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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 76/14
Verkündet am:
23. Oktober 2015
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 62 Abs. 1, § 307
Waren notwendige Streitgenossen in einem Termin zur mündlichen Verhandlung
säumig, können sie eine Prozesshandlung, die ein anwesender Streitgenosse mit
Wirkung für sie vorgenommen hat, in den Tatsacheninstanzen in nachfolgenden
mündlichen Verhandlungen widerrufen.
BGH, Urteil vom 23. Oktober 2015 - V ZR 76/14 - LG Frankfurt am Main
AG Offenbach am Main
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. September 2015 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
Richterinnen
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und
Dr. Brückner,
den
Richter
Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 13. Zivilkammer - vom 26. Februar 2014
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien bilden eine Wohnungserbbauberechtigtengemeinschaft. Auf
der Versammlung der Wohnungserbbauberechtigten vom 10. September 2011
wurde unter dem Tagesordnungspunkt (TOP) zu 3 im Beschlusswege die Beauftragung von Rechtsanwalt C. zur Vertretung in zwei Anfechtungsverfahren
genehmigt. Dagegen wenden sich die Kläger mit der Beschlussmängelklage.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht sind erschienen der
von dem Verwalter für sämtliche Beklagte beauftragte Rechtsanwalt C. sowie
die Beklagten zu 2 und 3, die einer Vertretung durch den Anwalt entgegengetreten sind. Nachdem die Kläger den Klageantrag gestellt hatten, haben sich
Rechtsanwalt C. und der Beklagte zu 3 dahin geäußert, keinen Antrag stellen
zu wollen. Der Beklagte zu 2 hat erklärt, er erkenne die Klage an. Das Amtsgericht hat der Klage durch Anerkenntnisurteil stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
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Mit der zugelassenen Revision wollen die Beklagten zu 1 (übrige Wohnungserbbauberechtigte mit Ausnahme der Kläger und der Beklagten zu 2
und 3) die Abweisung der Beschlussmängelklage erreichen. Die Kläger beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
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Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die übrigen Beklagten seien in
der mündlichen Verhandlung durch den anwesenden Beklagten zu 2 als notwendigen Streitgenossen nach § 62 ZPO umfassend vertreten gewesen und
daher an das von diesem abgegebene Anerkenntnis gebunden. Materiellrechtliche Erwägungen zur Vertretungsbefugnis seien irrelevant, weil das Anerkenntnis rein prozessualer Natur sei. Darauf, ob ein arglistig im Zusammenwirken mit der Gegenpartei abgegebenes Anerkenntnis unwirksam sei, komme es
mangels Arglist nicht an. Beseitigen könnten die Säumigen das Anerkenntnis
wegen der Vertretungsbefugnis des nichtsäumigen Streitgenossen nur, wenn
ihnen dies bei eigener Vornahme der Prozesshandlung möglich gewesen wäre.
Der Auffassung, wonach sich säumige Streitgenossen durch Berufungseinlegung von dem Anerkenntnis wieder lösen könnten, stehe ebenfalls die Rechts-
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natur des Anerkenntnisses entgegen. Zum Widerruf berechtigende Abänderungs- oder Restitutionsgründe nach §§ 323, 580 ZPO lägen nicht vor.
II.
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Die Revision ist zulässig.
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1. a) Rechtsanwalt Dr. N.
ist aufgrund der - nach einer Rüge der
Gegenseite gemäß § 88 Abs. 1 ZPO - vorgelegten, ihm von dem Verwalter am
10. Oktober 2014 erteilten Prozessvollmacht berechtigt, die Beklagten zu 1 zu
vertreten (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Die Vollmacht ist wirksam. Dass der Beschluss, durch den der Verwalter bestellt worden ist, vom Amtsgericht Offenbach durch Urteil vom 5. November 2014 für ungültig erklärt worden ist, ändert
hieran nichts (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Juni 2007 - V ZB 20/07, NJW
2007, 2776 Rn. 9; Merle in Bärmann, WEG, 12. Aufl., § 26 Rn. 255; Jennißen in
Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 26 Rn. 73 mwN).
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b) Ob die Vertretungsmacht des Verwalters auch bestanden hätte, wenn
er gemäß § 45 Abs. 1 Halbs. 2 WEG als Zustellungsvertreter ausgeschlossen
gewesen wäre (offen gelassen in Senat, Urteil vom 5. Juli 2013 - V ZR 241/12,
NJW 2013, 3098 Rn. 15), bedarf keiner Entscheidung. Denn die Voraussetzungen der genannten Vorschrift sind nicht erfüllt. Entgegen der von den Klägern
vertretenen Auffassung besteht aufgrund des Streitgegenstands nicht die Gefahr, der Verwalter werde die Wohnungserbbauberechtigten nicht sachgerecht
unterrichten. Gegenstand der Anfechtungsklage ist ausweislich der Klageschrift
der in der Versammlung vom 10. September 2011 zu TOP 3 gefasste Beschluss, über die Beauftragung von Rechtsanwalt C. zur Vertretung „der Gemeinschaft“ in einem Anfechtungsverfahren. Das Anfechtungsverfahren richtet
sich
gegen
einen
Beschluss,
mit
dem
die
B.
GmbH für den Zeitraum vom 7. Mai 2011 bis zum 31. Dezember 2011 zur Verwalterin bestellt worden ist. Schon weil dies nicht die Verwalterin ist, die
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Rechtsanwalt Dr. N.
bevollmächtigt hat, kann sich aus dem Streitgegen-
stand des hiesigen Verfahren kein Interessenkonflikt zwischen ihr und den von
ihr vertretenen übrigen Wohnungserbbauberechtigten ergeben, durch den die
Gefahr besteht, der Verwalter werde diese nicht sachgerecht unterrichten.
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Dass sich die übrigen Wohnungserbbauberechtigten nicht ordnungsgemäß über den Rechtsstreit unterrichtet fühlen, wie die Kläger unter Vorlage eines Schreibens der Wohnungsgesellschaft D.
mbH geltend machen,
ist unerheblich. Der Verwalter bleibt auch dann gesetzlicher Zustellungsvertreter, wenn er seiner Pflicht, die Wohnungseigentümer unverzüglich darüber zu
unterrichten, dass ein Rechtsstreit gemäß § 43 WEG anhängig ist (§ 27 Abs. 1
Nr. 7 WEG), nicht nachkommt. Anders als die Kläger offenbar meinen, ließe
sich von einer solchen Pflichtverletzung allein auch nicht auf das Bestehen eines Interessenkonflikts im Sinne von § 45 Abs. 1 Halbs. 2 WEG schließen.
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2. a) Dass der Verwalter im Beschlussmängelprozess nach § 27 Abs. 2
Nr. 2 WEG befugt ist, für die beklagten Wohnungseigentümer einen Rechtsanwalt zu mandatieren (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juli 2013 - V ZR 241/12, NJW
2013, 3098 Rn. 7 ff.), schließt allerdings nicht aus, dass einzelne Wohnungseigentümer einen eigenen Rechtsanwalt beauftragen oder eine Vertretung durch
den vom Verwalter eingeschalteten Anwalt ablehnen (vgl. Senat, Urteil vom
5. Juli 2013 - V ZR 241/12, aaO Rn. 15 sowie Merle, ZWE 2008, 109, 110 f.).
So verhält es sich bei den Beklagten zu 2 und 3, die ihre Interessen vor dem
Amtsgericht selbst wahrgenommen und bereits dort zum Ausdruck gebracht
haben, nicht durch den Verwalter vertreten werden zu wollen. Demgemäß werden sie in der Revisionsinstanz durch den von dem Verwalter beauftragten
Rechtsanwalt nicht vertreten, wie dieser in der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat klargestellt hat.
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§ 62 Abs. 1 ZPO steht dem nicht entgegen, weil die Rechtsmitteleinlegung kein einheitliches Vorgehen erfordert. Ein notwendiger Streitgenosse kann
ein ihn beschwerendes Urteil hinnehmen. Die übrigen Streitgenossen sind deshalb nicht an der Durchführung eines Rechtsmittels gehindert; eine einheitliche
Sachentscheidung wird dadurch gewährleistet, dass die Streitgenossen, die von
der Einlegung eines Rechtsmittels abgesehen haben, in der bisherigen Parteirolle als Kläger oder Beklagte an dem Verfahren weiter zu beteiligen sind (vgl.
zum Ganzen etwa Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl., § 62 Rn. 32 mwN).
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b) Soweit andere Wohnungserbbauberechtigte erstmals in der Revisionsinstanz mitgeteilt haben, sie wollten nicht durch Rechtsanwalt Dr. N.
ver-
treten werden, bleibt dies schon deshalb ohne Wirkung, weil die Erklärungen
nicht durch einen am Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt abgegeben worden sind (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO).
III.
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Die Revision ist begründet. Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
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1. Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass es
sich bei beklagten Wohnungseigentümern im Beschlussmängelprozess um
notwendige Streitgenossen handelt (vgl. nur BT-Drucks. 16/887 S. 73; BGH,
Urteil vom 11. November 2011 - V ZR 45/11, NZM 2012, 200 Rn. 9 mwN),
säumige Streitgenossen im Termin zur mündlichen Verhandlung von den anwesenden grundsätzlich nach § 62 Abs. 1 ZPO vertreten werden und von dieser verfahrensrechtlichen Vertretungsbefugnis auch die Abgabe eines Anerkenntnisses nach § 307 ZPO umfasst wird (etwa OLG Karlsruhe ZEV 2011,
324, 325; MüKoZPO/Schultes, 4. Aufl., § 62 Rn. 43 u. 49; Gehrlein in Prütting/Gehrlein, ZPO, 7. Aufl., § 62 Rn. 20; Musielak/Weth, ZPO, 12. Aufl., § 62
Rn. 14 u. 18; a.A. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 23. Aufl., § 62 Rn. 30 u. 38).
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Anders als der Prozessvergleich (dazu Senat, Urteil vom 30. September
2005 - V ZR 275/04, BGHZ 164, 190, 193 mwN) weist das Anerkenntnis als
reine Prozesshandlung keine materiellrechtlich-prozessuale Doppelnatur auf
(vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Mai 1981 - IVb ZR 589/80, BGHZ 80, 389, 391 f.;
OLG Frankfurt, NJW-RR 1988, 574, 575; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl.,
§ 307 Rn. 17 mwN; aA Stein/Jonas/Bork, aaO), so dass es - was das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend zugrunde legt - auf materiellrechtliche Erwägungen nicht ankommt. Gegen eine Einschränkung der in § 62 Abs. 1 ZPO
normierten verfahrensrechtlichen Vertretungsbefugnis auf der säumigen Partei
günstige Erklärungen und Prozesshandlungen spricht bereits der weite Wortlaut
der Vorschrift. Zudem ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien mit aller Klarheit,
dass der säumigen Partei das prozessuale Verhalten des nichtsäumigen Streitgenossen zur Ermöglichung eines sämtliche notwendige Streitgenossen erfassenden einheitlichen Urteils unabhängig davon zugerechnet werden soll, ob
dieses für den Säumigen „günstig oder nachtheilig“ ist (S. 83 der Entwurfsbegründung abgedruckt bei Hahn, Die gesamten Materialien zu den ReichsJustizgesetzen, Band 2, 2. Aufl., S. 174; vgl. auch RGZ 90, 42, 45 f.; BPatG,
GRUR 2012, 99, 100).
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2. Das Berufungsurteil kann aber deshalb keinen Bestand haben, weil
die in erster Instanz säumigen Beklagten an das für sie von dem Beklagten zu 2
abgegebene Anerkenntnis nicht mehr gebunden sind.
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a) Nach ganz herrschender Meinung besteht im Ergebnis Einigkeit darüber, dass sich die säumigen Streitgenossen von dem mit Gesamtwirkung nach
§ 62 Abs. 1 ZPO vorgenommenen Prozessverhalten des nicht Säumigen wieder lösen können, sofern es noch nicht zu einer unanfechtbaren Endentscheidung gekommen ist (Musielak/Weth, aaO, § 62 Rn. 14: Loslösung durch „Widerspruch“; ebenso Gehrlein in Prütting/Gehrlein, aaO, § 62 Rn. 20; MüKoZPO/Schultes, aaO, § 62 Rn. 43; Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 62 Rn.
64; Lindacher, Jus 1986, 379; vgl. auch Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 36. Aufl.,
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Rn. 20: beschränkte Wirkung eines Anerkenntnisses bei Berufungseinlegung
durch die Säumigen; Zöller/Vollkommer, aaO, § 62 Rn. 26: Entfallen der Wirkung bei Berufungseinlegung; ähnlich Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZPO, 17.
Aufl., § 49 Rn. 46; aA Stein/Jonas/Bork, ZPO, 23. Aufl., § 62 Rn. 33: Loslösung
nur möglich, wenn dem Vertretenen bei eigener Vornahme der Prozesshandlung eine Beseitigungsmöglichkeit zustünde).
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b) Dem tritt der Senat mit der Maßgabe bei, dass es säumigen Streitgenossen in den Tatsacheninstanzen in nachfolgenden mündlichen Verhandlungen möglich ist, eine von dem anwesenden Streitgenossen mit Wirkung für sie
vorgenommene Prozesshandlung zu widerrufen.
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aa) Prozesshandlungen wie das Anerkenntnis unterliegen nicht den für
materiell-rechtliche Rechtsgeschäfte geltenden Vorgaben. Die für Willenserklärungen geltenden Vorschriften über Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit wegen Willensmängeln sind weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (vgl. BGH,
Urteil vom 27. Mai 1981 - IVb ZR 589/80, BGHZ 80, 389, 391 ff.; Beschluss
vom 13. Dezember 2006 - XII ZB 71/04, MDR 2007, 672; Beschluss vom
14. Mai 2013 - II ZR 262/08, NJW 2013, 2686 Rn. 7). Wegen ihrer prozessgestaltenden Wirkung sind Prozesshandlungen grundsätzlich unwiderruflich, wenn
sie als so genannte Bewirkungshandlungen die Prozesslage unmittelbar beeinflussen (Senat, Urteil vom 27. Februar 2015 - V ZR 128/14, NJW 2015, 2425
Rn. 27). Ein Widerrufsrecht kann sich allerdings ausnahmsweise aus teleologischen oder systematischen Erwägungen ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2001 - XII ZR 292/99, NJW 2002, 436, 438).
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bb) Die Möglichkeit zum Widerruf von Prozesshandlungen, die - wie
hier - in der mündlichen Verhandlung von einem anwesenden Streitgenossen
mit Wirkung für und wider die übrigen vorgenommen worden sind, folgt aus der
gebotenen teleologischen Reduktion des § 62 ZPO.
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Das mit der Norm verfolgte gesetzgeberische Anliegen besteht darin, die
Möglichkeit zu einer einheitlichen gerichtlichen Entscheidung auch dann zu eröffnen, wenn nicht sämtliche notwendige Streitgenossen im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesend sind. Eine Strafsanktion gegen säumige Streitgenossen wird mit der Vorschrift dagegen nicht bezweckt. Der mit der
Regelung einhergehende Eingriff in die Privatautonomie der Säumigen ist nur
im Rahmen des Erforderlichen legitim. Die Bindung an eine ohne seine Mitwirkung geschaffene Prozesslage ist nicht erforderlich, wenn eine einheitliche Entscheidung noch ergehen kann, wenn es also nicht zu einer in den Tatsacheninstanzen nicht mehr anfechtbaren Entscheidung gekommen ist (ebenso MüKoZPO/Schultes, 4. Aufl., § 62 Rn. 43; Musielak/Weth, ZPO, 12. Aufl., § 62
Rn. 14). Dies gilt umso mehr, als die säumige Partei - sieht man von § 62
Abs. 1 ZPO ab - sich ansonsten gegen ein an die Säumnis anknüpfendes Urteil
mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs wehren könnte (§ 338 ZPO). Ein sachlicher Grund, warum ihr diese Möglichkeit im Fall der notwendigen Streitgenossenschaft nicht zur Verfügung stehen soll, ist nicht erkennbar. Die Regelung
des § 62 Abs. 2 ZPO, nach der die säumigen Streitgenossen auch in dem späteren Verfahren zuzuziehen sind, spricht vielmehr dafür, dass diese sich von
nachteiligen Prozesshandlungen lösen können, die ihnen von dem anwesenden
Streitgenossen aufgezwungen worden sind. Gestützt wird diese Sichtweise
durch die Gesetzesmaterialien. Denn in der Entwurfsbegründung (S. 83, abgedruckt bei Hahn, aaO, S. 174) heißt es zu der von der Vorschrift angeordneten
Gesamtwirkung der Erklärungen des anwesenden Streitgenossen: „Sie tritt ein,
sobald der Fall der Versäumung vorliegt und währt bis dahin, dass der säumige
Streitgenosse sich an dem späteren Verfahren wieder betheiligt“ (in diesem
Sinne auch MüKoZPO/Schultes, aaO). Schließlich genießt die Zulassung einer
Widerrufsmöglichkeit den Vorzug, dass der Gesetzgeber bei diesem Verständnis mit § 62 Abs. 2 ZPO nicht lediglich die weitere Beteiligung der vormals säumigen Streitgenossen angeordnet und damit nicht eine weithin überflüssige - da
selbstverständliche - Regelung getroffen hat.
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IV.
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Da das Berufungsurteil keinen Bestand haben kann und die für eine Endentscheidung durch den Senat notwendigen Feststellungen (§ 563 Abs. 3 ZPO)
nicht getroffen worden sind, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
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Für die Kostenentscheidung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass
eine gesamtschuldnerische Kostenhaftung der beklagten Wohnungserbbauberechtigten, wie sie das Amtsgericht mit Berichtigungsbeschluss vom 27. März
2013 ausgesprochen hat, im Gesetz keine Stütze findet. § 100 Abs. 4 ZPO ist
im Beschlussmängelprozess weder direkt (so aber AG Dortmund, NJW 2008,
1089, 1090) noch - mangels Vorliegens einer planwidrigen Regelungslücke -
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analog (so aber Dötsch, ZMR 2009, 183, 184 f.) anwendbar (Timme/Elzer,
WEG, 2. Aufl., § 46 Rn. 261 f. mwN; vgl. auch Drasdo, NZM 2015, 65, 70).
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Göbel
Brückner
Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Offenbach am Main, Entscheidung vom 03.08.2012 - 330 C 192/11 LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 26.02.2014 - 2-13 S 142/12 -