You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.
 
 

172 lines
10 KiB

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 11/03
Verkündet am:
16. Juli 2003
Potsch,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
BGHZ:
ja
nein
BGB § 572 a.F.
BGB § 566a i.d.F.d. Mietrechtsreformgesetzes vom 19. Juni 2001
Der Zwangsverwalter einer Mietwohnung ist dem Mieter gegenüber, wenn die sonstigen Voraussetzungen gegeben sind, zur Herausgabe einer von diesem geleisteten
Kaution verpflichtet, selbst wenn der Vermieter dem Zwangsverwalter die Kaution
nicht ausgefolgt hat. Dies gilt auch dann, wenn für die Verpflichtungen des Zwangsverwalters die Vorschriften des Mietrechtsreformgesetzes vom 19. Juni 2001 noch
nicht heranzuziehen sind.
BGH, Urteil vom 16. Juli 2003 - VIII ZR 11/03 - LG Dessau
AG Wittenberg
-2-
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter
Dr. Hübsch, Wiechers, Dr. Wolst und Dr. Frellesen
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer
des Landgerichts Dessau vom 13. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Herausgabe der von den Klägern an ihren
vormaligen Vermieter geleisteten Kaution. Die Kläger waren aufgrund eines im
Jahre 1997 geschlossenen Vertrages Mieter eines Reihenhauses in H.
. In
Erfüllung ihrer dabei übernommenen Pflicht zahlten sie 2.180 DM (= 1.114,62
Kaution an den Vermieter und Eigentümer. Der Beklagte übernahm das Grundstück durch Beschlagnahme vom 15. Juni 1999 als Zwangsverwalter. Die geleistete Kaution wurde nicht an ihn ausgekehrt. Nach Beendigung des Mietverhältnisses zum 31. Oktober 2001 verlangten die Kläger vergeblich vom
Zwangsverwalter die Rückzahlung der Kaution.
-3-
Das Amtsgericht hat die Klage auf Zahlung des zur Sicherheit von den
Klägern geleisteten Betrages zurückgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat
das Landgericht den Beklagten zur Zahlung des begehrten Betrages nebst Zinsen verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der
Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Der Beklagte sei als Zwangsverwalter gemäß § 550 b BGB a.F., § 152
Abs. 2 ZVG in den bestehenden Mietvertrag eingetreten, so daß ihn die Rückzahlungsverpflichtung bezüglich der an den Vermieter geleisteten Kautionssumme als mietvertragliche Erfüllungspflicht treffe.
Aus § 572 BGB a.F. ergebe sich nichts anderes. Zwar sehe § 572 Satz 2
BGB a.F. eine Überwälzung der Rückzahlungsverpflichtung auf den Erwerber
eines vermieteten Grundstücks nur dann vor, wenn diesem die Sicherheitsleistung vom (ursprünglichen) Vermieter ausgehändigt worden sei. Entgegen der
Ansicht des Amtsgerichts könne die Vorschrift jedoch weder unmittelbar noch
entsprechend auf den Fall angewendet werden, in welchem nicht der Erwerber,
sondern, wie hier, der Zwangsverwalter in Anspruch genommen werde. Eine
direkte Anwendung von § 572 Satz 2 BGB a.F. scheitere daran, daß § 146 ZVG
für die Anordnung der Zwangsverwaltung lediglich auf die Vorschriften der
§§ 15 bis 27 ZVG über die Anordnung der Zwangsversteigerung verweise. Da-
-4-
mit werde nicht auf § 57 ZVG Bezug genommen, der seinerseits erst § 572
BGB a.F. für anwendbar erkläre. Eine entsprechende Anwendung von § 572
Satz 2 BGB a.F. scheide aus, weil keine dem Vermieterwechsel durch Grundstückskauf vergleichbare Situation vorliege, die eine Analogie rechtfertigen
könnte.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand. Es kann
dahingestellt bleiben, ob die Frage einer Verpflichtung des Zwangsverwalters
von Wohnraum zur Rückzahlung eines Kautionsbetrages, der ihm von dem
Vermieter nicht ausgehändigt worden ist, schon nach der durch das Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1149) für die Zeit ab 1. September
2001 geschaffenen neuen Rechtslage oder noch nach den früheren Vorschriften zu beurteilen ist. Das Berufungsgericht hat das Mietrecht in seiner alten
Fassung angewandt und eine entsprechende Heranziehung des § 572 Satz 2
BGB, der einer Rückzahlungspflicht des Zwangsverwalters entgegenstünde, zu
Recht verneint. Da bei einer Analogie zu § 566 a BGB, der Nachfolgebestimmung zu § 572 BGB a.F., nunmehr eine Erstattungspflicht des Zwangsverwalters gegeben ist (vgl. Gather in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Aufl., § 566 a
Rdnr. 20), auch wenn der Vermieter den Kautionsbetrag einbehalten hatte,
kommt es nicht darauf an, ob bei einem Eigentumswechsel vor dem
1. September 2001 - dementsprechend bei einer vor diesem Zeitpunkt angeordneten Zwangsverwaltung - das Mietrecht in seiner früheren oder in der neuen Fassung gilt (vgl. hierzu Palandt/Weidenkaff, BGB, 62. Aufl., § 566 a Rdnr. 1
m.w.Nachw.; Gather aaO § 566 a Rdnr. 4).
-5-
1. Die Revision nimmt die zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts dazu hin, daß eine direkte Anwendung des § 572 Satz 2 BGB a.F. über
§ 146 Abs. 1 ZVG ausscheidet. Sie meint aber, § 572 Satz 2 BGB a.F. sei analog anzuwenden. Deshalb sei der Zwangsverwalter nur dann verpflichtet, eine
vom Mieter an den Vermieter gezahlte Kaution nach Fälligkeit (zurück) zu bezahlen, wenn der Vermieter ihm die Sicherheitsleistung ausgehändigt oder der
Zwangsverwalter gegenüber dem Vermieter die Verpflichtung zur Rückgewähr
übernommen habe. Im Streitfall sei beides nicht geschehen. Der Zwangsverwalter schulde den Klägern daher nicht die Zahlung des entsprechenden Betrages.
Die Berechtigung einer solchen Analogie ist in der Rechtsprechung und
im Schrifttum umstritten (für eine Analogie z.B.: LG Mannheim NZM 2000, 656;
LG Berlin NJW 1978, 1633; MünchKomm-BGB/Voelskow, 3. Aufl. 1995, 572
Rdnr. 9; ablehnend dagegen: OLG Hamburg NJW-RR 2002, 878; Sternel, Mietrecht, 3. Aufl. 1988, III Rdnr. 239; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 7. Aufl.
1999, § 572 BGB Rdnr. 3; Belz in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und
Wohnraummiete, 3. Aufl. 1999, Kap. VII Rdnr. 152, Gather in: Schmidt-Futterer,
Mietrecht, 7. Aufl. 1999, § 572 BGB Rdnr. 20; Blank/Börstinghaus, Miete, § 572
Rdnr. 26; offengelassen Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-,
Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rdnr. 1535). Jedenfalls für die Vertragsverhältnisse über Wohnraummiete ist § 572 Satz 2 BGB a.F. nicht heranzuziehen.
Gegen eine analoge Anwendung von § 572 Satz 2 BGB a.F. spricht, daß durch
die Beschlagnahme nach § 148 Abs. 2 ZVG, anders als bei der Zwangsversteigerung, kein Eigentumswechsel und kein Rechtsübergang stattfindet, sondern
dem Eigentümer lediglich die Verwaltung und Benutzung des Grundstücks entzogen wird. Der Zwangsverwalter handelt zwar im eigenen Namen, aber doch
für Rechnung des Schuldners/Vermieters und hat dessen Rechte wahrzunehmen und Verpflichtungen zu erfüllen.
-6-
2. Scheidet eine analoge Anwendung von § 572 Satz 2 BGB a.F. aus,
hat der Beklagte als Zwangsverwalter im Rahmen des § 152 Abs. 2 ZVG durch
die Beschlagnahme die Verwaltung bezüglich der in dem Mietvertrag zwischen
dem Eigentümer und dem Kläger begründeten Rechte und Pflichten übernommen. Die Verwaltungs- und Erfüllungspflicht des Zwangsverwalters schließt die
Kautionsabrede als Bestandteil des Mietverhältnisses daher ein (vgl. Senat,
Urteil vom 26. März 2003 - VIII ZR 333/02, WuM 2003, 390 f. zur Rückzahlung
nicht verbrauchter Nebenkosten).
a) Soweit dem Urteil des Senats vom 20. September 1978 - VIII ZR 2/78,
WuM 1978, 1326 unter 2 a) aa) zu entnehmen ist, § 152 Abs. 2 ZVG erfasse
die mietvertragliche Kautionsabrede nicht, wird daran nicht mehr festgehalten.
Der Senat ist auch im Hinblick auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom
24. März 1999 - XII ZR 124/97, BGHZ 141, 160 ff. nicht gehalten, das Verfahren
nach § 132 Abs. 2, 3 GVG einzuleiten. Die Entscheidung des XII. Zivilsenats
des Bundesgerichtshofs äußert sich (aaO S. 166) zum Eintritt des Erwerbers in
den Mietvertrag nach § 571 Abs. 1 BGB a.F. und damit zur Reichweite der Vertragsübernahme sowie zum Umfang der von ihm zu übernehmenden Pflichten;
die Entscheidung beruht auf der Anwendung der Vorschriften der §§ 571, 572
BGB a.F., die gemäß § 57 ZVG unmittelbar zwar für den Erwerb in der
Zwangsversteigerung, nicht aber für die Übernahme der Verwaltung durch den
Zwangsverwalter heranzuziehen sind. Wie dargetan, hat der Senat im Streitfall
über den Umfang der nach § 152 Abs. 2 ZVG auf von dem Zwangsverwalter zu
übernehmenden Pflichten im Rahmen der ihm obliegenden Verwaltung des
Grundstücks des Schuldners zu entscheiden.
b) Dadurch, daß die Pflichten aus der Kautionsabrede in die Erfüllungspflichten des Zwangsverwalters einbezogen und diese nicht auf die mit der Gebrauchsgewährungspflicht unmittelbar zusammenhängenden Pflichten begrenzt
-7-
werden, wird allerdings der Mieter den anderen Gläubigern des Vermieters gegenüber begünstigt (Wolf/Eckert/Ball aaO), die aus dem verwalteten Vermögen
Befriedigung suchen können. Hat der Vermieter dem Zwangsverwalter die Kautionssumme nicht ausgehändigt, wird die Haftungsmasse, die den anderen
Gläubigern zur Verfügung steht, geschmälert. Dies ist aber wegen des einer
Treuhand ähnlichen Verhältnisses zwischen Mieter und Vermieter im Hinblick
auf die Gewährung der Kaution gerechtfertigt und vom Gesetzgeber gewollt
(OLG Hamburg aaO; a.A. LG Köln NJW-RR 1991, 80).
3. Wie dargetan, hat der Beklagte bei einer Heranziehung der Vorschrift
des § 566 a BGB, die an die Stelle des § 572 BGB a.F. getreten ist, den Kautionsbetrag ebenfalls zu erstatten, obwohl ihm der Vermieter diese Summe nicht
ausgehändigt hat. Der Gesetzgeber hat für den Bereich der Wohnraummiete
durch das Mietrechtsreformgesetz vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1149) in
§ 566a Satz 2 BGB jetzt die Interessen des Mieters vorrangig berücksichtigt.
Nach dieser Vorschrift tritt der Erwerber eines Grundstücks in die Rückgabepflicht einer vom Wohnraummieter hingegebenen Kaution ein ohne Rücksicht
darauf, ob ihm die Kaution ausgefolgt worden ist; dasselbe gilt gemäß § 57
ZVG nunmehr für die Zwangsversteigerung. Im Falle der Zwangsverwaltung ist
-8-
daher nicht anders zu entscheiden, wenn bereits die Vorschriften des Mietrechtsreformgesetzes vom 19. Juni 2001 anzuwenden sind (Gather aaO
§ 566 a Rdnr. 20).
Dr. Deppert
Dr. Hübsch
Dr. Wolst
Wiechers
Dr. Frellesen