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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 191/15
Verkündet am:
8. April 2016
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
WEG § 13 Abs. 2 Satz 1, § 15 Abs. 3
a) Die Zuweisung im Gemeinschaftseigentum stehender Flächen an einzelne Wohnungseigentümer zur ausschließlichen Nutzung begründet auch
dann ein Sondernutzungsrecht und erfordert daher eine Vereinbarung im
Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG, wenn alle Wohnungseigentümer eine gleichwertige Fläche zur alleinigen Nutzung erhalten (Fortführung von
Senat, Beschluss vom 20. September 2000 - V ZB 58/99, BGHZ 145,
158, 167 f.).
b) Eine Regelung, die im Interesse eines geordneten Gebrauchs des Gemeinschaftseigentums dessen turnusmäßige Nutzung durch einzelne
Wohnungseigentümer vorsieht, führt dagegen grundsätzlich nicht zu einem (befristeten) Sondernutzungsrecht; sie kann daher durch (Mehrheits-) Beschluss getroffen werden.
ECLI:DE:BGH:2016:080416UVZR191.15.0
-2WEG § 10 Abs. 2 Satz 3, § 21 Abs. 8
Eine Vereinbarung kann durch eine gerichtliche Entscheidung nach § 21
Abs. 8 WEG ersetzt werden, wenn einem Wohnungseigentümer nach § 10
Abs. 2 Satz 3 WEG ein Anspruch auf ihren Abschluss zusteht, die übrigen
Wohnungseigentümer diesen nicht erfüllen und bei ihrer inhaltlichen Ausgestaltung Spielraum besteht.
BGH, Urteil vom 8. April 2016 - V ZR 191/15 - LG Karlsruhe
AG Karlsruhe
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. April 2016 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
Richterinnen Dr. Brückner und Weinland, den Richter Dr. Kazele und die
Richterin Haberkamp
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts
Karlsruhe - Zivilkammer XI - vom 30. Juli 2015 im Kostenpunkt
und insoweit aufgehoben, als es die Nutzung des Gartens regelt.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
1
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Kläger
sind Eigentümer einer Wohnung mit einem Miteigentumsanteil von 26/100; die
Beklagten sind Eigentümer der anderen Wohnung mit einem Miteigentumsanteil
von 74/100. Nach der Teilungserklärung steht jeder der beiden Sondereigentumseinheiten eine Stimme zu.
-4-
2
Auf dem Grundstück ist ein Garten angelegt; Sondernutzungsrechte insoweit bestehen nicht. Der Garten wird überwiegend von den Beklagten genutzt, die dort Brennholz lagern und Teilbereiche für sich allein beanspruchen.
3
Die Kläger haben - soweit hier noch von Interesse - zunächst die Feststellung verlangt, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihnen den Mitgebrauch
des Gartens in der Weise zu gewähren, dass beiden Wohnungseigentümern
eine gleichwertige Nutzung ermöglicht wird. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer Berufung haben die Kläger zuletzt eine Nutzungsregelung
für den Garten im Wege einer Beschlussersetzung erstrebt. Das Landgericht
hat die Nutzung dahingehend geregelt, dass die Kläger den Garten an geraden,
die Beklagten an ungeraden Tagen nutzen dürfen. Mit der zugelassenen Revision wollen die Beklagten die Abweisung des Antrags auf Beschlussersetzung
erreichen. Die Kläger beantragen die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
I.
4
Das Berufungsgericht meint, die Kläger hätten einen Anspruch auf Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Gartens unabhängig von der Größe ihres
Miteigentumsanteils. Da die Parteien aufgrund ihres zerrütteten Verhältnisses
nicht in der Lage seien, eine Regelung über den gemeinsamen Gebrauch des
Gartens zu treffen, könnten die Kläger eine solche im Wege der Beschlussersetzung durch das Gericht verlangen. Nicht möglich sei allerdings die Zuweisung von Teilflächen des Gartens an jeweils eine Partei zur alleinigen Nutzung.
Hierdurch entstünden nämlich Sondernutzungsrechte an den Teilflächen; solche könnten nur durch eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer begründet
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werden. Anders sei dies für die getroffene Rotationsregelung. Die faktische Einräumung eines zeitlich begrenzten Sondernutzungsrechts liege darin nicht. Die
Rotationsregelung führe dazu, dass sich die Parteien im Garten aus dem Wege
gehen könnten. Konkret sei von einem tageweisen Wechsel auszugehen, um
Perioden von gutem und schlechtem Wetter möglichst gleichmäßig auf die Parteien zu verteilen.
II.
5
Dies hält rechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht
stand.
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1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings von der Zulässigkeit der Beschlussersetzungsklage aus.
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a) Die Kläger machen einen Anspruch auf interessengerechte Gebrauchsregelung nach § 15 Abs. 3 WEG geltend, der - sofern die Wohnungseigentümer über die verlangte Regelung durch Beschluss entscheiden können
(§ 15 Abs. 2 WEG) - mit einer Beschlussersetzungsklage nach § 21 Abs. 8
WEG durchgesetzt werden kann (vgl. nur Bärmann/Suilmann, WEG, 13. Aufl.
§ 15 Rn. 49). Für die Bestimmtheit des Klageantrages ist ausreichend, dass das
Rechtsschutzziel hinreichend deutlich wird (vgl. Senat, Urteil vom 24. Mai 2013
- V ZR 182/12, NJW 2013, 2271 Rn. 23). Dies ist der Fall. Die Kläger erstreben
eine möglichst gleichmäßige Nutzung des Gartens durch alle Wohnungseigentümer.
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b) Der vorherigen Befassung der Eigentümerversammlung mit der Angelegenheit bedurfte es nicht. Kann - wie hier im Hinblick auf die tiefgreifende Zerstrittenheit der Parteien und die Stimmengleichheit - mit an Sicherheit grenzen-
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der Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass ein dem Klageziel
entsprechender Antrag in der Eigentümerversammlung nicht die erforderliche
Mehrheit finden wird, ist die Vorbefassung der Versammlung ausnahmsweise
entbehrlich (vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 114/09, BGHZ 184,
88 Rn. 14 f.).
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2. Die von dem Berufungsgericht für die Gartennutzung getroffene Rotationsregelung entspricht jedoch nicht billigem Ermessen im Sinne von § 15
Abs. 3 WEG und kann daher keinen Bestand haben.
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a) Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht allerdings an, dass es
keine Gebrauchsregelung des Inhalts treffen durfte, dass bestimmte Flächen
des Gartens bestimmten Wohnungseigentümern zur alleinigen Nutzung zugewiesen werden.
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aa) Nach § 15 Abs. 3 WEG kann ein Wohnungseigentümer zwar den
Abschluss einer interessegerechten Gebrauchsregelung über die Nutzung des
Gemeinschaftseigentums verlangen, soweit sich, wie hier, aus Gesetz, Vereinbarungen oder Beschlüssen keine Regelung ergibt. Solche Gebrauchsregelungen können Bestimmungen zur Nutzungsart und -zweck enthalten. Möglich sind
auch Nutzungsbeschränkungen bis hin zu einem Nutzungsverbot. Nicht unter
§ 15 WEG fällt aber eine Regelung, die im Gemeinschaftseigentum stehende
Flächen an einem Wohnungseigentümer zum ausschließlichen Gebrauch zuweist. Eine solche Regelung stellt wegen des damit verbundenen vollständigen
Ausschlusses der anderen Wohnungseigentümer von dem Mitgebrauch des
Gemeinschaftseigentums keine Konkretisierung des Gebrauchs im Sinne von
§ 15 WEG dar. Sie ändert vielmehr § 13 Abs. 2 WEG ab und führt zu einem
Sondernutzungsrecht
des
begünstigten
Wohnungseigentümers
(Senat,
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Beschluss vom 20. September 2000 - V ZB 58/99, BGHZ 145, 158, 167; vgl.
auch Schultzky in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 15 Rn. 5).
12
bb) Das gilt auch dann, wenn allen Wohnungseigentümern eine gleichwertige Fläche des Gemeinschaftseigentums zur alleinigen Nutzung zugewiesen wird.
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(1) Allerdings wird verschiedentlich unter Rückgriff auf den Kompensationsgedanken eine gleichmäßige räumliche Zuweisung von Gemeinschaftseigentum zur alleinigen Nutzung durch die einzelnen Wohnungseigentümer als
eine mögliche Gebrauchsregelung im Sinne des § 15 WEG angesehen. So
handele es sich beispielsweise nicht um einen Ausschluss vom Mitgebrauch,
sondern um eine Konkretisierung des gemeinschaftlichen Gebrauchs, wenn
jedem Wohnungseigentümer ein bestimmter Stellplatz zur dauerhaften oder
befristeten Nutzung zugewiesen werde. Für jeden Wohnungseigentümer werde
der Ausschluss vom Mitgebrauch an den übrigen Stellplätzen durch das Recht
zum Alleingebrauch an einem bestimmten Stellplatz ausgeglichen. Es mache
wertungsmäßig keinen Unterschied, ob der Ausschluss vom Mitgebrauch - wie
im Fall der Vermietung - durch einen entsprechenden Anteil an den Nutzungen
oder durch den unmittelbaren ausschließlichen Eigengebrauch an einer Teilfläche des Gemeinschaftseigentums kompensiert werde (Becker/Kümmel, ZWE
2001, 128, 136; Wenzel ZWE 2001, 226, 230 f.; Bärmann/Suilmann, WEG,
13. Aufl., § 15 Rn. 22 - anders allerdings § 13 Rn. 109; ähnlich unter Hinweis
auf § 14 Nr. 1 WEG: BeckOK WEG/Dötsch, 26. Edition, § 15 Rn. 48). Hieran
anknüpfend wird auch eine räumliche Aufteilung einer im Gemeinschaftseigentum stehenden Gartenfläche im Rahmen einer Gebrauchsregelung für möglich
gehalten. Diese sei nicht zu beanstanden, wenn sie von der gleichrangigen
Nutzungsberechtigung aller Miteigentümer an der Gesamtfläche ausgehe und
sich auf eine räumliche Abgrenzung der Nutzungsberechtigung beschränke, die
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in dem gleichen Maße, in dem sie bestimmte Miteigentümer von der Nutzung
einer Teilfläche ausschließe, diesen hinsichtlich des ihnen zugewiesenen Teilstücks zugutekomme (OLG Hamm, FGPrax 2005, 113 f.; Schmidt, ZWE 2007,
446, 447; vgl. auch KG, NJW-RR 1991, 1117, 1118 zu Kellerräumen).
14
(2) Richtigerweise handelt es sich aber auch bei einer gleichmäßigen
Zuweisung verschiedener im Gemeinschaftseigentum stehender Flächen zur
alleinigen Nutzung, die alle Wohnungseigentümer einbezieht, nicht um eine
Gebrauchsregelung im Sinne des § 15 WEG. Eine derartige räumliche Aufteilung führt zu einem gänzlichen Ausschluss der Wohnungseigentümer von dem
Mitgebrauch des einem anderen Wohnungseigentümer zugewiesenen Teils des
Gemeinschaftseigentums sowie gleichzeitig zu einem ausschließlichen Nutzungsrecht an einer anderen Teilfläche. Damit handelt es sich um gegenständlich begrenzte Sondernutzungsrechte (ebenso OLG München, ZMR 2008, 560,
561; OLG Düsseldorf, NZM 2004, 107, 108; OLG Düsseldorf, NZM 2003, 767;
OLG Karlsruhe, MDR 1983, 672; LG Köln, ZWE 2012, 187 f.; Hügel/Elzer,
WEG, § 15 Rn. 10; Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 4. Aufl., § 15 Rn. 14a;
Bornemann, Der Erwerb von Sondernutzungsrechten im Wohnungseigentumsrecht, 2000, S. 132 f.; Schweiger, Sondernutzungsrechte im Wohnungseigentum, 1987, S. 128 f.; wohl auch Schultzky in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 13
Rn. 68; Spielbauer in Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 13 Rn. 29; Häublein,
Sondernutzungsrechte und ihre Begründung im Wohnungseigentumsrecht,
2003, S. 200 f.); sie können nur durch eine Vereinbarung gemäß § 10 Abs. 2
Satz 2 WEG begründet werden (vgl. Senat, Urteil vom 2. Dezember 2011
- V ZR 74/11, NJW 2012, 676 Rn. 10; Urteil vom 18. März 2016 - V ZR 75/15,
ZfIR 2016, 459 Rn. 22 mwN).
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Dass der jeweilige Wohnungseigentümer eine gleichwertige Fläche zur
alleinigen Nutzung als Kompensation des Ausschlusses vom Mitgebrauch an
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anderen Flächen zugewiesen erhalten hat, rechtfertigt keine andere Bewertung.
Mit der Überlassung einer gleichwertigen Fläche zur Alleinnutzung wird die Entziehung der Mitgebrauchsberechtigung an den übrigen Flächen nur ideell und
wirtschaftlich, nicht aber - worauf es entscheidend ankommt - rechtlich kompensiert (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Juni 1984 - V ZB 32/82, BGHZ 91, 343,
347 f.; Bornemann, Der Erwerb von Sondernutzungsrechten im Wohnungseigentumsrecht, 2000, S. 132 f.; Schweiger, Sondernutzungsrechte im Wohnungseigentum, 1987, S. 129). Darin besteht auch der wesentliche Unterschied
zur Vermietung von Flächen, die im Gemeinschaftseigentum stehen. Die Vermietung entzieht den Wohnungseigentümern nicht das Recht zum Mitgebrauch,
sondern setzt es weiterhin voraus und regelt nur die Art und Weise der Ausübung, indem er die Möglichkeit des unmittelbaren (Eigen-)Gebrauchs durch
die des mittelbaren (Fremd-)Gebrauchs ersetzt und an die Stelle des unmittelbaren Gebrauchs den Anteil an den Mieteinnahmen treten lässt (§ 13 Abs. 2
Satz 2, § 16 Abs. 1 WEG; vgl. Senat, Beschluss vom 29. Juni 2000
- V ZB 46/99, BGHZ 144, 386, 388). Hinzu kommt, dass die Feststellung, ob der
Entzug der Gebrauchsmöglichkeit einer Fläche in gleichwertiger Weise durch
die Zuweisung einer anderen Fläche kompensiert wird, erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann. Dies gilt gerade für Regelungen in Bezug auf die Gartennutzung, bei der die Lage der zuzuweisenden Teilflächen von entscheidender Bedeutung ist. Angesichts dieser Schwierigkeiten ist die Berücksichtigung einer
ausreichenden Kompensation bei der Abgrenzung zwischen Gebrauchsregelung und Sondernutzungsrecht auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht angezeigt.
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b) Rechtsfehlerfrei ist auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts,
dass die von ihm getroffene Rotationsregelung für die Gartennutzung kein Sondernutzungsrecht begründet und damit Gegenstand einer Gebrauchsregelung
im Sinne des § 15 WEG sein kann.
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aa) Ganz überwiegend wird eine Turnusregelung grundsätzlich nur als
eine Konkretisierung des gemeinschaftlichen Gebrauchs angesehen, da hierdurch eine gleichwertige Mitbenutzung des Gemeinschaftseigentums gewährleistet werde. Daher könne eine Beschlussfassung durch die Wohnungseigentümer erfolgen (BayObLG, WuM 1991, 301 f. zu Wasch- und Trockenräumen;
OLG Karlsruhe, MDR 1983, 672 zur Gartennutzung nach Wochentagen; Suilmann in Bärmann, WEG, 13. Aufl., § 13 Rn. 109; Jennißen/Schultzky, WEG,
4. Aufl., § 15 Rn. 5; Hügel/Elzer, WEG, § 15 Rn. 11; Spielbauer in Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 13 Rn. 29; Bärmann/Pick, WEG, 19. Aufl., § 15
Rn. 48; Hogenschurz, Das Sondernutzungsrecht nach dem WEG, 2008, § 2
Rn. 115; vgl. auch OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 2008, 320 zu einer Parkplatznutzung für bestimmte Wohnungseigentümer in dem Zeitraum von 18 Uhr bis
8 Uhr; aA Bärmann/Seuß/Schneider, Praxis des Wohnungseigentums, 6. Aufl.,
C. Rn. 276; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 2909a; Ganten,
PiG 15, 71, 81). Etwas anderes soll gelten, wenn die zeitabschnittsweise alleinige Nutzung länger andauert. Je länger diese sei, desto eher sei von einem
(befristeten) Sondernutzungsrecht auszugehen (Schweiger, Sondernutzungsrechte im Wohnungseigentum, 1987, S. 50 f.; Bornemann, Der Erwerb von
Sondernutzungsrechten im WEG, 2000, S. 56 f.; Häublein, Sondernutzungsrechte und ihre Begründung im Wohnungseigentumsrecht, 2003, S. 6 f.; vgl.
auch BeckOK WEG/Dötsch, 25. Edition, § 15 Rn. 43).
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bb) Der Senat sieht ebenfalls nicht in jedwedem Zeitraum, für den ein
Wohnungseigentümer von der Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums wegen der Zuweisung der Nutzung an einen anderen Wohnungseigentümer ausgeschlossen ist, einen Entzug der Befugnis zum Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums. Das kann, anders als einzelne Stimmen in der Literatur meinen (vgl. Hügel/Elzer, WEG, § 15 Rn. 11), auch dem Beschluss des Senats
vom 20. Februar 2014 (V ZB 116/13, NJW 2014, 1879 Rn. 16) nicht entnom-
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men werden. Richtigerweise führt eine Regelung, die im Interesse eines geordneten Gebrauchs des Gemeinschaftseigentums dessen turnusmäßige Nutzung
durch einzelne Wohnungseigentümer vorsieht, grundsätzlich nicht zu einem
befristeten Sondernutzungsrecht; sie kann daher durch (Mehrheits-) Beschluss
getroffen werden.
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Sondernutzungsrechte sind dadurch gekennzeichnet, dass einem oder
mehreren Wohnungseigentümern unter Ausschluss der übrigen Wohnungseigentümer das Recht zur Nutzung von Teilen des Gemeinschaftseigentums zugewiesen wird (Senat, Urteil vom 2. Dezember 2011 - V ZR 74/11, NJW 2012,
676 Rn. 10). Bei einer Turnusregelung kann ein Wohnungseigentümer das
Gemeinschaftseigentum zu den ihm zugewiesenen Zeiten zwar ausschließlich
nutzen. Dient die Regelung dem geordneten, weil nicht gleichzeitig möglichen
oder zweckmäßigen Gebrauch des Gemeinschaftseigentums, wie etwa bei einem Wasch- und Trockenraum, bedeutet dies aber nur eine Einschränkung,
nicht dagegen einen Entzug des Mitgebrauchs.
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Auch bei der hier getroffenen Rotationsregelung handelt es sich nicht um
ein befristetes Sondernutzungsrecht. Sie soll einen konfliktfreien Gebrauch des
gemeinschaftlichen Gartens ermöglichen und beschränkt infolge des täglichen
Wechsels des Nutzungsrechts die Ausschließlichkeit der Nutzung des Gartens
für einen Wohnungseigentümer auf einen derart kurzen Zeitraum, dass ein
gänzlicher Entzug der Nutzungsmöglichkeit für den anderen Wohnungseigentümer nicht gegeben ist.
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c) Die von dem Berufungsgericht getroffene Turnusregelung entspricht
aber nicht billigem Ermessen im Sinne von § 15 Abs. 3 WEG.
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aa) Das Gericht hat die im Rahmen von § 21 Abs. 8 WEG festzulegende
Regelung nach denselben Maßstäben zu treffen, wie sie das Wohnungseigen-
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tumsgesetz den Wohnungseigentümern vorgibt (vgl. Bärmann/Merle, WEG,
13. Aufl., § 21 Rn. 214), im Fall der Ersetzung eines Beschlusses über eine interessengerechte Gebrauchsregelung gemäß § 15 Abs. 3 WEG also nach billigem, das Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer berücksichtigende Ermessen.
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bb) Die Ausübung dieses Ermessens ist von dem Revisionsgericht nur
darauf zu überprüfen, ob alle wesentlichen Umstände Beachtung gefunden haben, die Grenzen der Ermessensausübung eingehalten sind und in einer dem
Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise von dieser Gebrauch gemacht
wurde (vgl. Senat, Urteil vom 24. Mai 2013 - V ZR 182/12, NJW 2013, 2271
Rn. 24; siehe auch Senat, Urteil vom 24. November 1995 - V ZR 174/94, NJW
1996, 1054, 1055 zu § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Einer solchen Überprüfung hält
die Regelung des Berufungsgerichts nicht stand.
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Die Revision verweist zutreffend darauf, dass die Parteien (wie auch das
Berufungsgericht im Rahmen seiner Vergleichsbemühungen) stets und ausschließlich eine räumliche Aufteilung des Gartens angestrebt haben. Grund ist
das Anliegen der Parteien, im Rahmen ihrer Nutzung den Garten auch zu gestalten und zu pflegen. Die von dem Gericht getroffene Rotationsregelung widerspricht dieser Vorstellung der Parteien und lässt eine sinnvolle gärtnerische
Nutzung nicht zu. Das Anlegen von Beeten oder etwa das Pflanzen von Zieroder Nutzsträuchern sowie deren Pflege ist bei der Rotationslösung nicht gewährleistet. Besteht insoweit zwischen den Parteien kein Einvernehmen über
die Lage der entsprechenden Flächen und deren Bepflanzung, könnte - im Extremfall - täglich eine Umgestaltung durch den jeweils nutzungsberechtigten
Wohnungseigentümer erfolgen. Entsprechendes gilt, wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, für die Nutzung des Gartens zur Brennholzlagerung
durch die Beklagten. Angesichts der Zerrüttung des Verhältnisses zwischen den
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Parteien konnte das Berufungsgericht diese auch nicht darauf verweisen, diesbezüglich eine Übereinkunft zu finden. Ist aber davon auszugehen, dass die
täglich wechselnde Nutzung des Gartens den Wünschen aller Beteiligten widerspricht und zudem neue Konflikte hervorrufen wird, stellt sie keine interessengerechte und damit billigem Ermessen entsprechende Gebrauchsregelung dar.
III.
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1. Das Urteil kann daher, soweit es die Nutzung des Gartens betrifft, keinen Bestand haben; es ist insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache
ist nicht zur Endentscheidung reif, weil bislang nicht gesehen worden ist, dass
Gegenstand einer Regelung nach § 21 Abs. 8 WEG auch eine - hier für die Zuweisung von Gartenflächen zur alleinigen Nutzung notwendige - Vereinbarung
sein kann, wenn dem klagenden Wohnungseigentümer nach § 10 Abs. 2 Satz 3
WEG ein Anspruch auf Abschluss einer solchen Vereinbarung zusteht.
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a) Nach § 21 Abs. 8 WEG kann das Gericht in einem Rechtsstreit gemäß
§ 43 WEG nach billigem Ermessen entscheiden, wenn die Wohnungseigentümer eine nach dem Gesetz erforderliche Maßnahme nicht treffen, soweit sich
diese nicht aus dem Gesetz, einer Vereinbarung oder einem Beschluss ergibt.
Der Begriff der Maßnahme umfasst beide Handlungsalternativen der Wohnungseigentümer und nicht lediglich Beschlüsse (Bärmann/Merle, WEG,
13. Aufl., § 21 Rn. 203; aA wohl Spielbauer in Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl.,
§ 21 Rn. 87). Eine Vereinbarung stellt sich nämlich dann als eine nach dem
Gesetz erforderliche Maßnahme dar, wenn ein Wohnungseigentümer auf ihren
Abschluss nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG einen Anspruch hat. Erfüllen die übrigen Wohnungseigentümer diesen Anspruch nicht, kann auch eine Vereinbarung durch eine gerichtliche Entscheidung nach § 21 Abs. 8 WEG ersetzt wer-
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den, wenn bei ihrer inhaltlichen Ausgestaltung Spielraum besteht (vgl. Bärmann/Merle, WEG, 13. Aufl., § 21 Rn. 203; Becker, ZWE 2011, 172, 173; siehe
auch KG, ZWE 2002, 324, 326 unter 6.; Jennißen in Jennißen, WEG, 4. Aufl.,
§ 15 Rn. 144; aA Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 3. Aufl., § 15 Rn. 38; ders.,
Das neue WEG, 2007, § 2 Rn. 103). Wie bei einer Beschlussersetzung wird der
konkrete Inhalt der Vereinbarung durch eine gerichtliche Ermessensentscheidung nach § 21 Abs. 8 WEG festgelegt, so dass im Klageantrag nur das Regelungsziel der verlangten Vereinbarung umschrieben werden muss. Anders ist es
allerdings, wenn die Vereinbarung einen feststehenden Inhalt haben muss; in
diesem Fall muss die Klage auf die Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer zu einem bestimmten Vertragstext gerichtet sein (vgl. Bärmann/Suilmann, WEG, 13. Aufl., § 10 Rn. 153, § 15 Rn. 49).
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b) Die Voraussetzungen eines Anspruchs der Kläger gegen die Beklagten nach § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG auf Abschluss einer Vereinbarung, die die
flächenmäßige Aufteilung des Gartens zur Nutzung zum Gegenstand hat, sind
nach den bislang von dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen gegeben. Die Vorschrift begründet einen (Individual-)Anspruch jedes Wohnungsoder Teileigentümers gegen die anderen Miteigentümer auf Abschluss einer
Vereinbarung, wenn ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer unbillig
erscheint (vgl. Senat, Urteil vom 17. Dezember 2010 - V ZR 131/10, ZWE 2011,
170, 171).
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aa) Da die Parteien bislang keine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Regelung getroffen haben, ist für die Nutzung des im Gemeinschaftseigentum stehenden Gartens § 13 Abs. 2 S. 1 WEG maßgebend. Danach ist jeder Wohnungseigentümer zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen
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Eigentums nach Maßgabe der §§ 14, 15 WEG berechtigt. Mitgebrauch in diesem Sinn ist das aus der Gemeinschaft der Eigentümer herzuleitende Recht der
Eigentümer, persönliche Gebrauchsvorteile aus der gemeinschaftlichen Sache
zu ziehen, d.h. an dieser den Mitbesitz im Sinne des § 866 BGB auszuüben,
der seiner Natur nach nicht in Bruchteilen bestehen kann. Die Gebrauchsbefugnis des einzelnen Wohnungseigentümers ist also persönlichkeitsbezogen
und unteilbar und nicht etwa quotal entsprechend seinem Miteigentumsanteil
beschränkt. Sie findet ihre Grenzen entsprechend dem Gesetzeswortlaut nur in
der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme und zum ordnungsgemäßen Gebrauch (§§ 14, 15 WEG; vgl. BayObLGZ 1972, 109, 112 f.; OLG Hamm, ZWE
2001, 122, 123).
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bb) Dieses Recht auf einen allseits gleichen Gebrauch des Gartens kann
infolge der tiefgreifenden Zerrüttung des Verhältnisses der Parteien nicht verwirklicht werden. Sie lässt eine konfliktfreie Nutzung des Gartens, die hier auch
in der Gartenpflege und der gärtnerischen Gestaltung durch die Wohnungseigentümer selbst liegen soll, nicht zu; eine solche kann, wie dargelegt, auch
nicht durch eine Gebrauchsregelung erreicht werden. Damit liegen schwerwiegende Gründe vor, die ein Festhalten an der gesetzlichen Regelung unbillig
erscheinen lassen. Um das beiderseitige Anliegen der Parteien zu gewährleisten, ist eine flächenmäßige Aufteilung des Gartens mit der Zuweisung von Flächen zur ausschließlichen Nutzung durch jeweils eine Partei erforderlich, die
nur auf der Grundlage einer Vereinbarung erfolgen kann. Im Hinblick darauf,
dass die Vereinbarung den Anspruch auf gleichen Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums verwirklichen soll, spricht im Rahmen der Abwägung der
Rechte und Interessen der Parteien im Grundsatz nichts dagegen, eine flächenmäßige Aufteilung mit dem Ziel einer in etwa hälftigen Aufteilung des Gartens vorzunehmen; hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung dieses Regelungs-
- 16 -
ziels besteht dabei ein - die Anwendung des § 21 Abs. 8 WEG rechtfertigender
- Spielraum hinsichtlich der konkreten Lage der Flächen.
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Sofern die Kläger - wie von ihnen in der Revisionserwiderung mitgeteilt zwischenzeitlich aus der Anlage ausgezogen sind und ihre Wohnung vermietet
haben, kann es allerdings an dem Vorliegen schwerwiegender Gründe im Sinne
des § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG fehlen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der
Mieter tatsächlich kein Interesse an der Nutzung des Gartens hat.
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c) Steht den Klägern ein Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung mit
einer flächenmäßig gleichwertigen Aufteilung des Gartens zur ausschließlichen
Nutzung durch die jeweilige Partei zu, kann die zu ersetzende Vereinbarung nur
schuldrechtlicher Natur sein. Wegen des mit § 21 Abs. 8 WEG verbundenen
Eingriffs in die Privatautonomie der Wohnungseigentümer dürfen Maßnahmen
nämlich nur insoweit angeordnet werden, als dies zur Gewährleistung eines
effektiven Rechtsschutzes unbedingt notwendig ist (Senat, Urteil vom 24. Mai
2013 - V ZR 182/12, NJW 2013, 2271 Rn. 31). Eine Eintragung im Grundbuch
und die damit nach § 10 Abs. 3 WEG einhergehende Wirkung der Vereinbarung
auch gegen Sonderrechtsnachfolger der Parteien ist nicht veranlasst, weil die
zu treffende Gebrauchsregelung durch das Zerwürfnis der gegenwärtigen Wohnungseigentümer begründet ist und die Notwendigkeit einer solchen Regelung
bei einer Veränderung der personellen Zusammensetzung anders zu beurteilen
sein kann.
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2. Das Berufungsgericht wird vor einer neuen Entscheidung auf eine
sachgerechte Antragstellung hinzuwirken und zu klären haben, ob und auf welche Weise eine flächenmäßige Zuweisung des Gartens zur Nutzung im Rahmen einer vereinbarungsersetzenden gerichtlichen Entscheidung vorzunehmen
ist.
Stresemann
Brückner
Kazele
Weinland
Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Karlsruhe, Entscheidung vom 06.04.2011 - 9 C 356/10 LG Karlsruhe, Entscheidung vom 30.07.2015 - 11 S 118/11 -