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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 99/99
Verkündet am:
12. Juli 2000
Zöller,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGB §§ 164, 364
Zum Zustandekommen eines Scheckbegebungsvertrages durch Entgegennahme
von Schecks durch einen Mehrpersonenvertreter.
BGH, Urteil vom 12. Juli 2000 - VIII ZR 99/99 - OLG Dresden
LG Leipzig
-2-
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Juli 2000 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter
Dr. Hübsch, Ball, Dr. Leimert und Dr. Wolst
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. März 1999 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 1. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Leipzig vom 25. August 1998
wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger begehrt als Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren
über das Vermögen der Firma S.
/N.
GmbH (im folgenden: Gemein-
schuldnerin) von der Beklagten die Zahlung restlichen Kaufpreises aus zwei
Verträgen vom 29. Mai 1996, durch welche die H. Heizkraftwerk GmbH ihr
Fernwärmeversorgungsnetz sowie mehrere Hausanschlußstationen an die Beklagte veräußert hatte. Gemäß § 2 der jeweiligen Verträge war "der Kaufpreis
... mit schuldbefreiender Wirkung zugunsten der Gläubigerin der H. , nämlich
der S + N GmbH (Gemeinschuldnerin), zu zahlen". Die Beklagte übergab an-
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schließend dem Verhandlungsführer auf der Verkäuferseite S.
, der sowohl
alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin wie der
H. Heizkraftwerk GmbH war und die Verträge im Namen beider Gesellschaften
unterzeichnet hatte, mehrere auf die "Heizkraftwerk GmbH M.
" als Zah-
lungsempfängerin
insgesamt
ausgestellte
Verrechnungsschecks
über
578.726,73 DM; in den angehefteten Quittungsbelegen war jeweils "W. , Kauf
FW-Netz M.
" bzw. "Vertrag vom 29.05.1996" angegeben. Die Verrech-
nungsschecks wurden dem Geschäftskonto der H. Heizkraftwerk GmbH gutgeschrieben; hiervon leitete die H. Heizkraftwerk GmbH nur einen Betrag von
123.238,79 DM an die Gemeinschuldnerin weiter, während sie die restlichen
Scheckbeträge für sich verwandte.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagte aus den Vereinbarungen
vom 29. Mai 1996 unter Berücksichtigung des bei der Gemeinschuldnerin eingegangenen Betrages sowie einer Teilabtretung auf Zahlung von insgesamt
482.460,10 DM nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die
Klage bis auf einen Betrag von 26.972,16 DM nebst Zinsen abgewiesen. Auf
die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
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Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte schulde zugunsten
des vom Kläger verwalteten Vermögens aus den beiden Kaufverträgen vom
29. Mai 1996 einen restlichen Kaufpreis von 455.487,94 DM. Wie sich aus dem
Wortlaut und dem Inhalt dieser Verträge ergebe und durch die Art und Weise
der Abwicklung bestätigt werde, stünden die Kaufpreisforderungen der Gemeinschuldnerin aus eigenem Recht zu. In Höhe eines Teilbetrages von
455.487,94 DM seien die Kaufpreisforderungen der Gemeinschuldnerin unerfüllt geblieben. Der restliche Kaufpreiszahlungsanspruch aus beiden Verträgen
vom 29. Mai 1996 in Höhe von 605.698,89 DM sei, nachdem der Geschäftsführer S.
die an ihn von der Beklagten erfüllungshalber übergebenen Verrech-
nungsschecks über einen Gesamtbetrag von 578.726,73 DM zugunsten der H.
Heizkraftwerk GmbH eingelöst habe, wovon an die Gemeinschuldnerin lediglich ein Betrag von 123.238,79 DM weitergeleitet worden sei, lediglich in Höhe
dieses Betrages erfüllt worden, so daß eine Restforderung von 482.460,10 DM
verblieben sei, die nach teilweiser Zusprechung durch das Landgericht noch in
Höhe von 455.487,94 DM nicht befriedigt sei.
Ohne Erfolg erhebe die Beklagte gegenüber dem geltend gemachten
Zahlungsanspruch die Einrede der Scheckhingabe entsprechend §§ 273
Abs. 1, 270 Abs. 1 BGB. Durch die Aushändigung der Verrechnungsschecks
an den Geschäftsführer S.
sei die Gefahr einer Einlösung zugunsten der
H. Heizkraftwerk GmbH nicht auf die Gemeinschuldnerin übergegangen, da
die Übergabe nicht aufgrund jeweils geschlossener Scheckbegebungsverträge
zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten erfolgt sei. Die Beklagte
habe bereits kein an die Gemeinschuldnerin gerichtetes Angebot auf Abschluß
eines Scheckbegebungsvertrages abgegeben; vielmehr habe die Beklagte
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durch Bezeichnung der H. Heizkraftwerk GmbH als Empfängerin in dem dafür
vorgesehenen Feld auf jedem der Verrechnungsschecks eine Leistungsbestimmung in Richtung der H. Heizkraftwerk GmbH getroffen und damit eine
Erfüllungshandlung ihr gegenüber vorgenommen, die von dem Geschäftsführer
S.
entgegengenommen worden sei. Dieser von der Beklagten getroffenen
Leistungsbestimmung stehe nicht entgegen, daß aus den geschlossenen Kaufverträgen die Gemeinschuldnerin, nicht dagegen die H. Heizkraftwerk GmbH
forderungsberechtigt gewesen sei, dem Geschäftsführer S.
die dort getrof-
fenen Zahlungsmodalitäten bekannt gewesen und zwei der Schecks im Anschluß an die Vertragsverhandlungen ausgehändigt worden seien. Die Beklagte habe zur Erfüllung der ihr aus den Verträgen obliegenden Kaufpreiszahlungspflicht die Zahlungsweise des Verrechnungsschecks gewählt und damit auch das dieser innewohnende Risiko übernommen, daß die Gefahr einer
unberechtigten Einlösung auf die Gemeinschuldnerin erst nach Zugang der
jeweiligen Schecks aufgrund wirksam getroffener Scheckzahlungsabrede übergehe. Da die Zahlungen nach den auf den Schecks getroffenen Empfängerbezeichnungen für die H. Heizkraftwerk GmbH und nicht für die Gemeinschuldnerin bestimmt gewesen seien und auch die sonstigen Umstände nicht mit ausreichender Sicherheit ergäben, daß der Geschäftsführer S.
als Vertreter der
Gemeinschuldnerin gemeint gewesen sei, müsse angenommen werden, daß
die Zahlungen an die H. Heizkraftwerk GmbH geleistet worden seien. Fehle es
damit bereits an einem Angebot der Beklagten gegenüber der Gemeinschuldnerin auf Abschluß eines Scheckbegebungsvertrages, so habe ein solcher zwischen beiden und damit ein Übergang der Verlustgefahr unabhängig davon
nicht zustande kommen können, ob der Geschäftsführer S.
aus Sicht der
Beklagten in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin
gehandelt habe.
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Die von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung greife ebenfalls nicht
durch, da ihr ein Schadensersatzanspruch gegen die Gemeinschuldnerin nicht
zustehe.
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung in einem
wesentlichen Punkt nicht stand.
1. Soweit das Berufungsgericht die Kaufverträge vom 29. Mai 1996 dahin ausgelegt hat, daß die Gemeinschuldnerin aus diesen Verträgen (allein)
forderungsberechtigt ist, rügt die Revision allerdings vergeblich, die tatrichterliche Auslegung der individual-rechtlich vereinbarten Zahlungsregelung sei unvollständig, weil die gleichwertige Möglichkeit außer Betracht gelassen worden
sei, daß die Gemeinschuldnerin auch - also neben der Verkäuferin H. GmbH ein Forderungsrecht erworben habe. Diese Deutung findet keine Stütze im
Vertragsinhalt. Die Revision vermag auch keinen übergangenen Vortrag bei
der Auslegung aufzuzeigen. Die Beklagte ist vielmehr in den Tatsacheninstanzen selbst immer davon ausgegangen, daß sie an die Gemeinschuldnerin habe
zahlen wollen und daß S.
bei der Entgegennahme der Schecks ausdrück-
lich als Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin aufgetreten sei.
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision jedoch gegen die Annahme des
Berufungsgerichts, der Beklagten stehe gegenüber dem restlichen Kaufpreisanspruch in Höhe von 455.487,94 DM die Einrede der Scheckhingabe gemäß
§§ 273 Abs. 1, 270 Abs. 1 BGB analog nicht zu.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt die Scheckzahlungsabrede dem Scheckaussteller das Recht, die Bezahlung der Kausalforderung bis zur Rückgabe des unversehrten, insbesondere unbezahlten, erfüllungshalber hingegebenen Schecks zu verweigern (BGH, Beschluß vom
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16. April 1996 - XI ZR 222/95, WM 1996, 1037 f m.w.Nachw.). Hieraus ergibt
sich ein ständiges Leistungsverweigerungsrecht des Scheckausstellers für den
Fall, daß die Verlustgefahr des Schecks entsprechend der getroffenen Scheckzahlungsabrede auf den Schecknehmer übergegangen ist und dieser den
Scheck nicht unbezahlt zurückgeben kann, weil der Scheck von der bezogenen
Bank inzwischen eingelöst worden ist.
b) Wie die Revision zu Recht rügt, fehlt es im Streitfall nicht an einem
Scheckbegebungsvertrag zwischen der Gemeinschuldnerin und der Beklagten.
Bei seinem gegenteiligen Verständnis läßt das Berufungsgericht die für die
Feststellung des Parteiwillens maßgebliche eindeutige Interessenlage der
Parteien sowie den mit der Hingabe der Schecks verfolgten Zweck außer acht.
aa) Bei der Auslegung des Scheckbegebungsvertrages gilt die allgemeine Regel, daß unter Berücksichtigung aller auch außerhalb der Scheckurkunde
liegenden Umstände der Inhalt der Parteierklärungen zu ermitteln ist (BGH,
Urteil vom 28. Januar 1992 - XI ZR 149/91, WM 1992, 567 unter II 2; BGH,
Urteil vom 23. Oktober 1990 - XI ZR 113/89, NJW-RR 1991, 229 unter II 1; zum
Wechselbegebungsvertrag BGHZ 64, 11, 14 ff; siehe auch Baumbach/
Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz, 21. Aufl., Einleitung WG
Rdnr. 58; Einleitung SchG Rdnr. 16).
bb) Wenn nach der rechtsfehlerfreien und danach bindenden Auslegung
des Berufungsgerichts allein die Gemeinschuldnerin und nicht (auch) die Verkäuferin H. Heizkraftwerk GmbH Gläubigerin des Kaufpreisanspruchs sein
sollte, konnte die Hingabe der Schecks an den Geschäftsführer S.
, der so-
wohl die H. Heizkraftwerk GmbH wie auch die Gemeinschuldnerin bei dem
Vertragsabschluß vertreten hatte, auch aus dessen - maßgeblicher - Sicht
sinnvollerweise nur dahin verstanden werden, daß die Beklagte damit ihre
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Kaufpreisverpflichtungen gegenüber der Gemeinschuldnerin erfüllen wollte;
zum Abschluß eines Scheckbegebungsvertrages mit der H. Heizkraftwerk
GmbH, der keinerlei Forderungen gegenüber der Beklagten zustanden, bestand kein Anlaß. Zudem war durch die Quittungsbelege jeweils klargestellt,
daß sich die Zahlungen auf die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Kaufverträge vom 29. Mai 1996 bezogen. Dem Umstand, daß auf sämtlichen Verrechnungsschecks jeweils von der Beklagten die H. Heizkraftwerk GmbH als
Schecknehmerin angegeben worden war, kann demgegenüber keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden.
Im übrigen hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, im Adreßfeld
der Schecks sei jeweils die H. Heizkraftwerk GmbH deshalb aufgeführt worden, weil die Schecks in der Buchhaltung der Beklagten ausgefertigt worden
seien und Verkäuferin die H. Heizkraftwerk GmbH gewesen sei.
cc) Bei Berücksichtigung der erkennbaren Interessenlage der Beklagten
sowie des mit der Hingabe der Verrechnungsschecks verfolgten Zwecks ist
daher davon auszugehen, daß die Beklagte, die sich mit einer Zahlung des
Kaufpreises an die Gemeinschuldnerin anstelle einer solchen an die verkaufende H. Heizkraftwerk GmbH einverstanden erklärt hatte, durch die Übergabe
der Schecks ihre Kaufpreisschuld erfüllen wollte. Damit sind aber, wie bereits
das Landgericht zutreffend angenommen hat, entsprechende Scheckbegebungsverträge zwischen der Beklagten und der Gemeinschuldnerin zustande
gekommen.
dd) Dieser Feststellung steht auch nicht entgegen, daß der Kläger unter
Beweisantritt vorgetragen hat, der Geschäftsführer S.
sei bei Entgegen-
nahme der Schecks - und damit bei Annahme des Vertragsangebots der Beklagten - nicht für die Gemeinschuldnerin, sondern für die H. Heizkraftwerk
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GmbH aufgetreten, was auch seinem Willen entsprochen habe. Ist - wie hier ungewiß, in wessen Namen der Vertreter den Vertrag geschlossen hat, so ist in
entsprechender Anwendung des § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB die Willenserklärung
des Vertreters gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung aller Umstände
auszulegen (BGH, Urteil vom 17. Dezember 1987 - VII ZR 299/86, NJW-RR
1988, 475 unter 1 a; Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., § 164 Rdnr. 14, jew. m.w.Nachw.). Für die Auslegung der mit der
Entgegennahme der Schecks - konkludent abgegebenen - Willenserklärung
auf Abschluß von Scheckbegebungsverträgen ist entscheidend, wie die Beklagte diese Erklärungen nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung
der Verkehrssitte verstehen mußte; der innere Wille ist nicht maßgebend
(BGHZ 36, 30, 33; 47, 75, 78; BGH, Urteil vom 5. Juli 1990 - IX ZR 10/90, NJW
1990, 3206 unter II 2 a = BGHR BGB § 133 Wille 7, jew.m.w.Nachw.). Der Kläger hat jedoch keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich für die Beklagte
der Wille des Geschäftsführers S.
ergab, bei Entgegennahme der Schecks
für die H. Heizkraftwerk GmbH zu handeln. Der Kläger führt vielmehr allein
verschiedene Indizien auf, die nach seiner Ansicht auf ein Handeln des Geschäftsführers für die H. Heizkraftwerk GmbH hindeuten. Diese Indizien, wie
die Bezeichnung der H. Heizkraftwerk GmbH als Schecknehmerin sowie die
Entgegennahme der Schecks durch den Geschäftsführer S.
, der zugleich
Vertreter der H. Heizkraftwerk GmbH war, rechtfertigen jedoch, wie zuvor dargestellt, den vom Kläger daraus gezogenen Schluß nicht. Soweit der Kläger
weiter auf die Einlösung der Schecks auf Konten der H. Heizkraftwerk GmbH
hinweist, kann hieraus für einen bei Entgegennahme der Schecks bestehenden
- für die Beklagte erkennbaren - Willen S.
nichts entnommen werden.
d) Ist aber durch die Übergabe der Verrechnungsschecks an den Geschäftsführer S.
die Verlustgefahr auf die Gemeinschuldnerin in entspre-
- 10 -
chender Anwendung von § 270 Abs. 1 BGB übergegangen, steht dem geltend
gemachten Restkaufpreisanspruch die Einrede der Scheckhingabe entgegen
(BGH, Beschluß vom 16. April 1996 aaO).
3. Auf die Revision der Beklagten war daher unter Aufhebung des Berufungsurteils das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Dr. Deppert
Dr. Hübsch
Dr. Leimert
Ball
Dr. Wolst