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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 301/03
Verkündet am:
25. Mai 2005
Potsch,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 51 Abs. 1, ZVG §§ 152 Abs. 2, 161
Ein Zwangsverwalter, der auf Rückgabe einer Mietsicherheit klageweise in Anspruch
genommen wird, ist zur Führung des Prozesses jedenfalls dann nicht mehr befugt,
wenn die Zwangsverwaltung vor Rechtshängigkeit der Streitsache aufgehoben worden ist. In diesem Fall ist die Klage mangels Prozeßführungsbefugnis des als
Zwangsverwalter in Anspruch genommenen Beklagten als unzulässig abzuweisen.
BGH, Urteil vom 25. Mai 2005 - VIII ZR 301/03 - LG Berlin
AG Schöneberg
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. März 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter
Ball, Dr. Leimert, Wiechers und Dr. Wolst
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der Zivilkammer 65 des
Landgerichts Berlin vom 12. August 2003 wird mit der Maßgabe
zurückgewiesen, daß die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten als Zwangsverwalter die Rückzahlung einer Mietkaution sowie Auskunft über die angefallenen Zinsen der
Kaution.
Mit Mietvertrag vom 6. Februar 1998 mietete die Klägerin von der Firma
C.
GmbH B.
, K.
straße
eine Wohnung in B.
. Zu Beginn des Mietverhältnisses zahlte die Klägerin an
die Vermieterin eine Kaution in Höhe von 1.370 DM (= 700,47 €).
Mit Beschluß des Amtsgerichts Schöneberg vom 4. August 2000 wurde
die Zwangsverwaltung für die vermietete Wohnung angeordnet, und der Beklagte wurde zum Zwangsverwalter bestellt. Die von der Klägerin gestellte Miet-
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kaution übergab die Vermieterin dem Beklagten nicht. Zum 31. Oktober 2001
kündigte die Klägerin das Mietverhältnis.
Das Amtsgericht hat die Klage auf Rückzahlung der Kaution und auf
Auskunft abgewiesen, das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung
zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt
die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. In der Revisionsinstanz hat der Beklagte
erstmals - unwidersprochen - vorgetragen, daß das Zwangsverwaltungsverfahren bereits vor Zustellung der Klage mit Beschluß des Amtsgerichts Schöneberg vom 4. November 2002 aufgehoben worden ist, da im Zwangsversteigerungsverfahren rechtskräftig der Zuschlag erteilt worden war.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rückzahlung der Kaution gegen
den Beklagten. Eine Einstandspflicht des Zwangsverwalters, der die Kaution
vom Vermieter nicht erhalten habe, lasse sich weder aus § 572 Satz 2 BGB a.F.
noch aus § 152 Abs. 2 ZVG herleiten. Aus letzterer Vorschrift ergebe sich nur
die Verpflichtung des Zwangsverwalters, das Mietverhältnis fortzusetzen, nicht
jedoch auch die Pflicht, sämtliche Zahlungen des Mieters an den Vermieter zu
berücksichtigen. Dies folge bereits aus §§ 392, 1125, 1124 BGB. Ein Anspruch
des Mieters gegen den Zwangsverwalter lasse sich auch nicht mit einem Treuhandverhältnis zwischen Mieter und Vermieter, das aufgrund der Zahlung der
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Kaution entstanden sei, begründen. Da ein Anspruch auf Rückzahlung gegen
den Zwangsverwalter nicht bestehe, sei auch der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht begründet.
II.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es auf die Ausführungen
des Berufungsgerichts zur Begründetheit der Klage nicht an. Die Klage ist als
unzulässig abzuweisen, weil die nach § 51 Abs. 1 ZPO erforderliche Prozeßführungsbefugnis des Beklagten nicht gegeben ist; dem steht das Verschlechterungsverbot nicht entgegen (BGHZ 145, 316, 331; Senatsurteil vom 22. Januar
1997 - VIII ZR 339/95, WM 1997, 1713 unter II, 3).
1. Das Berufungsgericht ist zu Recht als selbstverständlich davon ausgegangen, daß ein Zwangsverwalter im Rahmen seiner Befugnisse aus § 152
Abs. 1 ZVG als gesetzlicher Prozeßstandschafter des Zwangsverwaltungsschuldners in eigenem Namen die materiellen Rechte des Schuldners geltend
machen und im Interesse des von ihm verwalteten Teils des Schuldnervermögens Prozesse führen kann. Dem entspricht es, daß Ansprüche, die das von
ihm verwaltete Vermögen des Schuldners betreffen, gegen ihn zu richten und
gegebenenfalls im Klagewege durchzusetzen sind. Bei der gesetzlichen Prozeßführungsbefugnis handelt es sich um eine Prozeßvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen
zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1992 - XII ZR 125/91, NJW-RR
1993, 442 unter 1; Urteil vom 24. September 1996 - XI ZR 185/94, WM 1996,
2247 unter I 1 b m.w.Nachw.). In Abweichung von § 559 Abs. 1 ZPO hat das
Revisionsgericht selbständig festzustellen, ob die Voraussetzungen für eine
Prozeßstandschaft erfüllt sind (Senat, Urteil vom 10. November 1999 - VIII ZR
78/98, NJW 2000, 738 unter II 2). Dabei sind auch in der Revision neu vorge-
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tragene Tatsachen zu berücksichtigen (BGHZ 100, 217, 219). Nach dem Vorbringen des Beklagten in der Revisionserwiderung hat das Amtsgericht Schöneberg das Zwangsverwaltungsverfahren mit Beschluß vom 4. November 2002
aufgehoben, da im Zwangsversteigerungsverfahren rechtskräftig der Zuschlag
erteilt worden war. Dies hat die Klägerin nicht bestritten. Das Zwangsverwaltungsverfahren ist damit nach Anhängigkeit der Klage, die am 30. September
2002 durch Einreichung der Klageschrift bei Gericht eingetreten ist, aber vor
deren Zustellung an den Beklagten am 27. Dezember 2002 aufgehoben worden.
2. Grundsätzlich müssen die Tatsachen, aus denen sich eine Prozeßstandschaft ergibt, spätestens zur Zeit der letzten mündlichen Verhandlung in
der Tatsacheninstanz vorgelegen haben (Senatsurteil vom 10. November 1999,
aaO unter II, 2 für die gewillkürte Prozeßstandschaft). Das ist hier nicht der Fall.
Die Prozeßführungsbefugnis des beklagten Zwangsverwalters ist jedenfalls zu
diesem Zeitpunkt entfallen, weil sie aufgrund einer Zwangsversteigerung des
beschlagnahmten Grundstücks wieder aufgehoben worden ist. Mit dem Wirksamwerden des Aufhebungsbeschlusses verliert der Zwangsverwalter seine
ihm kraft hoheitlichen Amtes übertragenen Befugnisse. Zwar hat er die vorangegangene Verwaltung noch abzuwickeln, die Schlußrechnung zu erstellen und
die in seinem Besitz befindlichen Gegenstände an die Berechtigten herauszugeben. Offene Forderungen kann er jedoch weder einziehen noch einklagen,
denn mit dem Erlöschen der Beschlagnahme endet die Befugnis des Vollstrekkungsgerichts und damit auch die des von ihm eingesetzten Zwangsverwalters.
Auf den Erwerber eines Grundstücks in der Zwangsversteigerung geht das Eigentum an diesem Grundstück mit Erteilung des Zuschlags kraft Gesetz über
(§§ 146 Abs. 1, 90 Abs. 1 ZVG). Er kann bei bestehenden Mietverhältnissen
von dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Aufhebung der Beschlagnahme an alle
Rechte als Vermieter wahrnehmen und seine Pflichten aus dem Mietverhältnis
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uneingeschränkt erfüllen. Dies gilt auch für Ansprüche des Mieters, die vom
Zwangsverwalter nicht erfüllt worden sind und die gegen den Erwerber nach
Maßgabe der §§ 566 bis 567 BGB (§§ 571 bis 579 BGB a.F.) in Verbindung mit
§ 57 ZVG gerichtet werden können. Demgegenüber erfordert es die Pflicht des
Zwangsverwalters, nach dem Ende der Zwangsverwaltung seine Geschäfte
ordnungsgemäß abzuwickeln, nicht, ihn in diesen Fällen noch nachwirkend als
Partei kraft Amtes anzusehen. Ebensowenig besteht ein praktisches Bedürfnis,
neben dem Erwerber oder dem Zwangsvollstreckungsschuldner auch den
ehemaligen Zwangsverwalter gerichtlich in Anspruch nehmen zu können.
Ob ein Zwangsverwalter, obwohl er nach allgemeinen Grundsätzen nicht
mehr zur Prozeßführung berechtigt wäre, zur Fortführung bereits rechtshängiger Prozesses befugt ist, wenn die Zwangsverwaltung nach Eintritt der Rechtshängigkeit im Laufe des Prozesses aufgrund einer Zwangsversteigerung des
beschlagnahmten Grundstücks aufgehoben wird, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. für in seiner Amtszeit entstandene Mietrückstände Senat, Beschluß
vom 7. Februar 1990 - VIII ZR 98/89, WM 1990, 742 unter 2 und BGH, Urteil
vom 21. Oktober 1992 aaO; abgelehnt für den Fall der Antragsrücknahme
durch den betreibenden Gläubiger BGHZ 155, 38; vgl. für einen Passivprozeß
KG OLGR 2001, 226). Gleiches gilt für die - sich hier nicht stellende - Frage, ob
ein Zwangsverwalter ausnahmsweise nach Aufhebung der Zwangsverwaltung
noch neue Rechtsstreitigkeiten anhängig machen kann, falls dies zur Abwicklung der Zwangsverwaltung erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar
1954 - VI ZR 257/52 in ZMR 1954, 172 unter 1; BAG, Urteil vom 9. Januar 1980
- 5 A ZR 21/78 in AP § 613 a BGB Nr. 19 unter I 3 b; Mohrbutter/Drischler/Radtke/Tiedemann, Die Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungspraxis, Bd. 2, 7. Aufl., Muster 165 Anm. 4, S. 946; Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 17. Aufl., § 161 Rdnr. 7.1.; enger LG Frankfurt/M., Rpfleger
2000, 30 mit zust. Anm. Haarmeyer; Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen,
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Zwangsverwaltung, 3. Aufl., § 7 ZwVerwV Rdnr. 4, 8; Wrobel KTS 1995, 19, 34
ff.). Jedenfalls dann, wenn die Zwangsverwaltung vor Rechtshängigkeit, wenn
auch möglicherweise nach Anhängigkeit des Verfahrens, aufgehoben ist, können Forderungen, die in bezug auf das Schuldnervermögen erhoben werden,
nicht mehr gegen den Verwalter gerichtlich geltend gemacht werden. Der Versuch eines Zugriffs auf das Schuldnervermögen durch ein gegen den Zwangsverwalter gerichtetes Verfahren setzt zumindest voraus, daß das Verfahren
noch wirksam gegen ihn in seiner Funktion als Amtsträger in Gang gesetzt worden war.
3. Der Umstand, daß der Zeitpunkt der Zustellung des Aufhebungsbeschlusses unklar ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar bringt die Revision zu Recht vor, daß der Beschluß, mit dem die Zwangsverwaltung aufgehoben wird, regelmäßig erst mit der zuletzt erfolgten Zustellung an diejenigen Beteiligten, an die zuzustellen war (§§ 161 Abs. 4, 32 ZVG), wirksam wird (Steiner/Riedel, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 8. Aufl., Bd. III, § 161
Bem. 9/6;
Morvilius,
Zwangsversteigerung/Zwangsverwaltung,
Teil
B,
Rdnr. 244; Wrobel, aaO, S. 35). War der Aufhebungsbeschluß erst nach
Rechtshängigkeit der vorliegenden Klage dem Zwangsverwaltungsschuldner
oder den das Verfahren betreibenden Gläubigern zugestellt worden, so dauerte
das Zwangsverwaltungsverfahren mangels wirksamen Aufhebungsbeschlusses
im Zeitpunkt der Zustellung der Klage an den Beklagten noch an. Ob in diesem
Fall der Beklagte noch als prozeßführungsbefugt anzusehen wäre (vgl. oben zu
II, 2), kann jedoch dahinstehen. Denn vorliegend ist weder aus den Feststellungen des Berufungsgerichts noch aus dem sonstigen Vorbringen der Parteien,
die hierzu im Revisionsverfahren umfassend Stellung genommen haben, ersichtlich, wann die letzte Zustellung des Aufhebungsbeschlusses an die im
Zwangsverwaltungsverfahren Beteiligten erfolgte. Die Beweislast für Tatsachen,
die die Prozeßvoraussetzungen begründen, obliegt aber derjenigen Partei, die
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aus der behaupteten Prozeßvoraussetzung Rechte für sich herleiten will (Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 56 Rdnr. 9). Somit trägt die Klägerin die Beweislast für eine Prozeßführungsbefugnis des Beklagten zur Zeit der Zustellung
der Klage an diesen. Die Klägerin hat jedoch nicht vorgetragen, wann der Aufhebungsbeschluß im Zwangsverwaltungsverfahren den dortigen Beteiligten zugestellt wurde. Angesichts der Tatsache, daß der Aufhebungsbeschluß bereits
am 4. November 2002 erlassen wurde, die Klage dagegen dem Beklagten erst
am 27. Dezember 2002 zugestellt wurde, spricht sogar eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Aufhebungsbeschluß vor Rechtshängigkeit der
Klage zugestellt wurde und damit wirksam geworden ist. Dieser Umstand geht
zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin, so daß eine Prozeßführungsbefugnis
des Beklagten bereits im Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klägerin gefehlt
hat.
4. Da die Klägerin in dem Rechtsstreit unterlegen ist, hat sie gemäß § 91
Abs. 1 ZPO dessen Kosten grundsätzlich zu tragen. Davon ausgenommen sind
die Kosten der Rechtsmittelverfahren, die dem Beklagten zur Last fallen (§ 97
Abs. 2 ZPO).
Entgegen der Ansicht der Klägerin sind dem Beklagten die gesamten
Kosten nicht in sinngemäßer Umkehrung des § 93 ZPO aufzuerlegen. Zwar soll
nach einer teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Ansicht der Beklagte
die Kosten tragen, wenn der Kläger sofort nach dem Zeitpunkt, in dem seine bis
dahin objektiv begründete Klage unbegründet wurde, sein Begehren darauf beschränkt, dem Beklagten die Kosten aufzuerlegen (OLG Frankfurt/M., NJW-RR
1994, 62). Die Berechtigung einer derartigen Analogie kann hier jedoch dahinstehen. Zum einen hat die Klägerin ihr Begehren nicht derart beschränkt. Zum
anderen ist der vorliegende Fall, daß eine Partei im Rechtsmittelverfahren aufgrund neuen Vorbringens obsiegt, ausdrücklich in § 97 Abs. 2 ZPO geregelt.
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Danach fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens der obsiegenden Partei
ganz oder teilweise zu Last, wenn sie aufgrund neuen Vorbringens obsiegt, das
sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war. Als ehemaliger Zwangsverwalter war der Beklagte gehalten, bereits in erster Instanz die
Aufhebung der Zwangsverwaltung vorzutragen und gegebenenfalls näher zu
belegen. Der Beklagte hat auch wegen diesen neuen Vorbringens obsiegt,
denn ohne die Aufhebung der Zwangsverwaltung hätte die Klägerin gegen ihn
als Zwangsverwalter einen Anspruch auf Auszahlung der Kaution (vgl. dazu
Senat, Urteil vom 9. März 2005 - VIII ZR 330/03, zur Veröffentlichung bestimmt)
und einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der angefallenen Zinsen besessen,
so daß die Klage zulässig und begründet gewesen wäre. Die Kosten der
Rechtsmittelverfahren sind deshalb nach § 97 Abs. 2 ZPO dem Beklagten aufzuerlegen.
Dr. Deppert
Ball
Wiechers
Dr. Leimert
Dr. Wolst