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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZR 37/11
vom
29. September 2011
in dem Rechtsstreit
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den
Richter Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 2. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.
Die Drittwiderbeklagte ist des Rechtsmittels der Nichtzulassungsbeschwerde verlustig.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der
Gegenstandswert
des
Beschwerdeverfahrens
beträgt
2.181.240,40 €.
Gründe:
I.
1
Der Kläger und seine Ehefrau sind Landwirte, die Beklagte betreibt eine
Tonwarenfabrik und eine Ziegelei. Mit notariellem Vertrag vom 24. März 2005
verkauften der Kläger und seine Ehefrau als Miteigentümer landwirtschaftlich
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genutzte Grundstücke an die Beklagte zum Preis von 500.000 €. Diese Grundstücke liegen außerhalb des örtlichen Vorzugsgebiets für Lehmabbau. Mit notariellem Vertrag vom 21. Juli 2005 verkauften die Eheleute eine weitere kleine
Fläche an die Beklagte. Unmittelbar nach Abschluss des ersten Kaufvertrags
ließ die Beklagte Probeentnahmen durchführen, die abbauwürdigen Ton ergaben, und stellte daraufhin beim Bergamt Südbayern Antrag auf Zulassung zum
Betriebsplan. Das Zulassungsverfahren ist noch nicht beendet. Nach einem
von dem Kläger eingeholten Privatgutachten soll sich der tatsächliche Wert der
Flächen auf 2,66 Mio € belaufen.
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Der Kläger hat auch aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau die Anpassung des Kaufpreises in Form einer Erhöhung um 2,165 Mio € verlangt, hilfsweise die Feststellung, dass er Anspruch auf eine solche Erhöhung habe,
wenn der Beklagten eine bestandskräftige Abbaugenehmigung erteilt werde.
Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen ohne Erfolg geblieben. Die Revision
hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Die Drittwiderbeklagte hat die zunächst
ebenfalls eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen.
II.
3
Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe den Wegfall der Geschäftsgrundlage „nicht schlüssig und substantiiert dargetan“. Nach seinem
Vortrag, den er in der Anhörung im Berufungsrechtszug präzisiert habe, habe
er die Beklagte ausdrücklich gefragt, ob sie Lehm abbauen wolle, was diese
mit dem Hinweis verneint habe, sie wolle die Fläche verpachten und eventuell
später als Tauschgrund verwenden. Daraus ergebe sich nicht, dass der Kläger
für die Beklagte erkennbar die Verwendung der Flächen zur Geschäftsgrund-
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lage gemacht habe und ebenso wenig, dass er seine Preisforderung von der
Verwendung abhängig gemacht habe. Es liege auch keine Äquivalenzstörung
vor, weil das Tonvorkommen wegen des wenige Kilometer entfernten Abbaugebiets nicht unvorhergesehen gewesen sei.
III.
4
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig; insbesondere übersteigt
der Wert des Beschwerdegegenstandes 20.000 € (§ 26 Nr. 8 EGZPO). Sie hat
jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil kein Zulassungsgrund (§ 543 Abs. 2
Satz 1 ZPO) besteht.
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1. Allerdings rügt die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht, dass das
Berufungsgericht das rechtliche Gehör des Klägers nicht gewahrt hat. Es hat
die Zurückweisung der Berufung ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf die
Überlegung gestützt, gemessen an den Angaben aus der präzisierenden persönlichen Anhörung des Klägers sei die Klage im Hinblick auf den Wegfall der
Geschäftsgrundlage „nicht schlüssig und substantiiert“. Der Kläger hat jedoch
in der Klageschrift unter Beweisantritt vorgetragen, er habe unmissverständlich
zum Ausdruck gebracht, dass die Nutzung der Grundstücke zentraler preisbildender Faktor sei. Weil die Beklagte einen beabsichtigten Lehmabbau von sich
gewiesen habe, sei sie nur dazu bereit gewesen, den Preis für landwirtschaftliche Nutzflächen zu zahlen. Unter Einbeziehung dieses Vortrags, der zu den
persönlichen Angaben des Klägers nicht im Widerspruch steht, ist die Annahme des Berufungsgerichts nicht nachvollziehbar, die Beklagte habe die während der Vertragsverhandlungen gestellte Frage des Klägers lediglich als Interesse an der künftigen Verwendung verstehen können. Weil nicht dokumentiert
worden ist, ob das Berufungsgericht auf diese Einschätzung gemäß § 139
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Abs. 2 ZPO hingewiesen hat, ist das rechtliche Gehör des Klägers bei der Zurückweisung der Berufung nicht gewahrt worden. Ein solcher Hinweis war erforderlich, nachdem das Landgericht umfänglich Beweis zu dem Gesprächsverlauf erhoben und damit zum Ausdruck gebracht hat, dass die Substantiierung gegeben sei. Wäre der Hinweis erfolgt, hätte der Kläger klargestellt, dass
er sein schriftsätzliches Vorbringen aufrechterhält, und das Berufungsgericht
hätte die Zurückweisung nicht auf fehlende Schlüssigkeit und Substantiierung
hinsichtlich des Wegfalls der Geschäftsgrundlage stützen dürfen.
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2. Es fehlt aber an der Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers. Aus dem Wegfall der Geschäftsgrundlage kann der Kläger die begehrte
Rechtsfolge nicht herleiten. Er verlangt nach erfolglosen Verhandlungen über
eine Anpassung des Kaufpreises dessen Anhebung um das Fünffache. Eine
derartige Anhebung ist - anders als die Beschwerde meint - für die Beklagte
nicht zumutbar im Sinne von § 313 Abs. 3 Satz 1 BGB. In diesem Fall erlaubte
die fehlende Geschäftsgrundlage dem Kläger als dem benachteiligten Teil
zwar den Rücktritt vom Vertrag, nicht aber eine Anpassung. Die Zumutbarkeit
ist in beide Richtungen zu prüfen, und bei Äquivalenzstörungen darf nur dann
nicht auf den Rücktritt verwiesen werden, wenn insgesamt die Aufrechterhaltung der Vertragsbeziehung die bessere Lösung ist (MünchKomm-BGB/Roth,
5. Aufl., § 313 Rn. 70, 105). Daran fehlt es schon deshalb, weil der Beklagten
eine wirtschaftliche Entscheidung aufgedrängt würde, die sie in dieser Form
nicht getroffen hat. Die Anpassung würde den Vertrag grundlegend umgestalten und wäre aus diesem Grund ein erheblicher Eingriff in die Vertragsfreiheit.
Dagegen ist der Kläger durch die Möglichkeit des Rücktritts hinreichend geschützt, selbst wenn das Verhalten der Beklagten - wie die Beschwerde meint als arglistige Täuschung zu werten wäre.
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3. Im Übrigen wirft die Rechtssache keine entscheidungserheblichen
Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung ist auch nicht
zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).
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4. Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 565, 516
Abs. 3 ZPO.
Krüger
Stresemann
Brückner
Roth
Weinland
Vorinstanzen:
LG Passau, Entscheidung vom 17.06.2010 - 3 O 968/08 OLG München, Entscheidung vom 02.12.2010 - 8 U 3618/10 -