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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 201/10
vom
26. Oktober 2010
in der Abschiebungshaftsache
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Oktober 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, die Richter
Dr. Czub und Dr. Roth und die Richterin Dr. Brückner
beschlossen:
Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 1. Juli 2010 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
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Der Betroffene ist serbischer oder kosovarischer Staatsangehöriger. Er
reiste 1995 mit seinen Eltern und Geschwistern nach Deutschland ein. Ein
Asylantrag und Asylfolgeanträge blieben erfolglos. Im Juli 2009 wurde er von
dem Beteiligten zu 2 aufgefordert, freiwillig in den Kosovo auszureisen. Dem
kam er nicht nach. Im November 2009 wurde ihm mitgeteilt, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet worden seien. Nachdem eine Rücknahmebestätigung durch den Kosovo vorlag, wurde die Abschiebung für den 8. Juni
2010 vorbereitet. Am 4. Juni 2010 wurde der Betroffene festgenommen. Auf
Antrag des Beteiligten zu 2 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom selben Tage gegen ihn Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens 9. Juni 2010
und die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Das Landgericht
hat - soweit hier von Interesse - die sofortige Beschwerde des Betroffenen mit
Beschluss vom 1. Juli 2010 zurückgewiesen. Der Betroffene ist am 8. Juni 2010
in den Kosovo abgeschoben worden.
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Gegen den Beschluss des Landgerichts richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, für die er die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe
unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten beantragt. Eine Erklärung
über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat er nicht vorgelegt.
II.
Der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für
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das Rechtsbeschwerdeverfahren ist unbegründet.
1. Der Senat hat mit Beschluss vom 14. Oktober 2010 (V ZB 214/09, zur
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Veröffentlichung vorgesehen) entschieden, dass ein Betroffener grundsätzlich
auch nach seiner Abschiebung die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem durch § 1 PKH-VV festgelegten Formular
abgeben oder eine gleichgestellte Unterlage vorlegen muss. Zur näheren Begründung wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.
2. Eine solche Erklärung hat der Betroffene nicht vorgelegt. Soweit er auf
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eine in der Beschwerdeinstanz vorgelegte formgerechte Erklärung Bezug genommen hat, ist dies schon deswegen ohne Belang, weil sich in den Verfahrensakten eine solche Erklärung nicht findet. Im Übrigen wäre sie auch - wie der
Senat ebenfalls in dem zitierten Beschluss entschieden hat - nicht ausreichend,
weil sich seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse durch die Abschiebung geändert haben können. Eine Erklärung, die den aktuellen Verhältnissen Rechnung trägt, ist dann unerlässlich, es sei denn, er macht glaubhaft,
dass sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse trotz der geänderten Lebensumstände im Ergebnis nicht verändert haben. Daran fehlt es ebenfalls.
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3. Von der Abgabe der Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des effektiven
Rechtsschutzes abzusehen.
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a) Der Betroffene eines Freiheitsentziehungsverfahrens vor deutschen
Gerichten hat zwar einen aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierenden verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines wirkungsvollen Rechtsschutzes (BVerfGE 85, 337, 345; 88, 118, 123; 108, 341, 347). Der Zugang zu
den Gerichten und zu den im Verfahrensrecht vorgesehenen Rechtsmittelverfahren darf ihm nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfGE 81, 123, 129). Diesen Anforderungen ist auch bei der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe, die die Situation
einer unbemittelten Person weitgehend der Situation eines Bemittelten bei der
Verwirklichung des Rechtsschutzes angleichen soll, zu beachten (vgl. BVerfGE
67, 245, 248). Sie stehen aber dem Zwang zur Verwendung des mit § 1
PKH-VV festgelegten Formulars für die Erklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Beteiligten mit Aufenthalt in einem anderen Staat
nicht entgegen. Denn auch solchen Beteiligten steht Verfahrenskostenhilfe nur
zu, wenn sie bedürftig sind und dies in der von dem Gesetzgeber festgelegten
Form darlegen. Diese Darlegung wird durch den Formularzwang auch bei Abgabe der Erklärung im Ausland nicht erschwert.
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b) Es mag allerdings Fälle geben, in denen der Betroffene in dem Staat,
in den er abgeschoben worden ist, aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen,
etwa infolge einer Inhaftierung, gehindert ist, die Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen unter Verwendung des vorgeschriebenen Formulars oder durch eine gleichwertige Bescheinigung des Aufenthalts
oder des Heimatstaats abzugeben. Wie dann zu verfahren ist, bedarf hier kei-
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ner Entscheidung, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass es sich in
dem Fall des Betroffenen so verhält.
Krüger
Stresemann
Roth
Czub
Brückner
Vorinstanzen:
AG Dannenberg (Elbe), Entscheidung vom 04.06.2010 - 39 XIV 3/10 B LG Lüneburg, Entscheidung vom 01.07.2010 - 2 T 56/10 und 2 T 61/10 -