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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZR 84/11
vom
13. September 2011
in dem Rechtsstreit
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. September 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin
Dr. Milger, den Richter Dr. Schneider und die Richterin Dr. Fetzer
beschlossen:
Der Senat beabsichtigt, die vom Berufungsgericht zugelassene
Revision der Klägerin durch einstimmigen Beschluss nach § 552a
ZPO zurückzuweisen. Soweit sich das Rechtsmittel gegen die von
der Rechtsvorgängerin der Klägerin ausgesprochene Kündigung
vom 15. April 2009 richtet, beabsichtigt der Senat, die Revision als
unzulässig zu verwerfen.
Gründe:
1
1. Die Revision ist vom Berufungsgericht nur hinsichtlich der von der
Klägerin ausgesprochenen Kündigung vom 20. März 2010, nicht dagegen im
Hinblick auf die von ihrer Rechtsvorgängerin am 15. April 2009 erklärte Kündigung zugelassen worden. Sie ist daher insoweit als unzulässig zu verwerfen
(§ 552 Abs. 1, 2 ZPO).
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a) Eine beschränkte Revisionszulassung liegt bereits dann vor, wenn die
Rechtsfrage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen
hat, nur für einen selbständig anfechtbaren Teil des Streitgegenstands erheblich ist, weil dann in der Angabe dieses Zulassungsgrundes regelmäßig die eindeutige Beschränkung der Zulassung der Revision auf diesen Anspruch zu sehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 - VIII ZR 129/09, NJW 2010, 2879
Rn. 15 mwN). So liegen die Dinge hier. Das Berufungsgericht hat die Revision
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auf die Frage beschränkt zugelassen, ob im Falle eines dem Vermieter gehörenden Mehrfamilienhauses für das Vorliegen erheblicher Nachteile im Sinne
des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB auf die wirtschaftliche Verwertung des gesamten
Grundstücks oder nur auf die Verwertung der betroffenen Wohnung abzustellen
ist. Die vom Berufungsgericht für klärungsbedürftig erachtete Rechtsfrage stellt
sich bei der von der Rechtsvorgängerin der Klägerin ausgesprochenen Kündigung nicht, weil diese schon aus anderen Gründen unwirksam ist.
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b) Die damit vorgenommene Beschränkung der Revisionszulassung ist
auch wirksam, denn der auf die Kündigung der Klägerin vom 20. März 2010
gestützte Räumungsanspruch bildet einen abgrenzbaren, rechtlich selbständigen Teil des Streitstoffs, der in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden kann und auf den die Klägerin ihre Revision hätte beschränken können (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13. Juli
2010 - VIII ZR 129/09, aaO Rn. 17 mwN).
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2. Soweit hinsichtlich der von der Klägerin selbst ausgesprochenen Kündigung der Zugang zur Revisionsinstanz eröffnet ist, besteht ein Grund für die
Zulassung der Revision nicht.
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a) Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision damit begründet, dass sich der Bundesgerichtshof noch nicht mit der Frage befasst habe, ob
für das Vorliegen eines erheblichen Nachteils im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3
BGB bei einem dem Vermieter gehörenden Mehrfamilienhaus die gesamten
Grundstücksverhältnisse entscheidend seien oder ob auch die Verhinderung
einer sich nur auf einzelne Wohnungen beziehenden Verwertungsabsicht mit
entsprechenden Nachteilen verbunden sein könne. Anders als die Revision
meint, beruht die Zulassung daher nicht auf der ein anderes Tatbestandsmerkmal des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB betreffenden und im Streitfall nicht entschei-
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dungserheblich gewordenen Rechtsfrage, ob ein Vermieter an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung seines Grundstücks schon dann gehindert
ist, wenn die geplante Verwertungsmaßnahme nur einen Teil des Grundstücks
betrifft (zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen vgl. etwa Staudinger/Rolfs,
BGB, Neubearb. 2011, § 573 Rn. 149 einerseits und Rn. 166 ff. anderseits).
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b) Die vom Berufungsgericht angestellte Erwägung trägt keinen der im
Gesetz genannten Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache hat
weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert.
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aa) Ob die Verhinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks für den Vermieter mit erheblichen Nachteilen im Sinne
des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB verbunden ist, hängt - wie das Berufungsgericht in
Anlehnung an die Rechtsprechung des Senats zutreffend ausgeführt hat - von
den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab und entzieht sich einer allgemeinen Betrachtung (vgl. Senatsurteile vom 28. Januar 2009 - VIII ZR
8/08, BGHZ 179, 289 Rn. 15; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 155/10, NJW 2011,
1135 Rn. 19; jeweils mwN).
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bb) Der vorliegende Fall bietet auch keine Veranlassung, höchstrichterliche Leitsätze aufzustellen. Für die Entwicklung solcher Leitsätze zur Fortbildung des Rechts besteht nur dann ein Bedürfnis, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an
einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (st. Rspr.;
vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288,
292 mwN). Die Beantwortung der im Streitfall aufgeworfenen Rechtsfrage hängt
weitgehend von der dem Tatrichter übertragenen Würdigung der betreffenden
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Einzelfallumstände ab. Den rechtlichen Rahmen für die nach § 573 Abs. 2 Nr. 3
BGB vorzunehmende Abwägung zwischen dem Bestandsinteresse des Mieters
und dem Verwertungsinteresse des Vermieters hat der Senat in seinen Entscheidungen vom 28. Januar 2009 (VIII ZR 8/08, aaO Rn. 14 ff., vom 9. Februar
2011 (VIII ZR 155/10, aaO) und vom 8. Juni 2011 (VIII ZR 226/09, WuM 2011,
426 Rn. 11 f.) abgesteckt.
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cc) An diesen Grundsätzen hat sich das Berufungsgericht orientiert, so
dass auch unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts gefordert ist.
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3. Der Rechtsstreit ist auch in der Sache richtig entschieden worden. Die
dem Tatrichter obliegende Beurteilung, ob dem Eigentümer durch den Fortbestand des Mietvertrags ein erheblicher Nachteil im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3
BGB entsteht, kann vom Revisionsgericht nur eingeschränkt darauf überprüft
werden, ob das Berufungsgericht die Wertungsgrenzen erkannt, die tatsächliche Wertungsgrundlage ausgeschöpft und die Denk- und Erfahrungssätze beachtet hat (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsurteile vom 28. Januar 2009 - VIII ZR
8/08, aaO Rn. 15; vom 9. Februar 2011 - VIII ZR 155/10, aaO; vom 8. Juni 2011
- VIII ZR 226/09, aaO Rn. 12). Einen dem Berufungsgericht in dieser Hinsicht
unterlaufenen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Das Berufungsgericht
hat die für die Abwägung bedeutsamen Umstände umfassend und zutreffend
gewürdigt.
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4. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen
ab Zustellung dieses Beschlusses.
Ball
Dr. Frellesen
Dr. Schneider
Dr. Milger
Dr. Fetzer
Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.
Vorinstanzen:
AG Berlin-Charlottenburg, Entscheidung vom 15.07.2010 - 214 C 78/10 LG Berlin, Entscheidung vom 01.02.2011 - 65 S 298/10 -