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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 140/07
vom
14. Februar 2008
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 14. Februar 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. SchmidtRäntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats
des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 22. August 2007
wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt
700 €.
Gründe:
I.
1
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in P.
.
Der Kläger hat gegen die Beklagte Klage auf Zustimmung zur Absicherung einer Zufahrt über das Nachbargrundstück durch Bestellung einer Grunddienstbarkeit erhoben. Das Landgericht hat mit Urteil vom 27. Februar 2007 die Beklagte zur Bewilligung verurteilt Zug um Zug gegen Übergabe einer notariellen
Urkunde, in der sich der Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines
jährlichen Nutzungsentgeltes von 200 € verpflichtet und wegen dieses Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Die Entscheidung ist
beiden Parteien am 7. März 2007 zugestellt worden, so dass die Berufungsfrist
am Dienstag nach den Osterfeiertagen, dem 10. April 2007, ablief.
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Das Urteil haben beide Parteien angefochten. Eine Berufungsschrift des
Klägers, der sich als Rechtsanwalt selbst vertritt, ist am 20. April 2007 per Telefax bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Am 23. April 2007 hat der Kläger
die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen der versäumten Berufungsfrist beantragt.
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Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er am Freitag, dem 30. März
2007, einen ordnungsgemäß adressierten und ausreichend frankierten Brief mit
der Berufungsschrift zusammen mit anderen Schriftstücken seiner Bürofachangestellten zur Versendung durch die Post übergeben habe. Diese habe die
Briefe, wie üblich, nach Dienstschluss um etwa 14.15 Uhr in einen Briefkasten
eingeworfen. Der Brief mit der Berufungsbegründung sei auf dem Postwege
verloren gegangen. Der 30. März 2007 sei sein letzter Arbeitstag vor einem
Auslandsurlaub gewesen; er habe sich persönlich davon überzeugt, dass die
Berufungsschrift herausgegangen sei.
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Das Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 22. August 2007 das Wiedereinsetzungsgesuch als unzulässig zurückgewiesen. Dagegen wendet sich
der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II.
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Das Berufungsgericht meint, dass der Wiedereinsetzungsantrag unzulässig sei, weil der Kläger nicht entsprechend § 236 Abs. 2 ZPO alle tatsächlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit und Begründetheit seines Gesuchs
vorgetragen habe. Es fehlten die für die Wahrung der Antragsfrist nach § 234
ZPO bedeutsame Angabe dazu, wann das Hindernis weggefallen sei. Es sei
nicht erforderlich gewesen, den Kläger hierauf hinzuweisen, weil eine Behebung des Mangels nach dem Ablauf der Antragsfrist des § 234 ZPO nicht möglich gewesen sei.
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III.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m.
§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 1 ZPO; vgl. auch BGHZ 155, 21, 22).
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2. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, muss in der Begründung der
Rechtsbeschwerde dargelegt werden (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Daran fehlt es.
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a) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
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Die dazu aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Umstände für den Beginn
des Fristablaufs auch dann darzulegen sind, wenn durch Rückrechnung vom
Zeitpunkt des Eingangs des Wiedereinsetzungsantrages bei Gericht der Beginn
der Antragsfrist in die noch laufende Rechtsmittelfrist fällt, ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist bereits vom Bundesgerichtshof (Beschl. v. 31. Januar 1990,
VIII ZR 44/89, NJW-RR 1990, 830, 831) - abweichend von der in der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht - entschieden worden. Die Frist für die Wiedereinsetzung beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Wegfall des Hindernisses
zu laufen, und zwar auch dann, wenn dieser Umstand schon vor dem Ablauf
der Frist für die vorzunehmende Prozesshandlung eintritt. Diese Auffassung
wird auch im Schrifttum - ganz überwiegend - vertreten (Ball JurBüro 1992, 653,
661; Müller NJW 1993, 681, 682; HK-ZPO/Saenger, 2. Aufl., § 234 Rdn. 4;
MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 234 Rdn. 7; Musielak/Grandel, ZPO,
5. Aufl., § 234 Rdn. 3; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 234 Rdn. 6; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. Aufl., § 234 Rdn. 5; Zöller/Greger, ZPO,
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26. Aufl., § 234 Rdn. 5a). Die Umstände, die für den Fristbeginn maßgeblich
sind, sind daher auch in diesem Fall darzulegen.
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Die Rechtsfrage ist danach als geklärt anzusehen, zumal die Rechtsbeschwerdebegründung sich mit der Rechtsprechung und Literatur zu dieser
Rechtsfrage gar nicht befasst hat und deshalb auch keine Gründe benennt,
weshalb an der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten sein sollte.
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b) Die Rechtsbeschwerde macht ferner eine Verletzung des Gebots zur
Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend. Sie meint, es habe eines richterlichen Hinweises (§ 139 Abs. 1 ZPO) darauf bedurft, dass der
Kläger in seinem Wiedereinsetzungsgesuch zum Wegfall des Hindernisses
nichts vorgetragen hatte. Damit ist ein Gehörsverstoß nicht dargetan. Entgegen
der Ansicht des Beschwerdeführers hätte das Berufungsgericht nämlich den
Vortrag des Klägers in dem nachgereichten Schriftsatz vom 23. Oktober 2007
zu den Umständen, wann das Hindernis an einer rechtzeitigen Einreichung der
Berufungsschrift behoben war und damit die Wiedereinsetzungsfrist zu laufen
begann, auch dann nicht berücksichtigen dürfen, wenn dieses Vorbringen vor
der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag und die Zulässigkeit der
Berufung eingegangen wäre. Auch für den zur Begründung eines Wiedereinsetzungsgesuchs erforderlichen Vortrag, dass die in § 234 Abs. 1 ZPO bestimmte Antragsfrist eingehalten worden ist (RGZ 100, 268, 269; BGHZ 5, 157,
160; BGH, Beschl. v. 18. September 1991, XII ZB 51/91, BGHR § 236 Abs. 2
Satz 1 - Antragsbegründung 1), gilt die Antragsfrist (BGH, Beschl. v. 12. Mai
1998, VI ZB 10/98, NJW 1998, 2678; Beschl. v. 5. Oktober 1999, VI ZB 22/99,
NJW 2000, 365, 366). Zwar dürfen erkennbar unklare und ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung durch das Gericht nach § 139 BGB geboten gewesen wäre, auch noch nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist erläutert oder
vervollständigt werden (BGH, Beschl. v. 6. Mai 1999, VII ZB 6/99, NJW 1999,
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2284). Dabei muss es sich jedoch um ergänzendes Vorbringen handeln. Eine
erst nach Fristablauf eingehende, nachgeschobene Begründung, mit denen
eine der Voraussetzungen der Wiedereinsetzung (hier die Einhaltung der Antragsfrist) erstmals dargelegt wird, muss dagegen unberücksichtigt bleiben
(BGH, Beschl. v. 12. Mai 1998, VI ZB 10/98, aaO). So ist es hier, weil in dem
Wiedereinsetzungsgesuch vom 23. April 2007 jedes Vorbringen zum Fortfall
des Hindernisses fehlte.
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3. Andere Gründe, die zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde führen
könnten, trägt der Beschwerdeführer nicht vor.
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aa) Hier ergeben sich allerdings Anhaltspunkte dafür, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an die Begründung eines Wiedereinsetzungsgesuchs nach § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO überspannt und damit dem Rechtsmittelführer die Beschreitung des eröffneten Rechtsweges in einer unzumutbaren,
aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert hat (Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3
GG). Es hat den Wiedereinsetzungsantrag allein wegen eines Begründungsmangels (dem Fehlen der Angaben, wann und auf welche Weise das Hindernis
behoben war) als unzulässig verworfen, ohne geprüft zu haben, ob sich nicht
bereits aus den Darlegungen zu den Wiedereinsetzungsgründen und den offenkundigen Umständen (Kalender) ergibt, dass die Wiedereinsetzungsfrist unabhängig davon gewahrt wurde, wann konkret das Hindernis fortgefallen ist.
Diese Prüfung drängte sich aber auf.
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Das Wiedereinsetzungsgesuch ist am Montag, dem 23. April 2007, bei
dem Berufungsgericht eingegangen. Die zweiwöchige Frist für den Wiedereinsetzungsantrag nach § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO hätte unter Berücksichtigung der
offenkundigen Umstände, dass der 9. April 2007, Ostermontag, und auch der
vorangegangene Karfreitag, der 6. April 2007, gesetzliche Feiertage waren, nur
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dann nicht gewahrt sein können, wenn der Kläger in den davor liegenden Tagen bis Donnerstag, dem 5. April 2007, davon erfahren hatte oder nach den
Umständen hätte erfahren müssen, dass der nach seinem Vortrag am Freitag,
dem 30. März 2007, eingeworfene Brief mit der Berufungsschrift bis zum Ablauf
der Berufungsfrist am 10. April 2007 nicht bei dem Berufungsgericht eingehen
werde. Das kann nach den im Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragenen Tatsachen kaum angenommen werden. Den Kläger dürften in diesem Zeitraum von
einer knappen Woche von der Versendung bis zum Beginn der Feiertage keine
Überwachungs- und Nachfragepflichten in Bezug auf den rechtzeitigen Eingang
der Berufungsfrist bei dem Berufungsgericht getroffen haben.
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bb) Den sich daraus ergebenden Zulässigkeitsgrund (Überspannung der
Anforderungen an die Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs) hat die
Rechtsbeschwerde aber nicht einmal ansatzweise geltend gemacht. Die von ihr
angeführten Argumente zur Begründung der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde betreffen andere Gesichtspunkte und lassen es selbst bei wohlwollender und
die Interessen der anderen Partei weitgehend hintanstellender Betrachtung
nicht zu, den möglicherweise gegebenen Zulässigkeitsgrund als dargelegt anzusehen.
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Das Rechtsbeschwerdegericht darf indes nach § 577 Abs. 2 Satz 3 ZPO
seine Entscheidung nur auf diejenigen Zulässigkeitsgründe stützen, die der
Rechtsbeschwerdeführer in der Begründung seines Rechtsmittels gemäß § 575
Abs. 3 Nr. 2 ZPO dargelegt hat (vgl. BGH, Beschl. v. 29. September 2005,
IX ZB 430/02, NJW-RR 2006, 142). Die gesetzliche Regelung der Voraussetzungen des Rechtsbeschwerdeverfahrens lässt es nicht zu, unabhängig von
den Rügen des Rechtsbeschwerdeführers eine Entscheidung zu dessen Gunsten und damit zu Lasten der anderen Partei auf Grund einer Prüfung des gesamten Akteninhalts von Amts wegen zu treffen, ob nicht vorgetragene Zuläs-
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sigkeitsvoraussetzungen vorliegen, selbst wenn das - wie hier - nach den Umständen nahe liegt. Eine unzumutbare Zulässigkeitshürde (Art. 2 Abs. 1 GG
i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) wird damit schon deshalb nicht errichtet, weil
sich die Parteien durch bei dem Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte
vertreten lassen müssen, die mit der speziellen Materie des Rechtsbeschwerdeverfahrens vertraut sind (Senat, Beschl. v. 24. Mai 2007, V ZR 251/06, NJWRR 2007, 1435).
IV.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger
Lemke
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Czub
Vorinstanzen:
LG Potsdam, Entscheidung vom 27.02.2007 - 1 O 542/05 OLG Brandenburg, Entscheidung vom 22.08.2007 - 5 U 43/07 -