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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZB 31/13
vom
20. Februar 2014
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
-2-
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Februar 2014 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, die Richterin Safari Chabestari und die
Richter Dr. Eick und Dr. Kartzke und die Richterin Graßnack
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Gläubigerin werden der Beschluss der
10. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 22. Mai 2013
sowie der Beschluss des Amtsgerichts - Vollstreckungsgericht Mannheim vom 28. März 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
der Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückverwiesen.
Das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - darf den Erlass
des
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht aus den Gründen der aufgehobenen Beschlüsse ablehnen.
Gründe:
I.
1
Die Gläubigerin begehrt den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.
2
Sie ist Inhaberin einer gegen den Schuldner titulierten Hauptforderung in
Höhe von 3.931,40 € nebst Zinsen und Kosten in Höhe von 6.546,34 €.
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3
Wegen dieser Ansprüche und entstandener Vollstreckungskosten in Höhe von 217,96 € hat die Gläubigerin bei dem Amtsgericht die Pfändung und
Überweisung angeblicher Forderungen des Schuldners gegen dessen Arbeitgeber beantragt. Hierzu hat sich die Gläubigerin eines Antragsformulars bedient, welches nicht vollständig mit dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2
der Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung (Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung - ZVFV, BGBl. 2012 I S. 1822, 1827) übereinstimmt.
4
Die in diesem Formular vorgegebenen Textlinien fehlen in dem von der
Gläubigerin ausgefüllten Antragsformular teilweise und sind zum Teil durch ergänzenden Text ersetzt worden. Die Gläubigerin hat auf Seite 4 unter "Anspruch A (an Arbeitgeber)" unter 3. bis 5. in einer von dem vorgegebenen Text
abweichenden Schriftart die Pfändung zusätzlicher Forderungen beantragt.
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Sie hat ferner auf Seite 4 im obersten Rahmen unter "B (an Agentur für
Arbeit bzw. Versicherungsträger) Art der Sozialleistung:" eine zusätzliche Eintragung eingefügt. Auf Seite 5 unter "Anspruch D (an Kreditinstitute)" hat die
Gläubigerin das Antragsformular unter Nr. 6. bis 8. in einer sich vom sonstigen
Schriftbild nicht unterscheidenden Schriftart um weitere zu pfändende Ansprüche ergänzt. Schließlich hat die Gläubigerin den auf Seite 6 unter "Anspruch F
(an Bausparkassen)" in dem amtlichen Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2
ZVFV vorgesehenen Text, den sie für fehlerhaft gehalten hat, inhaltlich abgeändert.
6
Das Antragsformular ist zudem in schwarz-weiß gehalten und weist nicht
die in dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV vorgesehenen grünfarbigen Elemente auf.
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7
Das Amtsgericht hat den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nach vorherigem Hinweis zurückgewiesen. Die hiergegen
eingelegte sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Gläubigerin die
Aufhebung der zurückweisenden Beschlüsse und den Erlass des beantragten
Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, hilfsweise die Zurückverweisung
der Sache zur erneuten Entscheidung.
II.
8
Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung der angefochtenen
Beschlüsse und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
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1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, der Antrag der Gläubigerin
auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses sei nicht formgerecht eingereicht worden, da es sich nicht um das verbindliche Formular gemäß
Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV handele. Die Gläubigerin habe im Feld "Anspruch D
(an Kreditinstitute)" zusätzlich zu den fünf vorgedruckten Alternativen weitere
drei Alternativen als formularmäßigen Text hinzugefügt und im Feld "Anspruch
F (an Bausparkassen)" darüber hinaus den amtlichen Text inhaltlich abgeändert. Im Hinblick auf diese schwerwiegenden inhaltlichen Änderungen handele
es sich nicht mehr um das amtlich vorgeschriebene Formular.
10
Die Einführung des Formularzwangs solle die Arbeit der Amtsgerichte
vereinfachen. Dies würde jedoch in das Gegenteil verkehrt, wenn eine umständliche Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit selbst erstellter Formulare erforderlich wäre.
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11
Dass das amtlich vorgeschriebene Formular unvollständig sei, hindere
nicht dessen Nutzung, da ausdrücklich Felder zur Ergänzung vorgesehen seien
und, wenn diese nicht ausreichten, die Möglichkeit bestehe, durch Beifügung
von Ergänzungsblättern beliebige weitere Ausführungen zu machen. Soweit die
amtlichen Formulare in einigen Punkten Unrichtigkeiten aufwiesen, sei es nicht
Sache der Gläubigerin, etwaige Fehler des Gesetzgebers durch die Erstellung
eigener Formulare zu korrigieren. Vielmehr müsse sie sich auf eine erkennbare
Abänderung unter Benutzung des amtlichen Formulars verweisen lassen.
12
2. Dies hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
13
Der Antrag auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses
kann nicht mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung, er sei nicht
formgerecht eingereicht worden, als unzulässig zurückgewiesen werden.
14
a) Der Antrag ist nicht deshalb formunwirksam, weil die Gläubigerin auf
Seite 4 des Formulars unter "Anspruch A (an Arbeitgeber)" zusätzliche Eintragungen vorgenommen hat.
15
Gemäß § 829 Abs. 4 Satz 1 ZPO wird das Bundesministerium der Justiz
ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses
einzuführen. Soweit nach Satz 1 Formulare eingeführt sind, muss sich der Antragsteller ihrer bedienen, § 829 Abs. 4 Satz 2 ZPO. Am 1. September 2012 ist
die Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung in Kraft getreten (BGBl. I 2012
S. 1822). Nach deren § 2 Nr. 2, § 3 ist für Anträge auf Erlass eines Pfändungsund Überweisungsbeschlusses seit dem 1. März 2013 verbindlich das in Anlage
2 zur Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung vorgegebene Antragsformular
zu nutzen. Für den bis zum 1. März 2013 keinem Formzwang unterliegenden
Pfändungsantrag gelten seitdem strenge Formanforderungen.
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16
Wie der Senat mit Beschluss vom 13. Februar 2014 - VII ZB 39/13 (zur
Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) entschieden hat, sind die den Formularzwang regelnden Normen verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass
der Gläubiger vom Formularzwang entbunden ist, soweit das Formular unvollständig, unzutreffend, fehlerhaft oder missverständlich ist. In den Bereichen, in
denen das Formular aus diesen Gründen den Fall des Gläubigers nicht zutreffend erfasst, ist es nicht zu beanstanden, wenn er in dem Formular zusätzliche
Eintragungen vornimmt, selbst wenn das Formular an dieser Stelle keine oder
eine für die Eintragung zu geringe Anzahl an Freizeilen aufweist. Die Gläubigerin war daher berechtigt, das amtliche Formular auf Seite 4 unter "Anspruch A
(an Arbeitgeber)" über die bereits vorgegebene Aufzählung hinaus um weitere
Ansprüche zu ergänzen, die das Formular nicht vorsieht.
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Ebenfalls unschädlich ist es, dass die Gläubigerin auf Seite 5 unter "Anspruch D (an Kreditinstitute)" für ihre Zwecke ergänzende Eintragungen und auf
Seite 6 unter "Anspruch F (an Bausparkassen)" Korrekturen des vorgegebenen
Textes vorgenommen hat.
18
b) Der Antrag ist auch nicht deshalb formunwirksam, weil das von der
Gläubigerin verwendete Antragsformular bezüglich des Layouts von dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV abweicht.
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Die den Formularzwang regelnden Normen sind nach ihrem Sinn und
Zweck dahingehend auszulegen, dass auch die Nutzung solcher Formulare
zulässig ist, die im Layout geringe, für die zügige Bearbeitung des Antrags nicht
ins Gewicht fallende Änderungen enthalten (BGH, Beschluss vom 13. Februar
2014 - VII ZB 39/13, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
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Weicht - wie hier - ein Antragsformular von dem Formular gemäß
Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV lediglich in der Darstellung der Linien oder in sons-
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tigen Layoutelementen ab, die den Aufbau des Formulars nicht verändern, so
wird die Antragsbearbeitung durch das Vollstreckungsgericht hierdurch nicht
beeinträchtigt. Der Rechtspfleger findet bei der Bearbeitung des Formulars die
erforderlichen Angaben in der üblichen Reihenfolge vor.
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Unerheblich ist schließlich, dass das von der Gläubigerin verwendete Antragsformular nicht die in dem Formular gemäß Anlage 2 zu § 2 Nr. 2 ZVFV
enthaltenen grünfarbigen Elemente aufweist. Die farbige Gestaltung der Formulare dient nicht in erster Linie dem Ziel, die Vollstreckungsgerichte zu entlasten,
sondern hat den Zweck, dem Antragsteller das Ausfüllen des Formulars zu erleichtern (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Februar 2014 - VII ZB 39/13, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).
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III.
22
Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Es ist weder
festgestellt noch sonst ersichtlich, dass die weiteren Voraussetzungen für den
Erlass des beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vorliegen.
Die Sache war daher an das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - zurückzuverweisen, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO.
Kniffka
Safari Chabestari
Kartzke
Eick
Graßnack
Vorinstanzen:
AG Mannheim, Entscheidung vom 28.03.2013 - 653 M 372/13 LG Mannheim, Entscheidung vom 22.05.2013 - 10 T 26/13 -