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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
X ZR 166/99
URTEIL
in dem Rechtsstreit
Verkündet am:
19. Februar 2002
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGB § 326 Ed
Bei einem bereits vollzogenen Dauerschuldverhältnis kann ein Rücktritt auch
dann in Betracht kommen, wenn eine vollständige Rückabwicklung unschwer
möglich und nach der Interessenlage der Beteiligten sachgerecht ist.
BGH, Urt. v. 19. Februar 2002 - X ZR 166/99 - OLG Schleswig
LG Lübeck
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis,
die Richter Prof. Dr. Jestaedt und Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und
den Richter Dr. Meier-Beck
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten und die Anschlußrevision der Klägerin wird das am 7. September 1999 verkündete Urteil des
8. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts
in Schleswig unter Zurückweisung der Rechtsmittel im übrigen im
Kostenausspruch und insoweit aufgehoben,
als das Berufungsgericht die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde der Sparkasse Mecklenburg Nordwest, Am
Markt 15 in 23966 Wismar, dortiges Zeichen: 10-160, Avalkonto
Nr. 70 0000 3663 über 238.350,-- DM vom 1. Juni 1995 verurteilt
hat,
als das Berufungsgericht die Widerklage über das landgerichtliche Urteil hinaus wegen einer Forderung von mehr als
132.445,50 DM (Entwicklungskosten) abgewiesen,
sowie die Anschlußberufung der Beklagten zurückgewiesen hat,
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und soweit das Berufungsgericht die Klage in Höhe von mehr als
270,-- DM abgewiesen hat.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem am 4./6. Juli 1994 geschlossenen Vertrag und über die Frage, wann das Vertragsverhältnis beendet
worden ist.
In dem Vertrag verpflichtete sich die Klägerin, einen Multiwarn-PhotoIonisations-Detektor (PID) zu entwickeln, herzustellen und an die Beklagte zu
liefern. Bei diesem Detektor handelt es sich um ein tragbares batteriegetriebenes Gerät zur Aufdeckung und Messung von Luftschadstoffen, organisch ionisierbarer Gase und Dämpfe.
In der Präambel des Vertrages erklärte die Klägerin, daß sie "das Knowhow für die Entwicklung und die Produktion" eines PID besitze, die Beklagte,
daß sie "das Wissen über die Anwendung und Märkte" besitze. In § 2 des Ver-
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trages übernahm die Beklagte von den Entwicklungskosten für das Vertragsprodukt, die dort mit insgesamt 191.950,-- DM angegeben werden, maximal
einen Betrag von 115.170,-- DM. 40 % der Entwicklungskosten sollten "voraussichtlich" im Rahmen des Programms "Auftragsforschung und -entwicklung
West-Ost (AWO)" übernommen werden. Die Klägerin verpflichtete sich weiter,
die Beklagte weltweit auf ausschließlicher Basis mit dem Vertragsprodukt zu
beliefern. Die Parteien vereinbarten dazu eine Mindestabnahmemenge. Außerdem vereinbarten die Parteien, daß der von der Beklagten zu entrichtende
Preis für die Basisversion des Geräts 2.100,-- DM betragen sollte. Für die Bestellungen des Vertragsprodukts war Schriftform vorgesehen.
Die Beklagte zahlte in der Zeit vom 8. September 1994 bis 16. April
1996
in
Teilbeträgen
Entwicklungskosten
in
Höhe
von
insgesamt
132.445,50 DM; außerdem zahlte die Beklagte für von ihr bestellte Geräte
nach
den
Feststellungen
des
Berufungsgerichts
274.102,50 DM
und
409.823,83 DM, insgesamt 683.926,33 DM.
Ende des Jahres 1995 lieferte die Klägerin die ersten Geräte. An diesen
beanstandete die Beklagte, daß die Meßergebnisse von der jeweiligen Luf tfeuchtigkeit abhängig seien. Die Klägerin erklärte sich zur Behebung der Beanstandungen bereit, auf ihre Kosten Feuchte-Kalibratoren zu entwickeln, was
die Beklagte auch akzeptierte. Nachdem die Klägerin entsprechende Maßnahmen durchgeführt hatte und bei der Beklagten mit einem Prototyp Probemessungen vorgenommen worden waren, teilte die Beklagte der Klägerin mit
Schreiben vom 10. April 1996 mit, daß aus ihrer, der Beklagten, Sicht die Entwicklungsphase abgeschlossen sei. Zugleich bestätigte sie, daß die Serien-
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produktion bei der Klägerin angelaufen sei, obwohl es in Zukunft noch kleinere
Nacharbeiten geben werde.
In der Zeit nach dem 10. April 1996 stellte die Beklagte an ausgelieferten Geräten Meßfehler fest, die von der Klägerin auch eingeräumt wurden. Die
Beklagte forderte sie daraufhin auf, die im schriftlichen Vertrag vom 4./6. Juli
1994 angegebene Fehlermarge von +/- 30 % einzuhalten. Die Klägerin erwiderte, daß auf der Grundlage weiterer Meßreihen von maximalen Fehlern von
- 80 % bis zu + 100 % ausgegangen werden müsse. Mit Schreiben vom
10. Dezember 1996 bezeichnete die Beklagte diese Meßungenauigkeiten als
nicht akzeptabel und setzte eine Frist zur Nachbesserung bis zum 12. März
1997. Sie verband dies mit der Androhung, die Annahme des Gerätes nach
Fristablauf abzulehnen. Vorsorglich sprach sie die fristgerechte Kündigung des
Vertrages zum 31. Dezember 1998 aus. Nachdem die von der Beklagten
nochmals bis zum 26. März 1997 verlängerte Frist erfolglos verstrichen war,
erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 1. April 1997 den Vertrag für beendet.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin zunächst neben der Feststellung, daß ihr
Vertrag mit der Beklagten nicht mit Ablauf des 26. März 1997 beendet gewesen
sei, die Herausgabe einer Bürgschaftsurkunde über 238.350,-- DM verlangt.
Diese hatte die Klägerin der Beklagten bei Vertragsschluß als Sicherheit für
eine Vorauszahlung in Höhe von 238.350,-- DM zuzüglich Mehrwertsteuer für
von der Klägerin später zu liefernde Geräte gestellt. Außerdem hat die Klägerin
einen Betrag von 12.615,73 DM für fünf gemäß Rechnung vom 15. Mai 1997
gelieferte Geräte und für diverse Ersatzteile beansprucht.
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Die Beklagte hat widerklagend die Erstattung der Entwicklungskosten
und der Zahlungen verlangt, die sie für die von der Klägerin gelieferten Geräte
erbracht hat, Zug um Zug gegen Rückgabe der gelieferten Geräte und der
Bürgschaftsurkunde.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage die
Klägerin zur Zahlung von 696.061,83 DM nebst Zinsen Zug um Zug gegen
Rückgabe von 237 Multiwarn-PID-Geräten und der Bürgschaftsurkunde verurteilt. Das Landgericht hat die auf Zahlung gerichtete Widerklage in Höhe eines
Betrages von 120.310,-- DM abgewiesen, weil die Beklagte nur noch zur Rückgabe von 237 Geräten in der Lage sei. Für diejenigen Geräte, die sie nicht
mehr zurückgeben könne, sei der vereinbarte Preis von der Schadenssumme
abzusetzen, was für 53 Geräte 120.310,-- DM ausmache.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert: Es hat die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verurteilt und die Klage im übrigen sowie die Widerklage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat auch die Anschlußberufung der Beklagten zurückgewiesen, mit der diese die Feststellung begehrt hat, daß sich die
Klägerin mit der Rückgabe der 237 Geräte sowie der Bürgschaftsurkunde in
Annahmeverzug befinde und daß die Rückgabe der vorbezeichneten Geräte
sowie der Bürgschaftsurkunde am Geschäftssitz der Beklagten vorzunehmen
sei.
Mit der Revision - soweit der Senat sie angenommen hat - begehrt die
Beklagte die Abweisung der Klage, soweit das Berufungsgericht die Beklagte
zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verurteilt hat, sowie auf die Widerkla-
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ge die Verurteilung der Klägerin zur Rückzahlung der für die Lieferung der
PID-Multiwarngeräte gezahlten Beträge, ferner verfolgt sie die mit der Anschlußberufung erstrebte Feststellung weiter.
Die Klägerin bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels und verfolgt mit
ihrer Anschlußrevision ihre Zahlungsklage, soweit diese 270,-- DM übersteigt,
sowie ihren Antrag weiter festzustellen, daß der Vertrag vom 4./6. Juli 1994
zwischen den Parteien über die Entwicklung, Herstellung und Lieferung eines
von der Beklagten unter der Bezeichnung D. Multiwarn-PID auf den Markt
gebrachten Photo-Ionisations-Detektors nicht mit Ablauf des 26. März 1997
beendet gewesen sei.
Die Beklagte tritt der Anschlußrevision entgegen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Revision der Beklagten ist, soweit der Senat sie angenommen hat,
begründet. Sie führt in diesem Umfang zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß die Beklagte mit
ihrem Schreiben vom 1. April 1997 das Vertragsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund gekündigt habe. Es hat angenommen, der Beklagten stehe aus
diesem Grunde weder ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung
gemäß § 326 Abs. 1 Satz 2 BGB zu, noch könne sie Rückabwicklung des Vertrages nach erfolgtem Rücktritt verlangen. Neben dem Recht der Kündigung
bestehe ein Rücktrittsrecht nicht.
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Diese Annahme des Berufungsgerichts rügt die Revision zu Recht, soweit es um die Vergütung für Geräte geht, die die Klägerin der Beklagten geliefert hat. Zwar tritt bei einem Dauerschuldverhältnis, als das das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die vertraglichen
Vereinbarungen der Parteien ausgelegt hat, auch nach der hier noch maßgeblichen, bis Ende 2001 geltenden Rechtslage in der Regel die Kündigung an die
Stelle des Rücktritts, wenn der Vertrag bereits vollzogen ist (BGHZ 50, 312,
315; BGH, Urt. v. 6.2.1985 - VIII ZR 15/84, NJW 1986, 124; Urt. v. 25.3.1987
- VIII ZR 43/86, NJW 1987, 2004, 2006). Diesen Grundsatz hat der Bundesgerichtshof aber nur für den Regelfall aufgestellt, weil die Parteien eines Dauerschuldverhältnisses im allgemeinen kein Interesse haben, wegen einer nachträglich eingetretenen Störung auch die bereits erbrachten Leistungsteile rückgängig zu machen. Besteht ausnahmsweise ein derartiges Interesse, kann
auch bei einem Dauerschuldverhältnis ein Rücktrittsrecht oder ein Schadensersatzanspruch in Betracht kommen (BGH, Urt. v. 6.2.1985 - VIII ZR 15/84,
NJW 1986, 124; Urt. v. 25.3.1987 - VIII ZR 43/86, NJW 1987, 2004, 2006). Das
gleiche kann dann gelten, wenn - etwa bei Störungen bereits der ersten Lieferungen - eine vollständige Rückabwicklung des Vertrages unschwer möglich
und nach der Interessenlage auch sachgerecht ist. Schließlich kommt ein Vorgehen nach § 326 AGB a.F. auch hinsichtlich der jeweiligen einzelnen Teillieferung in Betracht, wenn insoweit Leistungsstörungen eingetreten sind.
Ein solcher Sachverhalt kann hier auch dann vorliegen, wenn man mit
dem Berufungsgericht davon ausgeht, daß die Entwicklungskosten, die die Beklagte übernommen hatte, nach der Art der zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehung von einer Rückforderung ausgeschlossen sein sollten.
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Ein Ausschluß des Rücktrittsrechts auch hinsichtlich der gelieferten Geräte läßt
sich daraus nicht ohne weiteres herleiten. Waren diese mangelhaft, so folgt
allein aus dem Umstand, daß die Parteien ein auf die Entwicklung solcher Vorrichtungen und deren Vertrieb gerichtetes Dauerschuldverhältnis vereinbart
hatten, nicht, daß der Beklagten die in einem solchen Fall bestehenden allgemeinen Rechte, insbesondere die aus den §§ 325 f. a.F., 633 f. BGB, verwehrt
bleiben sollten.
Nach Abschluß der Entwicklungsphase schuldete die Klägerin die Lieferung von Geräten, die den vertraglichen Vorgaben entsprachen. Von diesem
Risiko war sie nicht deswegen entlastet, weil sie sich der Beklagten gegenüber
verpflichtet hatte, ein solches Gerät zu entwickeln. Die Geräte, die die Klägerin
geliefert hat, genügten nach Darstellung der Beklagten nicht den vertraglichen
Anforderungen. Demgemäß ist, da das Berufungsgericht zu diesem Vortrag
Feststellungen nicht getroffen hat, im Revisionsverfahren von deren Mangelhaftigkeit auszugehen. Insoweit hat das Berufungsgericht auch nicht erörtert,
ob die Beklagte mit Blick hierauf ein Interesse an der Rückabwicklung der bereits erbrachten Leistungsteile hat, sondern hat weitere Ansprüche neben dem
Kündigungsrecht von vornherein ausgeschlossen.
Bei der mithin zu klärenden Frage, ob die von der Klägerin gelieferten
Geräte den vertraglichen Anforderungen genügten oder mangelhaft waren,
kommt dem Schreiben der Beklagten vom 10. April 1996 besondere Bedeutung
zu. Das Berufungsgericht hat - allerdings ausgehend von der fehlerhaften Annahme, neben dem Kündigungsrecht kämen weitere Ansprüche der Beklagten
nicht in Betracht - dem Schreiben zwar entnommen, daß damit die Entwicklungsphase abgeschlossen gewesen sei. Es hat dem aber keine Bedeutung
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beigemessen, weil auch nach Beginn der Serienproduktion beide Parteien verpflichtet gewesen seien, an der Verbesserung des Geräts zu arbeiten. Es hat
insbesondere nicht geprüft, ob sich mit dieser Erklärung der Beklagten die Leistungspflicht der Klägerin auf das Ergebnis ihrer Entwicklungsarbeit beschränken sollte und welche Anforderungen an dieses Gerät im Einzelnen zu stellen
sind. Dazu bedarf es einer Auslegung dieser Erklärung, die dem Senat verschlossen ist. Nach dem Inhalt des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages - wie ihn das Berufungsgericht verstanden hat - war es Sache der Beklagten zu bestimmen, wann und unter welchen Voraussetzungen die Entwicklung des Geräts abgeschlossen war und die Serienproduktion aufgenommen
werden sollte. Vor diesem Hintergrund erscheint es denkbar, daß die Klägerin
der vom Berufungsgericht festgestellten Erklärung der Beklagten im Schreiben
vom 10. April 1996 hat entnehmen können, daß sich die Leistungspflicht auf
Geräte nach Maßgabe der nunmehr vorliegenden von der Klägerin nachgebesserten Prototypen beschränken sollten, deren Produktion also Gegenstand der
nunmehr einsetzenden Herstellungspflichten war.
Sollte die Erklärung der Beklagten in ihrem Schreiben vom 10. April
1996 aus der Sicht der Klägerin als Empfängerin des Schreibens nach §§ 133,
157 BGB so auszulegen sein, daß damit der Vertragsgegenstand auf den Prototyp des Geräts konkretisiert wurde, mit dem bei der Beklagten zuvor Probemessungen durchgeführt worden waren, so waren die im Anschluß an das
Schreiben gelieferten Geräte mangelhaft, wenn sie von diesen Anforderungen
abwichen. Bei der für eine Beurteilung erforderlichen weiteren Auslegung des
Schreibens wird das Berufungsgericht die Begleitumstände und die Interessenlage zu berücksichtigen haben. Die Beurteilung der Mangelhaftigkeit oder
Mangelfreiheit hängt maßgeblich davon ab, ob und in welchem Umfang die
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Klägerin der Äußerung der Beklagten entnehmen konnte, diese sei mit dem
Erreichten zufrieden, oder davon ausgehen mußte, daß die Beklagte mit ihrer
Erklärung die Vorstellung bestimmter Eigenschaften, insbesondere im Hinblick
auf die Meßtoleranzen verband. Dafür, daß sie auch aus der Sicht der Klägerin
insoweit die Einhaltung enger Toleranzen erwartete, könnte sprechen, daß diese nicht nur den Anlaß für die vorausgegangenen Nachbesserungen der Klägerin gebildet hatten, sondern nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
in den der Erklärung der Beklagten vorausgegangenen Versuchen, Fehler nur
noch in engen Grenzen aufgetreten waren. Bei diesem Verständnis der Zustimmung der Beklagten hätte die Übereinstimmung der Serienmodelle mit dem
Muster allein zur Feststellung der Mangelfreiheit nicht genügt. Auch für diese
Bewertung reichen die bisher getroffenen Feststellungen nicht aus. Das Berufungsgericht hat es für maßgeblich gehalten, daß das Risiko, das der Entwic klung eines neuen Produktes angehaftet habe, die Ungewißheit, ob im Ergebnis
wirklich ein vermarktungsfähiges Gerät würde hergestellt werden können, sinngemäß von beiden Parteien gemeinsam zu tragen gewesen sei; denn bei einem Scheitern der Entwicklung habe die Klägerin auf die gewinnträchtige und
auf Dauer angelegte Produktion verkaufsfähiger Geräte verzichten müssen,
andererseits habe die Beklagte auf deren gewinnträchtige Vermarktung verzichten müssen. Hätte die Beklagte von der Klägerin bei Vertragsschluß die
alleinige Übernahme des Risikos eines Scheiterns der Entwicklung verlangt,
hätte die Klägerin die gesamten Investitionen für das gescheiterte Entwicklungsprogramm zu tragen. Eine solche einseitige Risikoverlagerung sei dem
Vertrag nicht zu entnehmen.
Wenn jedoch, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, die Entwicklungsphase mit dem Schreiben vom 10. April 1996 beendet worden ist,
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dann mag es zwar sein, daß beide Parteien verpflichtet waren, weiter an der
Verbesserung des Geräts zu arbeiten. Diese Interessenlage steht aber einem
Verständnis des Schreibens in dem Sinne, daß damit der Vertragsgegenstand
bereits konkretisiert war und die Klägerin von nun an verpflichtet war, diesen
Vorgaben entsprechende Geräte zu liefern, nicht entgegen. Sie mutet der Klägerin auch nicht das gesamte vertragliche Risiko zu. War, wovon das Berufungsgericht bisher ausgegangen ist, die Entwicklungsphase mit dem Schreiben der Beklagten vom 10. April 1996 beendet, so ging es nicht mehr um das
Risiko für ein Scheitern der Entwicklung, sondern um die Lieferung der nunmehr vertraglich geschuldeten Geräte. Das Berufungsgericht wird daher in
tatrichterlicher Würdigung festzustellen haben, welche Bedeutung dem Schreiben der Beklagten vom 10. April 1996 zukommt, und gegebenenfalls unter
Heranziehung dieses Schreibens festzustellen zu haben, welchen vertraglichen
Vorgaben die von der Klägerin gelieferten Geräte zu entsprechen hatten.
Damit kann die Verurteilung der Beklagten zur unbedingten Herausgabe
der Bürgschaftsurkunde keinen Bestand haben, denn der Beklagten steht für
den Fall eines berechtigten Rücktritts von dem Liefervertrag ein Zurückbehaltungsrecht an der Bürgschaftsurkunde im Hinblick auf die dann bestehenden
Rückgewähransprüche gegen die Klägerin zu. Kommt aber ein Rücktrittsrecht
oder ein Schadensersatzanspruch der Beklagten in Betracht, so ist auch ihre
auf Zahlung gerichtete Widerklage insoweit begründet, als es um die Zahlungen auf von der Klägerin gelieferten PID-Geräte geht. Hinreichende Feststellungen zu seiner Wertung, nach der auch das Risiko, für fehlerhafte Geräte
eine Vergütung entrichten zu müssen, allein der Beklagten oblag, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Allerdings ist, was die Höhe der von der Beklagten erbrachten Zahlungen anlangt, ein Fehler, möglicherweise ein Re-
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chenfehler unterlaufen. Die Zahlungen der Beklagten auf die PID-Geräte belaufen sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf 274.102,50 DM
und 409.823,83 DM (zusammen 683.926,33 DM). Hiervon ist der durch das
landgerichtliche Urteil rechtskräftig abgewiesene Betrag von 120.310,-- DM
abzuziehen, so daß 563.616,33 DM verbleiben.
2. Auch soweit das Berufungsgericht die mit der Anschlußberufung gestellten Anträge abgewiesen hat, ist die Revision begründet. Kommt ein Rücktrittsrecht oder Schadensersatzanspruch in Betracht, so trägt die Annahme des
Berufungsgerichts nicht, die Beklagte habe nicht die Pflicht, die Geräte an die
Klägerin zurückzugeben.
II. Die unselbständige Anschlußrevision der Klägerin ist zulässig.
1. Die unselbständige Anschlußrevision ist allerdings akzessorischer
Natur (BGHZ 36, 162, 166; BGH, Urt. v. 26.10.1993 - VI ZR 155/92, NJW 1994,
801, 803). Sie muß sich deshalb grundsätzlich auf einen der Überprüfung
durch die Hauptrevision zugänglichen Gegenstand der angefochtenen Entscheidung beziehen (BGH, Urt. v. 28.4.1987 - VI ZR 1 u. 43/86, WM 1987,
834) oder jedenfalls in einem inneren Zusammenhang damit stehen. Eine unselbständige Anschlußrevision ist daher unzulässig, wenn sie einen anderen
Lebenssachverhalt betrifft als denjenigen der Revision und mit dem von dieser
erfaßten Streitgegenstand auch nicht in einem unmittelbaren rechtlichen oder
wirtschaftlichen Zusammenhang steht (BGH Urt. v. 21.6.2001 - IX ZR 73/00,
BGHZ 148, 156). Soweit jedoch ein unmittelbarer rechtlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Streitgegenstand der Hauptrevision besteht, ist
die Zulässigkeit bejaht worden (vgl. z. B. BGH Urt. v. 28. 2. 1991 - I ZR 94/89,
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GRUR 1991, 680, 681; BGHZ 138, 55, 57; BGH Urt. v. 30. 4. 2001 - II ZR
322/99, WM 2001, 1113, 1115; BGH Urt. v. 15. 4. 1986 - KVR 1/85, GRUR
1986, 747,749; BGH Urt. v. 21.6.2001, aaO mit weiteren Hinweisen auf die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Streit der Parteien geht um die Frage
der Beendigung ihrer vertraglichen Beziehungen durch die Kündigung der Beklagten und die an diese Kündigung sich knüpfenden Rechtsfolgen. Der Revision und der Anschlußrevision liegt daher derselbe Lebenssachverhalt zugrunde, und die wechselseitigen Anträge stehen in unmittelbarem rechtlichen und
wirtschaftlichen Zusammenhang.
2. Hinsichtlich des von der Klägerin verfolgten Feststellungsantrags
bleibt die Anschlußrevision jedoch ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat den
insoweit gestellten Antrag, festzustellen, daß der Vertrag vom 4./6. Juli 1994
nicht mit Ablauf des 26. März 1997 beendet worden ist, dahin ausgelegt, daß
es der Klägerin auf die Feststellung ankomme, der Vertrag sei nicht als Folge
der Schreiben der Beklagten vom 10. Dezember 1996 und 1. April 1997 beendet worden, sondern habe zumindest noch bis zum Ablauf der ordentlichen
Kündigungsfrist fortbestanden, also bis zum 31. Dezember 1998.
Diese Auslegung rügt die Anschlußrevision ohne Erfolg. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß es der Klägerin bei ihrem Feststellungsantrag um die Klärung der Frage ging, ob der Vertrag von der Beklagten wirksam vorzeitig beendet worden war. Dies kommt in der Klageschrift
unmißverständlich zum Ausdruck. Am 26. März 1997 endete die von der Beklagten gesetzte (nochmals verlängerte) Frist zur Nachbesserung. Dadurch
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wurde der Vertrag nicht ohne weiteres beendet, vielmehr konnte die Beklagte
sich nach Ablauf der Frist entscheiden, welche rechtlichen Konsequenzen sie
aus der unterlassenen Nachbesserung ziehen wollte. Dies ist mit Schreiben
der Beklagten vom 1. April geschehen. Das Feststellungsinteresse der Klägerin
konnte sich, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, folglich nur darauf
beziehen, daß mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 326 BGB a.F.
der Beklagten ein daraus abgeleitetes Recht zur fristlosen Kündigung nicht
zustand. Ein anders geartetes Interesse, insbesondere an der Feststellung der
Fortdauer des Vertrages in der Zeit vor dem 1. April 1997, legt auch die Revision nicht dar.
Das Berufungsgericht hat den Feststellungsantrag für unbegründet gehalten, weil der Vertrag durch die fristlose Kündigung der Beklagten wirksam
beendet worden sei. Es hat angenommen, es sei für die Beklagte unzumutbar
gewesen, weiter zuzuwarten, nachdem es binnen einer gesetzten Frist von einem Vierteljahr der Klägerin nicht gelungen war, die von ihr eingeräumte große
Fehlermarge auf ein solches Maß zu reduzieren, daß das Gerät mit Aussicht
auf Erfolg vermarktungsfähig erschienen sei. Das Berufungsgericht hat dazu
die vertragliche Vereinbarung ausgelegt und ausgeführt, für den Fall, daß das
Vertragsprodukt nicht allen spezifizierten Anforderungen entsprochen habe,
finde sich lediglich in § 4.3 des Vertrages die Möglichkeit, daß die Klägerin bei
der Beklagten die Tolerierung beantragen könne. Diese Regelung sei jedoch
auf Ausnahmefälle beschränkt gewesen und habe sich nicht auf eine ganze
Serie von Geräten erstrecken sollen. Gleichwohl habe die Klägerin in sinngemäßer Anwendung dieser Vorschrift von der Beklagten die Tolerierung der von
ihr entwickelten Geräte mit den genannten Meßfehlern von - 80 % bis zu
+ 100 % beantragt. Dies habe die Beklagte abgelehnt. Der Vertrag enthalte
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keine Regelung bezüglich der Rechtsfolgen im Falle einer solchen Ablehnung.
Diese Regelungslücke sei jedoch dahingehend zu schließen, daß bei Unz umutbarkeit der Fortsetzung des Vertrages die Kündigung aus wichtigem Grund
eröffnet sei.
Diese rechtlich mögliche Auslegung des Vortrags der Parteien durch das
Berufungsgericht hat die Anschlußrevision nicht in revisionsrechtlich beachtlicher Weise angegriffen. Das Berufungsgericht hat seine Überzeugung nicht
darauf gegründet, daß die Beklagte die Fortsetzung des Vertrages für unzumutbar gehalten hat. Es hat vielmehr den Vertrag der Parteien ergänzend dahin ausgelegt, daß der Beklagten, nachdem sie die Tolerierung von Meßfehlern
in der von der Klägerin beantragten Größenordnung zurückgewiesen hatte, im
Hinblick darauf jedenfalls ein Kündigungsrecht aus wichtigem Grunde eröffnet
war.
3. Den mit der Anschlußrevision weiter verfolgten Zahlungsantrag hat
das Berufungsgericht zurückgewiesen. Zwar beruhe das Zahlungsverlangen
der Klägerin auf Warenlieferungen, die lange vor dem 1. April 1997 erfolgt seien, die den Lieferungen zugrunde liegenden Bestellungen seien jedoch im
Rahmen des Gesamtvertrages zu sehen. Das gesamte Vertragsverhältnis habe
seine Beendigung durch die Kündigung vom 1. April 1997 dergestalt erfahren,
daß gegenseitige Erfüllungsgeschäfte nicht mehr vorzunehmen gewesen seien.
Dies rügt die Anschlußrevision mit Erfolg. Sind die Lieferungen lange vor
dem 1. April 1997 erfolgt, dann schuldet die Beklagte grundsätzlich die vereinbarte Vergütung, falls nicht auch insoweit Ansprüche auf Schadensersatz oder
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ein wirksamer Rücktritt der Beklagten in Betracht kommen. Auch dazu hat das
Berufungsgericht aber Feststellungen nicht getroffen.
Melullis
Jestaedt
Mühlens
Keukenschrijver
RiBGH Dr. Meier-Beck
ist urlaubsbedingt abwesend und deshalb verhindert zu unterschreiben.
Melullis