Zinsen nicht nur zu einer im
Verhältnis zum Vertragszins überzogenen Marge führen, sondern birgt die Gefahr einer negativen Verzinsung des angesparten Kapitals. Zwar müssen auch
nach einer Anpassung günstige Zinskonditionen günstig bleiben und ebenso
ungünstige Zinskonditionen ungünstig. Dieser Grundsatz ist jedoch gewahrt,
wenn der anfängliche relative Abstand des Vertragszinses vom Referenzzins
für die Vertragslaufzeit beibehalten wird (Senat, Urteil vom 13. April 2010
- XI ZR 197/09, WM 2010, 933 Rn. 27).
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5. Das Berufungsgericht wird daher nach ergänzendem Vortrag der Parteien gegebenenfalls sachverständig beraten zu klären haben, welcher konkrete
in der von der Deutschen Bundesbank für inländische Banken erhobenen Zinsstatistik veröffentlichte Zins als maßgebliche Referenz herangezogen werden
- 12 -
kann (vgl. Senat, Urteil vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, WM 2010, 933
Rn. 23). Soweit eine danach geeignete Zeitreihe nicht während der gesamten
Laufzeit einzelner Sparverträge - unverändert - fortgeführt wird, kann dem im
zeitlichen Anschluss durch Heranziehung der Zinsentwicklung einer neuen Zeitreihe Rechnung getragen werden. Diese Zeitreihen müssen unabhängig von
Unterschieden in ihrer Erhebung und Berechnung jeweils für sich die Zinsentwicklung des konkreten Sparvertrags möglichst weitgehend abbilden. Abweichungen in der Höhe des Zinssatzes zwischen zeitlich aneinander anschließenden Zeitreihen stehen dem nicht von vorneherein entgegen, da die Zinsanpassung nicht an dem absoluten Wert des jeweiligen Referenzzinses, sondern
an dessen Änderung auszurichten ist.
Wiechers
Mayen
Maihold
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 19.01.2006 - 15 O 393/05 OLG Köln, Entscheidung vom 16.01.2008 - 13 U 27/06 -
Grüneberg
Pamp