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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 153/03
Verkündet am:
13. Juni 2006
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
BGHZ
:
BGHR
:
ja
ja
ja
PatG 1981 § 10 Abs. 1, § 139
a) Der Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung wird nicht erst dann erfüllt, wenn
der Abnehmer bereits die Bestimmung getroffen hat, ihm angebotene oder gelieferte, für die Benutzung der Erfindung geeignete Mittel erfindungsgemäß zu verwenden. Er greift vielmehr bereits dann ein, wenn der Lieferant weiß oder den
Umständen nach offensichtlich ist, dass der Abnehmer die gelieferten Mittel in patentverletzender Weise verwenden wird, und knüpft insoweit an eine hinreichend
sichere Erwartung des Lieferanten an.
b) Welche Vorsorgemaßnahmen der Anbieter oder Lieferant einer Ware, die sowohl
erfindungsgemäß als auch in anderer Weise verwendet werden kann, zu treffen
hat, um die Erwartung einer erfindungsgemäßen Verwendung auszuschließen,
hat der Tatrichter unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.
BGH, Urt. v. 13. Juni 2006 - X ZR 153/03 - Kammergericht
LG Berlin
-2-
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck, Asendorf und
Dr. Kirchhoff
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das am 12. September 2003
verkündete Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Der Kläger nimmt die Beklagten wegen Patentverletzung in Anspruch. Er
ist Inhaber des am 12. Juli 1988 angemeldeten und am 16. März 1994 erteilten
europäischen Patents 0 299 909 (Klagepatents). Das Klagepatent betrifft eine
-3-
Raumdecke aus Metallplatten, die zum Heizen oder Kühlen eingesetzt werden
kann. Patentanspruch 1 lautet (ohne Bezugszeichen) in der Verfahrenssprache
Deutsch:
"Aus Metallplatten und einer Tragekonstruktion für diese bestehende Raumdecke, die von einem Heiz- und Kühlmedium durchströmbare rohrförmige Leitungen zur Erzielung gewünschter Temperaturwerte innerhalb des Raumes trägt,
dadurch gekennzeichnet,
dass die rohrförmigen Leitungen als flexible Röhrchen ausgebildet
sind, die mattenförmig zusammengefasst lose auf den Metallplatten
direkt aufliegen."
Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist, stellt in
2
Matten ("Clina-Matten") zusammengefasste Röhrchen aus flexiblem Kunststoff
zum Durchleiten eines Heiz- oder Kühlmediums her.
Die D.
3
H.
GmbH und die Beklagte zu 1 schlossen
am 14. Oktober 1994 einen Vertrag über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet
der Vermarktung und Weiterentwicklung eines Kapillarrohrsystems. In diesem
Vertrag gestatteten sie sich wechselseitig die kostenlose Nutzung der dieses
System betreffenden Patente und Gebrauchsmuster. Nach Ende der Vertragslaufzeit sollte für die Nutzung der jeweiligen Schutzrechte eine angemessene
Lizenzgebühr gezahlt werden. Nach Kündigung dieses Vertrags durch die D.
H.
GmbH verlangte die Beklagte zu 1 von dieser Scha-
densersatz im Hinblick auf die gescheiterte Zusammenarbeit. Das gerichtliche
-4-
Verfahren endete durch Prozessvergleich. Die Parteien haben im vorliegenden
Rechtsstreit zunächst darum gestritten, ob der Prozessvergleich der Beklagten
zu 1 die Benutzung des Klagepatents auch für die Zukunft gestattete. Diese
Frage haben Landgericht und Berufungsgericht verneint und angenommen, die
Beklagte zu 1 sei seit dem 1. Oktober 1995 nicht mehr zur Nutzung des Klagepatents berechtigt. In der Revisionsinstanz streiten die Parteien hierüber nicht
mehr.
4
In der Zeit nach Abschluss des Prozessvergleichs verteilte die Beklagte
zu 1 an Installateure einen Prüfbericht der TU Berlin vom 10. Januar 1997, der
Angaben zur Planung und Ausführung der Deckenkonstruktion enthält. Die dort
beschriebene Konstruktion sieht vor, dass Kapillarrohrmatten in Metallkassetten
eingelegt werden. Außerdem verteilte die Beklagte einen weiteren Prüfbericht
vom 28. Juni 1995, wonach die Matten in Stahlblechkassetten "eingelegt und
aufgeklebt" werden sollten. In einem Werbeprospekt der Beklagten zu 1 heißt
es, dass die Clina-Matten in die Metalldeckenplatten eingelegt würden, wobei
das Einlegen schon im Werk erfolgen könne, um die Montage vor Ort zu vereinfachen. In einem weiteren Prospekt wird ein Monteur bei der Montage einer
Kühldecke gezeigt, wobei in der Bildunterschrift darauf hingewiesen wird, dass
die Clina-Matten in Metalldeckenplatten eingelegt werden. In einer Referenzliste
der Beklagten zu 1 über die von ihr ausgeführten Projekte ist ausgeführt, dass
etwa 20 % der Decken mit lose eingelegten Kühlmatten ausgeführt sind. Inzwischen empfiehlt die Beklagte zu 1 ihren Kunden eine Ausführung der Deckenkonstruktion, bei der die Leitungsröhrchen nicht lose aufliegen, sondern eingeklebt werden.
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Das Landgericht hat der auf Unterlassung, Rechnungslegung und Feststellung der Schadensersatzpflicht gerichteten Klage stattgegeben. Es hat die
-5-
Beklagten verurteilt, es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen, im
Bereich der Bundesrepublik Deutschland aus flexiblen Röhrchen bestehende
Matten Dritten anzubieten oder zu liefern, die geeignet und bestimmt sind, zur
Leitung eines Heiz- oder Kühlmediums vorgesehen und für die Herstellung von
aus Metallplatten und einer Tragekonstruktion für diese bestehenden Raumdecken, bei denen Matten direkt lose auf den Metallplatten aufliegen, verwendet
zu werden. Das Landgericht hat die Beklagten weiter verurteilt, dem Kläger
darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die zuvor bezeichneten Handlungen seit dem 1. Oktober 1995 begangen worden sind. Weiter hat das Landgericht festgestellt, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger allen
Schaden zu ersetzen, der ihm durch solche Handlungen entstanden ist und
künftig noch entstehen wird.
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Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Gegen dieses Urteil richtet sich
die vom Senat zugelassene Revision der Beklagten, mit der diese die Klageabweisung erstreben. Der Kläger tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
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Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und
zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens.
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I. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass sich mattenförmig
zusammengefasste Rohrleitungen, wie sie die von den Beklagten angebotenen
Clina-Matten darstellen, auf ein wesentliches Element der Erfindung nach Pa-
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tentanspruch 1 des Klagepatents beziehen und deshalb in dem Angebot der
Matten eine mittelbare Patentverletzung nach § 10 Abs. 1 PatG liegen kann.
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Dies hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Prüfung stand.
10
1. Das Klagepatent betrifft eine Raumdecke, die aus Metallplatten und
einer Tragekonstruktion besteht. Die Klagepatentschrift bezeichnet es als bekannt, bei solchen Raumdecken an den Platten oder der Tragekonstruktion
Rohre für den Durchlauf eines Heiz- oder Kühlmediums zu befestigen. Dabei
sei es anzustreben, dass die Verbindung zwischen den Metallplatten und den
Rohren möglichst gleichmäßig fest und gut wärmeleitend sei, um eine hohe
Wärme- bzw. Kühlwirkung zu erzielen. Bei den bekannten Konstruktionen sei
eine Vielzahl von Rohrverbindungsstellen erforderlich, wodurch die Montage
erschwert werde und sich die Gefahr von Undichtigkeiten erhöhe. Auch das
Auswechseln einzelner Metallplatten wie auch der Rohre werde dadurch kompliziert. Vor diesem Hintergrund bezeichnet es die Klagepatentschrift als Aufgabe der Erfindung, eine aus Metallplatten und einer Tragekonstruktion für diese
bestehende Raumdecke, die von einem Heiz- oder Kühlmedium durchströmbare rohrförmige Leitungen zur Erzielung gewünschter Temperaturwerte innerhalb
des Raums trägt, zu schaffen, die sich einfach montieren lässt und auch spätere Reparatur- oder Wartungsarbeiten ohne Schwierigkeiten ermöglicht, wobei
trotzdem eine hohe Heiz- bzw. Kühlwirkung erreicht wird.
11
Hierzu lehrt Patentanspruch 1 des Klagepatents eine Raumdecke mit folgenden Merkmalen:
-7-
Raumdecke aus
1. Metallplatten und
2. einer Tragekonstruktion;
3. die Raumdecke trägt rohrförmige Leitungen, die
a) als flexible Röhrchen ausgestaltet und
b) mattenförmig zusammengefasst
c) lose auf den Metallplatten
d) direkt aufliegen und
e) zur Erzielung gewünschter Temperaturwerte
f) von einem Heiz- oder Kühlmedium durchströmt werden können.
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Aus den Merkmalen 3 a, 3 c und 3 d ergibt sich, dass die Röhrchen lose
aufgrund ihres Eigengewichts und des Gewichts der durchgeleiteten Flüssigkeit
auf den Metallplatten aufliegen. Allein durch dieses lose Aufliegen soll eine hinreichende Wärmeübertragung stattfinden. Weitere Anforderungen an die Beschaffenheit der Röhrchen stellt Patentanspruch 1 nicht. Hiernach bilden aber
die mattenförmig zusammengefassten Rohrleitungen selbst ein wesentliches
Element der Erfindung.
-8-
13
Diese Auslegung des Patentanspruchs 1 kann der Senat selbst vornehmen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist es eine Rechtsfrage, wie
ein Patent auszulegen ist und ob ein Patentanspruch im Instanzenzug richtig
erkannt und in seinem Inhalt verstanden worden ist (BGHZ 160, 204, 212
- Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung m.w.N.).
14
2. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die von den Beklagten vertriebenen Clina-Matten geeignet sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Es hat ausgeführt, nach dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen sei eine Auflage der von den Beklagten vertriebenen Clina-Matten
im Mittelbereich (ca. 1.000 mm Länge und 310 bis 320 mm Breite) zu 100 %
gewährleistet. Im übrigen Kassettenbereich betrage die Auflage 50 %, so dass
sich insgesamt eine unmittelbar bestehende Kontaktfläche von 74 % ergebe.
Da in der Klagepatentschrift keine Angaben über eine Mindestauflagefläche
vorhanden seien, genüge diese Auflage, um von der Lehre des Klagepatents
Gebrauch zu machen.
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Dies greift die Revision ohne Erfolg an.
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a) Sie macht geltend, die Beklagten hätten wiederholt darauf hingewiesen, dass Flexibilität und damit die Möglichkeit der losen Auflage nur zu erreichen sei, wenn die Kunststoffröhrchen einen geringen Wanddurchmesser von
maximal 2 mm aufwiesen und der verwendete Kunststoff mit chemischen
Weichmachern versehen sei. Hierauf werde in der Beschreibung des Klagepatents ausdrücklich hingewiesen. Die Beklagten dagegen setzten Polypropylen
ein, was dazu führe, dass eine Kontakt herstellende Auflage nur aufgrund des
Eigengewichts inklusive der Wasserfüllung nicht möglich sei. Hinzu komme,
-9-
dass die Clina-Matten einen erheblich größeren Rohrdurchmesser aufwiesen,
nämlich Außendurchmesser von 3,4 mm mit einer Wandstärke von 0,55 mm
und Außendurchmesser von 4,3 mm mit einer Wandstärke von 0,8 mm, was
weiter zu verminderter Flexibilität führe. Außerdem hätten die Beklagten vorgetragen, dass die Matten, um den von der Beklagten zu 1 in Werbeprospekten,
Planungshandbüchern und Datenblättern garantierten Leistungs-DIN-Wert von
83,5 W/qm zu erfüllen, fest mit den Deckenplatten zu verbinden seien. Der
Wärmetransport werde nicht durch ein unmittelbares und loses, allein durch
besondere Flexibilität herbeigeführtes Aufliegen auf den Metalldecken erreicht,
sondern durch feste Verbindung mittels Klebung oder entsprechender Klemmvorrichtung. Das Berufungsgericht habe auch festgestellt, dass die Röhrchen
geklebt werden müssten, um die von der Beklagten zu 1 garantierte Kühlleistung zu erreichen. Lege man dies aber zugrunde, so treffe es nicht zu, dass
- wie das Berufungsgericht, gestützt auf das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten, angenommen habe - das Grundkonzept des Klagepatents nicht
verlassen werde, vielmehr werde gerade das Merkmal der losen Verbindung bei
den Clina-Matten aufgegeben. Der Umstand, dass eine 100 prozentige Kontaktaufnahme ohne zusätzliche Maßnahmen, wie beispielsweise das Verkleben,
bei den Clina-Matten nicht gewährleistet werden könne, im Übrigen ohne Fixierung der vorgegebene Wert von 83,5 W/qm nicht erreicht werden könne, werde
vom Berufungsgericht nicht berücksichtigt.
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Mit diesem Vorbringen zeigt die Revision einen Rechtsfehler nicht auf.
Die Argumentation der Revision macht die von den Beklagten garantierte Normleistung zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen. Dem entgegen ist das Berufungsgericht zu Recht vom Gegenstand des Klagepatents ausgegangen. Für
die Frage, ob eine mittelbare Patentverletzung vorliegt, kommt es nicht darauf
an, welche Normleistungen die von den Beklagten angebotenen Matten erfüllen
- 10 -
sollen. Das Klagepatent lehrt keinen bestimmten Grad der Flexibilität. Es gibt
auch nicht vor, in welchem Ausmaß die Röhrchen aufliegen sollen. Ebenso garantiert es keine bestimmte Leistung, etwa die von den Beklagten zugesagte
Normleistung. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht
aufgrund der Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in tatrichterlicher Würdigung ein jedenfalls teilweise Kontakt herstellendes, eine Wärmeübertragung ermöglichendes Aufliegen der Clina-Matten auf ihrem Trägerelement und damit zugleich die nach Merkmal 3 a erforderliche Flexibilität bejaht
hat.
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b) Die Revision macht auch ohne Erfolg geltend, die Clina-Matten liefen
nicht einheitlich über die gesamte Raumdecke, sondern würden auf Maß passend zur Größe der Metallkassette gefertigt und dann mittels Steckverbindung
mit anderen Decken- bzw. Kapillarrohrmatten verbunden, eine solche Ausführungsform werde in der Klagepatentschrift jedoch als aufwendig bezeichnet.
Das Klagepatent beziehe sich vielmehr auf durchgehende, sich in einer Richtung über die gesamte Decke erstreckende Rohre.
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Diese Ausführungen der Revision treffen nicht zu. Patentanspruch 1 setzt
nicht den Verlauf der Röhrchen über die gesamte Decke voraus. Dies ist vielmehr, wie die Revision selbst geltend macht, Gegenstand von Patentanspruch 5. Damit ist das Klagepatent nicht auf Ausführungsformen beschränkt,
bei denen sich die Rohrleitungen über die gesamte Decke erstrecken.
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c) Auch soweit die Revision schließlich geltend macht, das Berufungsgericht habe die Einwendungen der Beklagten im Anschluss an die Anhörung des
gerichtlichen Sachverständigen zum Anlass nehmen müssen, die mündliche
Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 ZPO wieder zu eröffnen, hat sie keinen Er-
- 11 -
folg. Das Vorbringen des Beklagten bezieht sich auf Aussagen des gerichtlichen Sachverständigen zur Flexibilität der Röhrchen bei den Clina-Matten. Auf
den entsprechenden Beklagtenvortrag kommt es jedoch wie unter oben a) dargestellt nicht an.
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II. Das Berufungsgericht hat auch zu Recht die subjektiven Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung bejaht.
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1. Nach § 10 PatG ist dazu erforderlich, dass der Anbieter oder Lieferant
weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass die angebotenen
oder gelieferten Mittel dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der
geschützten Erfindung verwendet zu werden. Nach gefestigter Rechtsprechung
des Senats ist die Bestimmung zur Benutzung der geschützten Erfindung ein in
der Sphäre des Abnehmers liegender Umstand (zuletzt Sen.Urt. v. 07.06.2005
- X ZR 247/02, GRUR 2005, 848, 851 - Antriebsscheibenaufzug). Der Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung ist jedoch nicht erst dann erfüllt, wenn
der Abnehmer die Bestimmung zur patentverletzenden Verwendung des Mittels
tatsächlich bereits getroffen hat und der Anbieter oder Lieferant dies weiß. Er
greift vielmehr bereits dann ein, wenn eine Bestimmung der Mittel zur patentverletzenden Verwendung für den Dritten im Sinne des gesetzlichen Tatbestands, d.h. den Anbieter oder Lieferanten der für eine patentgemäße Benutzung geeigneten Mittel, den Umständen nach offensichtlich ist. Damit soll der
Nachweis einer mittelbaren Patentverletzung erleichtert werden. Dies rechtfertigt es, den Tatbestand bereits dann als verwirklicht anzusehen, wenn aus der
Sicht des Dritten bei objektiver Betrachtung nach den Umständen die hinreichend sichere Erwartung besteht, dass der Abnehmer die angebotenen oder
gelieferten Mittel zur patentverletzenden Verwendung bestimmen wird.
- 12 -
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Gegenstand der Verletzungshandlung nach § 10 PatG ist keine Teilnahme an dem Verstoß des Abnehmers gegen die ihm nach dem Patentgesetz
obliegenden Pflichten, sondern eine eigene Verletzungshandlung des Dritten.
Dementsprechend hat der Senat mehrfach entschieden, dass es für eine mittelbare Patentverletzung keiner - versuchten oder vollendeten - unmittelbaren Verletzung des Patents durch den Abnehmer bedarf, sondern bereits Angebot oder
Lieferung geeigneter Mittel genügen, wenn die subjektiven Voraussetzungen
ihrer Bestimmung zur patentgemäßen Verwendung erfüllt sind (BGHZ 115, 204,
208 - beheizbarer Atemluftschlauch; BGHZ 159, 76, 84 - Flügelradzähler). Insbesondere bei einem vom Gesetz einbezogenen unaufgeforderten ersten Angebot wird eine Bestimmung der Mittel für eine patentgemäße Benutzung durch
den Abnehmer im Sinne einer bereits getroffenen Entscheidung indes in der
Regel nicht vorliegen. Sie wird auch in der Folge vielfach schon objektiv fehlen
und jedenfalls nach dem maßgeblichen Kenntnisstand des Anbieters fraglich
erscheinen. Seiner Natur als Patentgefährdungstatbestand (BGHZ 115, 204,
208 - beheizbarer Atemluftschlauch; BGHZ 159, 76, 84 - Flügelradzähler) entsprechend soll § 10 PatG den Patentinhaber auch in diesem Fall vor einer drohenden Verletzung seiner Rechte schützen. Die Vorschrift muss deshalb schon
dann eingreifen, wenn aus der Sicht des Dritten hinreichend sicher zu erwarten
ist, dass der Abnehmer die gelieferten Mittel in patentgemäßer Weise verwenden wird.
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Die im Gesetz aufgeführten Merkmale zur Ausfüllung des subjektiven
Tatbestands (wenn er weiß oder es nach den Umständen offensichtlich ist) eröffnen damit die Möglichkeit, den erforderlichen Kenntnisstand des Anbieters
oder Lieferanten von der drohenden Verletzung der Rechte des Patentinhabers
über zwei Alternativen festzustellen. Entweder ist dem Dritten bekannt, dass der
Abnehmer die Mittel zur patentgemäßen Benutzung bestimmt hat, oder eine
- 13 -
solche Bestimmung ist nach den Umständen des Einzelfalls offensichtlich zu
erwarten, etwa weil sie sich aufdrängt. Kenntnis und Offensichtlichkeit sind damit zwei Wege, den erforderlichen hohen Grad einer Erwartung patentgemäßer
Verwendung der Mittel festzustellen. Vor diesem Hintergrund liegt der notwendige hohe Grad der Erwartung regelmäßig insbesondere dann vor, wenn der
Anbieter oder Lieferant selbst eine solche Benutzung vorgeschlagen hat.
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2. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat die
Beklagte zu 1 auf die Möglichkeit erfindungsgemäßer Benutzung hingewiesen.
Sie hat an Installateure einen Prüfbericht der Technischen Universität Berlin
vom 10. Januar 1997 verteilt, der eine Konstruktion zeigt, bei der Kapillarrohrmatten in Metallkassetten eingelegt werden. Eine solche Ausführungsform zeigt
auch der von der Beklagten zu 1 verwendete Werbeprospekt. Schließlich ergibt
sich aus einer von der Beklagten zu 1 geführten Referenzliste über von ihr ausgeführte Projekte, dass etwa 20 % der Decken mit lose eingelegten Kühlmatten
ausgeführt worden sind.
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Darauf, ob die Beklagte zu 1 inzwischen ihren Kunden empfiehlt, die Deckenkonstruktion so auszuführen, dass die Leitungsröhrchen nicht lose aufliegen, sondern eingeklebt werden, kommt es nicht entscheidend an. Die Begehungsgefahr für weitere derartige Verletzungen ist damit nicht ausgeräumt. Eine
Unterwerfungserklärung haben die Beklagten nicht abgegeben. Die Vermutung
der Gefahr einer Wiederholung der rechtswidrigen Handlung kann in der Regel
nur dadurch beseitigt werden, dass der Verletzer eine uneingeschränkte, bedingungslose und durch das Versprechen einer Vertragsstrafe in angemessener Höhe gesicherte Unterlassungserklärung abgibt und damit seinen ernsthaften Unterlassungswillen zum Ausdruck bringt. Allein die Empfehlung an Kunden, das Produkt nur noch in einer bestimmten Weise zu verwenden, genügt
- 14 -
diesen Anforderungen nicht (Sen.Urt. v. 07.06.2005 - X ZR 247/02, GRUR
2005, 848, 853 - Antriebsscheibenaufzug).
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III. Danach hat das Berufungsgericht zu Recht die Voraussetzungen für
einen Unterlassungsanspruch aus § 10 PatG bejaht. Bei der Fassung des Urteilstenors hat das Berufungsgericht jedoch dem Landgericht folgend den Beklagten untersagt, aus flexiblen Röhrchen bestehende Matten Dritten anzubieten oder zu liefern, die geeignet und bestimmt sind, zur Leitung eines Heiz- oder Kühlmediums vorgesehen und für die Herstellung von aus Metallplatten und
einer Tragekonstruktion für diese bestehenden Raumdecken, bei denen Matten
direkt lose auf den Metallplatten aufliegen, verwendet zu werden. Damit hat das
Berufungsgericht den Unterlassungsausspruch von der bei dem einzelnen Angebot oder der Lieferung erst noch festzustellenden und diesen gegebenenfalls
erst nachfolgenden Bestimmung durch den Abnehmer abhängig gemacht; ein
solcher Ausspruch ist nicht vollstreckbar. Andererseits wäre ein uneingeschränktes Verbot nur möglich, wenn das Mittel ausschließlich in patentverletzender Weise Verwendung finden könnte (Scharen, GRUR 2001, 995, 996 f.),
was hier nicht der Fall ist. Die Gefahr, dass Abnehmer der Beklagten das Mittel
für die Benutzung der Erfindung verwenden, kann dadurch ausgeräumt werden,
dass den Beklagten das Anbieten und/oder Liefern des Mittels für den Fall untersagt wird, dass sie bei Vornahme des jeweiligen Geschäfts bestimmte Maßnahmen nicht ergreifen, die den Abnehmer von der Verwendung des Mittels für
die Benutzung der Erfindung abhalten sollen (Scharen, aaO 997). Eine bloße
Empfehlung, die Matten einzukleben, wird dazu allerdings nicht genügen. Auch
wenn die Beklagte zu 1 eine möglicherweise patentfreie Verwendung empfiehlt,
ist damit nicht ausgeschlossen, dass ihre Kunden, wenn ihnen die dadurch zu
erzielende Leistung genügt, weiterhin die Matten lose einlegen, um damit die
Vorteile einer einfacheren Montage zu nutzen. In Betracht käme hier etwa eine
- 15 -
Formulierung des Klageantrags und des Urteilstenors dahin, dass ein Warnhinweis der Beklagten an ihre Kunden zu erfolgen hat, wonach ein loses Einlegen
der Röhrchen nicht ohne Zustimmung des Klägers als Patentinhabers erfolgen
darf. Welche Vorsorgemaßnahmen der Anbieter oder Lieferant einer Ware, die
sowohl patentverletzend als auch patentfrei verwendet werden kann, zu treffen
hat, bestimmt sich nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Dabei ist zu
berücksichtigen, dass die Maßnahmen einerseits geeignet und ausreichend
sein müssen, um Patentverletzungen mit hinreichender Sicherheit zu verhindern, andererseits den Vertrieb der Mittel zum patentfreien Gebrauch nicht in
unzumutbarer Weise behindern sollen. Die Abwägung unterliegt tatrichterlicher
Würdigung, die im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden kann (BGH, Urt.
v. 08.11.1960 - I ZR 67/59, GRUR 1961, 627, 628 - Metallspritzverfahren; Urt.
v. 30.04.1964 - Ia ZR 224/63, GRUR 1964, 496, 498 - Formsand II).
28
In der wiedereröffneten Tatsacheninstanz wird daher zunächst auf eine
entsprechende Antragstellung hinzuwirken sein. Bei Klagen wegen mittelbarer
Patentverletzung haben die Gerichte der Pflicht, auf sachdienliche Anträge hinzuwirken,
besondere
Beachtung
zu
widmen
(Sen.Urt.
v.
11.01.2005
- X ZR 233/01, GRUR 2005, 407, 409 - T-Geschiebe). Der etwa für erforderlich
gehaltene Warnhinweis ist dabei im Rahmen des Unterlassungsanspruchs vom
Kläger zu formulieren (Benkard, PatG, 10. Aufl., § 10 Rdn. 24).
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IV. Das Berufungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Beklagten
dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet sind. Hierfür genügt es, wenn dargetan wird, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstanden
ist (BGH Urt. v. 17.05.2001 - I ZR 189/99, GRUR 2001, 1177, 1178
- Feststellungsinteresse II), der sich daraus ergeben kann, dass die Verletzungshandlungen der Beklagten unmittelbare Verletzungen des Klagepatents
- 16 -
zur Folge gehabt haben (Sen.Urt. v. 07.06.2005 - X ZR 247/02, GRUR 2005,
848, 854 - Antriebsscheibenaufzug). Soweit dem Urteil "Antriebsscheibenaufzug" zu entnehmen sein sollte, dass mindestens eine unmittelbare Verletzungshandlung festgestellt werden müsse, stellt der Senat klar, dass die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts ausreichend ist, wenn die oben dargestellten
Voraussetzungen einer mittelbaren Patentverletzung im übrigen vorliegen. Diese Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts hat das Berufungsgericht vorliegend zu Recht bejaht, weil die Beklagten ihren Kunden die Möglichkeit patentverletzender Benutzung der Clina-Matten aufgezeigt haben und diese das patentverletzende einfachere lose Einlegen der Matten nur dann durch patentfreie
Maßnahmen, beispielsweise das Verkleben, ersetzen mussten, wenn sie eine
bestimmte
Wärmeübertragung
erreichen
wollten.
Dabei
ergibt
- 17 -
sich aus der von der Beklagten zu 1 geführten Referenzliste über von ihr ausgeführte Projekte, dass etwa 20 % mit lose eingelegten Röhrchen ausgeführt sind.
Nach alledem besteht die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass dem Kläger
durch das Verhalten der Beklagten ein Schaden entstanden ist.
Melullis
Mühlens
Asendorf
Meier-Beck
Kirchhoff
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 12.10.1999 - 16 O 235/99 KG Berlin, Entscheidung vom 12.09.2003 - 5 U 9099/99 -