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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 448/15
Verkündet am:
11. Oktober 2016
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:111016UXIZR448.15.0
-2-
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ellenberger,
die Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und
Dr. Derstadt
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des
9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 28. September 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten aus einer notariellen Urkunde betriebene Zwangsvollstreckung. Dem Streit der Parteien liegt ein
von der Beklagten finanzierter Erwerb einer Eigentumswohnung durch den Kläger zugrunde.
2
Der Kläger wurde im Jahr 1995 von einem Anlagevermittler geworben,
die 29,80 qm große Eigentumswohnung Nr. 12 in dem noch zu errichtenden
Appartementhaus "K.
" nebst einem Kfz-Stellplatz zu erwer-
-3-
ben. In dem Verkaufsprospekt werden die vertraglichen Grundlagen wie folgt
erläutert:
"Der Erwerber beauftragt einen unabhängigen Abwicklungsbeauftragten mit
dem Abschluss der vorgesehenen Verträge und der Wahrnehmung der im Geschäftsbesorgungsvertrag beschriebenen Aufgaben. …
Der Abwicklungsbeauftragte vertritt die Erwerber bei dem Abschluss des
Grundstückskauf- und Werklieferungsvertrages, der Finanzierung und beim Abschluss der sonstigen vorgesehenen Verträge. Weitere Aufgaben, also insbesondere auch die Prüfung des Objektes in bautechnischer Hinsicht, die Prüfung
der Werthaltigkeit … kommen dem Abwicklungsbeauftragten nicht zu. …" (S. 40
des Prospekts)
"Der Abwicklungsbeauftragte beauftragt im Namen des einzelnen Erwerbers
den Finanzierungsvermittler auftragsgemäß mit der Beschaffung der gemäß
Konzeption vorgesehenen langfristigen Darlehen sowie mit der Vermittlung von
Finanzierungsangeboten für die Zwischenfinanzierungsdarlehen und eine Vorfinanzierung des konzeptionsgemäß vorgesehenen Eigenkapitals, soweit der
Erwerber dies wünscht.
Der Finanzierungsvermittler ist zur umfassenden Betreuung, der Beratung bezüglich aller Fragen der Endfinanzierung und der Vorlage unterschriftsreifer
Darlehensverträge zu verpflichten." (S. 41 des Prospekts)
"Für die Abwicklung des Erwerbsvorganges hat der Prospektherausgeber ein
Angebot eines Abwicklungsbeauftragten vorliegen. Der Abwicklungsbeauftragte
wird ausschließlich im Auftrag der zukünftigen Erwerber tätig werden. … Der
Abwicklungsbeauftragte übernimmt die abwickelnde Tätigkeit für den Erwerber
nach Maßgabe der in diesem Prospekt vom Prospektherausgeber gemachten
Vorgaben und des mit dem Erwerber zu schließenden Geschäftsbesorgungsvertrages. ..." (S. 44 des Prospekts)
-4-
3
Abwicklungsbeauftragte war die
Steuerberatungsgesellschaft mbH
(nachfolgend: Abwicklungsbeauftragte). Finanzierungsvermittlerin war die A
GmbH
(nach-
folgend: Finanzierungsvermittlerin), die für ihre Tätigkeit - soweit die Anleger,
wie hier der Kläger, den Abschluss eines Finanzierungsvermittlungsvertrags
wünschten - eine Provision von 3,8% des kalkulierten Gesamtaufwandes erhielt.
4
Zwecks Erwerbs der Wohnung bot der Kläger der Abwicklungsbeauftragten mit notarieller Urkunde vom 18. Mai 1995 einen umfassenden Geschäftsbesorgungsvertrag an und erteilte ihr eine ebensolche Vollmacht, die ausdrücklich
auch den Abschluss eines Finanzierungsvermittlungsvertrags umfasste. Der
Gesamtaufwand sollte 172.393 DM betragen. Die Abwicklungsbeauftragte
nahm das Angebot mit notarieller Urkunde vom 8. Juni 1995 an.
5
Zur Finanzierung des Gesamtaufwands schloss die Abwicklungsbeauftragte namens des Klägers im Juni 1995 mit der Beklagten zunächst einen Zwischenfinanzierungsvertrag, der über zwei Unterkonten in Höhe von 133.811 DM
und in Höhe von 38.582 DM geführt wurde. Der Vertrag sah als Sicherheit die
Eintragung einer Grundschuld mit persönlicher Haftungsübernahme und
Zwangsvollstreckungsunterwerfung über 172.393 DM vor. Mit notariellem Kaufund Werklieferungsvertrag vom 3. Juli 1995 erwarb die Abwicklungsbeauftragte
namens des Klägers von der Bauträgerin als Verkäuferin die Wohnung nebst
Kfz-Stellplatz. Am 24. Dezember 1995/3. Januar 1996 nahm die Abwicklungsbeauftragte zur Ablösung der Zwischenfinanzierung namens des Klägers bei
der Beklagten ein ebenfalls auf zwei Unterkonten geführtes Endfinanzierungsdarlehen über 172.393 DM auf. Mit notarieller Urkunde vom 11. April 1996 bestellte die Abwicklungsbeauftragte namens des Klägers zugunsten der Beklagten an dem Wohnungseigentum eine Grundschuld in Höhe von 172.393 DM.
-5-
Zugleich unterwarf sich die Abwicklungsbeauftragte namens des Klägers gegenüber der Beklagten wegen der im Vertrag übernommenen Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung in dessen gesamtes Vermögen.
6
Mit der im Jahr 2014 erhobenen Klage begehrt der Kläger, die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde für unzulässig zu erklären, soweit sie in sein persönliches Vermögen erfolge. Er vertritt die Auffassung, die Abwicklungsbeauftragte sei wegen eines zusammen mit der Beklagten begangenen kollusiven Vollmachtsmissbrauchs nicht wirksam bevollmächtigt gewesen, weshalb die Darlehensverträge unwirksam seien. Außerdem sei er über die Höhe der Innenprovision, die
Maklerprovision, die nachhaltig erzielbare Garantiemiete und die Zinshöhe arglistig getäuscht worden.
7
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht durch Beschluss gemäß § 522
Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt
die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
8
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
-6-
I.
9
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
im Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
10
Die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der notariellen Grundschuldbestellungsurkunde in das persönliche Vermögen des Klägers sei unzulässig. Beim Abschluss der Darlehensverträge mit der Beklagten habe die Abwicklungsbeauftragte ihre Vollmacht evident missbraucht. Aufgrund dessen seien die Darlehensverträge nicht wirksam zustande gekommen, so dass der Kläger das in der Grundschuldbestellungsurkunde erklärte abstrakte Schuldanerkenntnis kondizieren könne. Damit sei eine Zwangsvollstreckung aus der
Grundschuldbestellungsurkunde wegen der persönlichen Haftungsübernahme
ausgeschlossen.
11
Die Abwicklungsbeauftragte sei im Innenverhältnis zum Kläger nicht berechtigt gewesen, einen Finanzierungsvermittlungsvertrag abzuschließen, durch
den eine Provisionspflicht durch den bloßen Nachweis einer Finanzierungsmöglichkeit begründet werde. Dem Prospekt sei zu entnehmen, dass ein Finanzierungsvermittlungsvertrag eine Vermittlungs- und nicht lediglich eine Nachweistätigkeit zum Gegenstand haben sollte. Vor Vertriebsbeginn sei eine Finanzierungsvermittlungsleistung vom Konzept her aber nicht möglich gewesen. Die
Finanzierungsvermittlerin habe zu diesem Zeitpunkt weder die konkret vom Erwerber gewünschte Finanzierungsform gekannt noch habe sie aktuelle, marktübliche Finanzierungsangebote einholen können, weil sie die zukünftigen
Marktbedingungen im Zeitpunkt der Anlageentscheidung der Erwerber nicht
gekannt habe. Die Finanzierungsvermittlerin sei nach dem Muster des Finanzierungsvermittlungsvertrages zur Beschaffung von Darlehen zu marktüblichen
Konditionen verpflichtet gewesen.
-7-
12
Die Abwicklungsbeauftragte sei daher im Innenverhältnis zum Kläger
nicht befugt gewesen, ein Darlehen zur Finanzierung einer Finanzierungsvermittlungsprovision aufzunehmen, die für eine bloße Nachweistätigkeit habe gezahlt werden sollen. Aufgrund dessen habe sie bei Abschluss der Darlehensverträge ihre Vertretungsmacht missbraucht.
13
Davon abgesehen habe die Finanzierungsvermittlerin nicht einmal eine
Nachweistätigkeit erbracht. Im Vorfeld des Vertriebs und ohne Festlegung der
konkreten Finanzierungsbedingungen sei konzeptionell und zeitlich kein Nachweis über eine konkrete Finanzierung zu marktüblichen Bedingungen möglich
gewesen, weil weder die Beklagte marktübliche Bedingungen habe festlegen
wollen noch die Abwicklungsbeauftragte zu diesem Zeitpunkt die Marktüblichkeit zukünftiger Bedingungen habe prüfen können.
14
Der Vollmachtsmissbrauch sei für die Beklagte evident gewesen. Unstreitig habe die Beklagte vor Vertriebsbeginn den Prospekt und die Musterverträge erhalten. Aus diesen sei eindeutig hervorgegangen, dass nicht die Abwicklungsbeauftragte, sondern die Finanzierungsvermittlerin die Kreditmittel zu
beschaffen gehabt habe. Zudem habe der Inhalt des Finanzierungsvermittlungsvertrages eine echte Auswahlleistung durch die Finanzierungsvermittlerin
vorgespiegelt. Da die Beklagte gewusst habe, dass sich die von der Finanzierungsvermittlerin erbrachte Leistung allenfalls auf eine bloße Nachweistätigkeit
beschränkt habe, habe sich für sie der Schluss aufdrängen müssen, dass die
Abwicklungsbeauftragte zur Finanzierung der Provision auch kein Darlehen bei
der Beklagten habe aufnehmen dürfen.
15
Dies führe nach § 139 BGB zur Nichtigkeit des gesamten Darlehensvertrags. Eine Teilnichtigkeit unter Aufrechterhaltung des übrigen Teils sei nur
dann anzunehmen, wenn dies dem hypothetischen Parteiwillen entspräche. Für
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diesen komme es nicht darauf an, ob die Parteien das Rechtsgeschäft ohne
den nichtigen Teil tatsächlich gewollt hätten, sondern darauf, ob eine objektive
Bewertung ergebe, dass das Rechtsgeschäft auch ohne den nichtigen Teil vernünftigerweise vorgenommen worden wäre. Davon könne hier nicht ausgegangen werden.
II.
16
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
17
Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung der Grundschuldbestellungsurkunde in das persönliche Vermögen des Klägers nicht für unzulässig
erklären dürfen. Insoweit beanstandet die Revision mit Erfolg, dass das Berufungsgericht angenommen hat, die zwischen den Parteien geschlossenen Darlehensverträge seien wegen eines von der Abwicklungsbeauftragten begangenen Missbrauchs der Vertretungsmacht unwirksam. Entgegen der Auffassung
des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen eines offensichtlichen Vollmachtsmissbrauchs nicht vor.
18
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat grundsätzlich der Vertretene das Risiko eines - hier unterstellten - Missbrauchs der
Vertretungsmacht zu tragen (vgl. nur Senatsurteil vom 14. Juni 2016 - XI ZR
483/14, WM 2016, 1437 Rn. 23 mwN). Den Vertragspartner trifft keine Prüfungspflicht, ob und inwieweit der Vertreter im Innenverhältnis gebunden ist,
von seiner nach außen unbeschränkten Vertretungsmacht nur begrenzten Gebrauch zu machen (Senatsurteil aaO mwN).
-9-
19
Etwas anderes gilt allerdings zum einen nur in dem Fall, dass der Vertreter kollusiv mit dem Vertragsgegner zum Nachteil des Vertretenen ein Geschäft
abschließt. Ein solches Geschäft verstößt gegen die guten Sitten und ist nichtig
(§ 138 BGB; vgl. nur Senatsurteil vom 14. Juni 2016 - XI ZR 483/14, WM 2016,
1437 Rn. 24 mwN). Zum anderen ist der Vertretene gegen einen erkennbaren
Missbrauch der Vertretungsmacht im Verhältnis zum Vertragspartner dann geschützt, wenn der Vertreter von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so dass beim Vertragspartner begründete
Zweifel bestehen mussten, ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber
dem Vertretenen vorliege. Notwendig ist dabei eine massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs (vgl. nur Senatsurteil
aaO mwN). Die objektive Evidenz ist insbesondere dann gegeben, wenn sich
nach den gegebenen Umständen die Notwendigkeit einer Rückfrage des Geschäftsgegners bei dem Vertretenen geradezu aufdrängt (Senatsurteil aaO
mwN).
20
2. An einer solchen objektiven Evidenz fehlt es hier. Zwar ist ihre Feststellung tatrichterliche Würdigung, die im Revisionsverfahren nur beschränkt
überprüfbar ist. Der Nachprüfung unterliegt aber jedenfalls, ob der Begriff der
objektiven Evidenz verkannt wurde und ob bei der Beurteilung wesentliche Umstände außer Betracht gelassen wurden. Ist das - wie hier - der Fall, kann das
Revisionsgericht die Beurteilung selbst vornehmen, wenn die Feststellungen
des Berufungsgerichts ein - wie hier - abgeschlossenes Tatsachenbild ergeben
(vgl. dazu Senatsurteil vom 14. Juni 2016 - XI ZR 483/14, WM 2016, 1437
Rn. 25 mwN).
21
a) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten habe sich aufdrängen müssen, dass die im Prospekt genannte Finanzierungsvermittlerin ihr
gegenüber keine vergütungspflichtige Tätigkeit entfaltet habe, entbehrt einer
- 10 -
ausreichenden Grundlage. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
richten sich Art und Umfang der Tätigkeiten der Finanzierungsvermittlerin nicht
nach dem Prospekt und dem Muster des Finanzierungsvermittlungsvertrages
(vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 2016 - XI ZR 483/14, WM 2016, 1437 Rn. 26
mwN), sondern nach dem tatsächlich abgeschlossenen Finanzierungsvermittlungsvertrag.
22
b) Selbst wenn man unterstellt, dass der Inhalt des tatsächlich abgeschlossenen Finanzierungsvermittlungsvertrags mit dem Muster des Finanzierungsvermittlungsvertrages übereinstimmt, ergaben sich entgegen der Annahme des Berufungsgerichts für die Beklagte keine massiven Verdachtsmomente
dafür, dass die Abwicklungsbeauftragte mit der Darlehensaufnahme zur Zahlung der Finanzierungsvermittlungsprovision ihre rechtlichen Befugnisse aus
der Vollmacht missbraucht hat.
23
aa) Zu Recht hat das Berufungsgericht solche Verdachtsmomente nicht
allein daraus abgeleitet, dass der Finanzierungsantrag der Abwicklungsbeauftragten sich auch auf die Finanzierung einer Vermittlungsprovision in Höhe von
3,8% des Gesamtaufwandes bezog. Bei dem Abschluss des Kreditvertrags
handelte es sich um ein alltägliches und normales Geschehen im bankgeschäftlichen Kreditverkehr. Dies schloss auch die zu finanzierenden und der Höhe
nach marktüblichen Nebenkosten, wie insbesondere die Kosten der Finanzierungsvermittlung, ein.
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Ein Vollmachtsmissbrauch kann in diesem Zusammenhang nur dann vorliegen, wenn die Vereinbarung und Finanzierung einer solchen Provision von
dem Geschäftsbesorgungsvertrag und dem mit diesem Vertrag umzusetzenden
Investitionskonzept zum Nachteil des Kapitalanlegers - hier des Klägers - abweicht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. Juni 2008 - V ZR 83/07, WM 2008, 1703
- 11 -
Rn. 13). Den Abschluss des Finanzierungsvermittlungsvertrags und die Finanzierung des Gesamtaufwands hat der Kläger aber ausdrücklich gewünscht und
damit die Abwicklungsbeauftragte bevollmächtigt.
25
Ob der Abschluss des Finanzierungsvermittlungsvertrags erforderlich
oder wirtschaftlich sinnvoll war, hatte die Beklagte als finanzierende Bank nicht
zu prüfen, zumal sie im Zeitpunkt der Darlehensvergabe davon ausgehen durfte, dass der Finanzierungsvermittlungsvertrag bereits abgeschlossen worden
war. Davon abgesehen war ihr - auch im Fall einer vom Berufungsgericht angenommenen Kenntnis der Einzelheiten des Prospektinhalts - eine Prüfung der
Sinnhaftigkeit des Abschlusses dieses Vertrags gar nicht möglich, weil hierfür
ihr möglicherweise verschlossen gebliebene Umstände - wie etwa steuerliche
Gründe - maßgeblich gewesen sein könnten.
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bb) Anders als das Berufungsgericht meint, lässt sich die Evidenz eines
Vollmachtsmissbrauchs nicht damit begründen, der Beklagten habe sich bei
Abschluss des Darlehensvertrags aufdrängen müssen, dass die Finanzierungsvermittlerin ihre vertraglich geschuldeten Leistungen nicht erbracht habe. Unabhängig von der Frage, ob die Abwicklungsbeauftragte durch die Finanzierung
einer - unterstellt - nicht geschuldeten Provision in Höhe von 3,8% der gesamten Darlehenssumme die ihr erteilte Vollmacht überhaupt missbraucht hätte,
ergaben sich für die Beklagte jedenfalls keine Verdachtsmomente, dass die Finanzierungsvermittlerin ihre vertraglich geschuldeten Leistungen nicht erbracht
haben könnte. Das gilt auch dann, wenn man mit dem Berufungsgericht auf der
Grundlage des Inhalts des Muster-Finanzierungsvermittlungsvertrages davon
ausgeht, dass sie eine Vermittlungstätigkeit erbringen musste.
27
(1) Die Vermittlungstätigkeit erfordert, dass der Makler auf den potenziellen Vertragspartner mit dem Ziel einwirkt, die Abschlussbereitschaft für den be-
- 12 -
absichtigten Hauptvertrag herbeizuführen (Senatsurteil vom 14. Juni 2016
- XI ZR 483/14, WM 2016, 1437 Rn. 32 mwN). Dabei kann der die Vergütungspflicht auslösende Maklervertrag auch noch zeitlich nach bereits erfolgter Maklerleistung abgeschlossen werden (vgl. Senatsurteil aaO mwN). Um die Provision zu verdienen, reicht es aus, wenn die Maklerleistung neben anderen Bedingungen für den Abschluss des Hauptvertrags zumindest mitursächlich geworden ist. Sie braucht nicht die einzige und nicht die hauptsächliche Ursache zu
sein. Beim Vermittlungsmakler genügt es, dass seine Tätigkeit die Abschlussbereitschaft des Dritten irgendwie gefördert hat, der Makler also beim Vertragsgegner ein Motiv gesetzt hat, das nicht völlig unbedeutend war (Senatsurteil
aaO mwN).
28
(2) Vor diesem Hintergrund musste sich der Beklagten das Fehlen einer
zumindest mitursächlichen Vermittlungsleistung der Finanzierungsvermittlerin
- anders als das Berufungsgericht meint - nicht deshalb aufdrängen, weil die
Finanzierungsvermittlerin die streitgegenständlichen Darlehensverträge nicht
mit ihr verhandelt hat.
29
Das Berufungsgericht verkennt, dass bereits die vorab erzielte allgemeine Finanzierungsabsprache auf eine Vermittlungsleistung zugunsten aller künftigen Erwerber - und damit auch zugunsten des Klägers - zurückzuführen ist.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte gegenüber
der Finanzierungsvermittlerin bereits vor Vertriebsbeginn ihre Bereitschaft erklärt, den Erwerbern von Wohnungen in dem Appartementhaus zu nicht näher
festgestellten Bedingungen eine Finanzierung anzubieten. Einer Vermittlungsleistung zugunsten des Klägers steht nicht entgegen, dass die Abwicklungsbeauftragte das Angebot des Klägers zum Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrages erst nach dem Zeitpunkt der Bestätigung der allgemeinen Finanzierungsbereitschaft durch die Beklagte angenommen hat und der Kläger damit
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erst zu diesem Zeitpunkt als Erwerber feststand. Auch spielt es keine Rolle,
dass sich die in der allgemeinen Finanzierungsabsprache benannten Konditionen lediglich auf den damaligen Zeitpunkt bezogen haben dürften. Letzteres
entsprach der Vorgabe an die Finanzierungsvermittlerin, Darlehen zu jeweils
marktüblichen Bedingungen zu beschaffen. Dass die im Juni 1995 und Dezember 1995/Januar 1996 geschlossenen Darlehensverträge dieser Vorgabe nicht
entsprochen hätten, macht der Kläger nicht geltend.
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Selbst wenn diese Absprache, wie der Kläger behauptet und das Berufungsgericht offen gelassen hat, nicht von der Finanzierungsvermittlerin, sondern ebenfalls von der Abwicklungsbeauftragten getroffen worden sein sollte,
hätten sich der Beklagten keine Zweifel an der Vergütungspflicht aufdrängen
müssen. Vermittlungsleistungen müssen nicht höchstpersönlich erbracht werden. Nach der Konzeption des Anlagemodells sollten die Anleger - wie auch
vorliegend geschehen - allein die Abwicklungsbeauftragte mit dem Abschluss
von Darlehensverträgen bevollmächtigen. Dann ist es aber nicht bedenklich,
wenn die finanzierende Bank auch nur unmittelbar mit dieser die allgemeinen
Konditionen für die Zwischen- und Endfinanzierung verhandelt und ihr von dieser die konkrete Finanzierungsanfrage und die Bonitätsunterlagen zugeleitet
werden. Aus Sicht der Bank liegt es nahe, dass die Abwicklungsbeauftragte
dabei mit Wissen und im Einverständnis der Finanzierungsvermittlerin als deren
Erfüllungsgehilfin agiert. Dies wird hier durch das Finanzierungsbestätigungsschreiben verdeutlicht, das die Beklagte, obwohl die zugrunde liegenden Verhandlungen nach der Behauptung des Klägers mit der Abwicklungsbeauftragten
geführt worden sein sollen, an die Finanzierungsvermittlerin richtete.
31
c) Mangels weiterer vom Berufungsgericht festgestellter oder vom Kläger
behaupteter Umstände kann damit ein für die Beklagte offensichtlicher Vollmachtsmissbrauch durch die Abwicklungsbeauftragte nicht angenommen wer-
- 14 -
den. Entgegen der Revisionserwiderung hat auch das Landgericht nicht festgestellt, dass der Beklagten der Vollmachtsmissbrauch positiv bekannt war. Mangels tatsächlicher Grundlage handelt es sich bei dieser Annahme des Landgerichts nicht um eine tatsächliche Feststellung, sondern lediglich um eine - nicht
haltbare - Schlussfolgerung.
III.
32
Der angefochtene Beschluss ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1
ZPO). Da die Sache hinsichtlich des Vorliegens einer Rechtsscheinvollmacht
und mangels Feststellungen zu den Schadensersatzansprüchen nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Ellenberger
Grüneberg
Menges
Maihold
Derstadt
Vorinstanzen:
LG Ulm, Entscheidung vom 22.12.2014 - 4 O 83/14 OLG Stuttgart, Entscheidung vom 28.09.2015 - 9 U 4/15 -