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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
LwZR 3/04
Verkündet am:
5. November 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Landwirtschaftssache
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. November 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger und Dr. Lemke
sowie die ehrenamtlichen Richter Kees und Andreae
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des Landwirtschaftssenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts
vom 29. Januar 2004, soweit es ihn beschwert, aufgehoben und
das Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Neuruppin
vom 10. April 2001 abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Am 20. Dezember 1991 beschloß die Vollversammlung der Klägerin deren Liquidation zum Ende des Jahres und bestellte den Beklagten zu ihrem
Liquidator. Zugleich gewährte die Vollversammlung dem Beklagten für seine
Tätigkeit als Liquidator eine Vergütung von 150 DM pro Stunde zuzüglich der
Erstattung von Spesen und Fahrtkosten. Am 24. März 1994 vereinbarten die
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Parteien ab April 1994 abweichend von dem bisherigen Abrechnungsmodus
eine Pauschalvergütung von monatlich 12.000 DM.
Für seine Tätigkeit als Liquidator erhielt der Beklagte für die Jahre 1992
bis 1995 von der Klägerin eine Vergütung einschließlich Spesen und Fahrtkosten von insgesamt 638.893 DM.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe seine
Pflichten als Liquidator in mehrfacher Hinsicht verletzt und ihr dadurch Schaden zugefügt. Darüber hinaus habe er eine zu hohe Vergütung kassiert und
aufgrund unkorrekter Aufstellungen und Belege Spesen und Fahrtkosten abgerechnet. Die erhaltenen Beträge müsse er zurückzahlen.
Das Landwirtschaftsgericht hat der auf Zahlung von 2.317.073,10 DM
nebst Zinsen gerichteten Klage lediglich in Höhe von 59.920,94 DM nebst Zinsen stattgegeben. Der Beklagte habe in dieser Höhe pflichtwidrig und schuldhaft zu hohe Inventarbeiträge an die ehemaligen LPG-Mitglieder ausgezahlt
und sei der Klägerin zum Ersatz des dadurch entstandenen Schadens verpflichtet.
In dem von beiden Parteien angestrengten Berufungsverfahren hat die
Klägerin von dem Beklagten die Zahlung von 922.473,94 € sowie, als Gesamtschuldner mit einem Dritten, die Zahlung weiterer 231.589,63 €, jeweils mit Zinsen, verlangt, und zwar mit Rücksicht auf eine Abtretung der Klageforderung
an die Rechtsvorgängerin der D. Bank AG in B.
, an diese Bank.
Das Oberlandesgericht hat den Beklagten abändernd zur Zahlung von
59.689,74 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt, und zwar nicht wegen
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pflichtwidrig zuviel ausgezahlter Inventarbeiträge, sondern wegen vertragswidrig bzw. rechtsgrundlos erlangter als Spesen geltend gemachter Aufwendungen. Mit der von dem Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der
Beklagte seinen Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Die Klägerin
beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Revision ist zulässig. Dem steht nicht entgegen, daß ein Zulassungsgrund nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht ersichtlich ist und von dem Berufungsgericht auch nicht angeführt wird. Das Revisionsgericht ist an die Zulassung gebunden, § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
II.
Die Revision hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das Berufungsgericht neigt dazu, die Beschlüsse der Vollversammlung der Klägerin, durch die der Beklagte zum Liquidator bestellt und seine
Vergütung festgelegt worden ist, wegen fehlerhafter Einberufung der Versammlung als nichtig anzusehen. Gleichwohl hafte der Beklagte nach § 3 a LwAnpG
der Klägerin gegenüber für Pflichtverletzungen, die ihm als Liquidator schuldhaft unterlaufen seien, da er diese Tätigkeit jedenfalls faktisch ausgeübt habe
und hierfür dieselben Haftungsmaßstäbe gälten. Vorzuwerfen sei dem Beklagten vorliegend, daß er seine Spesen nicht ordnungsgemäß abgerechnet habe.
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Zwar müsse die Klägerin darlegen und beweisen, daß die abgerechnete Vergütung sowie die Spesen und Fahrtkosten nicht durch die Tätigkeit des Beklagten
für die Klägerin veranlaßt gewesen seien. Dies sei ihr aber hinsichtlich der
Spesen und Fahrtkosten, nicht hinsichtlich des Vergütungsanspruchs gelungen. Die von dem Beklagten vorgelegten Belege könnten Geschäftsvorfällen
für eine LPG-Tätigkeit nicht zugeordnet werden, da sie lediglich pauschalierende Angaben enthielten. Teilweise seien sie der privaten Lebensführung zuzuordnen. Die dafür insgesamt erhaltenen Zahlungen von 116.742,99 DM
(= 59.689,74 €) habe der Beklagte daher ohne Rechtsgrund erhalten und müsse sie erstatten. Dabei stehe die Abtretung an die D.
Bank der klageweisen
Geltendmachung nicht entgegen, da die Klägerin die Forderung ohne Ermächtigung durch die Zessionarin im Wege gewillkürter Prozeßstandschaft geltend
machen könne.
2. Das angefochtene Urteil unterliegt schon deswegen der Aufhebung,
weil die Klage unzulässig ist.
Es fehlt mangels Prozeßführungsbefugnis der Klägerin an einer Prozeßvoraussetzung (vgl. Senat, BGHZ 36, 187, 191 f). Die Klägerin macht einen an
die Rechtsvorgängerin der D. Bank abgetretenen Anspruch geltend. Diese
Abtretung ist entgegen der Auffassung der Revision wirksam. Auch wenn - wie
sie annimmt - die von dem Beklagten als Liquidator vorgenommene Abtretung
der Mitwirkung der Organe der Klägerin bedurfte, so scheitert daran die Wirksamkeit der Abtretung nicht. Jedenfalls liegt in der gerichtlichen Geltendmachung des abgetretenen Anspruchs auf Zahlung an die D.
Bank die Geneh-
migung durch den vertretungsberechtigten Aufsichtsrat (§ 42 Abs. 1 LwAnpG,
§§ 82, 83, 39 Abs. 1 GenG). Zur Geltendmachung des abgetretenen Anspruchs
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ist die Klägerin infolgedessen nur unter den Voraussetzungen der gewillkürten
Prozeßstandschaft befugt. Dazu bedurfte sie - entgegen der Auffassung des
Berufungsgerichts - in entsprechender Anwendung des § 185 Abs. 1 BGB der
Ermächtigung durch die Zessionarin (BGHZ 96, 151, 152 f; 100, 217, 218; 125,
196, 199; BGHZ 145, 383, 386). Daß eine solche Ermächtigung erteilt worden
ist, und sei es auch nur konkludent (vgl. BGHZ 94, 117, 122) oder durch Auslegung zu erschließen (vgl. BGHZ 145, 383, 386), hat das Berufungsgericht
- weil es dies für entbehrlich erachtet hat - nicht festgestellt. Anhaltspunkte für
eine erteilte Ermächtigung sind dem Vorbringen der Klägerin auch nicht zu
entnehmen.
Die Klage ist daher schon aus diesem Grund als unzulässig abzuweisen,
ohne daß zur Frage der Begründetheit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung getroffen werden könnte (vgl. BGH, Urt. v. 10. Januar 1978, VI ZR
113/75, WM 1978, 470, 472; Urt. v. 19. Juni 2000, II ZR 319/98, NJW 2000,
3718, 3719). Daß das Berufungsgericht zudem unter Verstoß gegen § 308
ZPO - wie die Revision zu Recht rügt - der Klage nicht antragsgemäß auf Zahlung an die D.
Bank, sondern an die Klägerin selbst stattgegeben hat, ist folg-
lich nicht mehr von Belang.
3. Für eine Aufhebung und Zurückverweisung unter dem Gesichtspunkt,
daß die fehlende Prozeßvoraussetzung nachgeholt werden könnte, ist schon
deswegen kein Raum, weil das Vorbringen der Klägerin den geltend gemachten Anspruch nicht rechtfertigt.
a) Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen rechtsgrundlos
empfangener Zahlungen für Spesen besteht nicht.
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Unabhängig davon, ob die Bestellung des Beklagten als Liquidator wirksam war, finden die von der Klägerin an ihn erbrachten Leistungen ihren
Rechtsgrund in dem der Tätigkeit zugrundeliegenden Geschäftsbesorgungsvertrag (vgl. Müller, GenG [2000], § 83 Rdn. 8; MünchKomm-AktG/Hüffer,
2. Aufl., § 265 AktG Rdn. 12), der an dem etwaigen Mangel der Liquidatorbestellung nicht teilnimmt und den die Klägerin jedenfalls konkludent mit dem Beklagten geschlossen hat. Der geltend gemachte Anspruch bestünde daher nur
dann, wenn die Klägerin den Nachweis erbracht hätte, daß die dem Beklagten
erstatteten Spesen tatsächlich nicht angefallen sind oder jedenfalls nicht im
Zusammenhang mit der Geschäftsbesorgung für die Klägerin gestanden haben. Dies hat das Berufungsgericht zwar angenommen. Die getroffenen Feststellungen tragen diese Annahme aber nicht.
aa) Dabei sind die Ausführungen des Berufungsgerichts schon im Ansatz nicht haltbar. Es hat keine ins einzelne gehende Feststellungen getroffen,
daß sämtliche Spesen, die der Beklagte geltend gemacht und erstattet erhalten
hat, der Rechtsgrundlage entbehren, sondern es hat sich lediglich eine Reihe
von der Höhe nach nicht näher bezeichneten Positionen herausgenommen, bei
denen es einen Zusammenhang mit der Geschäftsbesorgung verneint hat.
Selbst wenn dieser Zusammenhang nicht bestünde, rechtfertigt dies - wie die
Revision zu Recht rügt - nicht die Annahme, alle geltend gemachten und von
der Klägerin erstatteten Spesen ermangelten der Rechtsgrundlage. Es widerspricht der Lebenserfahrung, daß der Beklagte bei der Vornahme der Geschäftsbesorgung überhaupt keine Aufwendungen gehabt hat, die ihm nach
den getroffenen Vereinbarungen in Verbindung mit §§ 675, 670 BGB zu erstatten waren. Ein Bereicherungsanspruch stünde der Klägerin daher in dem zugesprochenen Umfang nur zu, wenn hinsichtlich jeder einzelnen Position nach
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sprochenen Umfang nur zu, wenn hinsichtlich jeder einzelnen Position nach
Grund und Höhe, bis zur Summe des zugesprochenen Betrages, festgestellt
worden wäre, daß sie von der Geschäftsbesorgung nicht erfaßt ist. Daran fehlt
es.
bb) Sieht man von diesem grundlegenden Mangel ab, ist aber auch hinsichtlich der einzelnen Positionen, mit denen sich das Berufungsgericht befaßt
hat, nicht rechtsfehlerfrei festgestellt, daß sie von der Erstattungspflicht nicht
umfaßt sind.
Zu beanstanden ist auch insoweit schon der Ansatz des Berufungsgerichts, das sich daran stört, daß die von dem Beklagten vorgelegten Belege,
weil zu pauschal, den Geschäftsvorfällen für dessen LPG-Tätigkeit nicht zugeordnet werden könnten. Es geht nicht darum, daß der Beklagte die sachliche
und rechnerische Richtigkeit der Belege und den Zusammenhang der Ausgaben mit der Geschäftsbesorgung für die Klägerin belegen müßte. Vielmehr hätte die Klägerin für jede einzelne Position darlegen und nachweisen müssen,
daß dieser Zusammenhang fehlt. Wenn an der Zuordnung der Belege Zweifel
bestanden haben sollten, wäre die Klägerin berechtigt gewesen, die Erstattung
der geltend gemachten Beträge von einer Substantiierung abhängig zu machen. Für eine Rückforderung geleisteter Zahlungen obliegt ihr hingegen die
volle Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen des Rechtsgrundes und damit
im konkreten Fall für den fehlenden Zusammenhang der einzelnen Positionen
mit der Geschäftsbesorgung. Daß die Belege jetzt möglicherweise wegen ihres
pauschalen Inhalts einzelnen Geschäften nicht mehr zugeordnet werden können, schließt nicht aus, daß die belegten Ausgaben nach §§ 675, 670 BGB zu
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erstatten waren. Das Risiko, daß dies nunmehr nicht mehr aufgeklärt werden
kann, trägt die beweisbelastete Klägerin, nicht der Beklagte.
Soweit das Berufungsgericht hinsichtlich einzelner Positionen einen Zusammenhang mit der Geschäftsbesorgungstätigkeit als widerlegt ansieht, ist
diese Annahme ebenfalls rechtsfehlerhaft.
Hotelkosten in L.
sind ersichtlich gerade nicht - wie das Beru-
fungsgericht annimmt - der "privaten Lebensentscheidung" zuzuordnen, sondern beruhen darauf, daß der Beklagte ursprünglich noch in S.
-H.
wohnte, seine Tätigkeit aber am Sitz der Klägerin zu entfalten hatte. Wenn die
Klägerin diese Kosten hätte vermeiden wollen, hätte sie einen Liquidator mit
der Geschäftsbesorgung betrauen müssen, der ortsnah wohnte. Daß der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, mit der Aufnahme seiner Tätigkeit seinen
Wohnsitz zu verlegen, oder daß er nur zu den Bedingungen eines ortsnah
wohnenden Liquidators hätte abrechnen dürfen, ist weder festgestellt noch vorgetragen. Ob das Hotel, in dem er gewohnt hat, später ihm selbst gehört hat,
ist ebenfalls ohne Belang. Auch der Aufenthalt im eigenen Hotel verursacht
Kosten, die als Spesen geltend gemacht werden können und für die die allgemeinen Beherbergungskosten, unter Umständen mit einem geringen Abschlag,
angesetzt werden können. Mit einer privaten Lebensführung hat dies nichts zu
tun. Wieso Kosten, die der eigenen Verpflegung gedient haben, nicht, etwa
unter dem Gesichtspunkt der Verpflegungsmehrkosten, als Spesen abgerechnet werden konnten, legt das Berufungsgericht nicht dar. Darüber hinaus ist die
Schlußfolgerung, kleinere Ausgaben sowie an Samstagen oder Sonntagen
gemachte Aufwendungen könnten nur der eigenen Verpflegung gedient haben,
durch nichts gerechtfertigt. Daß bestimmte Umstände für eine private Zuord-
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nung sprechen mögen, wie das Berufungsgericht für andere Belege angenommen hat, reicht nicht für einen erforderlichen Nachweis.
b) Angesichts der vorstehenden Ausführungen besteht auch kein Schadensersatzanspruch wegen vertragswidrig geltend gemachter Aufwendungen.
Abgesehen davon, daß das Berufungsurteil Ausführungen zu einer schuldhaft
begangenen Vertragsverletzung vermissen läßt, kommt ein auf die Verletzung
von Vertragspflichten oder von Pflichten eines Liquidators (§§ 89, 34 Abs. 2
GenG, § 42 Abs. 1 LwAnpG) gestützter Anspruch nicht in Betracht, da eine unberechtigte Geltendmachung von Aufwendungsersatzansprüchen nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Wenzel
Krüger
Lemke