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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 26/06
Verkündet am:
19. Januar 2007
W i l m s,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
WEG § 18 Abs. 1
a) Die fortlaufend unpünktliche Erfüllung von Wohngeld- und anderen Zahlungsansprüchen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann den anderen Wohnungseigentümern die Fortsetzung der Gemeinschaft mit dem säumigen Wohnungseigentümer unzumutbar machen und die Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 Abs. 1 WEG rechtfertigen, wenn sie die ordnungsgemäße Verwaltung nachhaltig beeinträchtigt.
b) Bei einer Entziehung aus diesem Grund muss der säumige Wohnungseigentümer
vor Beschlussfassung abgemahnt werden. Von einer Abmahnung kann nur abgesehen werden, wenn sie den anderen Wohnungseigentümern unzumutbar ist oder
keinen Erfolg verspricht.
c) Ein wegen fehlender Abmahnung nicht ausreichender Entziehungsbeschluss stellt
sich rechtlich als Abmahnung dar. Er erlaubt nach entsprechender Beschlussfassung eine Entziehungsklage, wenn der betroffene Wohnungseigentümer, und sei
es auch nur einmal, die abgemahnten Pflichten versäumt. Etwas anderes gilt nur,
wenn der Beklagte unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der
Dauer seines Wohlverhaltens, annehmen darf, die zur Abmahnung führenden
Vorgänge hätten sich für die Gemeinschaft erledigt.
-2BGH, Urt. v. 19. Januar 2007 - V ZR 26/06 - LG Darmstadt
AG Darmstadt
-3-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Januar 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die
Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 7. Dezember 2005 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Darmstadt vom 24. Juni
2005 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Beklagte, der seine Wohnung vermietet hat, zahlte das von ihm geschuldete Wohngeld seit 1997 regelmäßig erst nach gerichtlicher Geltendmachung. Seine Rückstände beliefen sich im Wirtschaftsjahr 2003/2004 auf
4.036,99 € und im Wirtschaftsjahr 2004/2005 auf 3.240,00 €, die er im Verlaufe
des Rechtsstreits bezahlte.
2
Auf einer Wohnungseigentümerversammlung am 9. August 2004 beschloss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit Ausnahme des Beklag-
-4-
ten, diesem das Wohnungseigentum zu entziehen, „da er fortlaufend seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber der WEG verweigert oder diese erst durch
aufwendige und langwierige Mahnverfahren erzwungen werden müssen“. Dieser Beschluss wurde nicht angefochten. Der Aufforderung der Kläger vom
16. August 2004, ihnen freiwillig seine Wohnung zu verkaufen, kam der Beklagte nicht nach. Auch das Angebot der Kläger vom 21. September 2004, die gerichtliche Geltendmachung des Entziehungsbeschlusses zurückzustellen, wenn
die Rückstände bis zum 6. Oktober 2004 ausgeglichen und das Wohngeld künftig pünktlich gezahlt würden, nahm der Beklagte nicht zum Anlass für entsprechende Zahlungen. Er zahlte sie vielmehr erst nach dem Urteil erster Instanz.
Die Kläger möchten den Entziehungsbeschluss mit der vorliegenden Klage
durchsetzen. Dem tritt der Beklagte entgegen.
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Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet
sich die von dem Senat zugelassene Revision des Beklagten, mit welcher dieser die Entziehung seines Wohnungseigentums verhindern will. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
I.
4
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist zwar der von dem Amtsgericht
herangezogene Entziehungsgrund des Zahlungsrückstands (§ 18 Abs. 2 Nr. 2
WEG) mit der zwischenzeitlich erfolgten Zahlung entfallen. Die Klage sei aber
unabhängig hiervon nach § 18 Abs. 1 WEG begründet. Den Klägern sei nämlich
das unregelmäßige und unpünktliche Zahlungsverhalten des Beklagten nicht
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länger zuzumuten. Eine Abmahnung sei nicht erforderlich gewesen. Sie liege
aber auch vor, weil die Kläger dem Beklagten Gelegenheit zum freiwilligen Verkauf gegeben und eine Zurückstellung der gerichtlichen Durchsetzung des Entziehungsbeschluss bei Ausgleich der Rückstände und künftig pünktlicher Zahlung in Aussicht gestellt hätten.
II.
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Das hält rechtlicher Prüfung im Ergebnis nicht stand.
6
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings von der Aktivlegitimation der Kläger als Wohnungseigentümer aus. Die Wohngeldansprüche, auf
deren unpünktliche und unregelmäßige Zahlung die Entziehungsklage gestützt
wird, stehen zwar nicht den Wohnungseigentümern, sondern der teilrechtsfähigen (dazu: Wenzel, ZWE 2006, 462, 463 f.) Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu (Senat, BGHZ 163, 154, 169 f.). Die Entscheidung darüber, ob
dem säumigen Wohnungseigentümer das Wohnungseigentum entzogen werden soll, betrifft aber nach geltendem Recht die Mitgliedschaft und gehört deshalb nicht zur Kompetenz des Verbandes (Palandt/Bassenge, BGB, 66. Aufl.,
§ 18 WEG Rdn. 7; Abramenko, ZMR 2005, 585 f.; Jennißen, ZMR 2006, 203,
205). Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könnte einzelne Wohnungseigentümer im Übrigen ermächtigen, ihr zustehende Ansprüche geltend zu machen; dies braucht nicht ausdrücklich zu geschehen (Senatsurt. v. 24. Juni
2005, V ZR 350/03, NJW 2005, 3146 f.). Eine solche Ermächtigung wäre in
dem Beschluss über die Entziehung zu sehen. Die Kläger wären deshalb auch
dann aktivlegitimiert, wenn der Entziehungsanspruch dem Verband und nicht
(mehr) den Wohnungseigentümern zustünde.
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7
2. Nicht zu beanstanden ist ferner der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, auch die fortdauernd unpünktliche Erfüllung von Wohngeld- und anderen
Zahlungsansprüchen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne die
Entziehung des Wohnungseigentums rechtfertigen.
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a) Die Entziehung des Wohnungseigentums setzt nach § 18 Abs. 1 WEG
voraus, dass sich der betroffene Wohnungseigentümer einer so schweren Verletzung seiner ihm gegenüber den anderen Wohnungseigentümern obliegenden
Verpflichtungen schuldig gemacht hat, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann. Zu der Verletzung solcher gemeinschaftsbezogenen Pflichten gehört die Verletzung der Pflicht zur
Lasten- und Kostentragung nach § 16 Abs. 2 WEG. Das zeigt schon das Gesetz selbst, wenn es Wohngeldrückstände in § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG, allerdings
unter besonderen Voraussetzungen, als Regelbeispiel für eine zur Entziehung
des Wohnungseigentums führende Pflichtverletzung benennt.
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b) Nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG ist eine Entziehung wegen Wohngeldrückständen allerdings nur möglich, wenn sich der Wohnungseigentümer in Höhe eines Betrags, der drei Prozent des Einheitswerts seines Wohnungseigentums übersteigt, länger als drei Monate in Verzug befindet und, § 19 Abs. 2
WEG, diesen Rückstand auch nicht bis zu Erteilung des Zuschlags nach § 57
WEG ausgleicht. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, weil der Beklagte
seinen Rückstand nach seiner Verurteilung in erster Instanz ausgeglichen hat.
Das versperrt aber den Rückgriff auf die Generalklausel des § 18 Abs. 1 WEG
nicht. § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG hebt lediglich einen speziellen Anwendungsfall
des § 18 Abs. 1 WEG beispielhaft hervor und steht der Anwendung des § 18
Abs. 1 WEG auf andere Fälle der Verletzung der Pflicht zur Lasten- und Kostentragung nicht von vornherein entgegen. Die unpünktliche Erfüllung dieser
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Pflicht kann ein Gewicht erlangen, das den anderen Wohnungseigentümern die
Fortsetzung der Gemeinschaft mit dem säumigen Wohnungseigentümer unzumutbar macht. Das ist für die nach § 543 Abs. 1 und 2 BGB von ähnlichen Voraussetzungen abhängige und auch inhaltlich vergleichbare Kündigung eines
Wohnraummietverhältnisses aus wichtigem Grund wegen Mietrückständen anerkannt (BGH, Urt. v. 11. Januar 2006, VIII ZR 364/04, NJW 2006, 1585, 1586;
MünchKomm-BGB/Schilling, 4. Aufl., § 543 Rdn. 12; Schmidt-Futterer/Blank,
Mietrecht, 9. Aufl., § 543 Rdn. 168; ebenso zu § 554a BGB a.F. BGH, Urt. v. 23.
September 1987, VIII ZR 265/86, NJW-RR 1988, 77, 78; Urt. v. 6. November
1996, XII ZR 60/95, NJW-RR 1997, 203 f.). Für den Entziehungsanspruch nach
§ 18 Abs. 1 WEG gilt nichts anderes.
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Das Gemeinschaftseigentum lässt sich sachgerecht nur verwalten, wenn
die Wohnungseigentümer die Aufbringung der dafür erforderlichen Mittel nicht
nur beschließen (dazu Senat, BGHZ 163, 154, 175), sondern die gefassten Beschlüsse auch umsetzen und die Wohngelder und Umlagen zahlen. Entzieht
sich ein Wohnungseigentümer nicht nur gelegentlich und nicht nur geringfügig
dieser Pflicht, entstehen nicht nur Rechtsverfolgungskosten, die allerdings dem
säumigen Wohnungseigentümer angelastet werden könnten. Ein solches Verhalten kann vor allem dem Verwalter oder den mit der Verwaltung befassten
Wohnungseigentümern je nach Umfang und Häufigkeit der Zahlungsverzögerungen die erforderliche Planungssicherheit nehmen und die Verwaltung nachhaltig beeinträchtigen. Das gilt nicht nur dann, wenn Rückstände auflaufen oder
deshalb Sonderumlagen zu beschließen und aufzubringen sind, sondern auch
dann, wenn der Wohnungseigentümer auf Mahnung oder Klage oder nur mit
Verzögerung zahlt. Stört ein solches Verhalten die ordnungsgemäße Verwaltung des Gemeinschaftseigentums nachhaltig, kann es die Fortsetzung der
Gemeinschaft unzumutbar machen. Das hat das Berufungsgericht hier ange-
-8-
nommen. Diese nur eingeschränkt überprüfbare (für § 543 Abs. 1 BGB: BGH,
Urt. v. 11. Januar 2006, VIII ZR 364/04, aaO) tatrichterliche Wertung ist insoweit
nicht zu beanstanden.
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3. Zu beanstanden ist aber die weitere Annahme des Berufungsgerichts,
eine Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 Abs. 1 WEG wegen fortlaufend unpünktlicher Erfüllung der Lasten- und Kostentragungspflicht setze
eine Abmahnung nicht voraus.
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a) Dem Berufungsgericht ist allerdings zuzugeben, dass eine Abmahnung in § 18 Abs. 1 WEG, anders als in dem erwähnten Vergleichsfall der Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses aus wichtigem Grund (vgl. § 543
Abs. 3 BGB), nicht ausdrücklich erwähnt wird. Teilweise wird eine solche Abmahnung deshalb auch nicht besonders angesprochen (Erman/Grziwotz, BGB,
11. Aufl., § 18 WEG Rdn. 2; Meyer, WEZ 1987, 17, 18 f.) oder wegen des Gewichts des Entziehungsgrundes nicht verlangt (LG Tübingen NJW-RR 1995,
650, 651; Kreuzer in: Köhler/Bassenge, Anwaltshandbuch Wohnungseigentumsrecht, Teil 13 Rdn. 25; Hogenschurz, NZM 2005, 611, 614; inhaltlich auch
AG Erlangen ZMR 2004, 539, 540; weitergehend wohl LG Stuttgart NJW-RR
1997, 589, wonach auch die Kumulation mehrerer Pflichtverletzungen von geringerem Gewicht genügen soll). Nach herrschender Ansicht ist Unzumutbarkeit
dagegen erst anzunehmen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen, insbesondere eine Abmahnung, erfolglos geblieben sind (OLG Köln ZMR 1998, 48,
49; LG Aachen, ZMR 1993, 233, 234; AG Dachau ZMR 2006, 319, 320; ähnlich
LG Köln ZMR 2002, 227, 229; AnwKomm-BGB/Schultzky, § 18 WEG Rdn. 4;
Pick in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 18 Rdn. 14; Palandt/Bassenge,
BGB, 66. Aufl., § 18 WEG Rdn. 1; KK-WEG/Riecke, § 18 Rdn. 27; MünchKomm-BGB/Engelhardt, 4. Aufl., § 18 WEG Rdn. 2; Niedenführ/Schulze, WEG,
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7. Aufl., § 18 Rdn. 1; Staudinger/Kreuzer, BGB [2005], § 18 WEG Rdn. 2 u. 17;
Weitnauer/Lüke, WEG, 9. Aufl., § 18 Rdn. 1; Becker/Kümmel/Ott, Wohnungseigentum, Rdn. 559; noch strenger Bärmann/Pick, WEG, 17. Aufl., § 18 Rdn. 5:
erfolgloses Verfahren nach § 43 WEG).
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b) Die herrschende Ansicht überzeugt.
14
(1) Das Erfordernis einer Abmahnung folgt aus dem Zweck der Entziehungsklage und der Systematik ihrer Tatbestände. Der Gesetzgeber hat die
Entziehungsklage als letztes Mittel zur Wiederherstellung des Gemeinschaftsfriedens gegenüber einem von ihm so genannten „Störenfried“ eingeführt (Entwurfsbegründung in BR-Drucks. I/252 S. 27 zu § 22 und mündl. Erläuterung der
Beschlussempfehlung in StenBer I. WP S. 4387 C). Als Störenfried hat er einen
Wohnungseigentümer angesehen, der nicht nur seine Pflichten grob verletzt,
sondern böswillig ist. Das lässt sich, von Ausnahmefällen abgesehen, nur feststellen, wenn der Wohnungseigentümer zunächst zur Einhaltung seiner Pflichten angehalten wird, also eine Abmahnung erfolgt. Eine solche Abmahnung
wird denn auch in dem Regelbeispiel des § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG, das im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens eingeführt worden ist (Beschlussempfehlung in BT-Drucks. I/1802), ausdrücklich angesprochen. Danach liegen die Voraussetzungen von § 18 Abs. 1 WEG insbesondere dann vor, wenn der Wohnungseigentümer „trotz Abmahnung wiederholt gröblich gegen die ihm nach
§ 14 [WEG] obliegenden Pflichten verstößt“. Demnach bedarf es in dieser Fallgestaltung mindestens zweier Pflichtverletzungen nach einer Abmahnung (Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 18 Rdn. 31; Kreuzer in: Köhler/Bassenge, aaO,
Rdn. 9; KK-WEG/Riecke, § 18 Rdn. 33; Niedenführ/Schulze, aaO, § 18
Rdn. 10; Hogenschurz, NZM 2005, 611, 613). Eine Abmahnung ist in dem zweiten, dem vorliegenden Fall näher liegenden Regelbeispiel nach § 18 Abs. 2 Nr.
- 10 -
2 WEG zwar nicht vorgeschrieben. Hier wird aber ein der Abmahnung entsprechender Effekt dadurch erreicht, dass die Entziehung nach § 19 Abs. 2 WEG
entfällt, wenn die Rückstände bis zum Zuschlag nach § 57 WEG ausgeglichen
werden. Die Entziehungsklage hat damit selbst lediglich die Wirkung einer Abmahnung. Bei anderen Pflichtverletzungen, die ein vergleichbares Gewicht haben müssen, auf eine Abmahnung zu verzichten, führte zu einem nicht vermittelbaren Wertungswiderspruch.
(2) Nur mit einer Abmahnung kann auch den aus dem Grundrecht auf
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Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) folgenden Anforderungen an die Vorschrift Rechnung getragen werden. Das Eigentumsgrundrecht steht einer Entziehung von
Wohnungseigentum aus den in § 18 Abs. 1 WEG bestimmten Gründen zwar
nicht entgegen; sie kommt aber nur bei Vorliegen enger Voraussetzungen in
Betracht (BVerfG NJW 1994, 241, 242). Sie darf nur als letztes Mittel gegen
einen gemeinschaftsschädigenden Wohnungseigentümer eingesetzt werden
(OLG Köln, ZMR 1998, 48, 49; LG Landau, WuM 1986, 151, 152; LG Aachen,
ZMR 1993, 233, 235; LG Köln, ZMR 2002, 227, 229; LG Augsburg, ZMR 2005,
230 f.; AG Dachau, ZMR 2006, 319, 320; Becker/Kümmel/Ott, aaO, Rdn. 559;
Niedenführ/Schulze, aaO, § 18 Rdn. 1; Staudinger/Kreuzer, aaO, § 18 WEG
Rdn. 2; Weitnauer/Lüke, aaO, § 18 Rdn. 1). Ob das der Fall ist, lässt sich
grundsätzlich nur beurteilen, wenn der Wohnungseigentümer abgemahnt worden ist. Die anderen Wohnungseigentümer haben daher die bestehenden und
ihnen zumutbaren Möglichkeiten zur Unterbindung störenden Verhaltens auszuschöpfen, wozu auch die Abmahnung des betroffenen Wohnungseigentümers gehört. Auf sie kann nur ausnahmsweise verzichtet werden, etwa dann,
wenn diese der Gemeinschaft unzumutbar ist oder offenkundig keine Aussicht
auf Erfolg bietet (AG Dachau, ZMR 2006, 319, 320; KK-WEG/Riecke, § 18 Rdn.
28).
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(3) So sieht es auch § 543 Abs. 3 BGB für das Mietrecht vor, an dem
sich der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 18 WEG ausdrücklich ausgerichtet hat (Entwurfsbegründung aaO) und an das er sich bei ihrer Gesetz gewordenen Fassung noch stärker angelehnt hat als der Entwurf (Beschlussempfehlung aaO). Auch § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB lässt die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus einem in einer Pflichtverletzung liegenden wichtigen
Grund nur zu, wenn eine Abmahnung erfolglos war. Etwas anderes gilt nach
§ 314 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 323 Abs. 2 BGB nur, wenn eine Abmahnung unzumutbar ist oder keinen Erfolg verspricht. Diese Grundsätze gelten auch für
die Kündigung eines Gesellschaftsverhältnisses nach § 723 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1
BGB (MünchKomm-BGB/Ulmer, aaO, § 723 Rdn. 32 a. E.) und eines Dienstoder Arbeitsverhältnisses nach § 626 Abs. 1 (MünchKomm-BGB/Henssler,
aaO, § 626 Rdn. 89 f.). Ein Grund, von dieser einheitlichen Wertung bei der den
genannten Tatbeständen insoweit vergleichbaren Entziehungsklage abzuweichen, ist nicht erkennbar.
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(4) Danach war hier eine Abmahnung erforderlich.
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(a) Der Beklagte hat zwar seine Pflicht zur Zahlung des Wohngelds über
Jahre hinweg nur auf gerichtliche Inanspruchnahme hin erfüllt. Die Kläger haben die Gemeinschaft aber dessen ungeachtet fortgesetzt. Für den Beklagten
war ohne einen entsprechenden Hinweis nicht klar, dass sein Verhalten die Kläger nicht nur zur Einleitung gerichtlicher Verfahren zur Durchsetzung der
Gemeinschaftsansprüche veranlasste, sondern aus ihrer Sicht die Grundlage
einer Fortführung der Gemeinschaft erschütterte und Anlass zur Entziehung
des Wohnungseigentums gab.
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(b) Eine Abmahnung war den Klägern zuzumuten. Sie war ohne weiteres
möglich und bedeutete keine Verzögerung bei der Herstellung geordneter Verhältnisse. Sie setzte nämlich - wie bei § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG (dazu: Pick in:
Bärmann/Pick/Merle, aaO, § 18 Rdn. 31 a. E.; Erman/Grizwotz, aaO, § 18 WEG
Rdn. 2; MünchKomm-BGB/Engelhardt, aaO, § 18 WEG Rdn. 4; Palandt/Bassenge, aaO, § 18 WEG Rdn. 3; Staudinger/Kreuzer, aaO, § 18 WEG
Rdn. 20) - keinen Beschluss der Gemeinschaft voraus; es genügte vielmehr
dass der Verwalter oder ein Wohnungseigentümer sie aussprach. Sie war dann
auch nicht selbständig anfechtbar (für § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG: BayObLG NJWRR 2004, 1020, 1021).
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(c) Eine Abmahnung war auch nicht aussichtslos. Der Beklagte hat zwar
weder den Entziehungsbeschluss noch das Angebot der Kläger, von der
Durchsetzung dieses Beschlusses bei fristgerechtem Ausgleich der Rückstände
und künftig pünktlicher Zahlung Abstand zu nehmen, zum Anlass genommen,
die Rückstände auszugleichen. Er hat es vielmehr wiederum auf eine gerichtliche Entscheidung ankommen lassen. Das besagt aber nicht, dass die zur Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 Abs. 1 WEG erforderliche Abmahnung auf den Beklagten ohne Eindruck geblieben wäre. Aus seiner Sicht ging
es den Klägern bislang nur um den Ausgleich der Rückstände. Diese Rückstände haben sie gerichtlich durchgesetzt. Gegen einen Ausgleich vor allem der
Rückstände wollten sie auf die Durchsetzung des Entziehungsbeschlusses verzichten. Dass es ihnen um mehr, nämlich um eine generelle Änderung seines
Zahlungsverhaltens und um eine Entziehung des Wohnungseigentums auch für
den Fall ging, dass er die Rückstände später doch ausglich, konnte der Beklagte bei objektiver Sicht nicht erkennen. Aus seiner Sicht hat sich die Gemeinschaft sich mit der Durchsetzung ihrer Zahlungsansprüche begnügt. Wollte sie
weitergehende Konsequenzen ziehen, musste sie das unmissverständlich deut-
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lich machen (vgl. für den insoweit parallelen Fall einer verhaltensbedingten
Kündigung: BAGE 99, 340, 345; BB 2005, 716, 718). Das lässt sich dem zudem
erst nach dem Entziehungsbeschluss an die Beklagten gerichteten Schreiben
vom 21. September 2004 zwar bei näherem Hinsehen entnehmen. Dem Beklagten wurde das aber erst in der Klagebegründung deutlich. Deshalb rechtfertigt sein Verhalten nicht den Schluss, dass ihn eine Abmahnung unbeeindruckt
gelassen hätte.
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4. Die erforderliche Abmahnung konnten die Kläger entgegen der Hilfserwägung des Berufungsgerichts nicht nachholen.
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a) Zweifelhaft ist schon, ob die als nachträgliche Abmahnungen in Betracht zu ziehenden Schreiben der Kläger vom 16. August und 21. September
2004 inhaltlich den Anforderungen an eine Abmahnung genügen. In dem ersten
Schreiben wird der Entziehungsbeschluss erläutert, dem Beklagten aber nicht
Gelegenheit gegeben, ihn abzuwenden. Er wird vielmehr aufgefordert, ihn zu
erfüllen. In dem zweiten Schreiben erklären sich die Kläger zwar bereit, bei
pünktlicher Erfüllung seiner Pflichten durch den Beklagten die gerichtliche
Durchsetzung des Entziehungsbeschlusses zurückzustellen. Sie behalten sich
aber auf Dauer vor, bei einem neuerlichen Verstoß ohne weitere Beschlussfassung eine Entziehungsklage zu erheben. Ob darin eine Abmahnung gesehen
werden kann, ist fraglich, kann aber offen bleiben.
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b) Eine Abmahnung kann den ihr zugedachten Zweck nur erfüllen, wenn
sie vor einem Entziehungsbeschluss erfolgt, woran es hier fehlt. Sie soll den
Wohnungseigentümer vor dem drohenden Entziehungsbeschluss warnen (LG
Aachen, ZMR 1993, 233, 235; KK-WEG/Riecke, § 18 Rdn. 29; Sauren, WEG, 4.
Aufl., § 18 Rdn. 5; Staudinger/Kreuzer, aaO, § 18 WEG Rdn. 17). Gleichzeitig
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soll er erfahren, was er zu tun hat, um diesen Beschluss und seinen Vollzug zu
vermeiden. Die Abmahnung soll aber auch sicherstellen, dass die übrigen
Wohnungseigentümer den Entziehungsbeschluss nur fassen, wenn die Pflichtverletzung eine Fortführung der Gemeinschaft unzumutbar macht. Dazu sollen
sie dem betroffenen Wohnungseigentümer eine letzte Möglichkeit zur Verhaltensänderung geben und berücksichtigen, was er auf die Abmahnung zur
Rechtfertigung oder Erklärung seines Verhaltens vorbringt. Dieser Zweck kann
nur erreicht werden, wenn die Abmahnung vor Beschlussfassung erfolgt. Ist der
Beschluss einmal gefasst, kann eine Abmahnung nur noch als Druckmittel dazu
dienen, den gefassten Beschluss durchzusetzen. Das ist zwar legitim (BayObLGZ 1975, 53, 57; Kreuzer in: Köhler/Bassenge, aaO, Rdn. 34; Staudinger/Kreuzer, aaO, § 18 Rdn. 33), nimmt der Abmahnung aber ihren eigentlichen
Sinn und genügt deshalb nicht. Damit scheidet eine Entziehung aufgrund des
gefassten Entziehungsbeschlusses aus.
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5. Der gefasste Entziehungsbeschluss macht dem Beklagten aber
- jedenfalls in Verbindung mit dem Schreiben vom 21. September 2004 - klar,
dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die fortdauernd unpünktliche
Zahlung der Wohngelder durch den Beklagten nicht länger hinnehmen und dies
zum Anlass für eine Entziehung nehmen will. Er stellt inhaltlich eine Abmahnung dar, die auch durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer erfolgen
kann (OLG Hamburg, ZMR 2003, 596; Staundinger/Kreuzer, aaO, § 18 Rdn. 20
a.E.). Das hat zur Folge, dass ein Entziehungsgrund gegeben ist, wenn der Beklagte künftig, und sei es auch nur einmal, seine Zahlungsverpflichtungen in
nicht nur zu vernachlässigendem Umfang unpünktlich erfüllt. Die Gemeinschaft
könnte dann den nach § 18 Abs. 3 WEG erforderlichen Entziehungsbeschluss
fassen und auf Entziehung klagen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Beklagte
unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Dauer seines Wohl-
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verhaltens, annehmen darf, die zur Abmahnung führenden Vorgänge hätten
sich für die Gemeinschaft erledigt (so für den insoweit vergleichbaren Fall der
verhaltensbedingten Kündigung: BAG, DB 1987, 1303 und 2367; NZA 1987,
418, 419).
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Krüger
Klein
Schmidt-Räntsch
Lemke
Roth
Vorinstanzen:
AG Darmstadt, Entscheidung vom 24.06.2005 - 311 C 58/05 LG Darmstadt, Entscheidung vom 07.12.2005 - 25 S 121/05 -