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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZR 178/01
vom
Verkündet am:
2. Mai 2002
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
2. Mai 2002
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
MaBV § 7;
EWGRL 93/13 Art. 3 Abs. 1;
AGBG §§ 9 Bf, 24 a
a) Eine Bürgschaft nach § 7 MaBV sichert alle Geldansprüche des Auftraggebers,
die sich aus mangelhafter oder unterlassener Erfüllung des Vertrags ergeben
können.
b) Zur Frage, ob die Allgemeine Geschäftsbedingung eines Bauträgers, nach der
der Erwerbspreis unabhängig vom Baufortschritt fällig wird, wenn der Bauträger
eine Bürgschaft nach § 7 MaBV stellt, den Erwerber im Sinne von §§ 24 a, 9
AGBG unangemessen benachteiligt.
BGH, Beschluß vom 2. Mai 2002 - VII ZR 178/01 -
OLG Karlsruhe
LG Freiburg
-2-
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und die
Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Bauner
beschlossen:
1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
2. Der Bundesgerichtshof legt dem Gerichtshof der Europäischen
Gemeinschaften in Luxemburg folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:
Ist die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Veräußerers enthaltene Klausel,
nach der der Erwerber eines zu errichtenden Bauwerks den gesamten Preis hierfür unabhängig von
einem Baufortschritt zu zahlen hat, wenn der Veräußerer ihm zuvor die Bürgschaft eines Kreditinstituts
stellt, welche die Geldansprüche des Erwerbers sichert, die diesem wegen mangelhafter oder unterlassener Erfüllung des Vertrags erwachsen können,
als mißbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie
93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen anzusehen?
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Gründe:
I.
Die Klägerin macht als Bauträger gegen die Erwerber eines Stellplatzes
in einem zu errichtenden Parkhaus Verzugszinsen wegen verspäteter Zahlung
geltend. Die Erwerber (Beklagte) berufen sich auf die Unwirksamkeit der die
Fälligkeit des Erwerbspreises regelnden Vertragsbestimmung. Der Bundesgerichtshof hält eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften über die Auslegung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG
des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (im folgenden: Richtlinie) für erforderlich.
1. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin, eine kommunale Baugesellschaft, verkaufte im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit an die Beklagten mit notariellem Vertrag vom 5. Mai
1998 einen Stellplatz für einen Pkw in einem von ihr noch zu errichtenden
Parkhaus für 33.700 DM. Die Beklagten handelten insoweit nicht beruflich und
nicht gewerblich. Nach § 5 Abs. 1 des Vertrages wurde der gesamte Erwerbspreis "nach Übergabe einer Sicherheit gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 MaBV (Bürgschaft)", nicht jedoch vor dem 30. April 1999 fällig. Im Falle des Zahlungsverzugs hatte der Erwerber gemäß § 5 Abs. 8 Verzugszinsen zu zahlen.
Die Bürgschaftsurkunde ging den Beklagten am 20. Mai 1999 zu. Die
bürgende Bank übernahm darin die Bürgschaft unter Verzicht auf die Einrede
der Vorausklage zur Sicherung aller etwaigen Ansprüche der Beklagten gegen
die Klägerin auf Rückgewähr oder Auszahlung des Erwerbspreises, den die
Klägerin erhalten hat oder zu dessen Verwendung sie ermächtigt worden ist.
Die Beklagten verweigerten die Zahlung. Sie machten geltend, die Fälligkeits-
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regelung sei unwirksam. Sie zahlten den Preis erst, nachdem sie den Stellplatz
am 21. Dezember 1999 mangelfrei abgenommen hatten.
2. Die Klägerin begehrt Verzugszinsen wegen verspäteter Zahlung. Das
Landgericht hat ihrer Klage im wesentlichen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung der Beklagten abgewiesen. Es hat die Auffassung
vertreten, § 5 Abs. 1 des Vertrages benachteilige die Beklagten unangemessen
im Sinne von § 9 AGBG. Die sich aus § 641 BGB ergebende Vorleistungspflicht der Klägerin werde auf die Beklagten übertragen. Diese seien ohne jede
Sicherung, wenn das Bauvorhaben Mängel aufweise. Insbesondere könnten
sie kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in BB 2001,
1325 veröffentlicht ist, hat die Revision zugelassen. Die Klägerin hat Revision
eingelegt. Sie hält den Zinsanspruch für begründet.
II.
Vor der Entscheidung über die Revision ist das Verfahren auszusetzen.
Gemäß Art. 234 Abs. 1, Abs. 3 EG ist eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu der im Beschlußtenor gestellten
Frage einzuholen. Von deren Beantwortung hängt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ab.
1. Das für das Schuldverhältnis maßgebliche Recht richtet sich nach den
bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
-5-
2. Die Wirksamkeit der Klausel hängt davon ab, ob sie als Allgemeine
Geschäftsbedingung (a) nach interessengerechter Auslegung (b) die Beklagten
als Vertragspartner der Klägerin im Sinne von §§ 24 a, 9 AGBG (Art. 3 Richtlinie) unangemessen benachteiligt. Anders als das Berufungsgericht neigt der
Senat nicht zu dieser Auffassung (c).
a) Es ist zwischen den Parteien unstreitig, daß es sich bei § 5 Abs. 1
des Vertrages um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Die Klausel
wurde von der Klägerin vorformuliert und für sämtliche Stellplatzerwerber einheitlich verwendet, ohne daß diese auf ihren Inhalt Einfluß nehmen konnten.
b) Die Klausel verpflichtet die Erwerber, den Preis für die Immobilie nach
Stellung der Bürgschaft zu zahlen, ohne daß die Klägerin bereits mit den Bauarbeiten begonnen haben muß.
Die Bürgschaft sichert alle Geldansprüche der Erwerber, die sich aus
mangelhafter oder unterlassener Erfüllung des Vertrags ergeben können. Dieses Verständnis der Klausel reicht weiter als die Auslegung durch das Berufungsgericht. Es folgt aus dem objektiven Inhalt der Klausel, wie er von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der
normalerweise beteiligten Kreise verstanden wird (vgl. BGH, Urteil vom
14. Januar 1999 - IX ZR 140/98, BauR 1999, 659, 661 = ZfBR 1999, 147, 148).
aa) Nach § 5 Abs. 1 des Vertrages soll als Ausgleich für die Vorleistungspflicht der Erwerber eine "Sicherheit gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 MaBV
(Bürgschaft)" gestellt werden. Der Sicherungsumfang der Bürgschaft muß sich
daher an dieser Norm orientieren. Diese bezeichnet als Gegenstand der Sicherung alle etwaigen Ansprüche des Erwerbers "auf Rückgewähr oder Auszahlung seiner Vermögenswerte".
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bb) Dieser Wortlaut spricht dafür, daß zu den gesicherten Ansprüchen
auch die Ansprüche auf Rückgewähr des vorausgezahlten Erwerbspreises zu
zählen sind, die sich aus einer auf Mängel gestützten Wandelung des Vertrages ergeben. Vom Wortlaut gedeckt ist auch eine Auslegung dahin, daß Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen für Mängelbeseitigung nach § 633
Abs. 3 BGB gesichert sind. Auf beides hat der Bundesgerichtshof bereits hingewiesen (Urteil vom 14. Januar 1999, IX ZR 140/98 aaO). Er hat ferner entschieden, daß eine Bürgschaft nach § 7 Abs. 1 MaBV Minderungsansprüche
nach § 634 BGB umfaßt. § 7 MaBV soll den Erwerber auch vor den Nachteilen
schützen, die sich daraus ergeben, daß infolge eines Mangels der Wert der
geschuldeten Leistung hinter der Höhe der geleisteten Vorauszahlungen zurückbleibt (Urteil vom 19. Juli 2001 - IX ZR 149/00, BauR 2001, 1727, 1730
= ZfBR 2001, 536, 537 = NZBau 2001, 549, 551).
cc) Eine Bürgschaft nach § 7 Abs. 1 MaBV sichert alle Ansprüche, die
sich aus einer Störung des Gleichgewichts zwischen den geschuldeten oder
geleisteten Zahlungen und dem Wert der geschuldeten oder erbrachten Bautenstände ergeben. Darunter fallen Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung des Vertrages und alle auf Zahlung von Geld gerichteten Gewährleistungsansprüche (Vorschuß auf Mangelbeseitigungskosten, Erstattung der
Aufwendungen für Mangelbeseitigung, Schadensersatz, Minderung).
c) Der Senat neigt dazu, eine Unwirksamkeit der so verstandenen Klausel nach §§ 24 a, 9 AGBG (Art. 3 Richtlinie) zu verneinen. Die Klausel benachteiligt die Vertragspartner der Klägerin nicht unangemessen. Sie erscheint
nicht mißbräuchlich.
aa) Die von der Klägerin gestellte Vertragsklausel begründet abweichend vom dispositiven Recht eine Vorleistungspflicht der Erwerber. Gemäß
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§ 641 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Vergütung erst bei Abnahme des hergestellten
Werks zu entrichten. Der Unternehmer ist vorleistungspflichtig. Nach der Vertragsklausel sind die Erwerber dagegen verpflichtet, den Preis für die Immobilie
zu zahlen, ohne daß die Klägerin irgendwelche Bauleistungen erbracht haben
muß.
Damit wird die Liquidität der Klägerin erhöht, die Notwendigkeit, Fremdmittel zur Finanzierung des Objekts aufzunehmen, wird vermindert. Der Preis
kann dementsprechend geringer gehalten werden. Die Erwerber verlieren die
Möglichkeit, ihr gesetzliches Leistungsverweigerungsrecht während der Bauphase auszuüben, wenn die Klägerin nicht oder schlecht erfüllt. Sie tragen bis
zur Fertigstellung und Übereignung der Stellplätze das Risiko, daß die Klägerin
leistungs- und zahlungsunfähig wird.
bb) Die den Erwerbern durch die Klägerin gestellte Bürgschaft mindert
diese Nachteile entscheidend.
(1) Die Bürgschaft sichert sämtliche Geldansprüche der Erwerber, die
ihnen wegen mangelhafter oder unterlassener Vertragserfüllung durch die Klägerin zustehen.
(2) Den Erwerbern steht in jedem Fall ein tauglicher Bürge zur Verfügung (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 MaBV), auf den sie im Sicherungsfall direkt zugreifen können. Sie müssen nicht zuvor die Zwangsvollstreckung gegen den
Hauptschuldner, die Klägerin, versucht haben (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 3 MaBV in
Verbindung mit § 771 BGB).
(3) Die Bürgschaft sichert die Erwerber auch dann, wenn die Klägerin in
Insolvenz fällt. Lehnt der Insolvenzverwalter in diesem Fall die Vertragserfül-
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lung ab, entsteht ihnen gemäß § 103 InsO ein Schadensersatzanspruch wegen
Nichterfüllung. Dieser wird von der Bürgschaft umfaßt.
3. Diese Beurteilung ist gemessen an Art. 3 Abs. 1 Richtlinie nicht frei
von Zweifeln. Die in der Klausel vorgesehene Bürgschaft könnte bei einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der Vielfalt der Rechtsordnungen innerhalb
der Europäischen Union nicht als ein angemessener Ausgleich für die vom dispositiven Recht abweichende Vorleistungspflicht der Erwerber anzusehen sein.
Die Klausel könnte deshalb mißbräuchlich sein.
4. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich.
a) Ist der Gerichtshof der Meinung, die Klausel sei nicht als mißbräuchlich im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Richtlinie anzusehen, wäre die Revision begründet. Der Klage wäre stattzugeben. Die Beklagten schuldeten die von der
Klägerin begehrten Verzugszinsen. Sie hätten sich ab 21. Mai 1999 in Verzug
befunden. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Erwerbspreises wäre mit
Zugang der Bürgschaftsurkunde fällig geworden. Die gemäß § 284 Abs. 1 BGB
für den Eintritt des Verzugs grundsätzlich erforderliche Mahnung war entbehrlich, weil die Beklagten mit Schreiben vom 14. März 1999 die Bezahlung endgültig und ernsthaft verweigert haben (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1992
- XII ZR 268/90, NJW-RR 1992, 1226, 1227 m.w.N.).
-9-
b) Ist der Gerichtshof dagegen der Meinung, daß die Klausel als mißbräuchlich anzusehen ist, wäre die Revision zurückzuweisen. Die Klausel wäre
unwirksam. An ihre Stelle träte gemäß § 6 Abs. 2 AGBG das Werkvertragsrecht
des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung des
Preises wäre gemäß § 641 Abs. 1 BGB erst mit der Abnahme am
21. Dezember 1999 fällig geworden. Die Klägerin könnte keine Verzugszinsen
verlangen. Die Klage wäre vom Berufungsgericht zu Recht abgewiesen worden.
Ullmann
Thode
Herr Dr. Kuffer
ist wegen Urlaubs
verhindert zu unterschreiben
Ullmann
Wiebel
Bauner