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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZR 142/15
vom
14. April 2016
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2016:140416BVZR142.15.0
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. April 2016 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und die Richter Dr. Czub, Dr. Kazele und Dr. Göbel
beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird das Urteil des
14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. Juni 2015
aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der
Gegenstandswert
des
Beschwerdeverfahrens
beträgt
21.175,87 €.
Gründe:
I.
1
Mit notariellem Vertrag vom 7. Juni 2005 kauften die Kläger von der Beklagten zu 1 ein Grundstück, auf dem sich ein Wohnhaus befindet. In dem Vertrag ist ein Haftungsausschluss für Sachmängel vereinbart. Die Kläger verlangen von der Beklagten zu 1 und deren Ehemann, dem Beklagten zu 2, den Er-
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satz der Kosten für die Sanierung der mangelhaften Elektroinstallation in dem
Haus.
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Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 13.642,31 € stattgegeben
und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage - unter Zurückweisung der Berufung der Kläger - in vollem Umfang abgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen
wenden sich die Kläger mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde.
II.
3
Das Berufungsgericht meint, den Klägern sei der Nachweis einer arglistigen Täuschung durch die Beklagte zu 1 nicht gelungen. Das Wissen des Beklagten zu 2 über die Mangelhaftigkeit der von ihm ausgeführten Elektroinstallation müsse sie sich nicht zurechnen lassen. Auch lägen die Voraussetzungen
einer Eigenhaftung des Beklagten zu 2 nicht vor. Soweit das Landgericht davon
ausgehe, dass er Wissensvertreter und Repräsentant der Beklagten zu 1 bei
den Vertragsverhandlungen gewesen sei, sei die Beweiswürdigung lückenhaft.
Dass der Beklagte zu 2 bis zu dem Notartermin sämtliche Kontakte mit den
Klägern wahrgenommen habe, sei - entgegen den Ausführungen des Landgerichts - nicht unstreitig. Unter Berücksichtigung des gesamten Prozessstoffs,
insbesondere der von dem Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme, sei
dies auch nicht erwiesen. Auf die Vernehmung des Beklagten zu 2 hätten die
Kläger in erster Instanz verzichtet. Dessen erneuter Benennung im Berufungsverfahren stehe § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO entgegen. Dass der Verzicht im
Hinblick auf den Gesundheitszustand des Beklagten zu 2 erfolgt sei, lasse eine
Nachlässigkeit der Kläger nicht entfallen. Der Beklagte zu 2 hätte bereits in der
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ersten Instanz an seinem Wohnort für zwei bis drei Stunden am Tag vernommen werden können. In den eineinhalb Jahren zwischen der Erklärung des
Verzichts und dem Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens sei es den Klägern möglich gewesen, seine Parteivernehmung erneut zu beantragen.
III.
4
Das angefochtene Berufungsurteil ist auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht
ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
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1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet in Verbindung mit den Grundsätzen der
Zivilprozessordnung die Gerichte, erheblichen Beweisanträgen nachzugehen
(BVerfGE 69, 141, 143; BVerfG, NJW 1993, 254; WM 2012, 492, 493). Die
Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht
keine Stütze hat, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. nur Senat, Beschluss
vom 23. April 2015 - V ZR 200/14, juris Rn. 7; BGH, Beschluss vom
11. Mai 2010 - VIII ZR 212/07, NJW-RR 2010, 1217, 1281 jeweils mwN).
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2. Ein solcher Verstoß ist dem Berufungsgericht dadurch unterlaufen,
dass es den Beweisantrag der Kläger, den Beklagten zu 2 nach § 445 Abs. 1
ZPO zu der behaupteten Rolle bei den Vertragsverhandlungen, seinen hierbei
erfolgten Äußerungen zu der Elektroinstallation und zu der Kenntnis der Beklagten zu 1 über die Mangelhaftigkeit der Arbeiten zu vernehmen, nicht entsprochen hat. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Verzicht der Kläger auf die
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Parteivernehmung des Beklagten zu 2 sei nachlässig im Sinne von § 531
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO gewesen, lässt sich mit dem Gesetz nicht vereinbaren.
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a) Nachlässigkeit im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO liegt nur
vor, wenn die Partei gegen ihre Prozessförderungspflicht verstoßen hat (vgl.
BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2013 - VII ZR 339/12, NJW-RR 2014, 85
Rn. 9). Jede Partei ist grundsätzlich gehalten, schon im ersten Rechtszug die
Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt ist oder bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte bekannt
sein müssen und zu deren Geltendmachung sie dort imstande ist. Sorgfaltsmaßstab ist dabei die einfache Fahrlässigkeit (BGH, Urteil vom 8. Juni 2004
- VI ZR 199/03, BGHZ 159, 245, 253).
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b) Hiernach konnte weder der Verzicht der Kläger auf die Parteivernehmung des Beklagten zu 2 noch die unterlassene erneute Beantragung der Parteivernehmung in der ersten Instanz als nachlässig angesehen werden. Das
Berufungsgericht lässt außer Acht, dass die Kläger den Verzicht zu einem Zeitpunkt erklärt haben, zu dem sich aus der Sicht des Landgerichts eine Haftung
der Beklagten dem Grunde nach abzeichnete. Denn das Landgericht, das vor
dem Verzicht den Sach- und Streitstand mit den Parteien erörtert hatte, hat im
Anschluss an den Termin, in dem der Verzicht erklärt wurde, beschlossen, ein
Sachverständigengutachten zur Höhe des Schadens einzuholen. Angesichts
dieses Verlaufs kann den Klägern keine nachlässige Prozessführung in erster
Instanz vorgeworfen werden. Insbesondere bestand für sie kein Anlass, den
Antrag auf Parteivernehmung in der ersten Instanz erneut zu stellen.
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3. Der Antrag auf Vernehmung des Beklagten zu 2 ist entscheidungserheblich.
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a) Die Kläger haben in das Wissen des Beklagten zu 2 gestellt, dass er
von der Beklagten zu 1 mit dem Verkauf des Grundstücks in eigener Verantwortung betraut worden ist und ausschließlich die Vertragsverhandlungen mit den
Klägern geführt, den Kaufpreis vorgegeben und Aussagen über die Elektroinstallation gemacht habe. Letztere habe er sogar als „ausgefeilte Installation“
angepriesen, mit welcher die Kläger sehr positive Dinge erleben würden. Zudem ist in sein Wissen gestellt worden, dass die Eigenarbeiten des Beklagten
zu 2 der Beklagten zu 1 nicht verborgen geblieben seien und sie die fehlerhaften Elektroinstallationen „in allen Facetten“ gekannt habe.
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b) Sähe das Berufungsgericht diese Tatsachenbehauptungen als erwiesen an, käme sowohl eine Haftung der Beklagten zu 1 wie auch des Beklagten
zu 2 in Betracht.
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aa) Die Beklagte zu 1 müsste sich das Wissen des Beklagten zu 2 gemäß (bzw. analog) § 166 Abs. 1 BGB zurechnen lassen, wenn sie ihn - unabhängig von einem Vertretungsverhältnis - mit den Vertragsverhandlungen betraut hätte (vgl. Senat, Urteil vom 24. Januar 1992 - V ZR 262/90, BGHZ 117,
104, 106 f.; Urteil vom 14. Mai 2004 - V ZR 120/03, NJW-RR 2004, 1196,
1197). Zudem wären ihr wahrheitswidrige Äußerungen des Beklagten zu 2 zu
der Elektroinstallation nach § 278 BGB zuzurechnen, wenn er mit Wissen und
Wollen der Beklagten zu 1 als deren Repräsentant aufgetreten und im Rahmen
der Erfüllung von Aufgaben tätig geworden ist, die typischerweise ihr oblegen
haben (vgl. Senat, Urteile vom 27. November 1998 - V ZR 344/97, BGHZ 140,
111, 116 und vom 2. Juni 1995 - V ZR 52/94, NJW 1995, 2550, 2551; Beschluss vom 18. April 2013 - V ZR 231/12, juris Rn. 18).
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bb) Auch käme eine Eigenhaftung des Beklagten zu 2 in Betracht. Zwar
tragen die Behauptungen der Kläger dessen persönliche Haftung aus einem
Verhandlungsverschulden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. Juni 2002
- VII ZR 30/01, WM 2003, 34, 35 mwN) nicht. Das Berufungsgericht weist insoweit zu Recht darauf hin, dass weder das insoweit erforderliche wirtschaftliche
Eigeninteresse des Beklagten zu 2 noch die Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens durch ihn gegeben ist, um eine Haftung nach
§ 311 Abs. 3, § 280 Abs. 1 BGB zu begründen. Allerdings ist angesichts der
behaupteten Äußerungen zu der Elektroinstallation eine deliktische Haftung
nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, § 826 BGB nicht gänzlich ausgeschlossen.
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Kazele
Czub
Göbel
Vorinstanzen:
LG Offenburg, Entscheidung vom 30.01.2013 - 2 O 464/08 OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 03.06.2015 - 14 U 34/13 -