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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 363/10
Verkündet am:
11. September 2012
Weber
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
-2-
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im
schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 17. Juli 2012 eingereicht
werden konnten, durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, die Richter
Dr. Joeres, Dr. Ellenberger, Dr. Matthias und die Richterin Dr. Menges
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Celle vom 29. September 2010 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als im Verhältnis zur Beklagten
zu 1) zum Nachteil der Klägerin entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin macht, nachdem ihre Klage gegenüber den früheren Beklagten zu 2) und zu 3) durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde
rechtskräftig abgewiesen worden ist, in der Revisionsinstanz nur noch gegenüber der Beklagten zu 1) (nachfolgend: Beklagte) Schadensersatzansprüche
wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem
geschlossenen Immobilienfonds geltend.
-3-
2
Die Klägerin beteiligte sich am 10. September 1998 auf Anraten des Mitarbeiters K.
der Beklagten als Direktkommanditistin an dem geschlossenen
Immobilienfonds L.
(nachfolgend: Fonds).
3
Der Fonds investierte in sechs eigenständige Büro- und Verwaltungsgebäude im S.
B.
. Hauptmieter der Fondsgebäude war der
, mit dem ein Mietvertrag mit einer Vertragslaufzeit von zehn Jah-
ren, der eine Verlängerungsoption enthielt, geschlossen worden war. Die Klägerin beteiligte sich mit der Mindestbeteiligungssumme von 100.000 DM, wobei,
wie im Prospekt vorgesehen, das Beteiligungskapital zu 73,1% aus Eigenmitteln der Anlegerin und zu 26,9% über eine obligatorische Anteilsfinanzierung
aufgebracht wurde. Neben ihrer Beitrittserklärung unterzeichnete die Klägerin
einen Übernahme/Darlehensvertrag über 26.900 DM. Mittels dieses Vertrages
übernahm die Klägerin entsprechend dem Konzept des Fonds anteilig ein von
der M.
bei der frühe-
ren Beklagten zu 2) aufgenommenes Darlehen. Mit der früheren Beklagten
zu 3) wurde vereinbart, dass diese die aus der Beteiligung erwachsenen Rechte
der Klägerin treuhänderisch für diese wahrnehmen sollte.
4
Die mit dem B.
geschlossenen Mietverträge liefen im Jahr
2008 aus und wurden von diesem nicht verlängert. Infolge der ausbleibenden
Mietzahlungen in Höhe von mehr als 1 Mio. DM monatlich kam die Fondsgesellschaft in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Da eine Neuvermietung nur nach
umfassenden baulichen Maßnahmen möglich gewesen wäre, wurden die
Fondsobjekte im Jahr 2008 veräußert. Der Erlös von gut 37 Mio. € reichte nicht
aus, um die Restverbindlichkeiten aus der Immobilienfinanzierung vollständig
zu decken.
-4-
5
Die Klägerin hat die Beklagte unter anderem deswegen auf Schadensersatz in Anspruch genommen, weil deren Mitarbeiter nicht über vereinnahmte
Rückvergütungen informiert habe und Prospektangaben des bei der Anlageberatung verwendeten Prospektes in Bezug auf das Totalausfallrisiko und die
Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB unzureichend seien. Sie macht
einen Schaden in Höhe von 45.077,54 € geltend, der sich aus dem aus eigenen
Mitteln aufgebrachten Beteiligungsbetrag von 37.375,44 € sowie aus den an die
frühere Beklagte zu 2) geflossenen Zinsen in Höhe von 7.702,10 € errechnet.
Die Klägerin begehrt diesen Betrag nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung
ihrer Kommanditanteile an dem Fonds. Ferner macht sie 1.761,08 € vorgerichtlicher Anwaltskosten geltend und begehrt die Feststellung der Ersatzpflicht für
weitere Schäden sowie Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten.
6
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der - vom
Senat insofern zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren
gegenüber der Beklagten weiter.
Entscheidungsgründe:
7
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur neuen
Verhandlung und Entscheidung.
I.
8
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit
für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen ausgeführt: Zwi-
-5-
schen der Klägerin und der Beklagten sei ein Anlageberatungsvertrag stillschweigend zustande gekommen. Die Beklagte habe ihre aus diesem Anlageberatungsvertrag fließende Pflicht, die Klägerin anleger- und anlagegerecht
aufzuklären, nicht verletzt. Soweit die Klägerin in Bezug auf die anlagegerechte
Beratung eine Vielzahl von Einzelpunkten aufgegriffen habe, über die nicht aufgeklärt worden sei, stehe dies im Widerspruch zu den Angaben der Klägerin bei
ihrer persönlichen Anhörung vor dem Landgericht. Eine Pflichtverletzung liege
auch nicht in einer unterbliebenen Aufklärung über sogenannte Kick-backZahlungen. Insoweit sei unstreitig, dass die Beklagte für die Vermittlung der
Anlage eine Zahlung in Höhe von 7% des eingesetzten Eigenkapitals von
73.100 DM, mithin 5.117 DM erhalten habe, worauf sie die Klägerin nicht hingewiesen habe. Eine Haftung der Beklagten folge hieraus jedoch deshalb nicht,
weil es sich bei der von ihr vereinnahmten Zahlung nicht um eine Kick-backZahlung aus Ausgabeaufschlägen oder Verwaltungsgebühren gehandelt habe.
II.
9
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
10
1. Zu Recht und von der Revision nicht angegriffen ist das Berufungsgericht vom Zustandekommen eines Anlageberatungsvertrages zwischen der Klägerin und der Beklagten ausgegangen.
11
2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber eine Verletzung der
Pflichten aus diesem Beratungsvertrag verneint.
12
a) Entgegen der Ansicht der Revision folgt eine Haftung der Beklagten
allerdings nicht aus einer unzulänglichen Darstellung des Totalverlustrisikos
-6-
bzw. der Haftung eines Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB in dem Prospekt, den der Berater K.
13
bei der Anlageberatung verwendet hat.
aa) Wie der Senat bereits entschieden hat, muss auf das Totalverlustrisiko bei einem Immobilienfonds grundsätzlich nicht gesondert hingewiesen werden (Senatsurteil vom 27. Oktober 2009 - XI ZR 337/08, WM 2009, 2303 Rn.
25). Besondere gefahrerhöhende Umstände, die ausnahmsweise eine Aufklärung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor. Der Umstand, dass der Fonds nicht
unmittelbar selbst Immobilien errichtete und vermietete, sondern sich an sechs
Objektgesellschaften als atypisch stiller Gesellschafter beteiligte, die ihrerseits
Eigentümer jeweils eines Gebäudes am S.
waren, stellt
keinen gefahrerhöhenden Umstand dar. Auch insofern tritt der Totalverlust des
Anlegerengagements nur dann ein, wenn die Vermietung nicht erfolgen kann
und aufgenommene Kredite nicht zurückgezahlt werden können.
14
bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist der Prospekt auch nicht in Bezug auf die Haftung des Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB unrichtig. Das
Berufungsgericht hat zu Recht in Bezug auf die frühere Beklagte zu 3) ausgeführt, dass der Prospekt auf Seiten 76 f. ausreichend über den Regelungsinhalt
des § 172 Abs. 4 HGB informiert (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 27. Oktober
2009 - XI ZR 337/08, WM 2009, 2303 Rn. 28).
15
b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch eine Aufklärungspflichtverletzung in Bezug auf die unstreitig von der Beklagten vereinnahmten
Rückvergütungen in Höhe von 7% des eingesetzten Eigenkapitals (= 5.117 DM)
verneint, weil diese nicht aus Ausgabeaufschlägen oder Verwaltungsgebühren
geflossen seien.
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aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist eine Bank aus
dem Anlageberatungsvertrag verpflichtet, über die von ihr vereinnahmte Rück-
-7-
vergütung aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen ungefragt aufzuklären
(vgl. zuletzt Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, WM 2012, 1337
Rn. 17 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Aufklärungspflichtige
Rückvergütungen sind - regelmäßig umsatzabhängige - Provisionen, die im
Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen,
sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die
beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die
Werthaltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse
der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen
(vgl. zuletzt Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, WM 2012, 1337
Rn. 17 mwN). Danach handelt es sich, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, auch dann um aufklärungspflichtige Rückvergütungen, wenn diese nicht aus einem Agio oder aus Verwaltungsgebühren, sondern aus sonstigen
offen ausgewiesenen Vertriebskosten fließen, wobei es auch nicht darauf ankommt, ob die Zahlung des Anlegers "über die Bank" oder direkt an die Fondsgesellschaft erfolgt (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10,
WM 2012, 1337 Rn. 18 mwN).
17
bb) Da die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts für
die Vermittlung der Fondsbeteiligungen eine Zahlung in Höhe von 7% des eingesetzten Eigenkapitals erhalten hat, die aus den im Prospekt in Höhe von ca.
7,9 Mio. DM ausgewiesenen "Kosten der Eigenkapitalbeschaffung" flossen,
handelt es sich um eine Rückvergütung, über die die Beklagte die Klägerin ungefragt hätte aufklären müssen.
-8-
III.
18
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Nach den bisher getroffenen Feststellungen kann nicht von der Verjährung etwaiger Ansprüche der Klägerin gegen
die Beklagte ausgegangen werden.
19
1. Ohne Erfolg beruft sich die Revisionserwiderung auf die formularmäßige Klausel in der Beitrittserklärung, in der es heißt "Eventuelle Ansprüche gegen diese Personen verjähren innerhalb von 6 Monaten ab Kenntnis, spätestens innerhalb von 3 Jahren ab Beteiligungsbeginn".
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Diese Klausel wirkt bereits allein deswegen nicht zu Gunsten der Beklagten, weil sie nicht zu "diesen Personen" gehört, zu deren Gunsten die Verjährung abgekürzt werden soll. Die Klausel bezieht sich nach dem Wortlaut des
ihr vorangestellten Satzes auf Initiatoren, Vertriebsbeauftragte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Anlageberater, Treuhänder und Vermittler oder sonstige Dritte, "die an der Erstellung des Prospektes oder der Konzeption der Fondsgesellschaft mitgewirkt haben". Zumindest nach der Unklarheitenregel des § 305c
Abs. 2 BGB (§ 5 AGBG aF) bezieht sich der letzte Halbsatz auf alle vorher genannten Personen. Die Beklagte ist zwar Anlageberaterin, sie hat jedoch weder
nach dem Parteivortrag noch nach dem Inhalt des Prospektes an dessen Erstellung oder der Konzeption der Fondsgesellschaft mitgewirkt, so dass die Verjährungsregelung sie nicht betrifft. Es kann daher dahinstehen, ob die Klausel
auch nach § 309 Nr. 7b BGB (§ 11 Nr. 7 AGBG aF) unwirksam ist (vgl. dazu
BGH, Urteile vom 23. April 2012 - II ZR 211/09, WM 2012, 1184 Rn. 42 und
II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 30, jeweils mwN).
21
2. Die Frage, ob der Anspruch der Klägerin aufgrund der Regelverjährung (Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 EGBGB, § 199 Abs. 1 BGB) ver-
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jährt ist, kann mangels Feststellungen des Berufungsgerichts zu den subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (siehe dazu OLG Karlsruhe,
Urteile vom 9. August 2011 - 17 U 4/11, rechtskräftig durch Senatsbeschluss
vom 3. April 2012 - XI ZR 383/11 und vom 6. Juli 2011 - 17 U 65/09, rechtskräftig durch Senatsbeschluss vom 19. Juni 2012 - XI ZR 300/11; siehe auch OLG
Düsseldorf, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - 6 U 30/10, juris Rn. 34 f.,
rechtskräftig durch BGH, Beschluss vom 26. Januar 2012 - III ZR 8/11;
U. Schäfer in Schäfer/Sethe/Lang, Handbuch der Vermögensverwaltung, § 21
Rn. 60 aE) derzeit nicht beantwortet werden.
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IV.
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Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die
Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1
ZPO). Sollte es im weitere Verfahren auf die Frage der Kausalität ankommen,
weist der Senat auf die Ausführungen in seinem Urteil vom 8. Mai 2012 (XI ZR
262/10, WM 2012, 1337 Rn. 28 ff.) hin.
Wiechers
Joeres
Matthias
Ellenberger
Menges
Vorinstanzen:
LG Hildesheim, Entscheidung vom 24.02.2010 - 6 O 252/08 OLG Celle, Entscheidung vom 29.09.2010 - 3 U 70/10 -