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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
V ZR 107/01
URTEIL
in dem Rechtsstreit
Verkündet am:
22. März 2002
Kanik,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat im schriftlichen Verfahren nach
Sachlage am 7. März 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Schneider, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats
des Oberlandesgericht Koblenz vom 14. Februar 2001 aufgehoben, soweit es zum Nachteil der Beklagten ergangen ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 2. Dezember 1987 erwarb die Klägerin von
der Beklagten zu 1 ein mit Verwaltungs- und Fabrikgebäuden bebautes Gelände zum Preis von 1.700.000 DM. Die Klägerin macht Schadensersatz in Höhe
von 2.503.012,30 DM geltend mit der Behauptung, die Beklagte zu 1 habe die
ihr nach dem Vertrag obliegende Verpflichtung zur Beseitigung von Altlasten
nicht erfüllt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Abweisung in Höhe eines Teilbetrages von 612.457,11 DM bestätigt und im übrigen ein Grundurteil erlassen. Mit der Revision verfolgen die Be-
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klagten ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Parteien haben sich mit einer
Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt (§ 128 Abs. 2
ZPO).
Entscheidungsgründe:
I.
Die Revision hat Erfolg.
Das Urteil des Berufungsgerichts ist schon deshalb aufzuheben, weil es
keinen Tatbestand enthält, der erkennen läßt, welchen Sachverhalt das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (§ 543 Abs. 2 ZPO a.F.).
Außer einer groben Umschreibung des Streitstoffs besteht der Tatbestand lediglich aus der Wiedergabe der Anträge und aus Verweisungen auf Tatbestand
und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils sowie einer pauschalen
Bezugnahme auf die in zweiter Instanz eingereichten Schriftsätze. Auf dieser
Grundlage kann das Revisionsgericht seine Aufgabe, die Anwendung des
Rechts auf den festgestellten Sachverhalt nachzuprüfen, nicht nachkommen
(vgl. BGHZ 73, 248, 252). Das Senatsurteil vom 9. Februar 1990 (NJW 1990,
2755) steht dem nicht entgegen. Es betrifft nicht die Frage der Zulässigkeit von
pauschalen Bezugnahmen, sondern die Berücksichtigung erstinstanzlichen
Vorbringens auf entsprechende Rüge. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung
des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (BGHZ
73, 248; BGH, Urt. v. 9. Juni 1986, IX ZR 141/85, BGHR ZPO § 543 Abs. 2
Tatbestand, fehlender 1; Urt. v. 12. Februar 1987, III ZR 148/85, BGHR ZPO
§ 543 Abs. 2 Tatbestand, fehlender 4).
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Der Bundesgerichtshof sieht zwar von der Aufhebung ab, wenn das Ziel
revisionsrechtlicher Überprüfung im Einzelfall dadurch erreicht werden kann,
daß der Sach- und Streitstand sich aus den Entscheidungsgründen in dem zur
Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfragen ausreichenden Umfang ergibt
(Urt. v. 19. Juli 1986, IX ZR 141/85, BGHR ZPO § 543 Abs. 2 Tatbestand, fehlender 1 m.w.N.). Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben. Wesentlich für
die Entscheidung ist nach den Ausführungen des Berufungsgerichts zum einen
die Frage, ob eine Vertragsauflösung nach den Grundsätzen des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage zu bejahen ist, und zum anderen, wie die in § 4 Abs. 1 bis
Abs. 3 des notariellen Vertrages enthaltene Verpflichtung zur Altlastenbeseitigung auszulegen ist. Beide Fragen entziehen sich einer rechtlichen Nachprüfung, wenn die für die Beurteilung wesentlichen Umstände nicht mitgeteilt werden. Diese sind den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen. Es kann auch
nicht angenommen werden, daß das Berufungsurteil allein auf dem erstinstanzlich festgestellten (und in Bezug genommenen) Sachverhalt beruht, zumal
das Berufungsgericht eine ergänzende Beweisaufnahme durchgeführt hat.
II.
Das Berufungsgericht erhält nach Zurückverweisung u.a. Gelegenheit,
sich mit den rechtlichen Bedenken auseinanderzusetzen, die die Revision gegen die Auslegung der Haftungsklausel in dem angefochtenen Urteil vorgebracht hat. Dabei ist insbesondere Bedacht zu nehmen auf das Gebot einer
nach beiden Seiten hin interessegerechten Auslegung (s. nur BGH, Urt. v.
9. Oktober 2000, II ZR 345/98, NJW 2001, 143 m.w.N.). Dieses Gebot kann
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verletzt sein, wenn das gefundene Auslegungsergebnis zu einem für die Beklagten nicht mehr kalkulierbaren Haftungsrisiko führen würde. Dies kommt in
Betracht, wenn sich der Umfang der Altlastenbeseitigungspflicht nach den zum
Zeitpunkt der Feststellung der Altlasten geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften beurteilen soll, und dies zudem ohne zeitliche Einschränkungen. Zu
berücksichtigen ist ferner, daß die Parteien einer Vertragsklausel im Zweifel
einen Inhalt beimessen wollen, der von rechtserheblicher Bedeutung ist (BGH,
Urt. v. 18. Mai 1998, II ZR 19/97, NJW 1998, 2966; Senatsurt. v. 1. Oktober
1999, V ZR 168/98, NJW 1999, 3704, 3705, jew. m.w.N.). Das Berufungsgericht wird prüfen müssen, ob dieser Grundsatz einer Auslegung entgegensteht,
die der im Vertrag vorgesehenen zeitlichen Haftungsbeschränkung nur für den
Fall Bedeutung zuerkennt, daß die Beklagten ihrer Verpflichtung, das Gelände
altlastenfrei zu übergeben, erfüllt haben.
Wenzel
Schneider
Klein
Krüger
Gaier