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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 179/11
Verkündet am:
11. Oktober 2012
Besirovic,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 635 Abs. 3, § 251 Abs. 2 Satz 1, § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1
a) Der Besteller kann unter den Voraussetzungen von § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB ohne
vorherige Fristsetzung Schadensersatz statt der Leistung für Mängel der Werkleistung
beanspruchen, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung hinsichtlich dieser Mängel gemäß § 635 Abs. 3 BGB zu Recht als unverhältnismäßig verweigert hat.
b) Macht der Besteller werkvertraglichen Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten geltend, entsprechen die für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit dieses
Aufwands nach § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB maßgeblichen Kriterien denen, die bei der gemäß § 635 Abs. 3 BGB gebotenen Prüfung des unverhältnismäßigen Nacherfüllungsaufwands heranzuziehen sind.
BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 179/11 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
-2-
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Oktober 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka sowie
die Richterin Safari Chabestari, den Richter Dr. Eick, den Richter Prof. Leupertz
und den Richter Dr. Kartzke
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 21. Juli 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Widerklage hinsichtlich eines Betrages von 42.923,73 € nebst Zinsen abgewiesen worden
ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Restwerklohn für Heizungsund Sanitärinstallationsarbeiten. Mit der Widerklage beansprucht der Beklagte
mangelbedingten Schadensersatz.
2
Die Klägerin schloss mit dem Beklagten und seiner Mutter im Jahr 2006
einen Vertrag über die Erbringung von Heizungs- und Installationsarbeiten in
-3-
einem Doppelhaus in I. Der Beklagte ist Eigentümer der Doppelhaushälfte 6a;
die Doppelhaushälfte 6 steht im Eigentum der Mutter des Beklagten. Mit der
Klage beansprucht die Klägerin Restwerklohn in Höhe von 6.248,43 € für die in
der Doppelhaushälfte des Beklagten ausgeführten Werkleistungen. Den Restwerklohn für Arbeiten in der Doppelhaushälfte 6 macht sie im Parallelverfahren
VII ZR 180/11 geltend.
3
Der Beklagte hat Mängel der seine Doppelhaushälfte betreffenden Werkleistungen behauptet, die mit einem die Klageforderung übersteigenden Kostenaufwand beseitigt werden müssten und gemeint, die Bezahlung der Restwerklohnforderung, die mangels Abnahme der Werkleistungen ohnehin noch
nicht fällig sei, jedenfalls bis zur Beseitigung der Mängel verweigern zu dürfen.
Das Landgericht hat den Beklagten nach Beweisaufnahme zur Zahlung von
3.928,43 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sowie
zur Zahlung von weiteren 2.500 € Zug um Zug gegen Beseitigung näher bezeichneter Mängel verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels dahin abgeändert, dass der Beklagte 1.078,43 € nebst Zinsen sowie weitere 4.350 € Zug um
Zug gegen Beseitigung von Mängeln zahlen muss. Darüber hinaus hat es vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten zugesprochen. Im Berufungsverfahren
hat der Beklagte Widerklage erhoben, mit der er die zuvor zur Begründung seines mangelbedingten Leistungsverweigerungsrechts geltend gemachten Kosten für die Beseitigung von Mängeln an der Dämmung bzw. der Befestigung der
auf der Bodenplatte verlegten Warm- und Kaltwasserleitungen in Höhe von
43.923,73 € nunmehr im Wege des Schadensersatzes verlangt. Das Berufungsgericht hat die Schadensersatzforderung für nicht gerechtfertigt gehalten,
weil die Klägerin die Mängelbeseitigung wegen des unverhältnismäßig hohen
-4-
Nachbesserungsaufwandes zu Recht verweigert habe und der Beklagte sich
deshalb insoweit auf eine Minderung des Werklohns verweisen lassen müsse.
Hierfür hat es den nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen
wegen der unzureichenden Isolierung der Warmwasserrohre verbleibenden
technischen Minderwert von 1.000 € von der Klageforderung abgezogen; die
Widerklage hat es abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision
wendet sich der Beklagte nur gegen die Aberkennung seiner einen Betrag von
1.000 € übersteigenden Widerklageforderung.
Entscheidungsgründe:
4
Die Revision führt im geltend gemachten Umfang zur Aufhebung des Berufungsurteils und insoweit zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
I.
5
Das Berufungsgericht führt aus, die Werkleistungen der Klägerin seien
mangelhaft, weil sie die Warmwasserleitungen in der Bodenplatte nur mit einer
13 mm starken Dämmung versehen habe, obwohl nach den maßgeblichen
Bestimmungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) die Dämmung eine
Mindeststärke von 20 mm aufweisen müsse. Dass dies dem Beklagten schon
vor Beginn der Dämmarbeiten bewusst gewesen sei und er die von der Klägerin
vorgesehene Ausführung dennoch zugelassen habe, könne insbesondere mit
Rücksicht auf deren Erklärung, stets eine derartige Dämmung zu verwenden,
zwar nicht als Verzicht auf eine vertragsgerechte Erstellung des Werkes
-5-
angesehen werden. Gleichwohl stehe dem Beklagten der mit der Widerklage
geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu, weil die Klägerin gemäß
§ 635 Abs. 3, § 275 Abs. 2 BGB berechtigt gewesen sei, die Nacherfüllung
wegen Unverhältnismäßigkeit zu verweigern. Der Aufwand für die Beseitigung
der in Rede stehenden Mängel stehe in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem
Vorteil, den der Beklagte durch die Nachbesserung erlangen könne. Dessen
Interesse an einer Beseitigung der Mängel sei gering, weil nach den
Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen H. die konkrete Nutzung
des
Gebäudes
durch
die
nicht
fachgerechte
Dämmung
der
Warmwasserleitungen nicht beeinträchtigt sei und der mangelbedingt höhere
Energieverbrauch lediglich zu Mehrkosten von ca. 50 € pro Jahr führe. Dem
stünden erhebliche, unangemessen hohe Nachbesserungskosten von ca.
44.000 € gegenüber. Berücksichtige man vor diesem Hintergrund, dass die
Klägerin den Mangel weder vorsätzlich noch grob fahrlässig verursacht habe
und das Ausmaß des ihr anzulastenden Verschuldens eher gering sei, der
Beklagte seinerseits aus Zeitgründen sehenden Auges eine mangelhafte
Dämmung der Warmwasserrohre hingenommen habe, so führe die Gesamtabwägung der maßgeblichen Umstände dazu, dass die Klägerin berechtigt sei,
die Nacherfüllung wegen Unverhältnismäßigkeit zu verweigern. Der Beklagte
könne lediglich Minderung in Form eines angemessenen Ausgleichs für den
Wertverlust des Werkes verlangen. Maßgeblich sei der verbliebene technische
Minderwert, der auf der Grundlage der hierzu vom Sachverständigen H.
getroffenen Feststellungen mit 1.000 € zu veranschlagen sei. Ein Ausgleich für
merkantilen Minderwert komme nicht in Betracht, weil die Nutzbarkeit des
Gebäudes
nicht
eingeschränkt
Energieverbrauch unwesentlich sei.
und
der
mangelbedingt
höhere
-6-
II.
6
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7
1. Der Entscheidung des Berufungsgerichts liegt die Erwägung
zugrunde, dass der Besteller keinen Schadensersatz statt der Leistung gemäß
§ 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB wegen festgestellter Mängel der
Werkleistungen beanspruchen kann, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung
hinsichtlich dieser Mängel gemäß § 635 Abs. 3 BGB zu Recht verweigert hat.
Stattdessen will es ihn auf eine Minderung des Werklohns in Höhe eines
angemessenen Ausgleichsbetrages für den Wertverlust des Werkes verweisen.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
8
a) Der Anspruch des Bestellers auf Schadensersatz für schuldhaft
verursachte Werkmängel entfällt nicht schon dadurch, dass der Unternehmer zu
Recht gemäß § 635 Abs. 3 BGB einwendet, diese Mängel nicht beseitigen zu
müssen. Er darf gemäß § 635 Abs. 3 BGB die Nacherfüllung verweigern, wenn
sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Darüber hinaus darf er die
Leistung in den Fällen der "faktischen oder praktischen Unmöglichkeit" gemäß
§ 275 Abs. 2 und 3 BGB verweigern. Für diese Fälle ergibt sich unmittelbar aus
§ 275 Abs. 4, § 283 BGB, dass der Besteller unter den Voraussetzungen des
§ 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung für Mängel
der Werkleistung ohne vorherige Fristsetzung beanspruchen kann. Eine
entsprechende Regelung für den Fall der Leistungsverweigerung gemäß § 635
Abs. 3 BGB fehlt zwar. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass der Gesetzgeber
auch für diesen Fall einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung unter
den Voraussetzungen von § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB eröffnen wollte. Das
ergibt sich ohne weiteres aus § 636 BGB, wonach es zur Entstehung des
Schadensersatzanspruchs grundsätzlich einer Fristsetzung nicht bedarf, wenn
-7-
der Unternehmer die Nacherfüllung gemäß § 635 Abs. 3 BGB verweigert (vgl.
auch BT-Drucks. 14/6040, S. 234 und 265).
9
b) In welcher Höhe der Unternehmer Schadensersatz zu leisten hat und
wie die Entschädigung zu berechnen ist, ergibt sich aus den Vorschriften zum
allgemeinen Schadensrecht in §§ 249 ff. BGB. Allerdings kommt ein Anspruch
auf Naturalrestitution regelmäßig nicht in Betracht, weil dadurch die Erfüllung
der vertraglichen Leistung herbeigeführt würde, die der Besteller gemäß § 281
Abs. 4 BGB gerade nicht mehr verlangen kann. Stattdessen ist er in Geld zu
entschädigen (BGH, Urteil vom 6. November 1986 - VII ZR 97/85, BGHZ 99,
81).
10
Die
Entschädigung
kann
der
Besteller
nach
der
bisherigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich wahlweise nach der
Differenz zwischen dem Verkehrswert des Werkes mit und ohne Mangel
ermitteln oder in Höhe der Aufwendungen geltend machen, die zur
vertragsgemäßen Herstellung des Werkes erforderlich sind (BGH, Urteil vom
10. März 2005 - VII ZR 321/03, BauR 2005, 1014 = NZBau 2005, 390 = ZfBR
2005, 461; Urteil vom 11. Juli 1991 - VII ZR 301/90, BauR 1991, 744 = ZfBR
1991, 265; Urteil vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 181/71, BGHZ 59, 365, 366).
11
c) Die dem Besteller nach dieser Rechtsprechung eröffnete Möglichkeit,
seinen Schadensersatzanspruch anhand der Mängelbeseitigungskosten zu
berechnen, gilt nicht uneingeschränkt. Der Senat hat bereits entschieden, dass
dieser Schadensberechnung in entsprechender Anwendung des § 251 Abs. 2
Satz 1 BGB der Einwand entgegengehalten werden kann, die Aufwendungen
zur Mängelbeseitigung seien unverhältnismäßig (BGH, Urteil vom 26. Oktober 1972 - VII ZR 181/71, BGHZ 59, 365, 366; Urteil vom 27. März 2003
- VII ZR 443/01,
BGHZ
154,
301,
305;
Urteil
vom
10. März 2005
-8-
- VII ZR 321/03, BauR 2005, 1014 = NZBau 2005, 390 = ZfBR 2005, 461; Urteil
vom 29. Juni 2006 - VII ZR 86/05, BauR 2006, 1736, 1738 = NZBau 2006, 642
= ZfBR 2006, 668). Unverhältnismäßig in diesem Sinne sind die Aufwendungen
für die Beseitigung des Werkmangels, wenn der in Richtung auf die Beseitigung
des Mangels erzielte Erfolg oder Teilerfolg bei Abwägung aller Umstände des
Einzelfalls in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten
Geldaufwandes steht und es dem Unternehmer nicht zugemutet werden kann,
die vom Besteller in nicht sinnvoller Weise gemachten Aufwendungen tragen zu
müssen. In einem solchen Fall würde es Treu und Glauben widersprechen,
wenn der Besteller diese Aufwendungen dem Unternehmer anlasten könnte
(BGH,
Urteil
vom
26. Oktober 1972
- VII ZR 181/71,
aaO;
Urteil
vom
27. März 2003 - VII ZR 443/01, aaO; Urteil vom 10. März 2005 - VII ZR 321/03,
aaO; Urteil vom 29. Juni 2006 - VII ZR 86/05, aaO).
12
Der Bundesgerichtshof hat bisher nicht entschieden, ob die nach obigen
Grundsätzen für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit im Sinne des § 251
Abs. 2 Satz 1 BGB maßgeblichen Kriterien denen entsprechen, die bei der nach
§ 635 Abs. 3 BGB gebotenen Prüfung des unverhältnismäßigen Nacherfüllungsaufwands heranzuziehen sind. Das ist zu bejahen, wenn, wie hier,
werkvertraglicher Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten
beansprucht wird. Durch die Zubilligung dieses Schadensersatzanspruches soll
der Besteller einen Ausgleich für die Nachteile erhalten, die ihm durch die
mangelhafte Ausführung der Werkleistung entstanden sind. Sein Anspruch auf
monetären Ausgleich für Mangelschäden beruht auf seinem berechtigten
Interesse
an
der Verwirklichung des vom
Unternehmer geschuldeten
Werkerfolgs. Er soll hinsichtlich der Beseitigung dieser Mängel im Ergebnis
nicht besser stehen als er bei tauglicher Nacherfüllung durch den Unternehmer
stünde. Dann aber besteht kein vernünftiger Grund, dem Unternehmer, der die
-9-
Beseitigung von Mängeln wegen eines damit verbundenen unverhältnismäßigen Aufwands gemäß § 635 Abs. 3 BGB verweigern darf, gleichwohl im
Wege des Schadensersatzes die Erstattung der Mängelbeseitigungskosten
abzuverlangen. Aus dem Umstand, dass der Besteller Schadensersatz nur für
solche Mängel beanspruchen kann, die der Unternehmer zu vertreten hat, folgt
nichts anderes. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit nach § 635
Abs. 3 BGB das Verschulden des Unternehmers zu berücksichtigen ist (BGH,
Urteil vom 23. Februar 1995 - VII ZR 235/93, BauR 1995, 540 = ZfBR 1995,
197; vgl. auch Urteil vom 27. März 2003 - VII ZR 443/01, BGHZ 154, 301; Urteil
vom 10. November 2005 - VII ZR 64/04, BauR 2006, 377 = NZBau 2006, 110 =
ZfBR 2006, 154). Liegt Verschulden vor, fällt es ebenso wie bei § 251 Abs. 2
Satz 1 BGB ins Gewicht, ohne dass sich hieraus die Notwendigkeit ergeben
könnte,
die
Unverhältnismäßigkeit
des
Mängelbeseitigungsaufwands
im
Rahmen des § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB anderen Kriterien zu unterwerfen, als sie
für § 635 Abs. 3 BGB gelten. Daraus folgt im Ergebnis, dass der Besteller
mangelbedingten
Schadensersatz
stets
nur
in
Höhe
der
Verkehrs-
wertminderung beanspruchen kann, wenn der Unternehmer die Nacherfüllung
zu Recht gemäß § 635 Abs. 3 BGB als unverhältnismäßig verweigert hat.
13
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze kann die Entscheidung des Berufungsgerichts im Ergebnis nur Bestand haben, wenn der dem Beklagten
zustehende Schadensersatzanspruch den Betrag nicht übersteigt, den ihm das
Berufungsgericht bereits im Wege der Minderung mit 1.000 € für den
technischen Minderwert des Werks zugebilligt hat. Das ist denkbar, weil
Schadensersatz statt der Leistung nach § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1
BGB auf einen Ausgleich für den technischen Minderwert der mangelhaften
Werkleistung beschränkt sein kann, wenn eine zusätzliche Wertminderung nicht
- 10 -
in Betracht kommt. Der Beklagte hat im Verfahren der Vorinstanzen zwar keine
Minderung geltend gemacht. Er nimmt die Entscheidung des Berufungsgerichts
in diesem Punkt jedoch hin und beansprucht mit der Revision nur noch den
1.000 € übersteigenden Teil seiner Schadensersatzforderung. Damit trägt der
Beklagte dem bei der Schadensbemessung zu berücksichtigenden Gesichtspunkt Rechnung, die an die Klägerin zu zahlende Vergütung in Höhe des
rechtskräftig zuerkannten Minderungsbetrages erspart und hierdurch einen
Vorteil erlangt zu haben, den er sich nach allgemeinen schadensrechtlichen
Grundsätzen auf seinen Schadensersatzanspruch anrechnen lassen muss.
14
Eine dahingehende Entscheidung kann der Senat nicht treffen. Die
Feststellungen des Berufungsgerichts bieten keine ausreichende Grundlage für
die Annahme, dass der dem Beklagten zu ersetzende Schaden auf einen mit
1.000 € zu veranschlagenden technischen Minderwert beschränkt ist.
15
Das Berufungsgericht hat nicht geprüft, ob die Voraussetzungen des
§ 251 Abs. 2 Satz 1 BGB erfüllt sind. Seine zu § 635 Abs. 3 BGB getroffenen
Feststellungen, die insoweit herangezogen werden könnten, sind unzureichend,
weil sie den hierfür maßgeblichen Sachvortrag der Parteien nicht ausschöpfen.
16
a) Allerdings wirft die Revision dem Berufungsgericht zu Unrecht vor, es
habe bei der nach § 635 Abs. 3 BGB vorzunehmenden Abwägung der
Regelung des § 12 Abs. 5 EnEV keine hinreichende Beachtung geschenkt, die
eine von der Klägerin nicht eingehaltene Mindestdämmung der Warmwasserleitungen vorschreibe. Das Berufungsgericht hat diesen Gesichtspunkt
berücksichtigt, indem es zutreffend von einem fahrlässigen Verstoß gegen die
Vorschriften der EnEV ausgeht. Der weitergehende Einwand der Revision, hier
wiege das Ergebnis der nicht vertragsgerechten Ausführung der Werkleistung
besonders schwer, weil die Klägerin gegen gesetzliche Bestimmungen
- 11 -
verstoßen habe, greift ebenfalls nicht. Er allein führt jedenfalls nicht dazu, dass
die Klägerin sich nicht auf die Unverhältnismäßigkeit der Mängelbeseitigungskosten berufen kann. Der Beklagte übersieht, dass gerade die
Nichteinhaltung der Vorgaben in § 12 Abs. 5 EnEV den Mangelvorwurf
begründet.
Für
die
nach
Unverhältnismäßigkeitsprüfung
§ 251
Abs. 2
kommt
Satz 1
diesem
BGB
Umstand
vorzunehmende
keine
andere
Bedeutung zu, als sie einem schuldhaften Verstoß gegen anerkannte Regeln
der Technik oder vertragliche Beschaffenheitsvereinbarungen zuteil wird. Im
Übrigen
ist
der
Beklagte
nicht
der
Gefahr
ausgesetzt,
durch
die
Entgegennahme der mangelhaften Werkleistungen selbst in einer Weise gegen
gesetzliche Bestimmungen verstoßen zu haben, die von entscheidender
Bedeutung für die Abwägung nach § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB sein könnte.
Maßgebend
ist
die
Energieeinsparverordnung
in
der
Fassung
vom
8. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3144, 3146). Danach war der Beklagte zwar
verpflichtet, für eine den Vorgaben des § 12 Abs. 5 EnEV entsprechende
Dämmung der Warmwasserleitungen zu sorgen. Er muss allerdings nicht
befürchten, wegen der Nichteinhaltung dieser Vorgaben mit Ordnungsmitteln
belegt zu werden, welche der Verordnungsgeber erst durch § 27 der
Energieeinsparverordnung in der Fassung vom 1. Oktober 2007 (BGBl. I,
S. 1519) eingeführt hat.
17
b) Unbegründet ist auch der Einwand der Revision, das Berufungsgericht
habe
nicht
berücksichtigt,
dass
die
Klägerin
den
hohen
Mängel-
beseitigungsaufwand schuldhaft dadurch herbeigeführt habe, dass sie auf die
entsprechende Rüge des Beklagten nicht auf die gesetzlich vorgesehene
Dämmung hingewiesen habe. Diesen Sachverhalt hat das Berufungsgericht
vertretbar gewürdigt und zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beklagte trotz
der ihm durch einen Bausachverständigen vor Beginn der Estrich- und
- 12 -
Verlegearbeiten vermittelten Kenntnis von der nicht ordnungsgemäßen
Dämmung auf Durchführung der von der Klägerin vorgesehenen Arbeiten
bestanden und dadurch selbst dazu beigetragen habe, dass die hohen Kosten
entstanden seien.
18
c) Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit den Standpunkt eingenommen, dass nur die Dämmung der
Warmwasserleitungen nachgebessert werden müsse; die Kaltwasserleitungen
seien nicht betroffen, weil insoweit keine Mindestanforderungen an die
Dämmung bestünden.
Damit hat es Tatsachenvortrag des Beklagten
übergangen, den es bei der Abwägung hätte berücksichtigen müssen. Der
Beklagte hat vorgetragen, dass die Kaltwasserleitungen mangelhaft seien, weil
sie ungedämmt unmittelbar neben den warmgebenden Rohrleitungen lägen,
zudem über keine vollständige Schwitzwasserisolierung verfügten und deshalb
die Gefahr einer Salmonellenbildung bestehe. Darüber hinaus seien die
Rohrleitungen nur unzureichend mit einem Textilgurt und einem Bolzenschussgerät auf der Sohlplatte befestigt worden (S. 2 des Schriftsatzes vom
9. Februar 2010; S. 4/5 des Schriftsatzes vom 30. Januar 2008; siehe auch S. 3
des
Schriftsatzes
vom
25. März 2008).
Der
Beklagte
hat
seine
Schadensersatzforderung auch - zumindest teilweise - mit diesen Mängeln
begründet (S. 2 des Schriftsatzes vom 19. November 2009). Das Berufungsgericht hätte aufklären müssen, inwieweit Streit über das Vorhandensein der
Mängel besteht und hierzu gegebenenfalls Beweis durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens erheben müssen. Die Aufklärung der vom
Beklagten behaupteten Tatsachen ist für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit von Bedeutung, weil das Interesse des Beklagten an der
Mängelbeseitigung durch das Hinzutreten weiterer Mängel mehr Gewicht
erlangt. Darüber hinaus wird das Berufungsgericht zu klären haben, ob durch
- 13 -
die unzureichende Dämmung der Kaltwasserleitungen die Gefahr einer
Salmonellenbildung besteht. Sollte die dahin gehende Behauptung des
Beklagten zutreffen, wäre es ihm kaum zuzumuten, dieses Risiko tragen zu
müssen.
19
3. Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Prüfung der Unverhältnismäßigkeit gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB unter Berücksichtigung der obigen
Ausführungen und der darüber hinaus vom Beklagten mit der Revision
vorgebrachten Einwendungen zu dem Ergebnis kommen, dass der Beklagte
Schadensersatz nur in Höhe einer mangelbedingten Verkehrswertminderung
beanspruchen kann, wird es im Hinblick auf eventuelle weitere Mängel und
deren Folgen für die zweckentsprechende Verwendung der Werkleistungen neu
darüber befinden müssen, ob der vom Sachverständigen H. geschätzte
technische Minderwert einen angemessenen Ausgleich darstellt. Gleiches gilt
für seine Entscheidung, dass dem Beklagten kein merkantiler Minderwert zu
ersetzen sei. Mit Recht beanstandet die Revision in diesem Punkt, dass das
Berufungsgericht seine Annahme, der Verkehrswert des Gebäudes sei nicht
- 14 -
tangiert, mit dem schlichten Hinweis auf einen nur geringfügig höheren
Energieverbrauch und keine darüber hinausgehenden Nutzungsnachteile nicht
hinreichend begründet hat.
Kniffka
Safari Chabestari
Leupertz
Eick
Kartzke
Vorinstanzen:
LG Osnabrück, Entscheidung vom 13.05.2009 - 10 O 2795/07 (224) OLG Oldenburg, Entscheidung vom 21.07.2011 - 8 U 141/09 -