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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZB 122/02
vom
25. November 2003
in dem Rechtsstreit
-2-
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. November 2003 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Beyer, Wiechers, Dr.
Wolst und Dr. Frellesen
beschlossen:
Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen
die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der
Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 1. Zivilkammer des
Landgerichts Ingolstadt vom 9. Oktober 2002 gewährt.
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluß der 1.
Zivilkammer des Landgerichts Ingolstadt vom 9. Oktober 2002
aufgehoben.
Gerichtskosten für das Verfahren der Rechtsbeschwerde werden
nicht erhoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die übrigen
Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 180
-3-
Gründe:
I.
Die Klägerin erstritt im März 2002 vor dem Amtsgericht Ingolstadt gegen
die Beklagte ein obsiegendes Urteil. Auf ihren nachfolgenden Antrag hat das
Amtsgericht Ingolstadt die von der Beklagten zu erstattenden Kosten festgesetzt, dabei allerdings die Fahrtkosten ihres Prozeßbevollmächtigten (zunächst
geltend gemacht in Höhe von 260,96
duziert auf 180

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Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen diesen Beschluß hat der
Einzelrichter der 1. Zivilkammer des Landgerichts Ingolstadt mit Entscheidung
vom 9. Oktober 2002 als unbegründet zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Der Beschluß ist der Klägerin am 11. Oktober 2002 mit einer Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden, wonach gegen die Entscheidung (auch) beim
Landgericht Ingolstadt binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung Beschwerde eingelegt werden könne. Mit einem am 25. Oktober 2002 beim Landgericht Ingolstadt per Fax eingegangenen Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten im Verfahren der ersten Instanz (Rechtsanwalt G.
M.
S.
aus
) hat die Klägerin "Rechtsbeschwerde" eingelegt. Das Landgericht In-
golstadt hat daraufhin die Akten dem Bundesgerichtshof, dort eingegangen am
2. Dezember 2002, zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde vorgelegt.
Mit richterlicher Verfügung vom 4. Dezember 2002 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, daß eine Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof wirksam nur durch einen dort zugelassenen Anwalt eingelegt werden kann. Am
10. Dezember 2002 ist sodann eine mit Gründen versehene "Rechtsbeschwer-
-4-
de" durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Anwalt hier eingegangen.
II.
1. Der Klägerin ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die
Versäumung der Frist zur Einlegung (und Begründung) der Rechtsbeschwerde
gegen den Beschluß des Landgerichts Ingolstadt vom 9. Oktober 2002 von
Amts wegen zu gewähren.
a) Die Klägerin hat diese Fristen versäumt. Denn das am 25. Oktober
2002 beim Landgericht Ingolstadt eingegangene Rechtsmittel war schon deswegen nicht wirksam eingelegt, weil das Landgericht nicht Rechtsbeschwerdegericht im Sinne des § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist. Mit der am 10. Dezember
2002 beim Bundesgerichtshof eingegangenen, durch einen hier zugelassenen
Anwalt gefertigten Rechtsbeschwerde ist die Frist des § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO
nicht gewahrt worden.
b) Die Klägerin war ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist
verhindert, § 233 ZPO. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin durch einen
Rechtsanwalt im Prozeß einschließlich des Beschwerdeverfahrens vertreten
war. Auch ein Anwalt darf sich auf die Rechtsmittelbelehrung des Ausgangsgerichts verlassen (BGH, Beschl. vom 23. September 1993 - LwZR 10/92, NJW
1993, 3206 unter III 3).
c) Die Klägerin hat mit der Rechtsbeschwerde vom 10. Dezember 2002
die versäumte Prozeßhandlung rechtzeitig nachgeholt, § 236 Abs. 2 Satz 2
ZPO. Denn erst mit Kenntnisnahme von der hiesigen Verfügung vom
4. Dezember 2002 war das Hindernis im Sinne des § 234 Abs. 2 ZPO behoben.
-5-
2. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Beschwerdegericht.
Wie der Bundesgerichtshof mit Beschluß vom 13. März 2003 (IX ZB
134/02, NJW 2003, 1254, z. Veröff. in BGHZ best.) dargelegt hat, ist die
Rechtsbeschwerde nach einer Zulassung durch den Einzelrichter der Kammer
statthaft, weil auch diese Zulassungsentscheidung durch den Einzelrichter wirksam und daher für das Rechtsbeschwerdegericht bindend ist. Die angefochtene
Einzelrichterentscheidung unterliegt der Aufhebung, weil sie unter Verletzung
des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG)
ergangen ist. Der Einzelrichter durfte nicht selbst entscheiden, sondern hätte
das Verfahren wegen der von ihm bejahten grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der mit drei Richtern besetzten
Kammer übertragen müssen. Wie in der genannten Entscheidung ausgeführt,
ist der erkennende Senat durch § 568 Satz 3 ZPO nicht gehindert, den Verstoß
gegen das Gebot des gesetzlichen Richters zu berücksichtigen. Denn es kann
nicht Sinn dieser Vorschrift sein, eine anderenfalls nur im Wege der Verfassungsbeschwerde mögliche Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht
auszuschließen.
-6-
III.
Wegen der durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Gerichtskosten
macht der Senat von der Möglichkeit des § 8 GKG Gebrauch.
Dr. Deppert
Dr. Beyer
Dr. Wolst
Wiechers
Dr. Deppert
für den wegen Krankheit an der
Unterzeichnung verhinderten
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Frellesen
29. Dezember 2003