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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZB 1/13
vom
1. August 2013
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
a) FamFG § 116 Abs. 3, § 120 Abs. 1; ZPO § 775 Nr. 1, § 717 Abs. 1
Wird in einer Familienstreitsache ein Versäumnisbeschluss, in dem die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet wurde, nach Einspruch des
Schuldners aufgehoben, ist die Zwangsvollstreckung gemäß § 775 Nr. 1
ZPO einzustellen, ohne dass es in dem aufhebenden Beschluss einer Anordnung der sofortigen Wirksamkeit bedarf.
b) FamFG § 116 Abs. 3, § 120 Abs. 1; ZPO § 775 Nr. 1
Wird in einer Familienstreitsache ein Versäumnisbeschluss, in dem die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet wurde, nach Einspruch des
Schuldners aufrecht erhalten und diese Entscheidung nicht für sofort wirksam erklärt, ist die Zwangsvollstreckung gemäß § 775 Nr. 1 ZPO einzustellen.
BGH, Beschluss vom 1. August 2013 - VII ZB 1/13 - LG Wiesbaden
AG Wiesbaden
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. August 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari und die
Richter Dr. Eick, Kosziol und Dr. Kartzke
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners werden die Beschlüsse der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 22. November und 12. Dezember 2012 aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss
des
Amtsgerichts
- Vollstreckungsgericht -
Wiesbaden
vom
23. Oktober 2012 abgeändert.
Die Zwangsvollstreckung wird hinsichtlich der Unterhaltsrückstände vom 18. Februar 2010 bis 30. Juni 2012 eingestellt.
Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts
- Vollstreckungsgericht - Wiesbaden vom 3. September 2012 wird
aufgehoben, soweit darin die Forderungen des Schuldners gegenüber den Drittschuldnerinnen wegen rückständigen Elementarund Altersvorsorgeunterhalts vom 18. Februar 2010 bis 30. Juni
2012 gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen
worden sind.
Die Gläubigerin hat die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.
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Gründe:
I.
1
Die Gläubigerin betreibt gegen ihren geschiedenen Ehemann die
Zwangsvollstreckung aus einem Unterhaltstitel. Der Schuldner begehrt die Einstellung der Zwangsvollstreckung hinsichtlich titulierter Unterhaltsrückstände.
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Das Amtsgericht - Familiengericht - (im Folgenden nur: Familiengericht)
verpflichtete den Schuldner mit Teil-Versäumnisbeschluss und Beschluss vom
19. Juli 2012, an die Gläubigerin rückständigen und laufenden Elementar- und
Altersvorsorgeunterhalt zu zahlen. Die Entscheidung wurde insgesamt für sofort
wirksam erklärt.
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Auf Antrag der Gläubigerin erließ das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - am 3. September 2012 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss,
mit dem wegen ihrer Ansprüche aus dem Unterhaltstitel die Forderungen des
Schuldners gegenüber den Drittschuldnerinnen gepfändet und ihr zur Einziehung überwiesen wurden.
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Das Familiengericht hielt mit Beschluss vom 5. Oktober 2012 den TeilVersäumnisbeschluss vom 19. Juli 2012 insoweit aufrecht, als der Schuldner
dadurch verpflichtet wurde, an die Gläubigerin einen rückständigen Elementarunterhalt in Höhe von 14.251 € und rückständigen Altersvorsorgeunterhalt in
Höhe von 3.175 € für die Zeit vom 18. Februar 2010 bis 30. Juni 2012 nebst
Zinsen und ab dem 1. Juli 2012 bis zum 31. Dezember 2012 monatlich im Voraus einen Elementarunterhalt von 609 € zuzüglich Altersvorsorgeunterhalt von
135 € nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen wurde der Teil-Versäumnisbeschluss
aufgehoben und der Antrag der Gläubigerin zurückgewiesen. Die Entscheidung
wurde hinsichtlich des laufenden Unterhalts für sofort wirksam erklärt.
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Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - hat mit Beschluss vom 23. Oktober 2012 die Zwangsvollstreckung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 3. September 2012 bis zur rechtskräftigen erstinstanzlichen
Endentscheidung hinsichtlich der Unterhaltsrückstände vom 18. Februar 2010
bis 30. Juni 2012 ohne Sicherheitsleistung und hinsichtlich des laufenden Unterhalts ab dem 1. Juli 2012 bis 31. Dezember 2012 gegen Sicherheitsleistung
in Höhe der jeweils monatlich fälligen Beträge unter Aufrechterhaltung der
Pfändung einstweilen eingestellt.
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Gegen diesen Beschluss hat der Schuldner mit Schriftsatz vom 6. November 2012 sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Ziel einer unbedingten
Einstellung der Zwangsvollstreckung hinsichtlich des rückständigen Unterhalts.
Nach Nichtabhilfe durch den Rechtspfleger hat das Landgericht - Einzelrichter mit Beschluss vom 22. November 2012 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Auf die Gehörsrüge des Schuldners hat das Landgericht das Beschwerdeverfahren fortgeführt. Nach Übertragung des Verfahrens auf die Kammer hat
diese
mit
Beschluss
vom
12. Dezember
2012
den
Beschluss
vom
22. November 2012 im Hauptausspruch aufrechterhalten. Mit der zugelassenen
Rechtsbeschwerde will der Schuldner weiterhin erreichen, dass die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Unterhaltsrückstände dauerhaft ohne Sicherheitsleistung eingestellt wird.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
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1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die Voraussetzungen gemäß § 775 Nr. 1, § 776 ZPO für die beantragte Einstellung der Zwangsvollstre-
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ckung lägen nicht vor. Endentscheidungen in Familienstreitsachen seien gemäß
§ 120 Abs. 2 Satz 1, § 116 Abs. 3 Satz 1 FamFG nur vollstreckbar, wenn sie
rechtskräftig seien oder gemäß § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG ihre sofortige Wirksamkeit angeordnet worden sei.
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Soweit das Familiengericht durch Beschluss vom 5. Oktober 2012 seinen
Versäumnisbeschluss vom 19. Juli 2012 teilweise aufgehoben habe, sei für
Maßnahmen nach den § 775 Nr. 1, § 776 ZPO kein Raum, weil der Beschluss
weder rechtskräftig noch für sofort wirksam erklärt worden sei.
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Soweit der Teil-Versäumnisbeschluss vom 19. Juli 2012 aufrechterhalten
worden sei, habe auch die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit weiter Bestand. Es handele sich insoweit um eine Endentscheidung, aus der bei Anordnung oder Fortbestand der sofortigen Wirksamkeit vollstreckt werden könne.
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2. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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a) Gemäß § 775 Nr. 1 ZPO ist die Zwangsvollstreckung unter anderem
dann einzustellen, wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung
vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine
vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben ist. Diese Vorschrift ist gemäß § 120
Abs. 1 FamFG in Familienstreitsachen entsprechend anzuwenden.
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b) Die Voraussetzungen des § 775 Nr. 1 ZPO sind erfüllt.
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aa) Gemäß § 116 Abs. 3 FamFG werden Endentscheidungen in Familienstreitsachen erst mit Rechtskraft wirksam, sofern das Gericht nicht die sofortige Wirksamkeit angeordnet hat. Die Wirksamkeit der Entscheidung ist Voraussetzung für ihre Vollstreckbarkeit, § 120 Abs. 2 Satz 1 FamFG. Die Zwangsvollstreckung aus einem in einer Familienstreitsache ergangenen Unterhaltstitel,
dessen sofortige Wirksamkeit angeordnet wurde, ist daher in entsprechender
Anwendung des § 775 Nr. 1 ZPO einzustellen, wenn ihm durch eine im Sinne
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dieser Vorschrift vollstreckbare Entscheidung die sofortige Wirksamkeit genommen wird.
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bb) Das ist zunächst der Fall, soweit das Familiengericht mit dem Beschluss vom 5. Oktober 2012 seine Entscheidung über die Verpflichtung des
Schuldners zur Zahlung rückständigen Unterhalts aufgehoben und den Antrag
zurückgewiesen hat.
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(1) Der gemäß § 113 Abs.1 Satz 2 FamFG, § 331 ZPO, § 116 Abs. 1
FamFG ergangene Beschluss des Familiengerichts vom 19. Juli 2012 hat durch
die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG getroffene Entscheidung des Richters
sofortige Wirksamkeit erlangt. Damit war die vorläufige Vollstreckbarkeit dieses
Beschlusses auch hinsichtlich des rückständigen Unterhalts eröffnet, § 120
Abs. 2 Satz 1 FamFG. Einer gesonderten Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit bedurfte es nicht (vgl. BT-Drucks. 16/6308, S. 224).
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(2) Mit der Entscheidung vom 5. Oktober 2012 ist die Vollstreckbarkeit
des Beschlusses vom 19. Juli 2012 in entsprechender Anwendung des § 717
Abs. 1 ZPO entfallen. Die Entscheidung des Familiengerichts vom 5. Oktober
2012 ist entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts vollstreckbar im
Sinne einer entsprechenden Anwendung des § 775 Nr. 1 ZPO. Eine den Vollstreckungstitel aufhebende Entscheidung bedarf im Grundsatz keiner Vollstreckbarkeitserklärung. Sie ist an sich ohne weiteres vollstreckbar (vgl. Hahn,
Die gesammten Materialien zur Civilprozeßordnung, zu §§ 640, 641 ZPO; OLG
Köln, JMBl. NW 1970, 70; Münzberg in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 708
Rn. 19, § 717 Rn. 1; wohl auch Salzmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl.,
§§ 775, 776 Rn. 17; MünchKommZPO/Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 775
Rn. 12; Hk-ZPO/Kindl, 5. Aufl., § 775 Rn. 4; Scheuch in Prütting/Gehrlein, ZPO,
5. Aufl., § 775 Rn. 6; Raebel in Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 5. Aufl., § 775 ZPO Rn. 7; a.A. Baumbach/Lauterbach/
Albers/Hartmann, ZPO, 71. Aufl., § 775 Rn. 10). Der Senat muss nicht ent-
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scheiden, ob gleichwohl das Vollstreckungsorgan die Zwangsvollstreckung aus
einem nach der Zivilprozessordnung ergangenen Beschluss nur dann einstellen
darf, wenn ihm die Ausfertigung einer ausdrücklich für vollstreckbar erklärten
Entscheidung vorgelegt wird (vgl. OLG Düsseldorf, JurBüro 1985, 1730; OLG
Karlsruhe, JZ 1984, 635; OLG München, MDR 1982, 238; OLGZ Frankfurt
1968, 436). Jedenfalls eine Entscheidung nach § 116 Abs. 1 FamFG bedarf
keiner solchen ausdrücklichen Vollstreckbarkeitserklärung. Denn diese ist im
Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der
freiwilligen Gerichtsbarkeit, anders als in der Zivilprozessordnung, vgl. §§ 708,
709 ZPO, nicht vorgesehen. Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit soll die
Zwangsvollstreckung der Entscheidungen ermöglichen. Sie hat nicht den
Zweck, eine vollstreckbare Entscheidung im Sinne des § 775 Nr. 1 ZPO herbeizuführen. Es reicht deshalb für die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus
einem nach § 116 Abs. 1 FamFG ergangenen Titel aus, wenn eine ebenfalls
nach § 116 Abs. 1 FamFG ergangene Entscheidung vorgelegt wird, die die vorherige Entscheidung aufhebt.
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cc) Die Voraussetzungen des § 775 Nr. 1 ZPO liegen auch vor, soweit
das Familiengericht durch seinen Beschluss vom 5. Oktober 2012 die Entscheidung über die Verpflichtung des Schuldners zur Zahlung rückständigen Unterhalts aufrechterhalten hat.
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(1) Aus dem Beschluss vom 5. Oktober 2012 ergibt sich, dass das Familiengericht die Wirksamkeit der Entscheidung vom 19. Juli 2012 über den rückständigen Unterhalt aufgehoben und ihr dadurch die Vollstreckbarkeit genommen hat. Das Familiengericht hat die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung nur für den laufenden Unterhalt angeordnet. Daraus wird deutlich, dass
das Familiengericht geprüft hat, ob die im Beschluss vom 19. Juli 2012 angeordnete sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidungen zum rückständigen und
laufenden Unterhalt aufrechterhalten bleiben soll. Aus dem Umstand, dass es
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die entsprechende Entscheidung nur für den laufenden Unterhalt getroffen hat,
wird unmissverständlich klar, dass das Familiengericht es nicht für geboten erachtet hat, der Entscheidung über den rückständigen Unterhalt sofortige Wirksamkeit zu verleihen und dementsprechend die im Beschluss vom 19. Juli 2012
getroffene Anordnung nicht aufrechterhalten und damit aufgehoben hat. Diese
Entscheidung steht im Übrigen in Übereinstimmung mit dem überkommenen
Verständnis, wie das in § 116 Abs. 3 Satz 2 und 3 FamFG eingeräumte Ermessen bei Entscheidungen über Unterhaltsansprüche auszuüben sein könnte. Die
Ausgestaltung des § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG als Sollvorschrift bringt die Bedeutung des Unterhalts zur Sicherung des Lebensbedarfs zum Ausdruck. Dementsprechend sollen im Wesentlichen Entscheidungen über den laufenden Unterhalt für sofort wirksam erklärt werden (vgl. BT-Drucks. 16/6308, S. 412;
Keidel/Weber, FamFG, 17. Aufl., § 116 Rn. 10; Prütting/Helms/Helms, FamFG,
2. Aufl., § 116 Rn. 26 ff.). Entscheidungen über länger zurückliegende Unterhaltsrückstände sollen dagegen grundsätzlich erst mit Rechtskraft wirksam
werden und damit auch erst zu diesem Zeitpunkt vollstreckbar sein.
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Es kann entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht angenommen werden, dass das Familiengericht mit der teilweisen Aufrechterhaltung
des Versäumnisbeschlusses keine Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit
des den rückständigen Unterhalt betreffenden Titels getroffen hat, so dass es
bei der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit verbliebe und die Vollstreckbarkeit des Versäumnisbeschlusses vom 19. Juli 2012 unberührt wäre. Hätte das
Familiengericht dies gewollt, hätte es überhaupt keine Entscheidung über die
bereits angeordnete sofortige Wirksamkeit treffen müssen. Dahinstehen kann,
ob die im Versäumnisbeschluss angeordnete sofortige Wirksamkeit nicht ohnehin dadurch entfällt, dass das Familiengericht nach Einspruch gegen den Versäumnisbeschluss eine Endentscheidung erlassen hat (vgl. zu der wohl vergleichbaren Lage nach Entscheidung über den Einspruch gegen ein Versäum-
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nisurteil: Musielak/Lackmann, ZPO, 10. Aufl., § 709 Rn. 8 m.w.N. zum Streitstand).
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(2) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts stellt die Entscheidung des Familiengerichts vom 5. Oktober 2012 auch eine vollstreckbare
Entscheidung im Sinne des § 775 Nr. 1 ZPO dar. Beschlüsse in Familienstreitsachen nach § 116 Abs. 1 FamFG werden nicht für vollstreckbar erklärt. Sie
erhalten ihre Vollstreckbarkeit vielmehr dadurch, dass sie rechtskräftig oder für
sofort wirksam erklärt werden, § 116 Abs. 3 Sätze 1 und 2, § 120 Abs. 2
FamFG. Wie bereits erwähnt, dient die Erklärung der sofortigen Wirksamkeit
nicht dazu, die Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Sinne des § 775 Nr. 1
ZPO herbeizuführen. Das wäre in dem Fall, dass ein nach § 116 Abs. 1 FamFG
ergangener Titel aufrecht erhalten bleibt, dessen Vollstreckbarkeit aber genommen werden soll, auch nicht möglich. Will der Richter - wie hier - die in einem für sofort wirksam erklärten Beschluss getroffene Entscheidung über Unterhaltsleistungen der Höhe nach abändern und ihr die sofortige Wirksamkeit
nehmen, kann er seiner Entscheidung nicht dadurch Durchsetzbarkeit verleihen, dass er ihre sofortige Wirksamkeit anordnet. Denn damit würde er genau
das Gegenteil des Gewollten erreichen. Es muss deshalb für eine entsprechende Anwendung des § 775 Nr. 1 ZPO ausreichen, wenn sich aus einem nach
§ 116 Abs.1 FamFG ergangenen Titel ergibt, dass die Vollstreckbarkeit der zu
vollstreckenden Entscheidung aufgehoben ist.
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(3) Schutzwürdige Interessen des Gläubigers werden dadurch nicht verletzt. Insbesondere kann nicht darauf verwiesen werden, dass ein nach der Zivilprozessordnung aus einem Versäumnisurteil vollstreckender Gläubiger besser stünde. Richtig ist zwar, dass das durch Endurteil aufrecht erhaltene Versäumnisurteil gemäß § 709 Satz 3 ZPO zwingend vorläufig vollstreckbar bleibt.
Dem Gläubiger wird dadurch die Möglichkeit eröffnet, die bereits eingeleitete
Zwangsvollstreckung gegebenenfalls gegen Sicherheitsleistung fortzusetzen,
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§ 751 Abs. 2 ZPO, und ein etwaiges Pfandrecht aufrecht zu erhalten. Diese
Systematik der Zivilprozessordnung ist durch § 116 Abs. 3 FamFG modifiziert
worden. Der Richter entscheidet nach freiem Ermessen, ob er seiner Entscheidung durch die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit die Vollstreckbarkeit verleiht. Die schützenswerten Interessen des Gläubigers werden dadurch gewahrt,
dass sie bei der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen sind. Dabei kann
auch das Interesse des Gläubigers berücksichtigt werden, etwaige durch eine
bereits eingeleitete Zwangsvollstreckung erworbene Pfandrechte nicht zu verlieren. Eine Korrektur der nach § 116 Abs. 3 FamFG ergangenen Entscheidung
im Zwangsvollstreckungsverfahren ist hingegen nicht möglich.
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c) Die mit Beschluss vom 19. Juli 2012 hinsichtlich des rückständigen
Unterhalts getroffene Entscheidung ist demnach, auch soweit sie mit Beschluss
vom 5. Oktober 2012 aufrechterhalten wurde, vor Rechtskraft dieser Entscheidung nicht mehr vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung ist hinsichtlich des
rückständigen Unterhalts gemäß § 775 Nr. 1 ZPO einzustellen. Zugleich ist gemäß § 776 Abs. 1 ZPO von Amts wegen der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht - aufzuheben, soweit der
rückständige Unterhalt betroffen ist.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 1 FamFG, § 91 Abs. 1
ZPO.
Kniffka
Safari Chabestari
Kosziol
Eick
Kartzke
Vorinstanzen:
AG Wiesbaden, Entscheidung vom 23.10.2012 - 65 M 10211/12 LG Wiesbaden, Entscheidung vom 12.12.2012 - 4 T 462/12 -