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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X ZB 6/10
vom
20. Dezember 2011
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Installiereinrichtung II
GebrMG § 1 Abs. 1, § 18 Abs. 4; PatG § 100, § 106, § 99 Abs. 1; ZPO § 91a
Abs. 1 Satz 1
In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter
Weise weiterzuentwickeln ist eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung
eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert.
Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich.
Vielmehr können auch Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets, insbesondere betreffend die Ausbildung von Fachleuten, die übliche Vorgehensweise bei der Entwicklung von Neuerungen, technische Bedürfnisse, die
sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben und auch nicht-technische Vorgaben eine Rolle spielen.
BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - X ZB 6/10 - Bundespatentgericht
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2011
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning,
Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Schuster
beschlossen:
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 100.000 €
festgesetzt.
Gründe:
1
I.
Der Antragsgegner war Inhaber des am 15. Februar 2001 angemel-
deten deutschen Gebrauchsmusters 201 21 189 (Streitgebrauchsmusters), das
eine "Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen" betrifft und
20 Schutzansprüche umfasst; das Streitgebrauchsmuster ist nach Ablauf der
höchstmöglichen Schutzdauer mit Ende des Monats Februar 2011 erloschen.
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Die Gebrauchsmusterabteilung hat das Streitgebrauchsmuster gelöscht,
soweit es über die vom Antragsgegner im Löschungsverfahren verteidigte Fassung der Schutzansprüche hinausgeht, und den Löschungsantrag im Übrigen
zurückgewiesen.
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3
Mit der Beschwerde hat die Antragstellerin ihren Löschungsantrag weiterverfolgt. Der Antragsgegner hat das Streitgebrauchsmuster in der von der
Gebrauchsmusterabteilung als schutzfähig angesehenen Fassung und mit
mehreren Hilfsanträgen verteidigt.
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Das Patentgericht hat das Streitgebrauchsmuster in vollem Umfang gelöscht.
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Hiergegen hat sich die vom Patentgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gerichtet.
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Nach Ablauf der Höchstschutzdauer des Streitgebrauchsmusters haben
die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt
erklärt.
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II. Infolge der Erledigungserklärungen ist unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstands nur noch über die Kosten des Löschungsverfahrens zu entscheiden (§ 18 Abs. 4 Satz 1 GebrMG i. V. m. §§ 106, 109, 99
Abs. 1 PatG, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Diese sind dem Antragsgegner aufzuerlegen, da die Rechtsbeschwerde voraussichtlich ohne Erfolg geblieben wäre.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist infolge ihrer Zulassung statthaft und auch
im Übrigen zulässig (§ 18 Abs. 4 Satz 1 GebrMG in Verbindung mit § 100
Abs. 2, 3, §§ 101 bis 109 PatG). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beschränkt die Nachprüfung grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Rechtsfrage,
die das Beschwerdegericht für klärungsbedürftig gehalten hat; eine vom Beschwerdegericht ausgesprochene Beschränkung auf eine solche Frage ist ohne
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Wirkung. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erlaubt die Überprüfung der
Entscheidung nach Art einer Revision (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom
29. April 2003 - X ZB 4/01, GRUR 2003, 781 - Basisstation; Beschluss vom 29.
Juli 2008 - X ZB 23/07, juris). Die Überprüfung durch den Senat ist danach nicht
auf die vom Patentgericht aufgeworfene Frage beschränkt, inwieweit es für den
Fachmann Anstöße, Hinweise oder Anregungen im Stand der Technik bedarf,
um dort beschriebene Maßnahmen auf das ihm Bekannte anzuwenden.
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2. Das Streitgebrauchsmuster betrifft eine Einrichtung zum Installieren
von Versorgungsleitungen für mehrere Arbeitsplätze in einem Raum.
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Als Aufgabe der Erfindung wird angegeben, eine Einrichtung zu schaffen,
die einen flexiblen Aufbau und eine flexible Installation von Versorgungsleitungen ermöglicht, die leicht zu bedienen ist und die zu möglichst geringen Behinderungen (bei der Raumnutzung) führt.
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Die in dem verteidigten Schutzanspruch 1 angegebene Lösung kann wie
folgt gegliedert werden (Gliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern):
1. Einrichtung
zum
Installieren
von
Versorgungsleitungen
und/oder Datenleitungen für mehrere Arbeitsplätze [a], insbesondere für Computer-Arbeitsplätze oder dergleichen in einem
Raum, die miteinander und/oder mit einer zentralen Einrichtung verbunden sind [b].
2. Ein aus vorbereiteten Elementen gerüstartig aufbaubares System ist vorgesehen [c], das enthält
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2.1 unterhalb einer Decke (12) des Raums und oberhalb einer normalen Greifhöhe anbringbare Kanäle (18) zur
Aufnahme von Versorgungsleitungen und/oder Datenleitungen [d] und
2.2 an die Kanäle anschließbare nach unten gerichtete, Arbeitsplätzen zugeordnete Säulen (21), die mit Versorgungsanschlüssen (23) versehen sind [f].
3. Für die Kanäle (18) sind Hängehalter (19) zum Aufhängen an
der Decke (12) des Raums vorgesehen [e].
4. Die Säulen (21) sind um eine im Bereich der Kanäle (18) befindliche horizontale Achse (53) verschwenkbar angeordnet,
um die Versorgungsanschlüsse (23) in Greifhöhe zu bringen
[g].
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3. Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand der Schutzansprüche beruhe nicht auf einem erfinderischen Schritt im Sinne von § 1 Abs. 1
GebrMG.
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Die Angabe in den Schutzansprüchen, dass die "Versorgungsanschlüsse
in Greifhöhe zu bringen" seien, verstehe der Fachmann, ein Maschinenbauingenieur (FH), der als Konstrukteur und Planer für Einrichtungen zur Versorgung
von Arbeitsplätzen für verschiedene Anwendungsgebiete mit Versorgungsleitungen aller Art zuständig sei, so, dass die Versorgungsanschlüsse zumindest
so weit aus dem Arbeitsbereich zu bringen seien, dass sie nicht mehr störten.
Dies bedeute nicht, dass die Versorgungsanschlüsse überhaupt nicht mehr erreicht werden könnten. Denn das Streitgebrauchsmuster sehe als „oberhalb der
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Greifhöhe einer erwachsenen Person gelegenen Bereich“ lediglich eine Höhe
von 190 bis 215 cm vor. Unter nach unten gerichteten Säulen seien nicht notwendig senkrecht ausgerichtete Säulen zu verstehen.
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Aus der schweizerischen Bauzeitung "Schweizer Ingenieur und Architekt" Nr. 24 vom 11. Juni 1998, S. 1, 10 bis 12 (D5) sei eine Einrichtung zum
Installieren von Versorgungsleitungen und/oder Datenleitungen für mehrere
Arbeitsplätze bekannt, die sich von dem Gegenstand des Streitgebrauchsmusters lediglich dadurch unterscheide, dass bei diesem die Säulen um eine im
Bereich der Kanäle befindliche horizontale Achse verschwenkbar angeordnet
seien, um die Versorgungsanschlüsse in Greifhöhe zu bringen. Wenn der
Fachmann von einer Einrichtung, wie sie in der schweizerischen Bauzeitung
beschrieben sei, ausgehe, stehe er vor dem Problem, dass die dort beschriebenen Säulen, wenn sie sich in Unterrichtsräumen befänden, Vandalismus
ausgesetzt seien. Zumindest könnten sie durch nicht sachgerechte Manipulation in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Dem Fachmann seien Einrichtungen
zur Versorgung von Arbeitsplätzen nicht nur für Unterrichtsräume, sondern
auch für andere Anwendungsgebiete bekannt, zu denen auch die Medizintechnik gehöre. Aus dem Prospekt der D.
M.
GmbH (D13) sei eine
Einrichtung mit Versorgungsleitungen bekannt, die nach unten gerichtete, Arbeitsplätzen zugeordnete Säulen, die mit Versorgungsanschlüssen versehen
seien, enthalte und bei der die Säulen um eine horizontale Achse verschwenkbar angeordnet seien, um die Versorgungsanschlüsse in Greifhöhe zu bringen.
Dieser Umstand gebe dem Fachmann die Anregung, die aus der D5 bekannte
und in Unterrichtsräumen eingesetzte Einrichtung durch die aus dem Prospekt
der D13 als bekannt nachgewiesene Maßnahme zu ertüchtigen. Bei diesem
Vorgehen ergebe sich zwangsläufig, die horizontale Achse dort zu belassen, wo
die Säule bei der Einrichtung nach der D5 schon angelenkt sei, nämlich im Be-
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reich der Kanäle. Damit bedürfe es für den Fachmann keines erfinderischen
Schritts, um die Einrichtung nach der D5 derart auszugestalten, dass die Säulen um eine im Bereich der Kanäle befindliche horizontale Achse verschwenkbar angeordnet seien, um die Versorgunganschlüsse in Greifhöhe zu bringen.
Auch die Gegenstände nach den Hilfsanträgen beruhten nicht auf einem erfinderischen Schritt.
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4. Diese Beurteilung hätte der Nachprüfung im Rechtbeschwerdeverfahren voraussichtlich standgehalten.
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a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich
bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit um eine Rechtsfrage, die mittels
wertender Würdigung der tatsächlichen Umstände zu beurteilen ist, die unmittelbar oder mittelbar geeignet sind, etwas über die Voraussetzungen für das
Auffinden der erfindungsgemäßen Lösung auszusagen (Senatsurteil vom
7. März 2006 - X ZR 213/01, BGHZ 166, 305 - Vorausbezahlte Telefongespräche). Dies gilt gleichermaßen für die Beurteilung des erfinderischen Schritts im
Gebrauchsmusterrecht (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - X ZB 27/05,
BGHZ 168, 142 - Demonstrationsschrank). Wie im Patentrecht ist maßgeblich,
ob der Stand der Technik am Prioritätstag dem Fachmann den Gegenstand der
Erfindung nahegelegt hat. Dies erfordert zum einen, dass der Fachmann mit
seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung
des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Dies allein
genügt jedoch nicht, um den Gegenstand der Erfindung als nahegelegt anzusehen. Hinzukommen muss vielmehr zum anderen, dass der Fachmann Grund
hatte, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel über
die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anre-
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gungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH, Urteil vom 30. April 2009
- Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; Urteil vom
8. Dezember 2009 - X ZR 65/05, GRUR 2010, 407 - einteilige Öse). Denn nur
dann kann die notwendigerweise ex post getroffene richterliche Einschätzung,
dass der Fachmann ohne erfinderisches Bemühen zum Gegenstand der Erfindung gelangt wäre, in einer Weise objektiviert werden, die Rechtssicherheit für
den Schutzrechtsinhaber wie für seine Wettbewerber gewährleistet.
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Dabei lässt sich keine allgemeine, vom jeweiligen Streitfall losgelöste
Aussage darüber treffen, in welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung
der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte
Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln. Es handelt sich vielmehr um
eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung eine Gesamtbetrachtung aller
maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert. Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich. Vielmehr können Eigenarten
des in Rede stehenden technischen Fachgebiets, insbesondere Ausbildungsgang und Ausbildungsstand der auf diesem Gebiet tätigen Fachleute zum Prioritätszeitpunkt und die auf dem technischen Fachgebiet übliche Vorgehensweise von Fachleuten bei der Entwicklung von Neuerungen ebenso eine Rolle
spielen wie technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben, nicht-technische Vorgaben, die geeignet sind, die Überlegungen des Fachmanns in eine bestimmte
Richtung zu lenken, und umgekehrt Gesichtspunkte, die dem Fachmann Veranlassung geben könnten, die technische Entwicklung in eine andere, von der
Erfindung wegweisende Richtung voranzutreiben.
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b) Diesen rechtlichen Vorgaben hat das Patentgericht genügt, indem es
für die Annahme des Fehlens eines erfinderischen Schritts das Vorliegen einer
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Anregung aus dem Stand der Technik für erforderlich gehalten hat. Es hat angenommen, die in der D13 vorgestellte Einrichtung ermögliche es, Geräte und
deren Versorgungsanschlüsse je nach Bedarf am OP-Tisch zu positionieren
oder sie aus dem Arbeitsbereich zu entfernen. Daraus entnehme der Fachmann
die Anregung, die aus der D5 bekannte Einrichtung mit der Option der Höhenverstellung zu versehen.
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c) Die hiergegen gerichteten Rügen der Rechtsbeschwerde zeigen keine Rechtsfehler auf.
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aa) Die Rechtsbeschwerde rügt die Interpretation des Offenbarungsgehalts der Entgegenhaltung D5, der das Patentgericht zu Unrecht die Merkmale
2.1, 2.2 und 3 entnommen habe. Mit dieser Rüge wäre sie voraussichtlich nicht
durchgedrungen. Die D5 spricht auf Seite 12, linke Spalte ausdrücklich davon,
dass sämtliche Leitungen und Kanäle frei verlegt und jederzeit zugänglich seien. Dass diese Kanäle Bestandteile eines gerüstartig aufgebauten Systems
sind, zieht die Rechtsbeschwerde zu Recht ebenso wenig in Zweifel wie deren
Anordnung unterhalb der Raumdecke und oberhalb einer normalen Greifhöhe
und ihre Bestimmung zur Aufnahme von Versorgungs- oder Datenleitungen,
welche in der D5 gleichfalls ausdrücklich erwähnt werden. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, nicht die Kanäle, sondern das unterhalb der Raumdecke
angebrachte (die Kanäle aufnehmende) Deckenraster sei mit Hängehaltern an
der Raumdecke befestigt und die Säulen seien ausschließlich an diesem Deckenraster befestigt, ist dies im Ergebnis nicht erfolgversprechend. Denn selbst
wenn dies zuträfe, dienten die Hängehalter mittelbar auch der Aufhängung der
Kanäle und wären die Säulen an die Kanäle im Sinne des Merkmals 2.2 insoweit „anschließbar“, als die Versorgungs- oder Datenleitungen aus den Kanälen
aus- und in die Säulen eintreten müssen.
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bb) Auch mit der Rüge, das Patentgericht habe der Entgegenhaltung
D13 zu Unrecht eine Anregung dafür entnommen, die Einrichtung nach der D5
durch um eine horizontale Achse verschwenkbar angeordnete Säulen (Merkmal
4) zu ertüchtigen, hätte die Rechtsbeschwerde voraussichtlich nicht durchdringen können.
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Nach Ansicht des Patentgerichts hatte der Fachmann Anlass, die D13,
eine Veröffentlichung im Bereich der Medizintechnik, heranzuziehen. Dieser
Annahme stehen Rechtsgründe nicht entgegen. Das Streitgebrauchsmuster
betrifft ganz allgemein Einrichtungen zum Installieren von Versorgungsleitungen
für mehrere Arbeitsplätze; beispielhaft werden Labors oder dergleichen genannt. Der Prospekt D13 betrifft „Ergonomische Arbeitsplatzsysteme für die Anästhesie und Chirurgie“. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass der Antragsgegner Tatsachen vorgetragen hat, aus denen das Patentgericht hätte ableiten müssen, dass der maßgebliche Fachmann, ein Maschinenbauingenieur
(FH), der als Konstrukteur und Planer für Einrichtungen zur Versorgung von
Arbeitsplätzen für verschiedene Anwendungsgebiete mit Versorgungsleitungen
befasst ist, üblicherweise Anregungen nicht beachtet, die sich aus solchen Einrichtungen im medizintechnischen Bereich ergeben. Dies liegt auch fern, weil,
wie die Entgegenhaltung D5 anschaulich belegt, die konkrete Funktion des einzelnen Arbeitsplatzes für die konzeptionelle Ausgestaltung des Gesamtsystems
von allenfalls nachrangiger Bedeutung ist. Der weitere Einwand der Rechtsbeschwerde, die D13 betreffe ein Versorgungssystem für nur einen Arbeitsplatz,
während das Streitgebrauchsmuster eine Einrichtung für mehrere Arbeitsplätze
beanspruche, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Der Fachmann hat Anlass, die
versorgungstechnische Ausgestaltung eines einzelnen Arbeitsplatzes auch
dann zu betrachten, wenn er mehrere Arbeitsplätze auszustatten hat, unabhän-
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gig davon, ob eine Verbindung der Arbeitsplätze gewünscht ist oder nicht. Darüber hinaus betrifft das Merkmal 4 eine Maßnahme, die an jedem Arbeitsplatz
gesondert vorzunehmen ist. Auch deswegen hat das Patentgericht es zu Recht
als aus fachmännischer Sicht geboten angesehen, die Gestaltung einzelner
Arbeitsplätze im Stand der Technik zu betrachten.
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cc) Auch die weitere Annahme des Patentgerichts, der Entgegenhaltung
D13 sei eine Ausgestaltung der dort beschriebenen Deckenversorgungseinheiten nach Merkmal 4 zu entnehmen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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In der D13 ist eine Einrichtung mit nach unten gerichteten Säulen gezeigt, die um eine horizontale Achse so verschwenkbar sind, dass sich eine
Höhenverstellung um 600 mm ergibt (D13, Abb. auf S. 4 unten). Die Rechtsbeschwerde geht von einer Lehre des Streitgebrauchsmusters aus, wonach die
Mediensäulen zwischen einer Gebrauchs- und Nichtgebrauchsstellung im Wege einer Klappbewegung vollständig verschwenkt würden, was in der D13 nicht
offenbart sei. Eine Klappbewegung ist indessen nicht Merkmal der nach dem
Streitgebrauchsmuster geschützten Einrichtung.
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Die Rechtsbeschwerde wendet ein, dass sich die Säulen nach dem
Streitgebrauchsmuster in der Nichtgebrauchsstellung oberhalb einer normalen
Greifhöhe befänden, also ohne den Einsatz von Hilfsmitteln grundsätzlich nicht
erreichbar und damit vollständig „aus dem Weg geräumt“ seien. Demgegenüber
befinde sich das in der D13 offenbarte Deckenversorgungssystem stets in
Greifhöhe; das dort verwendete Höhenverstellungssystem erlaube eine maximale Höhe von 2 Metern. Auch dieses Argument geht fehl, denn das Streitgebrauchsmuster verlangt lediglich oberhalb einer „normalen“ Greifhöhe liegende
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Kanäle. Im Übrigen handelt es sich um eine reine Zweckmäßigkeitsfrage, in
welche Höhe die Säulen mit den Versorgungsanschlüssen verschwenkt werden.
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dd) Hinsichtlich der Auslegung der Schutzansprüche nach den Hilfsanträgen und der entsprechenden Bewertung des Standes der Technik sind keine
Rechtsfehler erkennbar; die Rechtsbeschwerde erhebt hierzu auch keine gesonderten Rügen.
Meier-Beck
Gröning
Hoffmann
Bacher
Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 09.06.2010 - 35 W(pat) 429/09 -