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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZR 235/10
vom
16. Dezember 2011
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den
Richter Dr. Lemke, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub und die
Richterin Weinland
beschlossen:
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Gegenstandswert des Revisionsverfahrens beträgt 21.600 €.
Gründe:
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1. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist über dessen Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden (§ 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das führt zur Auferlegung der Kosten auf
den Beklagten, da die Revision der Klägerin Erfolg gehabt hätte.
2
Die Annahme des Berufungsgerichts, dem Anspruch der Klägerin auf
Einräumung des Wohnrechts habe der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegengestanden, hätte revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht standgehalten. Die Situation, die das Berufungsgericht durch den
Rückgriff auf Treu und Glauben zu bewältigen suchte, ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Setzt der Gläubiger einen Anspruch durch, obwohl er dem
Schuldner aus demselben rechtlichen Verhältnis seinerseits zu einer Leistung
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verpflichtet ist, sind die Interessen des Schuldners durch die Möglichkeit geschützt, sich auf ein Zurückbehaltungsrecht zu berufen (§ 273 Abs. 1 BGB). Die
entsprechende Einrede hat zur Folge, dass er die geschuldete Leistung nur
gegen Empfang der ihm gebührenden Leistung erbringen muss, also nur Zug
um Zug verurteilt wird (§ 274 Abs. 1 BGB). Regelt das Gesetz einen Interessenkonflikt, ist der Richter nicht berechtigt, die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben durch vermeintlich angemessenere Konfliktlösungen zu ersetzen (vgl. BGH, Urteil vom
6. Mai 1985 - VIII ZR 119/84, NJW 1985, 2579, 2580).
3
Die in den §§ 273, 274 BGB getroffenen Regelungen waren hier einschlägig. Der Beklagte hätte sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen können, soweit ihm die Klägerin wegen der vorvertraglichen Pflichtverletzung Ersatz des Vertrauensschadens schuldete (§ 311 Abs. 2 BGB i.V.m. § 280
Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB; vgl. näher Senat, Urteil vom 11. Juni 2010 - V ZR
144/09, WuM 2011, 524). Der Schadensersatzanspruch ist entstanden und
fällig. Dass sich seine Höhe anhand des Betrages berechnen lässt, den der
Beklagte für die Anmietung einer Ersatzwohnung hätte aufwenden müssen
oder welcher ihm dadurch entgangen wäre, dass er andere Räume in der Pension bezogen und diese nicht mehr als Gästezimmer hätte vermieten können,
führt nicht etwa dazu, dass solche Ausgaben bzw. Einnahmeverluste Fälligkeitsvoraussetzungen des Schadensersatzanspruchs sind. Denn nicht hierin
liegt der Schaden des Beklagten, sondern in den durch den zustande gekommenen Vertrag nicht befriedigten berechtigten Erwartungen (vgl. Senat, Urteil
vom 19. Mai 2006 - V ZR 264/05, BGHZ 168, 35, 39). Die genannten Kosten
bzw. Einnahmeeinbußen dienen lediglich als Anhaltspunkt für die Bezifferung
des - durch den Abschluss des Vertrages erlittenen und von zukünftigen Entwicklungen unabhängigen - Vertrauensschadens.
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Vor diesem Hintergrund hätte die Revision aller Voraussicht nach zu einer antragsgemäßen Verurteilung des Beklagten geführt. Eine Einschränkung
in Form einer Zug-um-Zug-Verurteilung kam nach dem bisherigen Sach- und
Streitstand nicht in Betracht, da ein Schadensersatzanspruch des Beklagten
wegen der Aufklärungspflichtverletzung der Klägerin auf der Grundlage der von
dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht hätte beziffert werden
können und die Revisionserwiderung keinen Verweis auf eine nachvollziehbare
Darlegung des Beklagten in der Berufungsinstanz enthält, die eine Berechnung
des erlittenen Vertrauensschadens ermöglicht hätte.
5
2. Der Gegenstandswert ist einheitlich auf 21.600 € festgesetzt worden.
Der Wert der Hauptsache bleibt trotz der übereinstimmenden Erledigungserklärungen für alle Gebühren maßgeblich, da die im Streit befindlichen Kosten den
Wert der Hauptsache übersteigen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rn. 16
"Erledigung der Hauptsache").
Krüger
Lemke
Czub
Stresemann
Weinland
Vorinstanzen:
LG Freiburg, Entscheidung vom 13.10.2008 - 5 O 297/07 OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 04.11.2010 - 13 U 138/08 (10) -