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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 38/02
Verkündet am:
4. November 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Strom und Telefon II
GWB § 19 Abs. 1, § 33
Beeinträchtigt ein marktbeherrschendes Unternehmen unter mißbräuchlicher
Ausnutzung seiner marktbeherrschenden Stellung die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen auf einem von ihm nicht beherrschten Drittmarkt,
steht ein Unterlassungsanspruch auch demjenigen Unternehmen zu, das seinerseits den Drittmarkt beherrscht.
BGH, Urt. v. 4. November 2003 – KZR 38/02 – OLG Düsseldorf
LG Dortmund
-2-
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2003 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Raum und Dr. Meier-Beck
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts
Düsseldorf vom 20. Juni 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist die Deutsche Telekom AG. Die Beklagte zu 1 ist die
Stadtwerke S.
GmbH, die die Stadt S.
mit Gas und Wasser so-
wie über eine Tochtergesellschaft mit Strom versorgt; 75,34 % ihrer Geschäftsanteile werden von der Stadt S.
gehalten. Die Beklagte zu 1 ist Mehr-
heitsgesellschafterin der Beklagten zu 2, die Telekommunikationsdienstleistungen erbringt.
Ende 1999/Anfang 2000 boten die Beklagten unter der Bezeichnung
"R. power" Verträge mit einer Laufzeit von 12 Monaten über "Pakete" an, die
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den Bezug von Strom (sowie gegebenenfalls auch Gas und/oder Wasser) bei
der Beklagten zu 1 und den Bezug von Telekommunikationsdienstleistungen
bei der Beklagten zu 2 umfaßten und für den gleichzeitigen Bezug dieser Leistungen eine jährliche Rückvergütung zwischen 120,- und 300,- DM vorsahen.
Im Internet warb die Beklagte zu 1 hierfür wie folgt:
"R. power XS Strom + Telefonie
Sie beziehen Strom von uns und sind zugleich Kunde der R. Net
(oder möchten Kunde der R. Net werden) – dann bieten wir Ihnen
eine weitere Ersparnis von 10,00 DM im Monat an. Reduzieren Sie
Ihre Rechnung um 120,00 DM im Jahr. Wer kann dazu noch nein
sagen?"
"R. power M Strom + Wasser + Telefonie
Sie beziehen Strom und Wasser von den Stadtwerken und telefonieren bereits günstig über die R. Net – dann haben Sie die Möglichkeit, 15,00 DM im Monat, das heißt 180,00 DM im Jahr, einzusparen."
"R. power XL Strom + Gas + Telefonie
Sie beziehen Strom und Gas von den Stadtwerken und telefonieren
günstig über die R. Net – dann ermöglicht Ihnen R. power XL
20,00 DM im Monat einzusparen. Im Jahr zahlen Sie somit
240,00 DM weniger."
"R. power XXL Strom + Gas + Wasser + Telefonie
Sie beziehen Strom, Gas und Wasser von den Stadtwerken und
sind zugleich Kunde der R. Net – dann können Sie die höchste
R. power-Sparrate nutzen. Sie sparen Monat für Monat
25,00 DM. In einem Jahr summiert sich Ihre Ersparnis auf
300,00 DM. Unglaublich aber wahr – gibt es hierbei noch einen
Grund zu zögern?"
Die Klägerin sieht in den Angeboten der Beklagten und der Werbung
hierfür den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Beklagten zu 1
und ein wettbewerbswidriges Verhalten unter dem Gesichtspunkt einer grund-
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gesetzwidrigen "Rückverstaatlichung" des Telefonmarktes, einer kommunalrechtlich unzulässigen erwerbswirtschaftlichen Betätigung an den Beklagten
unmittelbar oder mittelbar beteiligter Gebietskörperschaften und eines unlauteren Kopplungsangebots.
Die Klage, mit der den Beklagten untersagt werden soll, für den Abschluß von Stromlieferungsverträgen zu werben, bei denen der Bezug von
Strom preisvergünstigt angeboten wird, wenn der Kunde seinen Telefonanschluß bei der Beklagten zu 2 anmeldet oder angemeldet hat, insbesondere
wie vorstehend wiedergegeben mit den Tarifen "R. power XS, M, XL und
XXL" zu werben und/oder so angekündigte Preisvergünstigungen tatsächlich
zu gewähren, ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge weiter.
Die Beklagten treten dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
A.
Die Revision ist insgesamt zulässig.
Der Umstand, daß das Berufungsgericht die Revisionszulassung mit der
grundsätzlichen Bedeutung begründet hat, die der Rechtssache im Hinblick auf
die im Rahmen der kartellrechtlichen Ansprüche vorzunehmende Abwägung
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zukomme, beschränkt die Nachprüfbarkeit des Berufungsurteils nicht. Denn die
Revisionszulassung kann nicht auf eine bestimmte Rechtsfrage beschränkt
werden (BGHZ 101, 276, 278); eine entsprechende Auslegung der nach dem
Wortlaut des Tenors unbeschränkten Zulassung kommt daher nicht in Betracht.
Da die Begründung des Klageanspruchs mit dem Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung jedenfalls im Berufungsverfahren auch nur eine der
gleichwertigen rechtlichen Rechtfertigungen des Klageanspruchs und des einheitlichen Klageantrags darstellt, kann in der Begründung der Zulassungsentscheidung auch nicht die Zulassung der Revision nur hinsichtlich eines Teils
des Streitgegenstands gesehen werden.
B.
In der Sache bleibt die Revision ohne Erfolg. Das Berufungsge-
richt hat die Klage im Ergebnis zutreffend unter allen in Betracht kommenden
rechtlichen Gesichtspunkten als unbegründet angesehen.
I. 1.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch gegen die Beklagte zu
1 aus § 33 i.V.m. § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB verneint. Zugunsten der Klägerin könne unterstellt werden, daß das Netzgebiet der Beklagten zu 1 noch
einen abgrenzbaren räumlich relevanten Strommarkt darstelle und die Beklagte
zu 1 dort nach wie vor marktbeherrschend sei. Der Vorwurf, das angegriffene
Angebot stelle eine mißbräuchliche Ausnutzung der marktbeherrschenden
Stellung der Beklagten zu 1 auf dem Strommarkt dar, weil die Gefahr bestehe,
daß die Beklagte zu 1 ihre fast monopolartige Stellung auf dem regionalen
Strommarkt dauerhaft verfestige, sei jedoch kein Aspekt, aus dem die nicht auf
dem Strommarkt tätige Klägerin Ansprüche herleiten könne. Der kartellrechtliche Schutz, der gegen das mißbräuchliche Verhalten eines Marktbeherrschers
auch auf Drittmärkten bestehen könne, scheitere an der vorzunehmenden In-
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teressenabwägung. Was die Klägerin als drohende "Überführung" von mindestens 96 % der Stromkunden, über die die Beklagte zu 1 aufgrund ihres früheren Monopols verfüge, auf die Beklagte zu 2 bezeichnet, drohe aktuell bei
weitem nicht. Auch wenn unterstellt werde, daß die Beklagte zu 2 die Leistungsfähigkeit der Beklagten zu 1 ausnutze, um Kunden auf sich zu überführen, könne eine dadurch bedingte erhebliche Behinderung der Klägerin auf
dem Telekommunikationsmarkt nicht festgestellt werden. Selbst wenn das Angebot der Beklagten wirklich so günstig wäre, daß es für kleinere und mittlere
Haushalte ganz erheblich zu Buche schlüge und deshalb die Verbraucher dazu
"verführt" würden, es anzunehmen, sei all dies jetzt für den von der Klägerin
beherrschten Markt nicht erheblich und eine solche der Klägerin deutlich
nachteilige Entwicklung nicht greifbar abzusehen.
2.
Die Revision rügt, der Interessenabwägung des Berufungsge-
richts liege die rechtsirrige Vorstellung zugrunde, die Klägerin sei auf dem
nach Auffassung des Berufungsgerichts von ihr dominierten Drittmarkt wegen
dieser Stellung nicht schutzwürdig. § 19 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 1 GWB verbiete
die mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung schlechthin, ohne nach der Marktstellung der hiervon betroffenen Unternehmen zu unterscheiden. Wenn das Berufungsgericht die Abwerbung von Kunden auf die
monopolähnliche Stellung der Beklagten zu 1 zurückführe und diese mit Blick
auf die aktuellen Verhältnisse auf dem Telekommunikationsmarkt lediglich für
hinnehmbar erkläre, räume das Berufungsgericht ein, daß die Kunden der Klägerin mit leistungsfremden Mitteln abgeworben würden. Die Schlußfolgerung,
die festgestellten bedeutenden finanziellen Vorteile für kleine und mittlere
Haushalte seien für den Telekommunikationsmarkt nicht erheblich, sei unhaltbar, weil gerade wegen dieser Vorteile mit einer erheblichen Kundenabwande-
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rung zu rechnen sei. Das Berufungsgericht lasse zudem außer Acht, daß es
bei dem Kombinationsangebot nicht um die Weitergabe von Kostenvorteilen
gehe, wie sie etwa aufgrund von Synergieeffekten bei auf demselben Markt
tätigen Unternehmen möglich seien. Solche Synergieeffekte lägen zwischen
den beiden Beklagten nicht vor, weil die Beklagte zu 1 auf dem Strommarkt und
die Beklagte zu 2 auf dem Telekommunikationsmarkt tätig sei. Durch das
Kopplungsangebot würden die öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Kommunen
im Bereich der Daseinsvorsorge (Stromversorgung) und ihre hierdurch erlangte
Stellung mit der rein privatwirtschaftlichen Tätigkeit eines Beteiligungsunternehmens (Telefondienstleistungen) verquickt. Diese Verquickung bestehe konkret darin, daß die Angebote der beiden Beklagten mit dem Motiv und der Zielsetzung verknüpft würden, das überkommene, gerade nicht im Wettbewerb
errungene Monopol der Beklagten zu 1 auf dem Strommarkt auf den Telekommunikationsmarkt zu übertragen, zumindest aber als (noch) strukturbedingten
wettbewerbsfremden Vorteil vor anderen Anbietern zu nutzen. Weiterhin setzten die Beklagten die strukturbedingte Abhängigkeit der Stromverbraucher von
der Beklagten zu 1 ein, um mittels eines preisverschleiernden Anlockeffektes
neue Abhängigkeiten auf einem anderen Markt zu schaffen. Denn naturgemäß
gehe von dem Angebot eines kommunalen Unternehmens, das seit jeher als
ein Monopolist im Bereich der Daseinsvorsorge tätig sei, eine "Sogwirkung" auf
die Verbraucher aus. Diese gründe sich aber nicht auf Leistung, sondern –
mangels bestehender Alternativen in dem Bereich der Daseinsvorsorge – auf
die Gewohnheit der Verbraucher, von diesem Unternehmen "versorgt" zu werden. Andererseits gebe es eine Zwangssituation des Kunden, der nach einem
Wechsel zu dem gekoppelten Angebot hieran auch dann festgehalten werde,
wenn das Telekommunikationsangebot anderer Unternehmen wie auch der
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Klägerin dem Telekommunikationsbestandteil des Kopplungsangebotes überlegen sei.
3.
Die Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg.
a)
Der Klägerin stünde ein Unterlassungsanspruch nach § 33 i.V.m.
§ 19 Abs. 1 GWB zu, wenn die Beklagte zu 1 auf dem sachlich und räumlich
relevanten Strommarkt marktbeherrschend wäre und unter mißbräuchlicher
Ausnutzung dieser marktbeherrschenden Stellung die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen auf dem – von ihr nicht beherrschten – Telekommunikationsmarkt in für den Wettbewerb erheblicher Weise beeinträchtigte.
Denn die Beeinträchtigung muß nicht auf dem beherrschten Markt, sondern kann auch auf einem Drittmarkt eintreten, sofern nur der erforderliche
Kausalzusammenhang zwischen der Marktbeherrschung und dem mißbilligten
Verhalten oder seiner wettbewerbsbeeinträchtigenden Wirkung gegeben ist
(KG WuW/E OLG 3124, 3129; OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 880, 883;
Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 19 Rdn. 114; Schulz in
Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 GWB Rdn. 133). Das entspricht der
weiten Fassung der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB, mit der mißbräuchliches Verhalten auch auf nicht beherrschten Märkten erfaßt werden sollte (vgl.
Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des GWB,
BT-Drucks. IV/2564, S. 15) und durch die demgemäß auch die Konkurrenten
des Marktbeherrschers auf dem Drittmarkt geschützt werden (Bornkamm in
Langen/Bunte aaO § 33 GWB Rdn. 23; a.A. aufgrund zu enger Definition des
Schutzzwecks Knöpfle/Leo in Gemeinschaftskommentar, 5. Aufl., § 19 GWB
Rdn. 1645). Ob demgegenüber für die Anwendung des § 20 Abs. 1 GWB daran
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festzuhalten ist, daß das behinderte Unternehmen auch auf dem beherrschten
Markt tätig sein muß, wie dies der Senat zu § 26 Abs. 2 GWB a.F. angenommen hat (Urt. v. 23.2.1988 – KZR 17/86, WuW/E 2483 – Sonderungsverfahren), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
b)
Das Berufungsgericht hat zugunsten der Klägerin unterstellt, daß
die Beklagte zu 1 auf dem – regional abzugrenzenden – Strommarkt marktbeherrschend ist. Dagegen ist, wie der Senat in seinem gleichzeitig verkündeten
Urteil in dem Rechtsstreit der Klägerin gegen einen anderen Energieversorger
(KZR 16/02 – Strom und Telefon I, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen)
näher ausgeführt hat, aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
c)
Es fehlt jedoch an einem Mißbrauch dieser marktbeherrschenden
Stellung; insbesondere werden die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen nicht in einer für den Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt
erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt (§ 19
Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 GWB).
Die Erwägungen, die das Berufungsgericht hierzu angestellt hat, könnten allerdings dahin verstanden werden, als halte es nicht die Beeinträchtigung
der Wettbewerbsmöglichkeiten der auf dem Telekommunikationsmarkt tätigen
Unternehmen, sondern speziell der – ihrerseits diesen Markt beherrschenden –
Klägerin für maßgeblich. Ein solches Verständnis wäre nicht zutreffend. Denn
für die Beantwortung der Frage, ob der Wettbewerb im Sinne des § 19 Abs. 4
Nr. 1 GWB beeinträchtigt wird, kommt es nicht auf die individuelle Wettbewerbssituation desjenigen Marktteilnehmers an, der den Anspruch geltend
macht. Sie ist nur insofern von Bedeutung, als sie die allgemeinen Wettbe-
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werbsmöglichkeiten auf dem betreffenden Markt beeinflußt. Ist danach eine
sachlich nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten
zu bejahen, steht der sich daraus ergebende Unterlassungsanspruch auch
demjenigen Wettbewerber zu, der seinerseits den betreffenden Markt beherrscht.
Dieser – mögliche – Rechtsfehler wirkt sich jedoch im Ergebnis nicht
aus. Aus den von der Revision nicht beanstandeten tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben sich weder eine Zwangskopplung noch die
Kopplung einer begehrten mit einer weniger begehrten Leistung noch andere
Gesichtspunkte, die das Kombinationsangebot der Beklagten als eine sachlich
nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten auf dem
Telekommunikationsmarkt erscheinen lassen könnten.
Die Rüge der Revision, es handele sich um einen leistungsfremden Eingriff in das Marktgeschehen, bei dem Aufgaben der Daseinsvorsorge mit rein
privatwirtschaftlicher Tätigkeit verquickt und die strukturbedingte Abhängigkeit
der Stromverbraucher von der Beklagten zu 1 ausgenutzt werde, ist nicht begründet. Die hierbei zugrundegelegte Charakterisierung einerseits der Stromversorgung als Daseinsvorsorge und andererseits von Telefondienstleistungen
als privatwirtschaftliche Tätigkeit ist unzutreffend. Die Beklagten handeln als
private Anbieter, gleichviel ob sie die Versorgung mit elektrischer Energie oder
die Erbringung von Telefondienstleistungen anbieten. Wenn sie im Rahmen
der Zusammenarbeit mit der Beklagten zu 2 Stromkunden für den Bezug von
Telekommunikationsdienstleistungen gewinnen will, stehen der Beklagten zu 1
daher keine dem Leistungswettbewerb fremden Mittel zur Verfügung, die sich
daraus ergäben, daß sie als Stromversorger Verantwortung für die Daseinsvor-
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sorge träfe. Aus dem Umstand, daß die Kunden der Beklagten zu 1 bislang nur
in geringem Umfang von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, zu einem
anderen Stromanbieter zu wechseln, kann nicht geschlossen werden, die betreffenden Kunden könnten sich deswegen veranlaßt oder gar gedrängt fühlen,
auch Telekommunikationsdienstleistungen von der Beklagten zu 1 bzw. einem
mit ihr zusammenarbeitenden Unternehmen zu beziehen. Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht jedenfalls nicht getroffen. Sie liegen nach
der Lebenserfahrung auch fern, weshalb die (nur) hierauf gestützten Rügen der
Revision ohne Erfolg bleiben müssen. Die Nutzung des Kopplungsangebots
der Beklagten setzt voraus, daß der Stromkunde die Entscheidung trifft, zum
einen wenn nicht den Stromanbieter, so doch den Stromtarif und zum anderen
den Telefondienstanbieter zu wechseln. Sie verlangt insofern, daß sich der
Verbraucher gerade von der vermeintlich selbstverständlichen überkommenen
Vorstellung löst, daß er den Strom zu einem von ihm nicht beeinflußbaren Preis
von seinem örtlichen Versorger und Telefondienstleistungen zu gleichfalls nicht
beeinflußbaren Preisen von der Klägerin bezieht.
Aus den gleichen Gründen ist es auch nicht zu beanstanden, daß das
Berufungsgericht nichts für eine "Sogwirkung" festgestellt hat, die örtliche Verbraucher dazu veranlassen könnte, Telekommunikationsdienstleistungen von
der Beklagten zu 1 zu beziehen, weil sie, wie die Revision meint, es gewohnt
wären, von diesem Unternehmen "versorgt" zu werden.
Da sich, wie nachfolgend ausgeführt, das angegriffene Kopplungsangebot auch nicht als unlauterer Wettbewerb darstellt, genügt zu seiner Rechtfertigung, daß die Beklagte zu 1 ihren Kunden damit ein preislich attraktives Angebot für den Fall unterbreiten will, daß sie auf dieser Grundlage sowohl Strom
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als auch Telekommunikationsdienstleistungen beziehen. Das ist auch dem
Marktbeherrscher nicht verwehrt. Jedem Unternehmen, auch einem marktbeherrschenden, steht ein unternehmerischer Freiraum zu; es ist grundsätzlich
ihm selbst überlassen, die Art seiner wirtschaftlichen Betätigung zu bestimmen
und zu entscheiden, mit welchen Waren oder Leistungen es am Markt teilnehmen will, sofern es sich hierbei nicht solcher Mittel bedient, die der auf die
Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zuwiderlaufen (BGHZ 107, 273, 279 – Staatslotterie;
128, 17, 36 – Gasdurchleitung; 129, 53, 64 – Importarzneimittel). Es begründet
deshalb für sich genommen auch keine sachlich nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung, wenn, wie das Berufungsgericht zugunsten der Klägerin unterstellt
hat, der ihnen angebotene erhebliche Preisvorteil Verbraucher zur Annahme
des Angebots "verführt". Das ist vielmehr der Sinn des Preiswettbewerbs, dessen sich auch der Marktbeherrscher solange bedienen darf, wie nicht die
Preisbildung selbst zu beanstanden ist (s. etwa BGHZ 152, 361 – Wal*Mart –
zum Verkauf unter Einstandspreis).
Der Einsatz von Mitteln, die der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes zuwiderlaufen, setzt zwar in dem hier vorliegenden Fall der Erstreckung der wirtschaftlichen Betätigung eines marktbeherrschenden Unternehmens auf einen Drittmarkt nicht notwendigerweise voraus, daß das wettbewerbliche Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens als solches zu beanstanden ist. Vielmehr kann sich der Widerspruch zur
Zielsetzung des Gesetzes gegebenenfalls auch aus den Auswirkungen des
wettbewerblichen Handelns des Marktbeherrschers ergeben, wenn nämlich
hierdurch auf dem Drittmarkt Marktzutrittsschranken für Wettbewerber errichtet
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werden. Hierfür ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nichts hinreichendes.
Das Berufungsgericht hat daher zu Recht angenommen, daß die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund in einer für den Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt
erheblichen Weise beeinträchtigt werden.
II.
Das Berufungsgericht hat zutreffend auch einen Unterlassungs-
anspruch der Klägerin nach § 1 UWG verneint.
1.
Ein solcher Anspruch ergibt sich entgegen der Meinung der Klä-
gerin nicht aus einer nach § 107 GO NW unzulässigen erwerbswirtschaftlichen
Betätigung der an den Beklagten beteiligten Körperschaften. Denn nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Anspruch aus § 1 UWG nicht
immer schon dann gegeben, wenn ein Wettbewerber Vorschriften verletzt, bei
deren Einhaltung er aus dem Markt ausscheiden müßte. Auch bei der Verletzung von Vorschriften über den Marktzutritt muß anhand einer am Schutzzweck
des § 1 UWG auszurichtenden Würdigung des Gesamtcharakters des Verhaltens geprüft werden, ob dieses durch den Gesetzesverstoß das Gepräge eines
wettbewerbsrechtlich unlauteren Verhaltens erhält. Der Gesetzesverstoß genügt dazu allein nicht, wenn die verletzte Norm nicht zumindest eine sekundäre
wettbewerbsbezogene, d.h. entsprechend dem Normzweck des § 1 UWG eine
auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion hat (BGHZ 150,
343, 348 – Elektroarbeiten; BGH, Urt. v. 26.9.2002 – I ZR 293/99, WRP 2003,
262, 264 – Altautoverwertung). Eine solche Schutzfunktion kommt, wie die Re-
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vision auch nicht mehr in Zweifel zieht, der Vorschrift des § 107 GO NW nicht
zu (BGH WRP 2003, 262, 264 – Altautoverwertung).
2.
Entsprechendes gilt für eine Zuwiderhandlung gegen ein "Rück-
verstaatlichungsverbot", das die Klägerin Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG entnehmen
will. Selbst wenn davon auszugehen wäre, daß die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen durch diese Vorschrift des Grundgesetzes materiell privatisiert und der Aufgabenwahrnehmung durch solche Unternehmen entzogen werden sollte, die ausschließlich oder mehrheitlich in staatlicher oder
kommunaler Hand sind (so Elftes Hauptgutachten der Monopolkommission,
BT-Drucks. 13/5309, Tz. 60; Bullinger/Mestmäcker, Multimedia-Dienste, S. 82
f.; Müller, DVBl. 1998, 1256, 1258 ff.; Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, 12. Aufl., S. 273; wohl auch Stern/Bauer in Stern, Postrecht der
Bundesrepublik Deutschland, Art. 87f GG Rdn. 15; einschränkend Windthorst
in Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 87f Rdn. 28a ["soweit privatwirtschaftliche Entscheidungsautonomie (nicht) gewährleistet ist"]; ablehnend OLG Düsseldorf GRURRR 2002, 285, 287 f.; Badura in Bonner Kommentar, Bearb. 1997, Art. 87f GG
Rdn. 22; Ebsen, DVBl. 1997, 1039, 1042; Ehlers, DVBl. 1998, 497, 502; Gersdorf in v. Mangold/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 87f Abs. 2 Rdn. 74 f.; Lerche
in Maunz/Dürig, GG, Bearb. 1996, Art. 87f Rdn. 58; Pünder, DVBl. 1997, 1353
f.; Trute, VVDStRL 57, 216, 226 f.), könnte ein Verstoß gegen eine derartige
gesetzliche Schranke mangels einer auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion aus denselben Gründen keine wettbewerbsrechtlichen
Ansprüche von Wettbewerbern begründen wie ein Verstoß gegen § 107 GO
NW (vgl. zur fehlenden wettbewerbsrechtlichen Bedeutung einer materiellen
Privatisierung des Abfallrechts BGH WRP 2003, 262, 264 – Altautoverwertung). Um so mehr hätte dies zu gelten, wenn sich die Bedenken gegen die
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Tätigkeit kommunaler Unternehmen auf dem Telekommunikationssektor gar
nicht aus einem verfassungsrechtlichen Gebot zur materiellen Privatisierung
ergeben sollten. So begründet Gersdorf (aaO Art. 87f Abs. 2 Rdn. 81 f.; AfP
1998, 470, 471 ff.), auf dessen Ausführungen sich die Klägerin in den Tatsacheninstanzen bezogen hat, im Hinblick darauf, daß Art. 87f GG den Bund
nicht verpflichtet, seine Beteiligung an den Nachfolgeunternehmen des Sondervermögens Deutsche Bundespost aufzugeben, seine verfassungsrechtlichen Bedenken statt mit einem Gebot zur materiellen Privatisierung damit, daß
die Beachtung des Prinzips demokratischer Legitimation (Art. 20 Abs. 2 Satz 1,
Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) es verbiete, staatliche oder kommunale Eigen- und
Beteiligungsgesellschaften mit der von Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG geforderten
Unternehmensautonomie auszustatten. Eine etwaige Verletzung dieses Prinzips wäre jedoch erst recht ohne wettbewerbsrechtliche Bedeutung.
3.
Soweit die Revision dem auch im vorliegenden Zusammenhang
entgegenhalten will, sie wende sich lediglich gegen die unlautere Verquickung
der Sonderstellung der Beklagten zu 1 als eines (kommunalen) Unternehmens
der Daseinsvorsorge mit der rein privatwirtschaftlichen Tätigkeit ihres Beteiligungsunternehmens, bei der die Beklagte zu 1 die besondere Vertrauensstellung ausnutze, die sie als Unternehmen der Daseinsvorsorge auf dem Gebiet
der Stromversorgung über Jahrzehnte hinweg erlangt habe, findet dies, wie
bereits ausgeführt, in den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vorbringen der Klägerin in den Tatsacheninstanzen keine Grundlage.
4.
Auf den rechtlichen Gesichtspunkt eines Verstoßes der Beklagten
zu 1 gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 TKG, nach dem einer Lizenz bedarf, wer Sprachtelefondienst auf der Basis selbst betriebener Telekommunikationsnetze an-
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bietet, kommt die Revision zu Recht nicht zurück. Das Berufungsgericht hat
diese Klagebegründung zutreffend mit dem Hinweis zurückgewiesen, daß die
Beklagte zu 1 kein Telekommunikationsnetz betreibe (ebenso bereits OLG
Düsseldorf GRUR-RR 2002, 285, 287).
5.
Das Angebot der Beklagten ist auch nicht deshalb zu beanstan-
den, weil die Kopplung von Stromversorgung und Telekommunikationsdienstleistungen als solche wettbewerbswidrig wäre.
a)
Die Anforderungen, die das Wettbewerbsrecht an die Zulässigkeit
von Kopplungsangeboten stellt, müssen sich nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs an den Gefahren orientieren, die von derartigen Geschäften für die Verbraucher ausgehen, vornehmlich an der Gefahr, daß diese über
den tatsächlichen Wert eines Angebots getäuscht oder doch unzureichend informiert werden (BGHZ 151, 84, 89 – Kopplungsangebot I; BGH, Urt. v.
13.6.2002 – I ZR 71/01, GRUR 2002, 979, 981 – Kopplungsangebot II). Kopplungsangebote erschweren, sofern sie wie typisch keine Einzelpreise ausweisen, den Preisvergleich durch den Verbraucher und enthalten darüberhinaus
ein gewisses Irreführungs- und Preisverschleierungspotential. Außerdem kann
von Kopplungsangeboten – insbesondere, wenn ein Teil der Leistung "unentgeltlich" sein soll, oder bei an ein Absatzgeschäft gekoppelten Gewinnspielen –
in Einzelfällen eine so starke Anlockwirkung ausgehen, daß auch bei einem
verständigen Verbraucher die Rationalität der Nachfrageentscheidung in den
Hintergrund tritt (BGH aaO).
b)
Auch wenn deshalb im Interesse des Verbrauchers eine Transpa-
renz des Angebots zu fordern ist (BGH aaO), so läßt sich hieraus doch nicht
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ableiten, daß die Angabe einer gemeinsamen Rückvergütung für die Inanspruchnahme zweier oder mehrerer unterschiedlicher Leistungen, wie sie hier
in Rede steht, als solche zu beanstanden wäre. Sie erschwert zwar den Preisvergleich, weil der Verbraucher, wenn er das Gesamtangebot mit den Einzelpreisen desselben oder anderer Anbieter vergleichen will, diese Einzelpreise
ermitteln und addieren muß, um zu erkennen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Gesamtangebot mit einem Preisvorteil verbunden ist. Ebensowenig wie der Generalklausel des § 1 UWG oder dem Irreführungsverbot
eine Verpflichtung entnommen werden kann, stets den Wert einer Zugabe anzugeben (BGH aaO), kann jedoch verlangt werden, daß für in einem gemeinsamen Preis zusammengefaßte Leistungen Einzelpreise angegeben werden,
die der Anbieter tatsächlich nicht fordert, eben weil er die Leistungen zu dem
gemeinsamen Preis nur gemeinsam abgibt. Insofern hindert das Transparenzgebot grundsätzlich weder die Kopplung selbst noch die Angabe (lediglich) eines – direkt zu entrichtenden oder wie hier aus einer einheitlichen Rückvergütung resultierenden – einheitlichen Preises. Vielmehr ist es Sache des Verbrauchers, Preisvergleiche anzustellen und sich Gedanken über die Preiswürdigkeit
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eines Angebots zu machen, denn zumindest anhand des maßgebenden Gesamtpreises sind Preisvergleiche immer möglich (BGH, Urt. v. 27.2.2003 – I ZR
253/00, GRUR 2003, 538, 539 – Gesamtpreisangebot). Im Streitfall ist die gewisse Mühe, die ein Preisvergleich zwischen dem von den Beklagten angebotenen, sich aus Einzelpreisen abzüglich Rückvergütung ergebenden gemeinsamen Preis und den von den Beklagten und anderen Anbietern verlangten
Einzelpreisen bereitet, um so eher hinzunehmen, als die Entscheidung über
einen Wechsel des Strom- und des Telekommunikationsdienstleisters regelmäßig nicht ohne nähere Prüfung der Angebote erfolgen wird.
Hirsch
Goette
Raum
Bornkamm
Meier-Beck