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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 16/02
Verkündet am:
4. November 2003
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
Strom und Telefon I
GWB § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1, § 33
a) Beeinträchtigt ein marktbeherrschendes Unternehmen unter mißbräuchlicher Ausnutzung seiner marktbeherrschenden Stellung die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen auf einem von ihm nicht beherrschten
Drittmarkt, kann ein auf dem Drittmarkt tätiger Wettbewerber Unterlassung
verlangen.
b) Der räumlich relevante Markt der Versorgung von Kleinverbrauchern mit
elektrischer Energie wird auch nach der Liberalisierung des Energiemarktes durch das Versorgungsgebiet des örtlichen Netzbetreibers bestimmt,
solange der weit überwiegende Teil der abgenommenen Energiemenge
(hier: mehr als 90 %) weiterhin von dem Netzbetreiber geliefert wird.
c) Ein Kopplungsangebot, mit dem ein marktbeherrschender Stromversorger
Strom und Telekommunikationsdienstleistungen zu einem vergünstigten
Gesamtgrundpreis anbietet, ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, sofern
keine Zwangskopplung vorliegt und auf dem Telekommunikationsmarkt
keine Marktzutrittsschranken für Wettbewerber begründet werden.
BGH, Urt. v. 4. November 2003 – KZR 16/02 – OLG München
LG München I
-2-
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2003 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch und die Richter Prof. Dr. Goette, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Raum und Dr. Meier-Beck
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Kartellsenats des Oberlandesgerichts
München vom 18. April 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist die Deutsche Telekom AG. Die Beklagte zu 1 ist ein regional tätiges Stromversorgungsunternehmen, das im Allgäu ca. 80.000 Kunden mit Strom beliefert und sich im Mehrheitsbesitz der K.
Verkehrs-
und Beteiligungsgesellschaft mbH befindet. Die Beklagte zu 2, deren Geschäftsanteile zu 38,6 % von der Stadt A.
, zu 27,1 % von der Beklagten
-3-
zu 1 und zu 12,3 % von der B.
Landesbank gehalten werden, bietet
Telekommunikationsdienstleistungen an.
Mit der Klage wendet sich die Klägerin gegen Kopplungsangebote, mit
denen die Beklagte zu 2 – teilweise gemeinsam mit der Beklagten zu 1, teilweise gemeinsam mit anderen örtlichen Energieversorgern – den Strombezug sowie einen Telefon- und Internetanschluß zu einem einheitlichen monatlichen
Grundpreis angeboten hat. So bewarb die Beklagte zu 2 mit den Stadtwerken
A.
einen Tarif unter der Bezeichnung "combitel" wie folgt:
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Die Klägerin sieht in den Angeboten der Beklagten und der Werbung
hierfür den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung der Beklagten zu 1
und der anderen örtlichen Stromversorger und ein wettbewerbswidriges Verhalten unter dem Gesichtspunkt einer grundgesetzwidrigen "Rückverstaatlichung" des Telefonmarktes, einer kommunalrechtlich unzulässigen erwerbswirtschaftlichen Betätigung an den Beklagten unmittelbar oder mittelbar beteiligter Gebietskörperschaften, eines unlauteren Kopplungsangebots und eines
Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung.
Die Klage, mit der den Beklagten untersagt werden soll, für den Abschluß von Stromlieferungsverträgen und Telefon- und/oder Internetanschlußverträgen zu werben, bei denen der Bezug von Strom und/oder Telefonund/oder Internetdienstleistungen preisvergünstigt angeboten wird, wenn der
Kunde zugleich Stromkunde der Beklagten zu 1 ist und einen Telefonanschlußvertrag mit der Beklagten zu 2 abschließt bzw. einen solchen Vertrag
abschließt und zugleich Stromkunde der Beklagten zu 1, der Stadtwerke A.
oder der L.
-Elektrizitätswerke AG ist, sowie solche Preisvergün-
stigungen tatsächlich zu gewähren, und die sich ferner mit Insbesondere- und
weiteren Hilfsanträgen gegen die konkrete Werbung der Beklagten und der
vorgenannten anderen Energieversorger richtet, ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.
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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge weiter.
Die Beklagten treten dem Rechtsmittel entgegen.
-6-
Entscheidungsgründe:
A.
Die Revision ist insgesamt zulässig.
Der Umstand, daß das Berufungsgericht die Revisionszulassung mit der
grundsätzlichen Bedeutung begründet hat, die der Frage zukomme, ob sich
privatrechtlich organisierte Unternehmen, die sich (teilweise) im Besitz der öffentlichen Hand befinden, auf dem Gebiet der Telekommunikation betätigen
dürften, beschränkt die Nachprüfbarkeit des Berufungsurteils nicht. Denn die
Revisionszulassung kann nicht auf eine bestimmte Rechtsfrage beschränkt
werden (BGHZ 101, 276, 278); eine entsprechende Auslegung der nach dem
Wortlaut des Tenors unbeschränkten Zulassung kommt daher nicht in Betracht.
Da die Begründung des Klageanspruchs mit der geltend gemachten Unzulässigkeit der Betätigung von Unternehmen in staatlichem oder kommunalem Besitz auf dem Gebiet der Telekommunikation auch nur eine der gleichwertigen
rechtlichen Rechtfertigungen des Klageanspruchs darstellt, kann in der Begründung der Zulassungsentscheidung auch nicht die Zulassung der Revision
nur hinsichtlich eines Teils des Streitgegenstands gesehen werden.
B.
In der Sache bleibt die Revision ohne Erfolg. Das Berufungsge-
richt hat die Klage im Ergebnis zutreffend unter allen in Betracht kommenden
rechtlichen Gesichtspunkten als unbegründet angesehen.
I. 1.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch gegen die Beklagte zu
1 aus § 33 i.V.m. § 19 Abs. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB verneint, da die Klägerin nicht
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dargetan habe, daß die Beklagte zu 1 auf dem sachlich relevanten Markt der
Belieferung von Kleinkunden mit Strom über eine marktbeherrschende Stellung
verfüge. Davon könnte nur ausgegangen werden, wenn für den räumlich relevanten Markt nicht auf das gesamte Bundesgebiet, sondern nur auf den regionalen Markt abgestellt werde, auf dem die Beklagte zu 1 tätig sei. Dies sei
nach der Liberalisierung des Strommarktes jedoch nicht mehr zu rechtfertigen.
Unstreitig gebe es mehrere Stromanbieter (ares, Yello, RWE/Avanza, e.on),
die bundesweit tätig seien und mit denen mithin auch Kunden im örtlichen Versorgungsbereich der Beklagten zu 1 Stromlieferverträge abschließen könnten.
Marktabschottende Maßnahmen in Bezug auf das Versorgungsgebiet der Beklagten zu 1 seien nicht dargetan. Die Beklagte zu 1 habe vorgetragen, sie
stelle anderen Stromversorgern ihr Verteilungsnetz für die Durchleitung zu angemessenen (veröffentlichten) Bedingungen zur Verfügung; zahlreiche Stromhändler belieferten Abnehmer in ihrem Netzgebiet. Daß die Beklagte zu 1 entgegen diesem Vortrag die Durchleitung verweigere, behaupte auch die Klägerin nicht. Auch sonst zeige sie keine Umstände auf, die es rechtfertigen könnten, als örtlich relevanten Markt für die Belieferung von Privatkunden auf das
Netzgebiet der Beklagten zu 1 abzustellen. Insbesondere sei es nicht angängig, unter Hinweis auf den hohen Kundenanteil der Beklagten zu 1 von behaupteten 96 % darauf zu schließen, daß ein Wettbewerb mit überregional tätigen Stromanbietern aufgrund der geringen Wechselquote nicht stattfinde.
Unabhängig hiervon könne auch eine sachlich nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten der Klägerin auf dem Telekommunikationsmarkt nicht angenommen werden. In dem Angebot eines gemeinsamen Grundpreises für den Bezug von Strom bei der Beklagten zu 1 und die
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Inanspruchnahme von Telefondienstleistungen der Beklagten zu 2 sei keine
dem Leistungswettbewerb fremde Kopplung von nicht zusammengehörenden
Leistungen zu sehen. Es liege weder eine Zwangskopplung vor, noch werde
eine begehrte mit einer weniger begehrten Leistung gekoppelt, etwa um den
Absatz letzterer zu fördern, da in (fast) jedem Haushalt eine Nachfrage sowohl
nach dem Bezug von Strom als auch nach einem Telefonanschluß vorhanden
sei. Beide Leistungen könnten auch nicht als willkürlich zusammengefaßt angesehen werden. Nach dem erreichten Stand der Technik und den zwischenzeitlich geschaffenen rechtlichen Voraussetzungen bestünden sachliche Berührungspunkte; beide Leistungen wüchsen zukünftig beim Einsatz bestimmter
Leistungstechniken eng zusammen ("Telefon aus der Steckdose"). Es sei auch
nicht dargetan, daß der Preisvorteil des gemeinsamen Grundpreises nicht nach
kaufmännischen Grundsätzen kalkuliert wäre, etwa indem der Preis durch
überteuerte Strompreise "subventioniert" werde. Das Angebot von attraktiven
Preisen gehöre ebenso wie die Weitergabe von Kostenvorteilen aufgrund erreichter Synergieeffekte zum Kernbereich des Leistungswettbewerbs. Derartige
Maßnahmen könnten auch einem marktbeherrschenden Unternehmen, selbst
wenn sie zur Erhaltung bzw. zum Ausbau des Kundenstamms dienten, nicht
ohne weiteres versagt werden. Auch angesichts der Höhe des gewährten
Preisvorteils von monatlich etwa 15 DM, dessen "Anlockwirkung" eher gering
erscheine, sei nicht zu befürchten, daß allein deshalb mit einem massiven Abwandern von Kunden der Klägerin bzw. anderer Telekommunikationsunternehmen gerechnet werden müßte.
2.
Die Revision hält die räumliche Marktabgrenzung des Berufungs-
gerichts für unzutreffend. Entgegen dessen Auffassung liege in dem angegrif-
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fenen Kombinationsangebot der Beklagten zu 1 auch eine sachlich nicht gerechtfertigte Beeinträchtigung der Wettbewerbsmöglichkeiten der Klägerin im
Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB auf dem Telekommunikationsmarkt. Das Berufungsgericht verkenne, daß es bei dem Kopplungsangebot nicht um die
Weitergabe von Kostenvorteilen "aufgrund erreichter Synergieeffekte" gehe.
Solche Synergieeffekte lägen zwischen den beiden Beklagten nicht vor, weil
die Beklagte zu 1 auf dem Strommarkt und die Beklagte zu 2 auf dem Telekommunikationsmarkt tätig sei. Durch das Kopplungsangebot würden die öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge
(Stromversorgung) und ihre hierdurch erlangte Stellung mit der rein privatwirtschaftlichen Tätigkeit eines Beteiligungsunternehmens (Telefondienstleistungen) verquickt. Diese Verquickung bestehe konkret darin, daß die Angebote
der beiden Beklagten mit dem Motiv und der Zielsetzung verknüpft würden, das
überkommene, gerade nicht im Wettbewerb errungene Monopol der Beklagten
zu 1 auf dem Strommarkt auf den Telekommunikationsmarkt zu übertragen,
zumindest aber als – noch – strukturbedingten, wettbewerbsfremden Vorteil vor
anderen Anbietern zu nutzen. Weiterhin setzten die Beklagten die strukturbedingte Abhängigkeit der Stromverbraucher von der Beklagten zu 1 ein, um
mittels eines preisverschleiernden Anlockeffektes neue Abhängigkeiten auf
einem anderen Markt zu schaffen. Denn naturgemäß gehe von dem Angebot
eines kommunalen Unternehmens, das seit jeher als ein Monopolist im Bereich
der Daseinsvorsorge tätig sei, eine "Sogwirkung" auf die Verbraucher aus. Diese gründe sich aber nicht auf Leistung, sondern – mangels bestehender Alternativen in dem Bereich der Daseinsvorsorge – auf die Gewohnheit der Verbraucher, von diesem Unternehmen "versorgt" zu werden. Andererseits gebe
es eine Zwangssituation des Kunden, der nach einem Wechsel zu dem gekop-
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pelten Angebot hieran auch dann festgehalten werde, wenn das Telekommunikationsangebot anderer Unternehmen wie auch der Klägerin dem Telekommunikationsbestandteil des Kopplungsangebotes überlegen sei.
3.
Die Angriffe der Revision haben im Ergebnis keinen Erfolg.
a)
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der
Klägerin ein Unterlassungsanspruch nach § 33 i.V.m. § 19 Abs. 1 GWB zustehen kann, wenn die Beklagte zu 1 auf dem sachlich und räumlich relevanten
Strommarkt marktbeherrschend ist und unter mißbräuchlicher Ausnutzung dieser marktbeherrschenden Stellung die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer
Unternehmen auf dem – von ihr nicht beherrschten – Telekommunikationsmarkt in für den Wettbewerb erheblicher Weise beeinträchtigt.
Denn die Beeinträchtigung muß nicht auf dem beherrschten Markt, sondern kann auch auf einem Drittmarkt eintreten, sofern nur der erforderliche
Kausalzusammenhang zwischen der Marktbeherrschung und dem mißbilligten
Verhalten oder seiner wettbewerbsbeeinträchtigenden Wirkung gegeben ist
(KG WuW/E OLG 3124, 3129; OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 880, 883;
Möschel in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 19 Rdn. 114; Schulz in
Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl., § 19 GWB Rdn. 133). Das entspricht der
weiten Fassung der Generalklausel des § 19 Abs. 1 GWB, mit der mißbräuchliches Verhalten auch auf nicht beherrschten Märkten erfaßt werden sollte (vgl.
Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des GWB,
BT-Drucks. IV/2564, S. 15) und durch die demgemäß auch die Konkurrenten
des Marktbeherrschers auf dem Drittmarkt geschützt werden (Bornkamm in
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Langen/Bunte aaO § 33 GWB Rdn. 23; a.A. aufgrund zu enger Definition des
Schutzzwecks Knöpfle/Leo in Gemeinschaftskommentar, 5. Aufl., § 19 GWB
Rdn. 1645). Ob demgegenüber für die Anwendung des § 20 Abs. 1 GWB daran
festzuhalten ist, daß das behinderte Unternehmen auch auf dem beherrschten
Markt tätig sein muß, wie dies der Senat zu § 26 Abs. 2 GWB a.F. angenommen hat (Urt. v. 23.2.1988 – KZR 17/86, WuW/E 2483 – Sonderungsverfahren), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.
b)
Dagegen hält es der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht
stand, daß das Berufungsgericht eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten zu 1 verneint hat.
Die hierfür entscheidende räumliche Marktabgrenzung bestimmt sich
nach den tatsächlichen räumlichen Ausweichmöglichkeiten der Marktgegenseite (vgl. BGH WuW/E 2483, 2487 f. – Sonderungsverfahren; BGH, Beschl. v.
19.12.1995 – KVR 6/95, WuW/E 3037, 3042 – Raiffeisen), hier der Kleinverbraucher von elektrischer Energie (Haushalts-, Gewerbe- und landwirtschaftliche Kunden mit einem Jahresverbrauch von unter 30.000 KWh und einer
Stromabnahme aus Niederspannungsnetzen). Kleinere räumliche Teilmärkte
sind immer dann zu bilden, wenn die Austauschmöglichkeiten der Nachfrager
aus objektiven Gründen regional begrenzt sind. Hierfür können rechtliche
Schranken ursächlich sein, wie sie im Bereich der leitungsgebundenen Versorgungswirtschaft aufgrund der Bereichsausnahme des § 103 GWB a.F. vom
Kartellverbot und der hierdurch ermöglichten Demarkations- und Konzessionsverträge bestanden haben. Regionale Teilmärkte können jedoch auch aus wirtschaftlichen, technischen oder sonstigen tatsächlichen Gegebenheiten resultie-
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ren, wobei die tatsächlichen Verbrauchergewohnheiten zu berücksichtigen sind
(Ruppelt in Langen/Bunte aaO § 19 GWB Rdn. 27; Bornkamm in Schwarze
(Hrsg.), Europäisches Wettbewerbsrecht im Zeichen der Globalisierung, S.
117, 126).
Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die Kunden im örtlichen Versorgungsbereich der Beklagten zu 1 Stromlieferungsverträge mit einer Mehrzahl bundesweit tätiger Stromanbieter abschließen können. Es hat dem Vorbringen der Parteien keine Anhaltspunkte dafür entnommen, daß es die Beklagte zu 1 etwa durch unangemessene Bedingungen für die Durchleitung unternehme, das Gebiet ihres Verteilungsnetzes gegen solche Anbieter abzuschotten. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe hierbei Vorbringen der Klägerin übergangen, ist nicht begründet. Aus dem von der Revision in
Bezug genommenen Schriftsatz vom 11. Februar 2002 ergibt sich nicht, daß
die Klägerin konkrete Hindernisse vorgetragen hat, die dem Wechsel eines
Stromkunden der Beklagten zu 1 zu einem anderen Anbieter entgegenstehen
oder einen solchen Wechsel erschweren könnten.
Das reicht jedoch nicht aus, um eine regional marktbeherrschende Stellung der Beklagten zu 1 zu verneinen. Das Kriterium der räumlichen Abgrenzung des relevanten Marktes ist ein Hilfskriterium für die Feststellung, ob ein
Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen
Leistungen ohne Wettbewerber ist oder keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist oder im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern eine überragende
Marktstellung hat (§ 19 Abs. 2 GWB). Ziel der Bestimmung des relevanten
Marktes ist damit die Ermittlung der Wettbewerbskräfte, denen sich die betei-
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ligten Unternehmen zu stellen haben (Bekanntmachung der Kommission über
die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der
Gemeinschaft, ABl. EG Nr. C 372 S. 5). Sie ermöglicht es, der Zielsetzung des
§ 19 GWB entsprechend die mißbräuchliche Ausnutzung nicht hinreichend
vom Wettbewerb kontrollierter Handlungsspielräume zu Lasten Dritter zu unterbinden (BGHZ 128, 17, 27, 29 – Gasdurchleitung). Es kann daher nicht unberücksichtigt bleiben, wenn unbeschadet an sich bestehender überregionaler
Austauschmöglichkeiten in einem regionalen Bereich tatsächlich kein nennenswerter Wettbewerb stattfindet, weil die Nachfrager überregionale Angebote nicht oder praktisch nicht wahrnehmen.
Da das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, ist
für die revisionsrechtliche Beurteilung von dem Vorbringen der Klägerin auszugehen, daß der Kundenanteil der Beklagten zu 1 in ihrem angestammten Versorgungsgebiet weiterhin bei 96 % liege. Ein derartiger Marktanteil ist auf dem
im Streitfall sachlich relevanten Strommarkt, der durch die Nachwirkungen der
ehemaligen Monopolstrukturen und die typischerweise fortbestehende Verfügungsmacht eines einzigen Anbieters über das lokale Niederspannungsnetz
gekennzeichnet ist, ein hinreichendes Indiz dafür, daß sich ein Wettbewerb auf
dem betreffenden Orts- oder Regionalmarkt noch kaum entfaltet hat.
Denn eine Änderung der durch regional begrenzte Märkte bestimmten
Marktverhältnisse tritt nicht notwendigerweise bereits mit der Änderung der
rechtlichen Rahmenbedingungen ein, die bislang die regionale Begrenzung der
Märkte ermöglicht haben. Maßgeblich ist vielmehr die Entwicklung der tatsächlichen Marktverhältnisse (BGHZ 136, 268, 277 – Stromversorgung Aggertal).
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Sie gibt auch Aufschluß über die Wirkkraft der rechtlichen Rahmenbedingungen (Busche in Festschrift für Jürgen F. Baur, 2002, S. 99, 110). Insoweit kann
nicht unberücksichtigt bleiben, daß auch dort, wo konkrete Wettbewerbshindernisse insbesondere in Gestalt unangemessen hoher Netznutzungsentgelte
nicht bestehen mögen, die tatsächliche Bereitschaft der privaten Verbraucher,
sich mit den Angeboten überregionaler Anbieter auseinanderzusetzen, gering
ausgeprägt ist (vgl. nur Bericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit an den Deutschen Bundestag über die energiewirtschaftlichen und wettbewerblichen Wirkungen der Verbändevereinbarungen [Monitoring-Bericht]
vom 31.8.2003, S. 27 ff.). Hierfür wirkt eine Mehrzahl von Gründen zusammen.
Zum einen führen Homogenität des Gutes, stagnierende Nachfrage, eingeschränkte Möglichkeiten der Produktinnovation, transparente Erzeugungskosten und Verkaufspreise und Zusammenarbeit beim Netz- und Kraftwerksbetrieb zu tendenziell eher geringen Preisunterschieden. Zum anderen treffen
diese auf eine offenbar ohnehin gering ausgeprägte Verbraucherbereitschaft
zum Wechsel des Anbieters. Die typischerweise jahrzehntelangen Gebietsmonopoltraditionen wirken ersichtlich stark nach, was damit zusammenhängen
mag, daß der Verbraucher bei der Stromversorgung und der Energieversorgung überhaupt wegen ihrer elementaren Bedeutung für die Sicherung der Lebensgrundlagen dazu neigt, am Vertrauten und Bewährten festzuhalten. Im
Bewußtsein der privaten Endverbraucher ist die Stromversorgung vielfach noch
immer wie selbstverständlich mit dem örtlichen Netzbetreiber verbunden. Das
entspricht auch insofern den tatsächlichen Gegebenheiten, als die Alternative
der "Durchleitung" der Energie eines anderen Anbieters tatsächlich nur eine
rechtliche Fiktion darstellt, die an der faktischen Versorgung durch den Betreiber des lokalen oder regionalen Netzes nichts ändert. Es kommt hinzu, daß der
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Verbraucher aufgrund der bestehenden Vertragssituation typischerweise keine
Entscheidung darüber treffen muß, ob er das Vertragsverhältnis mit seinem
bisherigen Stromversorger fortsetzen oder zu einem anderen wechseln will.
Sofern er nicht, etwa wegen eines Umzugs, ein neues Vertragsverhältnis begründen muß, kann er den Dingen ihren Lauf und es bei der seit jeher bestehenden Versorgung durch den örtlichen Anbieter bewenden lassen.
Diese tatsächlichen Marktgegebenheiten können bei der räumlichen
Marktabgrenzung nicht außer Acht gelassen werden; sie rechtfertigen es, bei
der Stromversorgung von Kleinkunden weiterhin von einem regionalen
Teilmarkt auszugehen, solange – wie im Streitfall mit mehr als 90 % – der weit
überwiegende Teil der abgenommenen Energiemenge von dem Netzbetreiber
geliefert wird.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Änderung des § 6 Abs. 1
EnWG durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Neuregelung
des Energiewirtschaftsrechts vom 20. Mai 2003 (BGBl. I S. 686). Die Beklagten
haben in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, die Annahme
einer marktbeherrschenden Stellung der örtlichen Netzbetreiber sei mit § 6
Abs. 1 Sätze 4 und 5 EnWG unvereinbar, da das Gesetz in diesen Vorschriften
davon ausgehe, daß ein wirksamer Wettbewerb bereits gewährleistet sei. Das
trifft jedoch nicht zu. Nach § 6 Abs. 1 Satz 5 EnWG spricht zwar bei Einhaltung
der Verbändevereinbarung über Kriterien zur Bestimmung von Netznutzungsentgelten für elektrische Energie und über Prinzipien der Netznutzung vom 13.
Dezember 2001 (BAnz. Nr. 85b v. 8.5.2002) bis zum 31. Dezember 2003
grundsätzlich eine Vermutung für die Erfüllung der Bedingungen guter fachli-
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cher Praxis im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG. Die Bedingungen guter
fachlicher Praxis dienen indes, wie § 6 Abs. 1 Satz 4 EnWG ausdrücklich bestimmt, der Erreichung der Ziele des § 1 EnWG und der Gewährleistung wirksamen Wettbewerbs. Das Gesetz umschreibt damit keinen Ist-Zustand, sondern formuliert eine Zielsetzung. Da der Mißbrauch einer marktbeherrschenden
Stellung einem wirksamen Wettbewerb, wie ihn das Energiewirtschaftsgesetz
gewährleisten will, offensichtlich entgegensteht, bestimmt § 6 Abs. 1 Satz 6
EnWG konsequenterweise, daß § 19 Abs. 4 und § 20 Abs. 1 und 2 GWB unberührt bleiben. Für Tatbestandsvoraussetzungen und Anwendungsbereich dieser Vorschriften ist daher die Neufassung des § 6 Abs. 1 EnWG ohne Bedeutung.
c)
Das Berufungsgericht hat indessen zutreffend angenommen, daß
das beanstandete Kopplungsangebot keinen Mißbrauch der marktbeherrschenden Stellung der Beklagten zu 1 darstellt, insbesondere nicht die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen in einer für den Wettbewerb auf
dem Telekommunikationsmarkt erheblichen Weise ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt (§ 19 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Nr. 1 GWB).
Dabei kann dahinstehen, ob die von der Revision angegriffene Erwägung des Berufungsgerichts, die Weitergabe von Kostenvorteilen aufgrund von
Synergieeffekten gehöre zum Kernbereich des Leistungswettbewerbs, im
Streitfall zu Recht herangezogen worden ist. Denn unabhängig hiervon hat das
Berufungsgericht das angegriffene Kopplungsangebot als sachlich gerechtfertigt angesehen, indem es rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet
- 17 -
sowohl eine Zwangskopplung als auch die Kopplung einer begehrten mit einer
weniger begehrten Leistung verneint hat.
Die Rüge der Revision, es handele sich um einen leistungsfremden Eingriff in das Marktgeschehen, bei dem Aufgaben der Daseinsvorsorge mit rein
privatwirtschaftlicher Tätigkeit verquickt und die strukturbedingte Abhängigkeit
der Stromverbraucher von der Beklagten zu 1 ausgenutzt werde, ist nicht begründet. Die hierbei zugrundegelegte Charakterisierung einerseits der Stromversorgung als Daseinsvorsorge und andererseits von Telefondienstleistungen
als privatwirtschaftliche Tätigkeit ist unzutreffend. Die Beklagten handeln als
private Anbieter, gleichviel ob sie die Versorgung mit elektrischer Energie oder
die Erbringung von Telefondienstleistungen anbieten. Wenn sie im Rahmen
der Zusammenarbeit mit der Beklagten zu 2 Stromkunden für den Bezug von
Telekommunikationsdienstleistungen gewinnen will, stehen der Beklagten zu 1
daher keine dem Leistungswettbewerb fremden Mittel zur Verfügung, die sich
daraus ergäben, daß sie als Stromversorger Verantwortung für die Daseinsvorsorge träfe. Aus dem Umstand, daß die Kunden der Beklagten zu 1 nur in geringem Umfang von der Möglichkeit Gebrauch machen, zu einem anderen
Stromanbieter zu wechseln, kann nicht geschlossen werden, die betreffenden
Kunden könnten sich deswegen veranlaßt oder gar gedrängt fühlen, auch Telekommunikationsdienstleistungen von der Beklagten zu 1 bzw. einem mit ihr
zusammenarbeitenden Unternehmen zu beziehen. Entsprechende Feststellungen hat das Berufungsgericht jedenfalls nicht getroffen. Sie liegen nach der
Lebenserfahrung auch fern, weshalb die (nur) hierauf gestützten Rügen der
Revision ohne Erfolg bleiben müssen. Die Nutzung des Kopplungsangebots
der Beklagten setzt voraus, daß der Stromkunde die Entscheidung trifft, zum
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einen wenn nicht den Stromanbieter, so doch den Stromtarif und zum anderen
den Telefondienstanbieter zu wechseln. Sie verlangt insofern, daß sich der
Verbraucher gerade von der vermeintlich selbstverständlichen überkommenen
Vorstellung löst, daß er den Strom zu einem von ihm nicht beeinflußbaren Preis
von seinem örtlichen Versorger und Telefondienstleistungen zu gleichfalls nicht
beeinflußbaren Preisen von der Klägerin bezieht.
Aus den gleichen Gründen ist es auch nicht zu beanstanden, daß das
Berufungsgericht nichts für eine "Sogwirkung" festgestellt hat, die örtliche Verbraucher dazu veranlassen könnte, Telekommunikationsdienstleistungen von
der Beklagten zu 1 zu beziehen, weil sie, wie die Revision meint, es gewohnt
wären, von diesem Unternehmen "versorgt" zu werden.
Da sich, wie nachfolgend ausgeführt, das angegriffene Kopplungsangebot auch nicht als unlauterer Wettbewerb darstellt, genügt zu seiner Rechtfertigung, daß die Beklagte zu 1 ihren Kunden damit ein preislich attraktives Angebot für den Fall unterbreiten will, daß sie auf dieser Grundlage sowohl Strom
als auch Telekommunikationsdienstleistungen beziehen. Das ist auch dem
Marktbeherrscher nicht verwehrt. Jedem Unternehmen, auch einem marktbeherrschenden, steht ein unternehmerischer Freiraum zu; es ist grundsätzlich
ihm selbst überlassen, die Art seiner wirtschaftlichen Betätigung zu bestimmen
und zu entscheiden, mit welchen Waren oder Leistungen es am Markt teilnehmen will, sofern es sich hierbei nicht solcher Mittel bedient, die der auf die
Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen zuwiderlaufen (BGHZ 107, 273, 279 – Staatslotterie;
128, 17, 36 – Gasdurchleitung; 129, 53, 64 – Importarzneimittel).
- 19 -
Der Einsatz solcher Mittel setzt zwar in dem hier vorliegenden Fall der
Erstreckung der wirtschaftlichen Betätigung eines marktbeherrschenden Unternehmens auf einen Drittmarkt nicht notwendigerweise voraus, daß das wettbewerbliche Verhalten des marktbeherrschenden Unternehmens als solches zu
beanstanden ist. Vielmehr kann sich der Widerspruch zu der auf die Freiheit
des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des Gesetzes gegebenenfalls auch
aus den Auswirkungen des wettbewerblichen Handelns des Marktbeherrschers
ergeben, wenn nämlich hierdurch auf dem Drittmarkt Marktzutrittsschranken für
Wettbewerber errichtet werden. Hierfür ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts jedoch nichts.
Das Berufungsgericht hat daher zu Recht angenommen, daß die Wettbewerbsmöglichkeiten anderer Unternehmen nicht ohne sachlich gerechtfertigten Grund in einer für den Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt
erheblichen Weise beeinträchtigt werden.
4.
Soweit sich die Klage gegen Kopplungsangebote richtet, die die
Beklagte zu 2 gemeinsam mit anderen Energieversorgern macht, ergeben sich
aus den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Anhaltspunkte für eine
abweichende Beurteilung; die Revision macht hierfür auch nichts geltend.
II.
Das Berufungsgericht hat zutreffend auch einen Unterlassungs-
anspruch der Klägerin nach § 1 UWG verneint.
- 20 -
1.
Ein solcher Anspruch ergibt sich entgegen der Meinung der Klä-
gerin nicht aus einer nach Art. 92, 87 BayGO unzulässigen erwerbswirtschaftlichen Betätigung der an den Beklagten beteiligten Körperschaften. Denn nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Anspruch aus § 1 UWG
nicht immer schon dann gegeben, wenn ein Wettbewerber Vorschriften verletzt, bei deren Einhaltung er aus dem Markt ausscheiden müßte. Auch bei der
Verletzung von Vorschriften über den Marktzutritt muß anhand einer am
Schutzzweck des § 1 UWG auszurichtenden Würdigung des Gesamtcharakters
des Verhaltens geprüft werden, ob dieses durch den Gesetzesverstoß das Gepräge eines wettbewerbsrechtlich unlauteren Verhaltens erhält. Der Gesetzesverstoß genügt dazu allein nicht, wenn die verletzte Norm nicht zumindest eine
sekundäre wettbewerbsbezogene, d.h. entsprechend dem Normzweck des § 1
UWG eine auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion hat
(BGHZ 150, 343, 348 – Elektroarbeiten; BGH, Urt. v. 26.9.2002 – I ZR 293/99,
WRP 2003, 262, 264 – Altautoverwertung). Eine solche Schutzfunktion kommt,
wie die Revision auch nicht mehr in Zweifel zieht, der Vorschrift des Art. 87
BayGO nicht zu (BGHZ 150, 343, 348 ff. – Elektroarbeiten).
2.
Entsprechendes gilt für eine Zuwiderhandlung gegen ein "Rück-
verstaatlichungsverbot", das die Klägerin Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG entnehmen
will. Selbst wenn davon auszugehen wäre, daß die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen durch diese Vorschrift des Grundgesetzes materiell privatisiert und der Aufgabenwahrnehmung durch solche Unternehmen entzogen werden sollte, die ausschließlich oder mehrheitlich in staatlicher oder
kommunaler Hand sind (so Elftes Hauptgutachten der Monopolkommission,
BT-Drucks. 13/5309, Tz. 60; Bullinger/Mestmäcker, Multimedia-Dienste, S. 82
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f.; Müller, DVBl. 1998, 1256, 1258 ff.; Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, 12. Aufl., S. 273; wohl auch Stern/Bauer in Stern, Postrecht der
Bundesrepublik Deutschland, Art. 87f GG Rdn. 15; einschränkend Windthorst
in Sachs, GG, 3. Aufl., Art. 87f Rdn. 28a ["soweit privatwirtschaftliche Entscheidungsautonomie (nicht) gewährleistet ist"]; ablehnend OLG Düsseldorf GRURRR 2002, 285, 287 f.; Badura in Bonner Kommentar, Bearb. 1997, Art. 87f GG
Rdn. 22; Ebsen, DVBl. 1997, 1039, 1042; Ehlers, DVBl. 1998, 497, 502; Gersdorf in v. Mangold/Klein/Starck, GG, 4. Aufl., Art. 87f Abs. 2 Rdn. 74 f.; Lerche
in Maunz/Dürig, GG, Bearb. 1996, Art. 87f Rdn. 58; Pünder, DVBl. 1997, 1353
f.; Trute, VVDStRL 57, 216, 226 f.), könnte ein Verstoß gegen eine derartige
gesetzliche Schranke mangels einer auf die Lauterkeit des Wettbewerbs bezogenen Schutzfunktion aus denselben Gründen keine wettbewerbsrechtlichen
Ansprüche von Wettbewerbern begründen wie ein Verstoß gegen Art. 87
BayGO (vgl. zur fehlenden wettbewerbsrechtlichen Bedeutung einer materiellen Privatisierung des Abfallrechts BGH WRP 2003, 262, 264 – Altautoverwertung). Um so mehr hätte dies zu gelten, wenn sich die Bedenken gegen die
Tätigkeit kommunaler Unternehmen auf dem Telekommunikationssektor gar
nicht aus einem verfassungsrechtlichen Gebot zur materiellen Privatisierung
ergeben sollten. So begründet Gersdorf (aaO Art. 87f Abs. 2 Rdn. 81 f.; AfP
1998, 470, 471 ff.), auf dessen Ausführungen sich die Klägerin in den Tatsacheninstanzen bezogen hat, im Hinblick darauf, daß Art. 87f GG den Bund
nicht verpflichtet, seine Beteiligung an den Nachfolgeunternehmen des Sondervermögens Deutsche Bundespost aufzugeben, seine verfassungsrechtlichen Bedenken statt mit einem Gebot zur materiellen Privatisierung damit, daß
die Beachtung des Prinzips demokratischer Legitimation (Art. 20 Abs. 2 Satz 1,
Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) es verbiete, staatliche oder kommunale Eigen- und
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Beteiligungsgesellschaften mit der von Art. 87f Abs. 2 Satz 1 GG geforderten
Unternehmensautonomie auszustatten. Eine etwaige Verletzung dieses Prinzips wäre jedoch erst recht ohne wettbewerbsrechtliche Bedeutung.
3.
Soweit die Revision dem auch im vorliegenden Zusammenhang
entgegenhalten will, sie wende sich lediglich gegen die unlautere Verquickung
der Sonderstellung der Beklagten zu 1 als eines (kommunalen) Unternehmens
der Daseinsvorsorge mit der rein privatwirtschaftlichen Tätigkeit ihres Beteiligungsunternehmens, bei der die Beklagte zu 1 die besondere Vertrauensstellung ausnutze, die sie als Unternehmen der Daseinsvorsorge auf dem Gebiet
der Stromversorgung über Jahrzehnte hinweg erlangt habe, findet dies, wie
bereits ausgeführt, in den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vorbringen der Klägerin in den Tatsacheninstanzen keine Grundlage.
4.
Auf den rechtlichen Gesichtspunkt eines Verstoßes der Beklagten
zu 1 gegen § 6 Abs. 1 Nr. 2 TKG, nach dem einer Lizenz bedarf, wer Sprachtelefondienst auf der Basis selbst betriebener Telekommunikationsnetze anbietet, kommt die Revision zu Recht nicht zurück. Das Berufungsgericht hat
diese Klagebegründung zutreffend mit dem Hinweis zurückgewiesen, daß die
Beklagte zu 1 kein Telekommunikationsnetz betreibe (ebenso OLG Düsseldorf
GRUR-RR 2002, 285, 287).
5.
Das Angebot der Beklagten ist auch nicht deshalb zu beanstan-
den, weil die Kopplung von Stromversorgung und Telekommunikationsdienstleistungen als solche wettbewerbswidrig wäre.
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a)
Die Anforderungen, die das Wettbewerbsrecht an die Zulässigkeit
von Kopplungsangeboten stellt, müssen sich nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs an den Gefahren orientieren, die von derartigen Geschäften für die Verbraucher ausgehen, vornehmlich an der Gefahr, daß diese über
den tatsächlichen Wert eines Angebots getäuscht oder doch unzureichend informiert werden (BGHZ 151, 84, 89 – Kopplungsangebot I; BGH, Urt. v.
13.6.2002 – I ZR 71/01, GRUR 2002, 979, 981 – Kopplungsangebot II). Kopplungsangebote erschweren, sofern sie wie typisch keine Einzelpreise ausweisen, den Preisvergleich durch den Verbraucher und enthalten darüberhinaus
ein gewisses Irreführungs- und Preisverschleierungspotential. Außerdem kann
von Kopplungsangeboten – insbesondere, wenn ein Teil der Leistung "unentgeltlich" sein soll, oder bei an ein Absatzgeschäft gekoppelten Gewinnspielen –
in Einzelfällen eine so starke Anlockwirkung ausgehen, daß auch bei einem
verständigen Verbraucher die Rationalität der Nachfrageentscheidung in den
Hintergrund tritt (BGH aaO).
b)
Auch wenn deshalb im Interesse des Verbrauchers eine Transpa-
renz des Angebots zu fordern ist (BGH aaO), so läßt sich hieraus doch nicht
ableiten, daß die Angabe eines gemeinsamen Grundpreises für zwei oder mehrere unterschiedliche Leistungen, wie sie hier bei einem monatlichen Grundpreis für Strom, Telefon und Internet in Rede steht, als solche zu beanstanden
wäre. Sie erschwert zwar den Preisvergleich, weil der Verbraucher, wenn er
das Kopplungsangebot mit den Einzelpreisen desselben oder anderer Anbieter
vergleichen will, diese Einzelpreise ermitteln und addieren muß, um zu erkennen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Kopplungsangebot mit
einem Preisvorteil verbunden ist. Ebensowenig wie der Generalklausel des § 1
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UWG oder dem Irreführungsverbot eine Verpflichtung entnommen werden
kann, stets den Wert einer Zugabe anzugeben (BGH aaO), kann jedoch verlangt werden, daß für in einem gemeinsamen Grundpreis zusammengefaßte
Leistungen Einzelpreise angegeben werden, die der Anbieter tatsächlich nicht
fordert, eben weil er die Leistungen zu dem gemeinsamen Grundpreis nur gemeinsam abgibt. Insofern hindert das Transparenzgebot grundsätzlich weder
die Kopplung selbst noch die Angabe (lediglich) eines einheitlichen Preises.
Vielmehr ist es Sache des Verbrauchers, Preisvergleiche anzustellen und sich
Gedanken über die Preiswürdigkeit eines Angebots zu machen, denn zumindest anhand des maßgebenden Gesamtpreises sind Preisvergleiche immer
möglich (BGH, Urt. v. 27.2.2003 – I ZR 253/00, GRUR 2003, 538, 539 – Gesamtpreisangebot). Im Streitfall ist die gewisse Mühe, die ein Preisvergleich
zwischen dem von den Beklagten angebotenen gemeinsamen Grundpreis und
den von den Beklagten und anderen Anbietern verlangten Einzelgrundpreisen
sowie den jeweiligen nutzungsabhängigen Entgelten bereitet, um so eher hinzunehmen, als die Entscheidung über einen Wechsel des Strom- und des Telekommunikationsdienstleisters regelmäßig nicht ohne nähere Prüfung der Angebote erfolgen wird.
6.
Schließlich hat das Berufungsgericht auch zutreffend einen Ver-
stoß gegen die Preisangabenverordnung verneint.
Wer Letztverbrauchern gewerbsmäßig Elektrizität, Gas, Fernwärme oder
Wasser leitungsgebunden anbietet oder als Anbieter dieser Waren gegenüber
Letztverbrauchern unter Angabe von Preisen wirbt, hat nach § 3 PAngV den
verbrauchsabhängigen Preis je Mengeneinheit einschließlich der Umsatzsteuer
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und aller spezifischen Verbrauchssteuern (Arbeits- oder Mengenpreis) im Angebot oder in der Werbung anzugeben. Wer neben dem Arbeits- oder Mengenpreis einen nicht verbrauchsabhängigen Preis fordert, hat diesen nach § 3
Satz 4 i.V.m. Satz 3 PAngV vollständig in unmittelbarer Nähe des Arbeits- oder
Mengenpreises anzugeben. Dem ist mit der Angabe des gemeinsamen Grundpreises für Strom, Telefon und Internet genügt. § 3 PAngV enthält keine Vorschriften darüber, wie der nicht verbrauchsabhängige Preis zu berechnen ist
oder für welche nicht verbrauchsabhängigen Leistungen er verlangt werden
darf, sondern verlangt nur die Angabe des tatsächlich geforderten Preises. Für
den von der Revision für geboten erachteten Ausweis eines kalkulatorischen,
aber tatsächlich nicht verlangten gesonderten Grundpreises für Strom bietet
die Vorschrift daher keine Grundlage.
Hirsch
Goette
Raum
Bornkamm
Meier-Beck