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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 63/07
Verkündet am:
25. Januar 2008
Lesniak,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
HGB § 128 Abs. 1
Die Haftung der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ermöglicht es nicht, die Gesellschafter zur Abgabe
einer Willenserklärung zu verurteilen, die die Gesellschaft schuldet.
BGH, Urt. v. 25. Januar 2008 - V ZR 63/07 - OLG Jena
LG Erfurt
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats
des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 26. März 2007
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Z.
Flurstück 130, in W.
. 1972 wurde die Z.
straße 32, Flur 48,
straße höher gelegt. Deshalb
nutzen die Kläger seither einen Teil des angrenzenden früher volkseigenen
Grundstücks D.
Str. 2, Flurstück 112/27, als Zufahrt zu der
Garage auf ihrem Grundstück. Aufgrund Auflassung vom 21. Juli 1998 wurden
die Beklagten am 28. Mai 2003 "als Gesellschafter in Gesellschaft bürgerlichen
Rechts" als Eigentümer dieses Grundstücks in das Grundbuch eingetragen.
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Mit der Klage verlangen die Kläger von den Beklagten als Eigentümern
des Flurstücks 112/27 zur Sicherung der Zufahrt zu der Garage auf ihrem
Grundstück die Bewilligung einer Grunddienstbarkeit nach § 116 Abs. 1
SachRBerG. Die Beklagten haben eine Verpflichtung hierzu verneint und im
Wege einer hilfsweise erhobenen Widerklage beantragt, die Kläger zu verurteilen, die Verkehrssicherungspflicht, die öffentlichen Lasten und die Instandhaltung des von ihnen in Anspruch genommenen Teils ihres Grundstücks zu übernehmen. Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen und der Widerklage in
geringem Umfang stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos
geblieben. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten die Abweisung der Klage und verfolgen die mit der Widerklage erhobenen Ansprüche weiter, soweit diese ohne Erfolg geblieben ist.
Entscheidungsgründe:
I.
3
Das Berufungsgericht meint, die Beklagten seien zur Bewilligung der verlangten Dienstbarkeit verpflichtet. Durch die Eintragung in das Grundbuch seien
sie und nicht die zwischen ihnen vereinbarte Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Eigentümer des Grundstücks geworden. Die Gesellschaft sei nicht grundbuchfähig und habe das Grundstück, auf dessen Nutzung die Kläger zur Erschließung ihres Grundstücks angewiesen seien, nicht erwerben können. Die Widerklage sei allein in dem von dem Landgericht erkannten Umfang begründet.
II.
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Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
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1. Nach § 116 Abs. 1 Halbs. 1 SachRBerG kann der Eigentümer eines
Grundstücks im Beitrittsgebiet unter den Voraussetzungen von § 116 Abs. 1
Halbsatz 2 SachenRBerG die Bestellung einer Grunddienstbarkeit an einem
fremden Grundstück verlangen. Der Anspruch richtet sich gegen den Eigentümer des fremden Grundstücks. Daran fehlt es bei den Beklagten. Sie sind nicht
Eigentümer des von den Klägern als Zufahrt in Anspruch genommenen Grundstücks.
6
a) Durch die Auflassung des Grundstücks und die Eintragung vom
28. Mai 2003 hat die zwischen den Beklagten vereinbarte Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Eigentum an dem Grundstück erworben. Auf die Frage, ob
eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts grundbuchfähig ist, wegen derer das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, kommt es insoweit nicht an.
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Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist rechtsfähig, soweit sie durch
Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (grundlegend BGHZ 146, 341 ff.). Ihre Rechtsfähigkeit umfasst die Fähigkeit, Eigentümer von Grundstücken zu sein (BGH, Urt. v. 25. September 2006, II ZR 218/05,
DNotZ 2007, 119 f. m. Anmerkung Volmer; Nagel, NJW 2003, 1646, 1647;
Häublein, EWiR 2007, 279, 280; ferner Senat, Beschl. v. 6. April 2006, V ZB
158/05; BayObLGZ 2002, 137, 141 f.). Die hiergegen geäußerten Bedenken
(BayObLGZ 2002, 330, 335; OLG Celle NJW 2006, 2194; Demharter, FGPrax.
2007, 7, 8) übergehen, dass die Verneinung der Möglichkeit, eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts als solche unter der für diese von ihren Gesellschaftern
vereinbarten Bezeichnung in das Grundbuch einzutragen, nicht dazu führt, dass
die Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Eigentum an einem Grundstück nicht
erwerben könnte (so zutreffend Heil, DNotZ 2004, 379, 380; Münch, DNotZ
2001, 535, 545; Ulmer/Steffek, NJW 2002, 330, 332; ferner Dümig, Rpfleger
2007, 24 f.). Die Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerli-
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chen Rechtes führt vielmehr dazu, dass das Verfahrensrecht an das geänderte
Verständnis des Wesens der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts anzupassen
ist (Münch DNotZ 2001, 535, 548 ff.; Volmer DNotZ 2007, 119, 121). Dass diese dem Gesetzgeber vorbehaltene Anpassung bisher nicht erfolgt ist, schließt
den Erwerb von Eigentum an Grundstücken durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht aus, sondern erschwert nur den zum Vollzug von Verfügungen der Gesellschaft im Grundbuch notwendigen Nachweis der Befugnis der
Gesellschafter zur Vertretung der Gesellschaft (vgl. Ulmer/Steffek NJW 2002,
330, 336; Nagel NJW 2003, 1146, 1147; Behrens ZfIR 2008, 1, 2 ff.). Derartige
Schwierigkeiten bestehen im vorliegenden Fall nicht. Die von den Beklagten
gegründete Gesellschaft ist Eigentümerin des von den Klägern in Anspruch genommenen Grundstücks. Allein sie kann zur Bestellung einer Dienstbarkeit verpflichtet sein. Die Gesellschaft ist parteifähig. Wird sie zur Bewilligung der von
den Klägern erstrebten Dienstbarkeit und zur Bewilligung von deren Eintragung
verurteilt, führt die Rechtskraft eines entsprechenden Urteils dazu, dass die
Kläger die zur Entstehung der Dienstbarkeit notwendige Eintragung erwirken
können.
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b) Eine Verpflichtung der Beklagten zur Bestellung der verlangten
Dienstbarkeit besteht nicht. Sie folgt insbesondere nicht daraus, dass die Beklagten in entsprechender Anwendung von § 128 Satz 1 HGB für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft grundsätzlich persönlich haften (grundlegend BGHZ
146, 341, 358 f.) und die Gesellschaft die von den Klägern verlangte Dienstbarkeit zu bestellen hätte. Eine Haftung der Beklagten für diesen Anspruch scheitert daran, dass Gegenstand der von den Beklagten erstrebten Leistung eine
Willenserklärung, nämlich die Bestellung einer Dienstbarkeit an dem Grundstück der Gesellschaft, ist. Die hierzu notwendige Erklärung der Gesellschaft
wird nach dem Verständnis des Klageantrags durch das Berufungsgericht von
den Klägern weder verlangt, noch kann sie durch eine entsprechende Erklärung
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der Beklagten ersetzt werden (MünchKomm-HGB/Karsten Schmidt, 2. Aufl.,
§ 128 Rdn. 30; Staub/Habersack, HGB, § 128 Rdn. 37; ferner Senat, Urt. v.
22. Dezember 1982, V ZR 315/81, WM 1983, 220, 221). Dass die Beklagten
gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt und damit zu der von
den Klägern erstrebten Leistung in der Lage sind, führt nicht dazu, dass eine
durch die Rechtskraft eines Urteils fingierte Erklärung der Beklagten (§ 894
ZPO) namens der Gesellschaft abgegeben wäre und damit gegen diese wirkte.
Hierzu bedarf es vielmehr einer Verurteilung der Gesellschaft.
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c) Entgegen der Meinung der Revisionserwiderung ergibt sich aus § 736
ZPO nichts anderes.
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§ 736 ZPO lässt die Zwangsvollstreckung in das Vermögen einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts aus einem Titel zu, der im Hinblick auf die persönliche Mithaftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ergangen ist (grundlegend BGHZ 146, 341, 356). Die Vollsteckungsbefugnis des Gläubigers wird um die Befugnis erweitert, in Vermögen zu vollstrecken, das einem rechtlich von dem Vermögen des Schuldners zu trennenden
Vermögen zugeordnet ist. Die Durchbrechung des Grundsatzes, dass ein Titel
nur die Vollstreckung in das Vermögen des im Titel bezeichneten Schuldners
eröffnen kann, ist hinnehmbar, wenn Gegenstand der titulierten Verpflichtung
eine Verbindlichkeit ist, für die die Gesellschaft ebenso wie die in Anspruch genommenen Gesellschafter haftet (K. Schmidt, NJW 2001, 993, 1000 f.) und alle
Gesellschafter dem Vollstreckungszugriff unterworfen sind. Durch die Vollstreckung in das Vermögen der Gesellschaft wird die von allen Gesellschaftern geschuldete Leistung bewirkt. Mittelbar vermindert die Vollsteckung im selben
Umfang das Vermögen der Gesellschafter. Der Umfang der Verpflichtung der
Gesellschafter wird hierdurch nicht erweitert.
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So verhält es sich jedoch nicht, wenn es, wie vorliegend, an einer Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeit der Gesellschaft fehlt. Ebenso
wenig folgt aus § 736 ZPO, dass die Gesellschafter zu einer Leistung verurteilt
werden können, die nicht von ihnen, sondern von der Gesellschaft geschuldet
wird, oder dass die Fiktion einer Erklärung der Gesellschafter gemäß § 894
ZPO zur Folge hätte, dass eine von der Gesellschaft abzugebende Willenserklärung ohne ein Urteil gegen die Gesellschaft abgegeben wäre.
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2. Das Berufungsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, die
Prüfung unterlassen, ob die Klage dahin auszulegen ist, dass die Gesellschaft
Beklagte des Rechtsstreits ist. Dies ist nachzuholen.
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Die Kläger erstreben mit der Klage die Sicherung der von ihnen genutzten Zufahrt zu der Garage auf ihrem Grundstück. Die hierzu notwendige
Dienstbarkeit kann nur von der Gesellschaft als Eigentümerin des angrenzenden Grundstücks bestellt werden. Ein Verständnis der Klage dahin, dass die
Kläger nicht die Verurteilung der Gesellschaft, sondern die Verurteilung von deren Gesellschaftern beantragen, läuft dem Interesse der Kläger offenbar zuwider. Daher ist im Wege der Auslegung der Klage zu prüfen, ob diese tatsächlich
gegen die Beklagten oder aber gegen die Gesellschaft gerichtet ist (BGH, Urt.
v. 16. Mai 1983, VIII ZR 34/82, NJW 1983, 2448, 2449; ferner Urt., v.
17. Oktober 1987, II ZR 21/87, NJW 1988, 1585, 1587 f.; Urt. v. 15. Januar
2003, XII ZR 300/99, NJW 2003, 1043). Umgekehrt können die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche allein der Gesellschaft zustehen. Das ist
insbesondere von den Klägern bisher nicht gesehen worden. Im Hinblick auf
den unzutreffenden Hinweis des Berufungsgerichts in der Verfügung vom
12. Januar 2007 und die Ausführungen des Berufungsgerichts in der mündlichen Verhandlung bestand für sie auch kein Anlass, zu dieser Frage Stellung
zu nehmen. Durch die Aufhebung des Berufungsurteils und die Zurückverwei-
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sung des Rechtstreits erhalten sie Gelegenheit, dies nachzuholen. Soweit die
notwendige Auslegung der Klage dazu führt, dass die Gesellschaft Beklagte
des Verfahrens und Widerklägerin ist, ist ihr gegenüber zu entscheiden und das
Rubrum entsprechend zu berichtigen.
Krüger
Klein
Schmidt-Räntsch
Lemke
Roth
Vorinstanzen:
LG Erfurt, Entscheidung vom 31.08.2006 - 8 O 822/05 OLG Jena, Entscheidung vom 26.03.2007 - 9 U 869/06 -