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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 220/08
Verkündet am:
11. Januar 2011
Weber,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB aF §§ 123, 276 Fb
AGBG § 5
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1, § 559 Abs. 2
Zur arglistigen Täuschung über die Höhe von Vermittlungsprovisionen mittels eines
so genannten "Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrages" (im Anschluss an
BGH, Urteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
Zur Wirkung der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen im
unstreitigen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (im Anschluss an BGH, Urteil
vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434 Rn. 11 mwN).
BGH, Urteil vom 11. Januar 2011 - XI ZR 220/08 - KG Berlin
LG Berlin
-2-
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Januar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, den Richter
Dr. Joeres, die Richterin Mayen und die Richter Dr. Ellenberger und
Dr. Matthias
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 4. Zivilsenats des
Kammergerichts in Berlin-Schöneberg vom 20. Mai 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin die Klage abgewiesen worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien streiten über Ansprüche im Zusammenhang mit dem von
der Beklagtenseite finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung durch die Klägerseite.
2
Die Klägerseite erwarb im Jahre 1998 zu Steuersparzwecken eine Eigentumswohnung in dem Objekt Bo.
in Be.
. Der Kaufpreis betrug
157.304 DM. Zur Finanzierung des Kaufs schloss die Klägerseite mit der Beklagten zu 2., die hierbei von der Beklagten zu 1. vertreten wurde, einen Darlehensvertrag über ein tilgungsfreies Vorausdarlehen in Höhe von 198.000 DM
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sowie zwei Bausparverträge. Die Vermittlung der Eigentumswohnung und der
Finanzierung erfolgte durch die I.
genden: I.
GmbH (im Fol-
) und die B.
mbH (im Folgenden: B.
H.
), zwei Unternehmen der
Gruppe (im Folgenden: H. Gruppe), die seit 1990 in großem
Umfang Anlageobjekte vertrieb, die die Beklagte in Zusammenarbeit mit verschiedenen Banken finanzierte. Insoweit unterzeichnete die Klägerseite nach
den Feststellungen der Instanzgerichte, die auf dem unstreitigen Vortrag der
Parteien beruhen, unter anderem einen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag. In von Klägerseite vorgelegten Mustern eines solchen Auftrages heißt
es: Ich erteile hiermit den Auftrag mir das o. g. Objekt und die Finanzierung zu
vermitteln. Der Auftrag soll durch die in Punkt 4. und 5. der nachfolgenden Aufstellung benannte Firma zu den dort genannten Gebührensätzen ausgeführt
werden. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerseite sollte gemäß Punkt
4. der Aufstellung die jeweilige Finanzierungsvermittlungsgesellschaft eine Finanzierungsvermittlungsgebühr von 2% des Darlehensbetrages und gemäß
Punkt 5. die jeweilige Immobilienvermittlungsgesellschaft eine Courtage in Höhe von 3,45% des Kaufpreises erhalten. Die Darlehensvaluta wurde in der Folge ausgezahlt.
3
Mit der Klage verlangt die Klägerseite - gestützt auf einen Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung - die Rückabwicklung des kreditfinanzierten Kaufs der Eigentumswohnung. Sie begehrt
insbesondere die Rückzahlung geleisteter Zinsen und die Feststellung, dass
aus dem Darlehensvertrag ihr gegenüber keine Zahlungsansprüche bestehen,
Zug um Zug gegen Auflassung des Miteigentumsanteils, sowie die Feststellung,
dass die Beklagtenseite ihr sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, der im Zusammenhang mit dem finanzierten Erwerb der Eigentumswohnung steht. Ihre
Ansprüche stützt die Klägerseite unter anderem darauf, dass sie durch den Ob-
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jekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag arglistig über die Höhe der Vermittlungsprovisionen getäuscht worden sei. Außerdem habe sich die Beklagtenseite durch ihre Zusammenarbeit mit der H. Gruppe in einen schwerwiegenden
Interessenkonflikt verwickelt. Die Beklagtenseite ist dem entgegen getreten und
hat die Einrede der Verjährung erhoben. Sie hat zudem im Wege der Widerklage die Feststellung begehrt, dass der Vorausdarlehensvertrag durch den Haustürwiderruf der Klägerseite nicht aufgelöst worden ist, sondern wirksam fortbesteht.
4
Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die
Widerklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagtenseite hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Mit der
vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerseite, die
den Erfolg der Widerklage hinnimmt, ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
5
Die Revision ist begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an
das Berufungsgericht.
I.
6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit
für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt, ein vorvertragliches
Aufklärungsverschulden der Beklagtenseite liege nicht vor, und zwar insbesondere auch kein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung über die Höhe der Ver-
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triebsprovisionen. Die Beklagtenseite sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerseite auf die Höhe der Vertriebsprovisionen hinzuweisen, solange diese - wie
hier - nicht zu einer sittenwidrigen Überhöhung des Kaufpreises führten. Auch
eine Aufklärungspflicht wegen eines schwerwiegenden Interessenkonflikts der
Beklagtenseite habe nicht bestanden. Die Beklagte zu 1. habe bereits im Oktober 1998 davon ausgehen dürfen, dass sich die Liquiditätslage der H. Gruppe
aufgrund eines im Mai 1998 gewährten Darlehens wieder entspannt habe und
sich die Geschäfte anschließend zufrieden stellend entwickelt hätten.
II.
7
Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
8
1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass
das einen Immobilienerwerb finanzierende Kreditinstitut den Darlehensnehmer
grundsätzlich nicht von sich aus auf eine im Kaufpreis enthaltene und an den
Vertrieb gezahlte Provision hinweisen muss, sofern diese nicht zu einer so wesentlichen Verschiebung des Verhältnisses zwischen Kaufpreis und Verkehrswert der Immobilie beiträgt, dass das Kreditinstitut von einer sittenwidrigen
Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen musste (st. Rspr.,
zuletzt Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, WM 2010, 1451 Rn. 17
mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass das Berufungsgericht eine solche sittenwidrige Übervorteilung hier nicht festgestellt hat.
9
2. Mit diesen Ausführungen lässt sich eine Haftung der Beklagtenseite
für ein Aufklärungsverschulden im Zusammenhang mit den Vertriebsprovisio-
-6-
nen aber nicht abschließend verneinen. Nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs liegt ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung der Finanzierungsbank auch dann vor, wenn die Bank Kenntnis davon hat, dass der
Kreditnehmer von seinem Geschäftspartner oder durch den Fondsprospekt
über das finanzierte Geschäft arglistig getäuscht wurde (Senatsurteil vom
29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, WM 2010, 1451 Rn. 20 mwN). Wie der erkennende Senat bereits mehrfach zu ebenfalls die Beklagtenseite betreffenden
vergleichbaren Fällen institutionalisierten Zusammenwirkens entschieden hat
(vgl. Senatsurteile vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876 Rn. 56
und vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260 Rn. 26 mwN), wird die
Kenntnis der Beklagtenseite von einer solchen arglistigen Täuschung der Anleger durch den Vertrieb widerleglich vermutet, wenn die Unrichtigkeit der Angaben zum Anlageobjekt objektiv evident ist.
10
Ein solcher Fall ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden
Sachverhalt im Hinblick auf die Vertriebsprovisionen gegeben. Die Klägerseite
hat sich zur Begründung eines Aufklärungsverschuldens der Beklagtenseite
nämlich unter Beweisantritt auch darauf berufen, durch den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag sei bei ihr gezielt der unrichtige Eindruck erweckt
worden, dass für die Vermittlung von Erwerb und Finanzierung der Eigentumswohnung lediglich die dort ausdrücklich ausgewiesenen und keine weiteren
Vertriebsprovisionen zu zahlen seien, obwohl tatsächlich im Einvernehmen zwischen Vertrieb und Beklagtenseite wesentlich höhere Vertriebsprovisionen an
die Vermittler geflossen seien.
11
a) Danach ist eine arglistige Täuschung der Klägerseite über die Höhe
der Vertriebsprovisionen dargetan, über die die Beklagtenseite sie hätte aufklären müssen. Wie der erkennende Senat in seinem nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 29. Juni 2010 (XI ZR 104/08, WM 2010, 1451 ff.)
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entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist der formularmäßige Objektund Finanzierungsvermittlungsauftrag, der gemäß den nachstehenden Ausführungen unter b) entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch im Streitfall zum Einsatz gekommen ist, angesichts des darin enthaltenen formularmäßigen Hinweises, der Auftrag solle durch die in Punkt 4 und 5 der nachfolgenden Aufstellung benannten Vermittlungsgesellschaften zu den dort im Einzelnen
genannten Gebührensätzen ausgeführt werden, unter Berücksichtigung der
Unklarheitenregel des § 5 AGBG (jetzt § 305c Abs. 2 BGB) dahin auszulegen,
dass es sich bei den als Finanzierungsvermittlungsgebühr und Courtage bezeichneten Provisionen um die Gesamtprovisionen handelt, zu denen die jeweilige Vermittlungsgesellschaft den Auftrag insgesamt ausführen sollte (Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, WM 2010, 1451 Rn. 28 ff.). Dies war
aber nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Klägerseite eine bewusste Fehlinformation, da tatsächlich wesentlich höhere Provisionen an die
Vermittler gezahlt werden sollten und wurden.
12
Das Berufungsgericht, das die nach dem Senatsurteil vom 29. Juni 2010
gebotene Auslegung des formularmäßigen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrages und das sich daraus möglicherweise ergebende Aufklärungsverschulden der Beklagtenseite bei Abfassung seines Urteils noch nicht berücksichtigen konnte, hat den Sachverhalt unter diesem Gesichtspunkt noch
nicht geprüft und die für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch erforderlichen weiteren Feststellungen noch nicht getroffen.
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b) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, ein Objekt- und
Finanzierungsvermittlungsauftrag, wie er Gegenstand des Senatsurteils vom
29. Juni 2010 gewesen ist, liege im Streitfall nicht vor. Nach dem vom Berufungsgericht gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Bezug genommenen unstreitigen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils unterzeichnete die Klägerseite
-8-
nach Abschluss der Vermittlungsgespräche einen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag nach Muster der von Klägerseite vorgelegten Anlagen
R 18a - f. Darin heißt es: "Ich erteile hiermit den Auftrag, mir das o. g. Objekt
und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch die in Punkt 4. und 5.
der nachfolgenden Aufstellung benannte Firma zu den dort genannten Gebührensätzen ausgeführt werden." Ausweislich Punkt 4. der Aufstellung sollte die
B.
eine Finanzierungsvermittlungsgebühr (nach der Behauptung der
Klägerseite 2% des Darlehensbetrages) und ausweislich Punkt 5. die I.
eine
Courtage (nach der Behauptung der Klägerseite 3,45% des Kaufpreises) erhalten. Diese tatbestandliche Feststellung kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht mit der Verfahrensrüge nach § 551
Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO bzw. mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen
Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden (BGH, Urteil
vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434 Rn. 11 mwN). Einen
solchen Antrag hat die Beklagtenseite nicht gestellt.
14
Soweit die Revisionserwiderung weiter behauptet, die Klägerseite habe
statt des Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrages unter anderem einen
Immobilienvermittlungsauftrag unterzeichnet, der keine Formulierungen wie der
Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag enthalte, handelt es sich um
neuen Sachvortrag, der nach § 559 ZPO in der Revisionsinstanz unzulässig ist.
III.
15
Das Berufungsurteil ist daher im Umfang der Anfechtung aufzuheben
(§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie in-
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soweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
16
Dieses wird, nachdem die Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag erhalten haben, nach Maßgabe des Senatsurteils vom 29. Juni 2010
(XI ZR 104/08, WM 2010, 1451 ff.) die erforderlichen Feststellungen zum Bestehen eines etwaigen Schadensersatzanspruchs wegen Aufklärungsverschuldens im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung der Klägerseite durch
den bindend festgestellten Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag zu
treffen haben.
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Zugleich wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, das Bestehen
eines Schadensersatzanspruches wegen einer Aufklärungspflichtverletzung im
Zusammenhang mit einem schwerwiegenden Interessenkonflikt der Beklagten-
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seite unter Berücksichtigung der Ausführungen der Parteien in der Revisionsinstanz erneut zu prüfen (vgl. Senatsurteile vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04,
WM 2007, 876 Rn. 50 mwN und vom 25. September 2007 - XI ZR 274/05, ZBB
2008, 119 Rn. 30).
Wiechers
Joeres
Ellenberger
Mayen
Matthias
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 05.04.2006 - 4 O 27/05 KG Berlin, Entscheidung vom 20.05.2008 - 4 U 123/06 -