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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 149/01
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
Verkündet am:
17. Mai 2002
Kanik,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 164
Die in einem Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung der Notariatsangestellten
erteilte Vollmacht, zur Durchführung und etwaigen Ergänzung des Vertrags erforderlichen Erklärungen für die Vertragsparteien abzugeben, berechtigt nicht dazu, die
vereinbarte Verpflichtung des Verkäufers zur Verschaffung eines dinglich wirkenden
Sondernutzungsrechts durch die Pflicht zur Verschaffung eines obligatarischen
Sondernutzungsrechts zu ersetzen.
BGH, Urt. v. 17. Mai 2002 - V ZR 149/01 - OLG Celle
LG Bückeburg
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter
Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Lemke
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 26. Februar 2001 aufgehoben und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg vom 20. Juli 2000 abgeändert.
Die Klage ist dem Grunde nach berechtigt.
Der Rechtsstreit wird zur Verhandlung und Entscheidung über die
Höhe des Anspruchs und die Kosten des Revisionsverfahrens an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte war Eigentümer eines Hausgrundstücks in L.
, das
er 1993 in Wohnungseigentum aufteilte. Hierdurch entstand u.a. der im Wohnungseigentumsgrundbuch
Band
Blatt
des
Amtsgerichts
S.
von
L.
eingetragene Miteigentumsanteil von 22/100 an dem
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Grundstück, der mit dem Sondereigentum an der im Teilungsplan als Nr. 1 bezeichneten Wohnung verbunden ist.
Mit Notarvertrag vom 29. März 1994 verkaufte der Beklagte die Wohnung dem Kläger. Nach § 6 des Vertrages waren sich die Vertragsparteien einig, daß dem Kläger "an dem Wohnraum auf halber Höhe über der von ihm
gekauften Wohnung (im folgenden: Wohnraum) ... ein Sondernutzungsrecht"
zustehen solle. In der Vertragsurkunde bevollmächtigten die Parteien die Notariatsangestellte K.
M.
unter Befreiung von den Beschränkungen des
§ 181 BGB, "alle zur Durchführung und etwaigen Ergänzung ... (des) Vertrages
noch erforderlichen Erklärungen für sie abzugeben". Die Auflassung erfolgte in
der Notarverhandlung.
In der Folgezeit beanstandete das Grundbuchamt den von dem Urkundsnotar gestellten Antrag auf Eintragung des Klägers in das Grundbuch,
weil der Wohnraum, zu dessen alleiniger Nutzung der Kläger berechtigt sein
sollte, in der Teilungserklärung nicht dargestellt sei. Der Notar veranlaßte daraufhin Frau M.
, als Bevollmächtigte der Vertragsparteien den Kaufvertrag zu
ändern. Nach der von Frau M.
hierzu am 19. September 1994 in notariell
beurkundeter Form abgegebenen Erklärung soll der Kläger schuldrechtlich zur
alleinigen Nutzung des Wohnraums berechtigt sein. Ein dinglich wirkendes
Sondernutzungsrecht soll erst bei einer späteren Änderung der Teilungserklärung begründet werden.
Bemühungen des Klägers, die Wohnung weiterzuverkaufen, scheiterten
an dem Mangel einer dinglichen Sicherung des Sondernutzungsrechts an dem
Wohnraum. Mit Erklärung vom 24. September 1999 verlangte er von dem Be-
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klagten Verschaffung eines dinglich wirkenden Sondernutzungsrechts, setzte
hierzu eine Frist bis zum 15. Oktober 1999 und erklärte, die Leistung nach
Fristablauf abzulehnen und Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrags zu verlangen. Die Eintragung des Sondernutzungsrechts in das
Grundbuch unterblieb.
Der Kläger beziffert den ihm durch die Nichterfüllung des Vertrages entstandenen Schaden auf 125.729,54 DM. Mit der Klage verlangt er von dem
Beklagten Erstattung dieses Betrages zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen
Rückauflassung seines Mit- und Sondereigentums. Zur Begründung seines
Antrags auf Abweisung der Klage hat der Beklagte unter anderem die Einrede
der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers
ist ohne Erfolg geblieben.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint eine Schadensersatzverpflichtung des
Beklagten. Es meint, nach dem Vertrag vom 29. März 1994 sei der Beklagte
verpflichtet gewesen, dem Kläger ein dinglich wirkendes Sondernutzungsrecht
an dem Wohnraum zu verschaffen. Diese Verpflichtung sei durch die am
19. September 1994 vereinbarte Änderung des Kaufvertrages aufgehoben
worden. An die Stelle der Verpflichtung des Beklagten zur Verschaffung eines
dinglich wirkenden Rechts sei die Verpflichtung zur Verschaffung einer obliga-
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torisch wirkenden Berechtigung zur alleinigen Nutzung des Wohnraums getreten. Diese Verpflichtung sei erfüllt. Auch wenn zweifelhaft sei, ob die von Frau
M.
erklärte Änderung des Kaufvertrags von der ihr erteilten Vollmacht ge-
deckt gewesen sei, sei die von ihr für die Parteien abgegebene Erklärung wirksam. Eine vollmachtlos für den Kläger abgegebene Erklärung sei von ihm nämlich dadurch genehmigt worden, daß er die Wirksamkeit der Änderung des
Kaufvertrages bis zur Erhebung der Klage nicht bezweifelt habe.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB findet das Bürgerliche Gesetzbuch in
der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung auf die schuldrechtlichen
Vereinbarungen zwischen den Parteien Anwendung. Gemäß § 326 Abs. 1 BGB
a.F. besteht der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch dem Grunde
nach.
1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts schuldete der Beklagte dem Kläger die Verschaffung des Rechts zur Nutzung des Wohnraums durch Begründung oder Übertragung eines gegen einen Rechtsnachfolger wirkenden Sondernutzungsrechts. Diese Auslegung von § 6 des Kaufvertrags ist fehlerfrei und
wird von der Revision auch nicht beanstandet. Gemäß § 10 Abs. 2 WEG bedarf
es zum Entstehen eines solchen Rechts der Eintragung in das Grundbuch. Da
diese unterblieb, hat der Beklagte dem Kläger das geschuldete Recht nicht
verschafft.
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a) Der Anspruch des Klägers auf ein dinglich wirkendes Sondernutzungsrecht ist durch die am 19. September 1994 von Frau M.
für die Partei-
en abgegebenen Erklärungen nicht aufgehoben oder abgeändert worden.
Denn die Erklärungen wirken nicht gegen den Kläger (§ 177 Abs. 1 BGB). Die
in der Urkunde vom 29. März 1994 erteilte Vollmacht berechtigte Frau M.
nur zur Vertretung des Klägers, soweit Hindernisse formeller Art, die dem Vollzug des Kaufvertrages entgegenstanden, beseitigt werden sollten, nicht aber
zur Änderung einer Hauptleistungspflicht aus dem Kaufvertrag. Um eine solche
handelt es sich aber hier.
Während das dinglich wirkende Sondernutzungsrecht als Inhalt des
Sondereigentums gegenüber jedem Sonderrechtsnachfolger eines von der
Nutzung ausgeschlossenen Erwerbers wirkt, wird ein schuldrechtliches Sondernutzungsrecht mit einem Eigentümerwechsel hinfällig, wenn der neue Eigentümer die Rechte und Pflichten aus der Begründung des Sondernutzungsrechts nicht mit Zustimmung der übrigen Eigentümer übernimmt (OLG Hamburg
ZMR 2002, 216, 217; OLG Köln DNotZ 2002, 223, 227 m. Anm. Häublein;
Müller, ZMR 2000, 473, 474). Es ist diesem gegenüber nicht durchsetzbar und
verliert damit seinen Ausschließlichkeitscharakter (vgl. Müller ZMR 2000, 473,
474). Zu einer derartigen Inhaltsänderung des Sondereigentums berechtigte
die der Notariatsangestellten erteilte Vollmacht nicht.
b) Die von Frau M.
für den Kläger am 19. September 1994 voll-
machtlos erklärte Änderung des Vertrages vom 29. März 1994 ist auch nicht
durch Genehmigung wirksam geworden. Die Genehmigung einer von einem
Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegebenen beurkundungsbedürftigen Er-
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klärung bedarf zwar ihrerseits keiner Form (§ 182 Abs. 2 BGB) und kann damit
auch durch konkludentes Handeln erfolgen. An einem solchen Handeln des
Beklagten fehlt es jedoch. Eine Genehmigung vollmachtloser Vertretung durch
konkludentes Handeln des Vertretenen setzt grundsätzlich voraus, daß sich
der Vertretene zumindest der Möglichkeit bewußt ist, durch sein Handeln eine
in seinem Namen abgegebene Erklärung zu genehmigen (st. Rspr., vgl. BGHZ
2, 150, 153; RGZ 118, 335, 336f, BGH, Urt. v. 18. Februar 1960, VII ZR 21/59,
WM 1960, 611, 612 u. v. 5. März 1986, IVa ZR 141/84, NJW 1986, 2107,
2108). Daß der Kläger die Unwirksamkeit der in seinem Namen von Frau M.
abgegebenen Erklärungen auch nur in Betracht gezogen haben könnte, hat der
Beklagte nicht behauptet. Nach der vorprozessualen Korrespondenz haben
noch nicht einmal die Rechtsanwälte, die der Kläger mit der Wahrnehmung
seiner Interessen beauftragt hatte, den Mangel der Vertretung des Klägers
beim Abschluß des Änderungsvertrages vom 19. September 1994 erkannt.
Auch bei der Vorbereitung der Eigentümerversammlung vom 10. Februar 1999,
mit der der Kläger einen Rechtsanwalt beauftragt hatte, ist die Unwirksamkeit
der für den Kläger von Frau M.
abgegebenen Erklärungen nicht erkannt
worden. Nach dem Protokoll der Versammlung haben weder der Kläger noch
sein Berater auch nur mit der Möglichkeit der Unwirksamkeit der für ihn von
Frau M.
abgegebenen Erklärungen gerechnet.
Auch wenn man nur auf die objektive Erklärungsbedeutung des Verhaltens des Klägers abstellen wollte, führte dies nicht dazu, daß die von Frau
M.
für den Kläger vollmachtlos abgegebenen Erklärungen genehmigt wor-
den wären. Entscheidend ist dann, ob das Verhalten des Klägers sich aus der
Sicht des Beklagten als eines vernünftigen Dritten redlicherweise als Genehmigung darstellte. Das würde voraussetzen, daß der Beklagte davon ausging
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oder davon ausgehen konnte, die Änderung des Kaufvertrags sei von der Frau
M.
erteilten Vollmacht nicht gedeckt. Das ist nicht der Fall.
c) Der Anspruch auf Verschaffung eines dinglich wirkenden Sondernut-
zungsrechts war bei Ablauf der von dem Kläger zur Erfüllung gesetzten Nachfrist nicht verjährt. Die in der Instanz erhobene Einrede ist unbegründet. Die
Frist für die Verjährung des Anspruchs des Klägers betrug gemäß § 195 BGB
a.F. 30 Jahre. Sie begann mit Abschluß des Kaufvertrags am 29. März 1994
(§ 198 BGB a.F.). Die Aufforderung des Klägers zur Rechtsverschaffung bedeutet eine Mahnung. Die Mahnung konnte mit der Setzung einer Nachfrist zur
Erfüllung verbunden werden (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 10. Januar 1990,
VIII ZR 337/88, NJW-RR 1990, 442, 444; v. 17. Dezember 1996, X ZR 74/95,
NJW-RR 1997, 622; RGZ 50, 255, 262; 93, 180; 106, 89). Die Erfüllungsablehnung erfaßte den Vertrag insgesamt, weil die Wohnung des Klägers aufgrund
der fehlenden dinglichen Sicherung seines Rechts zur Nutzung des Wohnraums einen erheblichen Minderwert aufweist und das Eigentum an der Wohnung ohne ein dinglich wirkendes Sondernutzungsrecht an dem Wohnraum für
den Kläger ohne Interesse ist.
Mit dem Ablauf der vom Kläger gesetzten Frist erlosch sein Erfüllungsanspruch. Der Beklagte schuldet dem Kläger seither Schadensersatz wegen
Nichterfüllung.
d) Auch der Schadensersatzanspruch des Klägers ist nicht verjährt. Dieser Anspruch entstand aufgrund des Schadensersatzverlangens des Klägers
im Schreiben vom 24. September 1999 mit dem erfolglosen Ablauf der dem
Beklagten zur Erfüllung gesetzten Nachfrist (§ 198 BGB a.F.). Für ihn galt die
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dreißigjährige Verjährung gemäß § 195 BGB a.F.. Diese Frist wurde durch die
Zustellung der Klage am 7. Dezember 1999 unterbrochen. Aufgrund der Änderung der Verjährungsvorschriften beträgt die Verjährungsfrist seit dem
1. Januar 2002 nur noch drei Jahre (§ 195 BGB); die Unterbrechung der Verjährung durch die Erhebung der Klage ist seit Beginn des 1. Januar 2002 beendet. Die Anhängigkeit des Rechtsstreits führt jedoch dazu, daß der Beginn
der seither geltenden kürzeren Verjährung gehemmt ist (Art. 229 § 6 Abs. 2
EGBGB).
2. Der Rechtsstreit ist dem Grunde nach zur Entscheidung reif. Zur Höhe
des dem Kläger entstandenen Schadens fehlt es an Feststellungen. Insoweit
besteht Anlaß zu dem Hinweis, daß es dem Beklagten obliegt, die Vorteile, die
der Kläger aus dem Besitz der Wohnung gezogen hat, darzustellen, soweit
diese unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung als anspruchsmindernd Berücksichtigung finden sollen.
Wenzel
Tropf
Klein
Krüger
Lemke