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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 62/15
vom
15. Oktober 2015
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 775 Nr. 4
Eine Vollstreckung ist trotz Vorlage urkundlicher Nachweise im Sinne des § 775 Nr. 4
ZPO fortzusetzen, wenn der Gläubiger eine Befriedigung oder die Stundung der titulierten Forderung bestreitet.
Der Schuldner muss in diesem Fall seine materiell-rechtlichen Einwendungen mit der
Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend machen.
BGH, Beschluss vom 15. Oktober 2015 - V ZB 62/15 - LG Saarbrücken
AG Homburg
-2-
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Oktober 2015 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und die Richter Dr. Czub, Dr. Kazele und Dr. Göbel
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer
des Landgerichts Saarbrücken vom 24. März 2015 wird auf Kosten des Schuldners zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
8.691,96 €.
Gründe:
I.
1
Der Beteiligte zu 1 (nachfolgend: Schuldner) ist Eigentümer des Eingangs dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücks, das er von seinem Vater
erworben hatte. Die Beteiligte zu 2 (nachfolgend: Gläubigerin) betreibt die
Zwangsversteigerung in dieses Grundstück, die durch Beschluss des Vollstreckungsgerichts vom 24. November 2008 wegen eines dinglichen Anspruchs der
Gläubigerin von 43.459,81 € nebst Zinsen und Kosten angeordnet worden ist.
Der Schuldner hat die Einstellung des Verfahrens beantragt und behauptet unter Vorlage eines an seinen Vater gerichteten Schreibens der Gläubigerin vom
4. September 2008, ihre Forderung sei durch Zahlung abgelöst worden. In dem
Schreiben bestätigte die Gläubigerin den Eingang eines Ablösebetrages in Höhe von 28.081,65 €. Ferner heißt es, weitere Ansprüche aus diesem Engagement würden nicht mehr geltend gemacht und die Angelegenheit werde als er-
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ledigt betrachtet. Die Gläubigerin ist dem Einstellungsantrag entgegengetreten
und beruft sich auf ihr weiteres Schreiben vom 5. September 2008. Hierin erklärte sie, dass bei der Zuordnung der Zahlung eine Namensverwechslung aufgetreten sei und die Forderung nach wie vor bestehe. Deshalb sei das Schreiben vom 4. September 2008 als gegenstandslos zu betrachten.
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Das Vollstreckungsgericht hat die Zwangsversteigerung gemäß § 775
Nr. 5 ZPO einstweilen eingestellt. Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin
hat das Landgericht diesen Beschluss aufgehoben und den Antrag des Schuldners auf einstweilige Einstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des
Schuldners, mit welcher er die Wiederherstellung der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts erreichen möchte. Die Gläubigerin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
II.
3
Das Beschwerdegericht meint, die Voraussetzungen für die Einstellung
der Zwangsvollstreckung gemäß § 775 Nr. 4 ZPO - hierauf sei vorrangig abzustellen - seien nicht gegeben. Zwar könne das Schreiben der Gläubigerin vom
4. September 2008 dahingehend verstanden werden, dass mit der Zahlung des
Ablösebetrages auch die dingliche Schuld habe beglichen sein sollen. Eine
einstweilige Einstellung gemäß § 775 Nr. 4 und Nr. 5 ZPO komme aber dennoch nicht in Betracht, weil das Vollstreckungsverfahren fortzusetzen sei, wenn
der Gläubiger die Befriedigung bestreite und einer Einstellung des Zwangsvollstreckungsverfahrens widerspreche. Der Schuldner werde hinreichend durch
die Möglichkeit geschützt, seine Belange im Wege der Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO, verbunden mit der Möglichkeit einer einstweiliger Anordnung nach § 769 ZPO, geltend zu machen. Einzig in den Fällen, in denen dem
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Schuldner keine anderweitige Möglichkeit des Rechtsschutzes verbleibe, könne
eine kurzfristige Einstellung trotz Widerspruchs des Gläubigers geboten sein.
Diese Konstellation sei vorliegend jedoch nicht gegeben.
III.
4
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen
zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene
Entscheidung hält rechtlicher Prüfung stand.
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1. Das Beschwerdegericht beschränkt sich zu Recht darauf, die Voraussetzungen des § 775 Nr. 4 ZPO zu prüfen. Ob die titulierte Forderung aufgrund
der von dem Schuldner behaupteten Erfüllung tatsächlich erloschen ist, ist nicht
von dem Vollstreckungsorgan - hier: von dem für die Durchführung der
Zwangsversteigerung zuständigen Vollstreckungsgericht - und damit auch nicht
von den im Rechtsmittelzug mit der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vorgehens
des Vollstreckungsorgans befassten Gerichten zu entscheiden. Dass der Bundesgerichtshof für die Vorschrift des § 887 ZPO die Kompetenz des Vollstreckungsorgans, den Erfüllungseinwand des Schuldners zu prüfen, bejaht hat
(BGH, Beschluss vom 5. November 2004 - IXa ZB 32/04, NJW 2005, 367, 369),
beruht auf den Besonderheiten einer solchen Zwangsvollstreckung, für die das
Prozessgericht zuständig ist. Dies lässt sich entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde auf die Zwangsvollstreckung des Gläubigers durch das
Vollstreckungsgericht im Rahmen einer Zwangsversteigerung nicht übertragen
(vgl. allgemein MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann, 4. Aufl., § 767 Rn. 11).
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2. Nach § 775 Nr. 4 ZPO ist die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen, wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger nach
Erlass des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat.
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Das gilt vor dem Versteigerungstermin, für den § 75 ZVG eine parallele, allerdings auf Zahlungen an das Gericht beschränkte Regelung trifft, auch im
Zwangsversteigerungsverfahren (vgl. Senat, Beschluss vom 29. März 2007
- V ZB 160/06, BGHZ 172, 37 Rn. 5 zu der Anwendbarkeit von § 775 Nr. 5
ZPO).
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3. Die Voraussetzungen für eine Einstellung gemäß § 775 Nr. 4 ZPO liegen nach den rechtsfehlerfreien Ausführungen des Beschwerdegerichts aber
nicht vor.
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a) Allerdings ist für das Rechtsbeschwerdeverfahren davon auszugehen,
dass das Schreiben der Gläubigerin vom 4. September 2008 eine Privaturkunde darstellt, aus der sich die Befriedigung der Gläubigerin ergibt. Dies ist zu
unterstellen, weil das Beschwerdegericht eine solche Auslegung des Schreibens für möglich gehalten hat, ohne hierzu abschließende Feststellungen zu
treffen.
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b) Eine Vollstreckung ist jedoch trotz Vorlage urkundlicher Nachweise im
Sinne des § 775 Nr. 4 ZPO fortzusetzen, wenn der Gläubiger - wie hier - eine
Befriedigung oder Stundung bestreitet. Gegen diese Auslegung der Vorschrift
durch das Beschwerdegericht wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
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aa) In der Literatur ist anerkannt, dass der Gläubiger in den Fällen des
§ 775 Nr. 4 und 5 ZPO durch das Bestreiten der Befriedigung oder Stundung
die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung erzwingen kann und der Schuldner
den Erfüllungseinwand dann im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage gemäß § 767 ZPO geltend machen muss (vgl. MüKo-ZPO/K. Schmidt/Brinkmann,
4. Aufl., § 775 Rn. 28; Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 775 Rn. 41;
Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 775 Rn. 12; Musielak/Voit/Lackmann, 12. Aufl.,
§ 775
Rn. 13;
Thomas/Putzo/Hüßtege,
ZPO,
30. Aufl.,
§ 775
Rn. 17;
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Schuschke/Walker/Raebel,
5. Aufl.,
§ 775
ZPO
Rn. 13;
Wieczorek/
Schütze/Salzmann, ZPO, 3. Aufl., § 776 Rn. 36 mit Fn. 105 unter Aufgabe der
in der Vorauflage unter § 775 Anm. E III vertretenen Auffassung). Dies entspricht auch der ganz überwiegenden Auffassung in der Rechtsprechung (vgl.
OLG Hamm, DGVZ 1980, 153 und MDR 1977, 411; LG Karlsruhe, DGVZ 1983,
188; LG Berlin, MDR 1976, 149; AG Hannover, DGVZ 2010, 42; LG Weiden,
DGVZ 2010, 235; AG Wuppertal, DGVZ 2012, 226; aA AG Groß-Gerau MDR
1982, 943, LG Mannheim, MDR 1967, 222; siehe auch RGZ 33, 290, 292;
offengelassen vom Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Beschluss vom
19. März 2004 - LV 7/03, juris Rn. 26).
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bb) Diese Auffassung ist richtig.
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(1) Der Wortlaut des § 775 Nr. 4 und 5 ZPO steht einer solchen Auslegung nicht entgegen. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, wird der Vorschrift nicht das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal hinzugefügt, dass die
Einstellung nur mit Zustimmung des Gläubigers geschehen dürfe. Wenn einem
Vollstreckungsorgan, also beispielsweise einem Gerichtsvollzieher oder wie hier
dem Vollstreckungsgericht, Urkunden im Sinne der genannten Vorschrift vorgelegt werden, hat es die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen. Hierzu
bedarf es nicht der Zustimmung des Gläubigers. Davon zu unterscheiden ist die
Frage, ob eine einmal ausgesprochene Einstellung wieder aufzuheben ist,
wenn der Gläubiger die durch die Urkunden belegte Befriedigung bestreitet und
die Fortsetzung der Vollstreckung begehrt. Dies schließt der Wortlaut der Vorschrift jedenfalls nicht aus.
13
(2) Entscheidend für eine entsprechende Befugnis des Gläubigers sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift sowie ihre Entstehungsgeschichte.
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(a) Dass in den Fällen des § 775 Nr. 4 oder 5 ZPO die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen ist, dient der Verfahrenserleichterung. Wenn der
Schuldner Einwendungen gegen das Fortbestehen des titulierten Anspruchs
hat, sind diese grundsätzlich im Wege der Vollstreckungsgegenklage gemäß
§ 767 ZPO geltend zu machen. In Ergänzung hierzu ermöglicht es § 775 Nr. 4
und 5 ZPO im Interesse beider Parteien, dass insbesondere der Erfüllungseinwand von dem Schuldner bereits gegenüber dem Vollstreckungsorgan geltend
gemacht werden kann und schon in diesem Verfahrensstadium - wenn auch
gemäß § 776 Satz 2 ZPO nur vorläufig - Berücksichtigung findet. Voraussetzung ist, dass der Schuldner über aussagekräftige Unterlagen verfügt, aus denen sich Einwendungen der genannten Art ergeben. Werden diese Unterlagen
dem Vollstreckungsorgan vorgelegt, bedarf es einer Vollstreckungsgegenklage
und damit der Einleitung eines förmlichen Rechtsbehelfsverfahrens - jedenfalls
zunächst - nicht, vielmehr erfolgt bereits durch das Vollstreckungsorgan selbst
eine (vorläufige) Einstellung der Zwangsvollstreckung. Damit werden auch im
Interesse des Gläubigers unnötige Klagen gemäß § 767 ZPO insbesondere in
den Fällen vermieden, in denen er das Vollstreckungsorgan nicht rechtzeitig
von
Erfüllungsleistungen
des
Schuldners
unterrichtet
hat
(vgl.
Stein/
Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 775 Rn. 41 mwN).
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(b) Dieser heute allgemein anerkannte Zweck des § 775 Nr. 4 und 5 ZPO
wird belegt durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. So wird in der Begründung des dem Reichstag im Jahr 1874 vorgelegten Entwurfs einer Civilprozeßordnung bezogen auf § 640 Nr. 4 und 5 CPO ausdrücklich auf die verfahrenserleichternde Funktion der Einstellung der Zwangsvollstreckung in den hier
in Rede stehenden Fällen durch den Gerichtsvollzieher - bei der Vollstreckung
durch das Vollstreckungsgericht kann nichts anderes gelten - hingewiesen. Es
könne nicht im Interesse des Gläubigers liegen, dass Einwendungen gegen das
Fortbestehen des Anspruchs, wenn sie in der vorgeschriebenen Weise be-
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scheinigt seien, sofort zur richterlichen Entscheidung gebracht würden. Es liege
vielmehr im Interesse beider Teile, dass der Gerichtsvollzieher die Vollstreckung unter Aufrechterhaltung des status quo vorläufig einstelle und nur auf
Verlangen
des
in
Kenntnis
gesetzten
Gläubigers
fortsetze
(vgl.
Hahn/Stegemann, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen,
Band 2 [Neudruck 1983], 2. Aufl., S. 442). Im weiteren Gesetzgebungsverfahren ist aus § 640 CPO des Entwurfs die inhaltlich gleichlautende Vorschrift des
§ 691 CPO in der Fassung vom 30. Januar 1877 geworden (vgl.
Hahn/Stegemann, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen,
Band 2 [Neudruck 1983], 2. Aufl., S. 1520 f., siehe auch die Konkordanztabelle
bei Schubert, Entstehung und Quellen der Civilprozeßordnung von 1877, Zweiter Halbband, 1987, S. 1061), die mit § 775 Nr. 4 und 5 ZPO inhaltlich weitgehend identisch ist.
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(c) Der Zweck der genannten Bestimmungen, ein unnötiges Vorgehen
des Schuldners gemäß § 767 ZPO zu vermeiden, kann jedoch nicht mehr eingreifen, wenn der Gläubiger die Befriedigung bestreitet und deshalb eine gerichtliche Klärung des Einwands erforderlich ist. Dann verbleibt es bei dem
Grundsatz, dass materielle Einwendungen, wozu insbesondere auch der Erfüllungseinwand gehört, im Rahmen der hierfür vorgesehenen Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen sind. Dies bedeutet aber auch, dass für eine Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 775 Nr. 4 und 5 ZPO kein Raum
mehr ist, wenn der Gläubiger die Erfüllung bestreitet und deshalb die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung verlangt. Dass er hierzu berechtigt ist, wird in
der Begründung des Entwurfs einer Civilprozeßordnung aus dem Jahr 1874 als
selbstverständlich und deshalb als nicht regelungsbedürftig angesehen (vgl.
Hahn/Stegemann, Die gesamten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen,
Band 2 [Neudruck 1983], 2. Aufl., S. 442 zu § 640 CPO des Entwurfs).
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(3) Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis durch die Gesetzessystematik. Gemäß § 776 Satz 2 ZPO führt eine Einstellung gemäß § 775 Nr. 4 und
5 ZPO nur zu einer einstweiligen Einstellung des Verfahrens; die von dem Vollstreckungsorgan bereits getroffenen Maßnahmen bleiben bestehen. Hieraus
folgt, dass auch nach einer Einstellung der Zwangsvollstreckung eine abschließende Entscheidung erforderlich ist, ob die Vollstreckungsforderung tatsächlich
erloschen ist. Würde die Einstellung der Zwangsvollstreckung trotz Widerspruchs des Gläubigers bestehen bleiben, wäre dieser gezwungen, die Berechtigung seiner Forderungen feststellen zu lassen. Dies widerspräche jedoch dem
Rechtsschutzsystem des Buchs 8 der Zivilprozessordnung. Danach ist es Sache des Schuldners, materielle Einwendungen gegen den titulierten Anspruch
mit der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) geltend zu machen. Dass der
Schuldner zum Beleg der von ihm behaupteten Erfüllung auf Urkunden verweisen kann, ändert hieran nichts.
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(4) Den Schuldner auf die Klagemöglichkeit gemäß § 767 ZPO zu verweisen, führt schließlich auch nicht zu einer verfassungsrechtlich nicht hinzunehmenden Verkürzung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten (vgl. zu diesem Aspekt Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Beschluss vom 19. März 2004
- LV 7/03, juris Rn. 26). Die Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769
ZPO bietet insoweit hinreichenden Schutz vor unwiederbringlichen Rechtsverlusten. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass in dringenden Fällen auch das Vollstreckungsgericht berechtigt ist, eine einstweilige Anordnung zu erlassen (§ 769
Abs. 2 ZPO). Auch kann das Vollstreckungsorgan gehalten sein, im Interesse
eines effektiven Rechtsschutzes von irreversiblen Maßnahmen zunächst abzusehen, um dem Schuldner Gelegenheit zu geben, Rechtsschutz gemäß den
§§ 767, 769 ZPO nachzusuchen (vgl. Verfassungsgerichtshof des Saarlandes,
Beschluss vom 19. März 2004 - LV 7/03, juris Rn. 26 mit dem Hinweis auf die
Möglichkeit, im Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 87 ZVG einen Ver-
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kündigungstermin für den Zuschlagsbeschluss zu bestimmen). Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Gläubiger grundsätzlich die Fortsetzung der
Zwangsvollstreckung nach einer gemäß § 775 Nr. 4 und 5 ZPO erfolgten Einstellung verlangen kann, wenn er die von dem Schuldner geltend gemachte
Befriedigung bestreitet.
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Dass es dem Schuldner vorliegend möglich ist, hinreichenden Rechtsschutz gemäß den §§ 767, 769 ZPO zu erlangen, hat das Beschwerdegericht
rechtsfehlerfrei festgestellt.
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c) Aus dem Beschluss des Senats vom 29. März 2007 - V ZB 160/06
(BGHZ 172, 37) ergibt sich nichts anderes, weil er einen anderen Sachverhalt
betrifft. Seinerzeit war zu entscheiden, ob es bei Titulierung nur des zuletzt zu
zahlenden Teilbetrages einer Grundschuld für die Annahme einer Befriedigung
des Gläubigers i.S.d. § 775 Nr. 5 ZPO genügt, wenn die Zahlung dieses Teilbetrages nachgewiesen ist oder ob die vollständige Ablösung der Grundschuld
erforderlich ist. Dies betrifft die rechtlichen Voraussetzungen einer Einstellung
nach § 775 Nr. 5 ZPO und war daher im Vollstreckungsverfahren zu klären.
IV.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Vorschrift ist
anwendbar, weil die Gläubigerin und der Schuldner um die Einstellung bzw. die
Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens streiten. Deshalb stehen sie
sich in einem von den Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO vorausgesetzten kontradiktorischen Verhältnis gegenüber (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007
- V ZB 125/05, BGHZ 170, 378 Rn. 7).
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Die Festsetzung des Gegenstandswerts des Rechtsbeschwerdeverfahrens beruht auf § 3 ZPO und entspricht 1/5 der titulierten Hauptforderung.
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Kazele
Czub
Göbel
Vorinstanzen:
AG Homburg, Entscheidung vom 22.04.2013 - 2 K 99/08 LG Saarbrücken, Entscheidung vom 24.03.2015 - 5 T 386/13 -