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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 17/04
vom
24. Februar 2005
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 24. Februar 2005 durch den
Vizepräsidenten
des
Bundesgerichtshofes
Dr.
Wenzel,
die
Richter
Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Lemke und die Richterin Dr. Stresemann
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 4. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Karlsruhe - Zivilsenate in Freiburg - vom
7. April 2004 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 9.968 €.
Gründe:
I.
Der Beklagte beantragte am 2. Oktober 2003 Prozeßkostenhilfe für die
Berufung gegen ein ihm wenige Tage zuvor zugestelltes Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen. Wegen seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nahm er auf eine im April 2003 im ersten Rechtszug auf dem hierfür
bestimmten Vordruck eingereichte Erklärung Bezug, verbunden mit dem Hinweis, daß sich keine Änderungen ergeben hätten.
In der Erklärung vom April 2003 hatte der Beklagte bei den Fragen nach
seinem Vermögen sowohl bei "Grundvermögen" als auch in allen weiteren
Rubriken "nein" angekreuzt. Auf Nachfrage des Landgerichts hatte sein Prozeßbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 4. Juni 2003 mitgeteilt, daß der Beklagte über Grundbesitz in Sizilien verfüge. Dabei handele es sich um haupt-
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sächlich von Olivenbäumen bewachsene Felder mit einem Verkehrswert von
allenfalls 20.000 €. Es sei daher kaum möglich, diesen Grundbesitz zu veräußern. Anschließend hatte das Landgericht dem Beklagten Prozeßkostenhilfe
für den ersten Rechtszug bewilligt.
Nach dem Hinweis des Klägers, dem Beklagten gehörten drei Grundstücke in Sizilien, von denen eines bebaut und ein weiteres vermutlich bebaubar
sei, forderte das Oberlandesgericht diesen auf, sich hierzu zu äußern und seine Angaben glaubhaft zu machen. Der Beklagte legte daraufhin zum Beleg,
daß der Gesamtwert seiner Grundstücke in Sizilien 20.300 € betrage, ein
Schriftstück in italienischer Sprache vor. Durch Beschluß vom 23. Februar
2004, dem Beklagten zugestellt am 3. März 2004, wies das Oberlandesgericht
den Prozeßkostenhilfeantrag zurück. Der Beklagte müsse seine Grundstücke
zur Finanzierung des Prozesses einsetzen, da sie kein Schonvermögen darstellten und eine aus ihrem Verkauf folgende unzumutbare Härte nicht ersichtlich sei.
Der Beklagte hat am 11. März 2004 Berufung eingelegt und unter Hinweis auf seinen Prozeßkostenhilfeantrag Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Mit Beschluß vom 4. April 2004 hat das
Oberlandesgericht die Wiedereinsetzung abgelehnt und die Berufung wegen
der Fristversäumung als unzulässig verworfen. Diese sei nicht unverschuldet,
da der Prozeßkostenhilfeantrag für das Berufungsverfahren nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe. Die in Bezug genommenen Angaben
zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vom April 2003 seien
im Zeitpunkt der Antragstellung inhaltlich überholt gewesen. Der Beklagte habe
bereits durch Schriftsatz vom 4. Juni 2003 eingeräumt, über Grundbesitz zu
verfügen. Allerdings habe er darin angegeben, es handele sich um Felder,
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während er jetzt nicht in Abrede stelle, daß die Grundstücke teilweise bebaut
bzw. bebaubar seien. Unerheblich sei, daß der Beklagte für den ersten
Rechtszug Prozeßkostenhilfe erhalten habe. Eine Partei dürfe nur bei zutreffenden und umfassenden Angaben darauf vertrauen, daß das Rechtsmittelgericht keine strengeren Anforderungen an die Bedürftigkeit stelle als das Erstgericht.
Gegen diesen Beschluß wendet sich der Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1
Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist jedoch unzulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt.
1. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist nicht zur Fortbildung
des Rechts erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 ZPO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, daß der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen, wenn es für die rechtliche
Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an
einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (Senat,
BGHZ 154, 288, 292 zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO).
a) Anlaß, Leitsätze aufzustellen, gibt der Rechtsstreit schon deshalb
nicht, weil er entgegen der Auffassung der Beschwerde keine über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfrage aufwirft. Ob ein ordnungsgemäßer Prozeßkostenhilfeantrag vorliegt, wenn eine Partei auf ein früher eingereichtes Formular zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen verweist, das zunächst unvollständig war, in einer weiteren Erklärung aber vervollständigt wur-
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de, läßt sich nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und damit nicht abstrakt für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen beantworten.
b) Die Frage ist zudem nicht entscheidungserheblich. Der Prozeßkostenhilfeantrag des Beklagten vom 2. Oktober 2003 stellt auch dann keine
geeignete Grundlage für eine Wiedereinsetzung dar, wenn er als Bezugnahme
auf die mittels Schriftsatz vom 4. Juni 2003 vervollständigte und korrigierte
erstinstanzliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verstanden wird.
Nach Ablehnung eines innerhalb der Frist für die Einlegung eines
Rechtsmittels eingereichten Prozeßkostenhilfeantrags ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise
nicht damit rechnen mußte, daß ihr Antrag aus wirtschaftlichen Gründen wegen
fehlender Bedürftigkeit abgelehnt werden würde. Diese Voraussetzung ist nur
erfüllt, wenn die Partei sich für bedürftig halten und annehmen durfte, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe ordnungsgemäß dargetan zu haben (BGH, Beschl. v. 23. Februar 2000, XII ZB
221/99, NJW-RR 2000, 1387; Beschl. v. 12. Juni 2001, XI ZR 161/01, NJW
2001, 2720, 2721).
Das war hier nicht der Fall. Der Beklagte konnte nicht davon ausgehen,
seine wirtschaftlichen Verhältnisse ordnungsgemäß dargetan zu haben, denn
die Angabe im Schriftsatz vom 4. Juni 2003, bei seinem Grundbesitz in Sizilien
handele es sich um Felder, war unzutreffend. Nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts stellt der Beklagte nicht in Abrede, daß die Grundstücke tatsächlich teilweise bebaut bzw. bebaubar sind. Die Auffassung der Beschwerde,
daß es hierauf nicht ankommen könne, weil für die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten allein der - durchgängig mit etwa 20.000 €
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angegebene - Wert der Grundstücke maßgeblich sei, trifft nicht zu. Die Beschwerde übersieht dabei, daß der Beklagte seinen Grundbesitz in dem
Schriftsatz vom 4. Juni 2003 deshalb als praktisch unverkäuflich dargestellt
hat, weil es sich um mit Olivenbäumen bewachsene Felder handele. Aufgrund
dieses von dem Beklagten selbst hergestellten Zusammenhangs durfte das
Berufungsgericht demgegenüber annehmen, daß bebaute oder bebaubare
Grundstücke in Sizilien verkäuflich sind, und folgern, daß der Beklagte in dem
Schriftsatz vom 4. Juni 2003 unrichtige Angaben zur Verwertbarkeit seines
Grundbesitzes gemacht hat.
2. Eine Entscheidung ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO), insbesondere verletzt der angefochtene Beschluß nicht den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Entgegen der Auffassung
der Beschwerde bestand für das Berufungsgericht kein Anlaß, den Beklagten
zu einer weiteren Glaubhaftmachung aufzufordern. Bei der Entscheidung über
den Prozeßkostenhilfeantrag, die im übrigen nicht Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist, hat das Berufungsgericht die Wertangaben des Beklagten
zugrunde gelegt. Im Rahmen des Wiedereinsetzungsgesuchs war der Beklagte
bereits nach § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO gehalten, die für eine Wiedereinsetzung
maßgeblichen Tatsachen glaubhaft zu machen. Dabei konnte es allerdings
nicht mehr um den Wert der Grundstücke, sondern nur um die berechtigte Erwartung des Beklagten gehen, sein Prozeßkostenhilfeantrag werde nicht wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt werden. Tatsachen, die ein solches Vertrauen begründen könnten, hat der Beklagte jedoch nicht vorgetragen. Auf die
Bewilligung von Prozeßkostenhilfe im ersten Rechtszug kann sich der Beklagte
insoweit nicht stützen, weil die Angaben zu seinem Grundbesitz, wie dargelegt,
in einem maßgeblichen Punkt unzutreffend waren.
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III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel
Krüger
Lemke
Klein
Stresemann