You can not select more than 25 topics Topics must start with a letter or number, can include dashes ('-') and can be up to 35 characters long.
 
 

194 lines
12 KiB

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
LwZR 4/01
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
Verkündet am:
9. November 2001
Riegel,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 174 Satz 1
Eine namens einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts von einem alleinvertretungsberechtigten Gesellschafter abgegebene einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung kann von dem Empfänger gemäß § 174 Satz 1 BGB zurückgewiesen
werden, wenn ihr weder eine Vollmacht der anderen Gesellschafter, noch der Gesellschaftsvertrag oder eine Erklärung der anderen Gesellschafter beigefügt ist, aus
der sich die Befugnis des handelnden Gesellschafters zur alleinigen Vertretung der
Gesellschaft ergibt.
BGH, Urt. v. 9. November 2001- LwZR 4/01 - OLG Dresden
AG Oschatz
-2-
Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 2001 durch die Richter Prof. Dr. Krüger,
Dr. Klein und Dr. Gaier sowie die ehrenamtlichen Richter Andreae und Kreye
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Landwirtschaftssenats des
Oberlandesgerichts Dresden vom 8. Dezember 2000 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit der Kündigung eines Landpachtvertrages.
W. K. war Eigentümer eines aus mehreren Flurstücken bestehenden
landwirtschaftlich genutzten Grundstücks. Durch Vertrag vom 28. September
1996 verpachtete er den Beklagten einen Teil des Grundstücks bis zum
28. September 2008. In der Folgezeit wurde das Grundstück zwangsversteigert. Das Pachtverhältnis wurde im Versteigerungsverfahren nicht offenbar. Am
2. Dezember 1998 wurde das Grundstück den Klägern als Gesellschaftern einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zugeschlagen. Nach dem Gesellschaftsvertrag sind beide Gesellschafter alleinvertretungsberechtigt.
-3-
Mit Schreiben vom 28. März 1999 kündigte der Kläger zu 1 namens der
aus ihm und seinem Bruder, dem Kläger zu 2, gebildeten Gesellschaft das
Pachtverhältnis zum Ende des laufenden Pachtjahres gegenüber den Beklagten. Mit Schreiben vom 4. April 1999 wiesen die Beklagten die Kündigungserklärung zurück, weil der Erklärung keine Vollmacht des Klägers zu 2 beigefügt
worden war. Mit Schreiben vom 5. April 1999 verwahrte sich der Kläger zu 1
hiergegen unter Hinweis auf seine Befugnis zur alleinigen Vertretung nach dem
Gesellschaftsvertrag. In der Folgezeit kam es zu weiteren Kündigungen des
Pachtvertrages, u.a. aus wichtigem Grund.
Mit der Klage haben die Kläger die Räumung und Herausgabe der
Pachtfläche, hilfsweise zum 28. September 2000, höchst hilfsweise zum
28. September 2001 verlangt. Das Landwirtschaftsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgen sie ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Revision ist ohne Einschränkung zugelassen. Die auf § 174 BGB
bezogenen Ausführungen des Berufungsgerichts dienen lediglich der Begründung der Entscheidung in diesem Punkt und bedeuten daher keine Beschränkung der Zulassung.
-4-
II.
Das Berufungsgericht sieht die Beklagten aufgrund des Pachtvertrages
vom 28. März 1996 als zum Besitz des Grundstücks berechtigt an. Es meint,
die Kündigungserklärung vom 28. März 1999 habe das Pachtverhältnis nicht
beendet. Die Beklagten hätten diese Erklärung nach § 174 BGB wirksam zurückgewiesen, weil ihr keine Vollmacht des Klägers zu 2 beigefügt gewesen
sei. § 744 Abs. 2 BGB führe nicht zur Alleinbefugnis eines Gesellschafters, die
Gesellschaft zu vertreten. Die später zur Kündigung des Pachtvertrages abgegebenen Erklärungen seien nicht zum ersten möglichen Termin im Sinne von
§ 57 a Satz 2 ZVG erfolgt. Für eine außerordentliche Kündigung fehle es an
einem wichtigen Grund.
III.
Die Revision hat keinen Erfolg.
Die Kläger haben keinen fälligen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Pachtfläche. Sie sind mit dem Zuschlag des Grundstücks gemäß
§§ 57 ZVG, 571, 593 b BGB als Verpächter anstelle von W. K. in den zwischen
diesem und den Beklagten geschlossen Pachtvertrag eingetreten. Das Besitzrecht aus diesem Vertrag besteht fort. Der Wirksamkeit der im Schreiben vom
28. März 1999 ausgesprochenen, auf § 57 a ZVG gestützten Kündigung steht
der Widerspruch der Beklagten vom 4. April 1999 entgegen.
-5-
1. Wird ein einseitiges Rechtsgeschäft durch einen Vertreter vorgenommen, gewährt § 174 BGB dem von dem Geschäft Betroffenen vor der mit der
Behauptung der Bevollmächtigung verbundenen Unsicherheit der Wirksamkeit
des Handelns des Vertreters dadurch Schutz, daß dem Betroffenen das Recht
eingeräumt ist, die Erklärung des Vertreters zurückzuweisen, es sei denn, der
Vertreter weist die von ihm in Anspruch genommene Vertretungsmacht durch
die Vorlage einer Vollmacht nach (§ 174 Satz 1 BGB), oder die Bevollmächtigung ist dem Erklärungsempfänger vom Vollmachtgeber zuvor bekannt gegeben worden (§ 174 Satz 2 BGB).
Beruht die Vertretungsmacht nicht auf der Erteilung einer Vollmacht
durch den Vertretenen, sondern auf gesetzlicher Grundlage, scheidet eine Zurückweisung aus (RGZ 74, 263, 265; OLG Düsseldorf NJW-RR 1993, 470;
MünchKomm-BGB/Schramm, 4. Aufl., § 174 Rdn. 10; Soergel/Leptien, BGB,
13. Aufl., § 174 Rdn. 8; Staudinger/Schilken, BGB [1995], § 174 Rdn. 6). Die
gesetzliche Vertretungsmacht beruht nicht auf einer Willensentscheidung des
Vertretenen. Sie kann nicht durch eine Vollmachtsurkunde nachgewiesen werden. § 174 BGB mutet die mit der Inanspruchnahme gesetzlicher Vertretung
verbundene Unsicherheit über die Wirksamkeit des Bestehens der behaupteten Vertretungsmacht dem Erklärungsempfänger zu.
Das Recht zur Zurückweisung besteht auch im Falle der organschaftlichen Vertretung grundsätzlich nicht (MünchKomm-BGB/Schramm, aaO; Soergel/Leptien, aaO; Staudinger/Schilken, aaO). Die organschaftliche Vertretungsmacht beruht auf der Bestellung des Vertreters zum Organ einer juristischen Person, die nur durch ihre Organe am Rechtsverkehr teilnehmen kann.
Der Unsicherheit über die in Anspruch genommene organschaftliche Vertre-
-6-
tungsmacht wirkt die grundsätzlich vorgeschriebene Eintragung des Vertreters
als Organ in ein öffentliches Register entgegen. Aus diesem ergeben sich die
Person des Organs und der Umfang seiner Vertretungsmacht (vgl. § 67 BGB,
§ 125 Abs. 4 HGB, § 81 Abs. 1 AktG, § 39 Abs. 1 GmbHG, § 28 Abs. 1 GenG).
So verhält es sich bei der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts nicht. Soweit
ihre (Teil-)rechtsfähigkeit anzuerkennen ist (BGHZ 146, 341 ff), beruht diese
nicht auf einer Eintragung. Die Vertretungsverhältnisse können keinem öffentlichen Register entnommen werden. Sie folgen aus dem zwischen den Gesellschaftern - möglicherweise formlos - geschlossenen Gesellschaftsvertrag. Soweit die Gesellschaft nicht durch alle Gesellschafter handelt, liegt damit auch
bei der Teilnahme einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts am Rechtsverkehr eine Situation vor, die der von § 174 BGB entspricht. Der Empfänger einer
für die Gesellschaft abgegebenen Erklärung hat vielfach weder Kenntnis von
der Existenz der Gesellschaft noch von deren Vertretungsverhältnissen. Ein
Register steht nicht zur Verfügung. Handelt der Geschäftsführer der Gesellschaft allein, ist es ihm demgegenüber ohne weiteres möglich, entweder eine
Vollmacht der übrigen Gesellschafter vorzulegen oder die von ihm aus dem
Gesellschaftsvertrag in Anspruch genommene Vertretungsmacht durch dessen
Vorlage oder die Vorlage einer Erklärung aller oder der übrigen Gesellschafter
über eine von §§ 709, 714 BGB abweichende Regelung der Vertretung der
Gesellschaft zu belegen. Unterbleibt ein solcher Nachweis, kann eine Erklärung, die nicht von allen Gesellschaftern abgegeben wird, nach § 174 BGB zurückgewiesen werden. Dem entspricht es, daß ein Recht zur Zurückweisung
nicht nur besteht, wenn eine rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht nicht vorgelegt wird, sondern auch dann, wenn die Rechtsmacht des Vertreters auf einer
Ermächtigung beruht, die von einer eingetragenen organschaftlichen Vertretungsmacht abweicht (BAG LM BGB § 174 Nr. 4 m. Anm. Hueck).
-7-
Die Beklagten konnten daher die Erklärung vom 28. März 1999 zurückweisen, weil ihr weder eine Vollmacht beigefügt war, aus der sich die Befugnis
des Klägers zu 1 zur Vertretung des Klägers zu 2 ergab, noch eine Erklärung
beider Gesellschafter oder des Klägers zu 2, nach welcher der Gesellschaftsvertrag den Kläger zu 1 zur alleinigen Vertretung berechtigte, noch der Gesellschaftsvertrag selbst. Die in § 174 Satz 1 BGB bestimmte Frist ist durch die
Erklärung vom 4. April 1999 gewahrt. Insoweit erhebt die Revision auch keine
Rügen, Rechtsfehler sind nicht ersichtlich.
2. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 744 Abs. 2 BGB. Dabei kann
dahingestellt bleiben, ob diese Bestimmung auf eine Gesellschaft, deren Mitglieder nach dem Gesellschaftsvertrag jeweils einzeln zur Vertretung berechtigt
sind, überhaupt Anwendung findet und ob § 744 Abs. 2 BGB die Kündigung
eines Vertrages als Verfügung über ein Recht der Gesellschaft durch einen
Gesellschafter ermöglicht. Eine aus § 744 Abs. 2 BGB begründete gesetzliche
Befugnis des Klägers zu 1, am 28. März 1999 allein für die Gesellschaft zu
handeln, scheitert schon daran, daß die Kläger nicht behaupten, die Kündigung
des Pachtvertrages vom 28. März 1996 sei eine zur Erhaltung des Grundstücks
notwendige Maßnahme (vgl. BGH, Urt. v. 2. Oktober 1981, I ZR 81/79, NJW
1982, 641). Die Kündigung beruht nach dem Inhalt des Kündigungsschreibens
auf der Absicht der Kläger, das Grundstück selbst zu bewirtschaften. Von der
Verwirklichung dieser Absicht muß der Bestand des Grundstücks nicht abhängen. Das liegt sogar eher fern. Daß der wirtschaftliche Wert des Grundstücks
nur so realisiert werden kann, ist nicht dargelegt.
-8-
3. Die mit den Hilfsanträgen geltend gemachten Räumungs- und Herausgabeansprüche sind ebenfalls nicht begründet. Denn auch die späteren
Kündigungserklärungen haben nicht zu einer Beendigung des Pachtverhältnisses geführt.
a) Soweit die Kündigungen auf § 57 a ZVG gestützt werden (Kündigungen vom 5. April und 28. September 1999) gilt folgendes:
Das Sonderkündigungsrecht des Erstehers nach § 57 a ZVG ist nach
Satz 2 der Norm ausgeschlossen, wenn die Kündigung nicht zum ersten Termin erfolgt, für den sie zulässig ist. Der (nach dem Zuschlag am 2. Dezember
1998) erste zulässige Termin war hier der 28. September 1999. Die Kündigung
mußte spätestens am dritten Werktag des halben Jahres erklärt werden, mit
dessen Ablauf die Pacht enden sollte (§ 594 a Abs. 2 BGB). Das war der
31. März 1999. Die Kündigungen vom 5. April und 28. September 1999 sind
daher verspätet.
Allerdings setzt die Einhaltung des ersten möglichen Kündigungstermins
nach dem Eigentumserwerb durch Zuschlag voraus, daß der Ersteher von dem
Bestehen des Pachtvertrages Kenntnis hat. Ist dies nicht der Fall, so wird ihm
ab Erlangung der Kenntnis ein Kündigungsrecht zu dem dann nächstmöglichen
Termin zugebilligt (RGZ 98, 273, 274; Zeller/Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 16. Aufl., § 57 a Anm. 5.2; Eickmann, Zwangsversteigerungs- und
Zwangsverwaltungsrecht, § 19 I 2 b; Teufel, in: Steiner, Zwangsversteigerung
und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., §§ 57-57 c ZVG Rdn. 46; Storz, Praxis des
Zwangsversteigerungsverfahrens, 8. Aufl., B 1.3.2.). Das führt im vorliegenden
Fall nicht dazu, daß die Kläger noch nach dem 31. März 1999 das Pachtver-
-9-
hältnis hätten kündigen können. Denn das Berufungsgericht hat festgestellt,
daß die Kläger jedenfalls am 28. März 1999 die für die Kündigung ausreichende Kenntnis vom Bestehen des Pachtvertrages hatten. Es ist revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden, daß es diese Feststellung der Tatsache entnommen hat,
daß sich der Kläger zu 1 in der Lage sah, den Pachtvertrag durch die Erklärung
vom 28. März 1999 nach § 57 a ZVG zu kündigen. Diese Kündigung wäre ohne
die Zurückweisung durch die Beklagten auch wirksam gewesen und hätte das
Rechtsverhältnis zum Ablauf des 28. September 1999 beendet. Angesichts
dessen ist kein schutzwürdiges Interesse der Kläger erkennbar, eine weitere
Kündigungsmöglichkeit zu eröffnen.
b) Soweit die Klage auf eine mit Schreiben vom 6. September 1999 erklärte außerordentliche Kündigung gestützt wird, fehlt es – wie das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler und von der Revision nicht angegriffen dargelegt hat
– an einem Kündigungsgrund.
Krüger
Klein
Gaier