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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
KZR 11/01
Verkündet am:
12. November 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
Ausrüstungsgegenstände für Feuerlöschzüge
GWB §§ 1, 4 Abs. 2
a)
Beschaffen sich Gemeinden Waren
über eine von einem kommunalen Spitzenverband gegründete Gesellschaft,
die gemeinsame Ausschreibungen durchführt und so die Nachfrage der Gemeinden bündelt, dann liegt darin ein unter das Kartellverbot nach § 1 GWB
fallendes Verhalten.
-2-
b) Auch kleine und mittlere Gemeinden können Einkaufsgemeinschaften im
Sinne des § 4 Abs. 2 GWB bilden.
BGH, Urteil vom 12. November 2002 - KZR 11/01 - OLG Celle
LG Hannover
-3-
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. November 2002 durch den
Präsidenten
des
Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Hirsch
und
die
Richter
Prof. Dr. Goette, Ball, Prof. Dr. Bornkamm und Dr. Raum
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Kartellsenats bei dem Oberlandesgericht Celle vom 31. Mai 2001 wird auf Kosten der Klägerinnen zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerinnen sind Handelsunternehmen, die in unterschiedlichem
Umfang niedersächsische Kommunen mit Ausrüstungsgegenständen für Feuerlöschzüge beliefern. Die 1995 gegründete Beklagte ist eine 100%ige Tochter
des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes e.V., in dem 80 % der
niedersächsischen Kommunen organisiert sind. Die Beklagte wurde errichtet,
um den Einkauf der Kommunen zu koordinieren. In den Jahren 1995 und 1996
informierte der Niedersächsische Städte- und Gemeindebund e.V. seine Mitgliedsgemeinden, daß der Einkauf von Feuerwehrfahrzeugen und dazu gehörigen Ausrüstungsgegenständen über die Beklagte im Wege einer Sammelbestellung erfolgen solle. Er bezog sich dabei auf eine Initiative, die er gemeinsam
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mit dem Niedersächsischen Innenministerium ergriffen hatte, um künftig Feuerwehrbedarf durch Sammelbestellungen zu befriedigen. Im November 1996 forderte der kommunale Spitzenverband seine Mitgliedsgemeinden auf, entsprechende Bedarfsmeldungen an die Beklagte zu richten und die Beschaffung von
Preßluftatmern und Tragkraftspritzen über diese zu veranlassen. Nachdem im
Oktober 1996 bereits eine erste Ausschreibung stattgefunden hatte, schrieb die
Beklagte am 16. Juli 1997 insgesamt 27 Tragkraftspritzen und 241 Preßluftatmer europaweit aus. Auf diese Ausschreibung hin gaben unter anderem auch
Hersteller dieser Produkte direkt an die Beklagte Angebote ab.
Die Klägerinnen wenden sich gegen diese Ausschreibungspraxis der Beklagten. Sie begehren mit ihrer Klage die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung von Nachfragebündelungen und gemeinsamen Ausschreibungen. Nach
ihrer Auffassung begründet die Bündelung von Nachfragemacht ein verbotenes
Kartell im Sinne des § 1 GWB; die Freistellungsklausel nach § 4 Abs. 2 GWB
sei auf Kommunen nicht anwendbar, weil diese nicht miteinander im Wettbewerb stünden und mithin ihre Wettbewerbssituation auch nicht verbessert werden könne.
Die Klägerinnen hatten vor dem Landgericht Erfolg. Auf die Berufung der
Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen (OLG Celle
NJW-RR 2002, 476). Mit ihrer Revision erstreben die Klägerinnen die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerinnen bleibt ohne Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch gemäß § 33
i.V. mit § 1 GWB verneint. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Es könne dahinstehen, ob die durch die Beklagte vorgenommene Zusammenführung der Nachfrage der einzelnen Kommunen überhaupt dem Kartellverbot nach § 1 GWB unterfalle. Ebenso könne offenbleiben, inwieweit diese
Nachfragebündelung die Spürbarkeitsschwelle nach § 1 GWB überschreite.
Das Verhalten der Beklagten erfülle jedenfalls den Privilegierungstatbestand
des § 4 Abs. 2 GWB. Diese Regelung sei auf das Beschaffungsverhalten der
öffentlichen Hand anwendbar. Für kleinere und mittlere Gemeinden gelte insofern gleichermaßen der Grundgedanke, strukturelle Nachteile, die auf der geringen Größe der Kommunen beruhten, durch die Bildung von Einkaufskooperationen auszugleichen. Bei der hier gewählten Form der Beschaffung werde für
die einzelne Gemeinde auch kein über den Einzelfall hinausgehender Bezugszwang begründet.
Der Ausschlußtatbestand des § 4 Abs. 2 i.V. mit Abs. 1 Nr. 1 GWB liege
nicht vor, weil der Wettbewerb auf dem Markt nicht wesentlich beeinträchtigt
werde. Bei der Bestimmung des relevanten Marktes sei dabei sowohl auf die
Anbieterseite als auch auf die Nachfragerseite abzustellen. Der räumlich relevante Markt erstrecke sich auf das Gebiet der gesamten Bundesrepublik; dies
belege auch die Marktstruktur, die durch mehrere überregional tätige Händler
geprägt sei. Das Nachfragepotential des gesamten Bedarfs für Freiwillige Feuerwehren in Niedersachsen betrage bei Tragkraftspritzen etwa 13 % und bei
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Preßluftatmern etwa 10 %. Selbst wenn es der Beklagten gelänge, 75 % dieses
Nachfragepotentials zu bündeln, ergäbe sich damit ein Nachfragepotential der
Beklagten, das insgesamt unter 10 % läge. Damit könne aber von einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs nicht ausgegangen werden. Selbst soweit sich
gelegentlich größere Kommunen an einer gemeinsamen Beschaffung durch die
Beklagte beteiligten, lasse dies den Erlaubnistatbestand nicht entfallen, weil
auch dann der Zweck der Beseitigung von Nachteilen für kleine und mittlere
Unternehmen gewahrt bleibe.
II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Überprüfung stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß eine Wettbewerbsbeschränkung im Horizontalverhältnis vorliegt, weil die Beklagte das
Nachfrageverhalten der Kommunen bündelt.
a) Die Beklagte koordiniert das Nachfrageverhalten der sie beauftragenden Kommunen, die im Hinblick auf die Ausrüstungsgegenstände miteinander
im Nachfragewettbewerb stehen. Sie übt diese Koordinierungstätigkeit als
100%ige Tochter des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes e.V.
aus. Dieser Spitzenverband hat die Beklagte gegründet, um durch sie das
Nachfrageverhalten der Kommunen zu bündeln. Insoweit hat er die Steuerung
des Nachfrageverhaltens der Gemeinden auf die Beklagte verlagert. Die Beklagte nimmt in erheblichem Umfang die Nachfrage für die Gemeinden wahr.
Die Funktion der Beklagten besteht darin, den Bedarf hinsichtlich der einzelnen
Feuerwehrausrüstungsgegenstände zusammenzuführen und dadurch günstigere Preise und Bedingungen im Einkauf zu erzielen. Die Beklagte bewirkt hierdurch aber zugleich eine Abstimmung der Gemeinden im Nachfrageverhalten.
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Da die Gemeinden als Nachfrager jeweils auf derselben Ebene stehen, liegt
eine Wettbewerbsbeschränkung im Horizontalverhältnis vor. Ein solches Verhalten unterfällt dem Kartellverbot des § 1 GWB (vgl. BGH, Beschl. v. 9.3.1999
- KVR 20/97, WuW/E DE-R 289, 294 - Lottospielgemeinschaft).
b) Die Beklagte tritt dabei nicht als selbständiger Zwischenhändler auf.
Sie nimmt nur die Funktion eines Vermittlers der von dem Spitzenverband bezweckten Nachfragekoordination wahr. Die Beklagte trägt kein eigenes Risiko,
weil die Gemeinden, die sie hinsichtlich einer jeweils konkreten Beschaffungsmaßnahme beauftragen, dann zur Abnahme der Ware und zur Zahlung eines
Fixums in Höhe von 3 % des Einkaufspreises verpflichtet sind. Da die Beklagte
ihrer Zweckbestimmung nach für den kommunalen Spitzenverband das Nachfrageverhalten der einzelnen Gemeinden abstimmt, hat das Berufungsgericht
zu Recht in den jeweiligen Einzelaufträgen der Kommunen auch keine Vertikalvereinbarungen im Sinne der §§ 14 ff. GWB gesehen. Eine Wettbewerbsbeschränkung liegt nämlich nicht im Verhältnis der einzelnen Gemeinden zur Beklagten, sondern in den Beziehungen zwischen den Gemeinden, die ihr Wettbewerbsverhältnis als Nachfrager untereinander faktisch dadurch aufheben,
daß sie jeweils die Beklagte beauftragen.
c) Zwar haben die Gemeinden selbst als Nachfrager keine entsprechende Absprache oder Abstimmung vorgenommen. Eine Koordination ihres Nachfrageverhaltens kann aber auch über sogenannte "Sternverträge" erfolgen (vgl.
Zimmer in Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 1 Rdn. 186). In diesen Fällen wird die Verhaltensabstimmung über die Vielzahl gleichartiger Beauftragungen eines Dritten bewirkt (vgl. BGH, Beschl. v. 19.6.1975 - KVR 2/74, WuW/E
1367, 1369 - Zementverkaufsstelle Niedersachsen). Entscheidend ist insoweit,
daß die jeweiligen Gemeinden über die Beklagte eine Nachfragebündelung be-
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absichtigt und erreicht haben. Dabei geht die Tätigkeit der Beklagten über die
bloße Vermittlung jeweils zugunsten der einzelnen Gemeinde hinaus. Sie liegt
in der Zusammenführung mehrerer gleichgerichteter Beschaffungsvorhaben
verschiedener Gemeinden, um so in einer Hand ein größeres Marktnachfragepotential zu erreichen. Insoweit vermittelt die Beklagte die Abstimmung der sich
an dem Beschaffungsvorgang beteiligenden Gemeinden, die dann ihrerseits
- jedenfalls hinsichtlich des konkreten Nachfragevorgangs - als eigene Nachfrager am Markt ausscheiden. Unter dem Gesichtspunkt des § 1 GWB ist es dabei
unschädlich, daß die Verhaltensabstimmung über einen Dritten bewirkt wird
(Zimmer in Immenga/Mestmäcker aaO § 1 Rdn. 111). Die Beauftragung der
Beklagten dient nämlich dazu, die (für sich betrachtet) jeweils geringere Nachfragemacht der Gemeinden zu bündeln und hierdurch niedrigere Preise und
günstigere Einkaufskonditionen für die beteiligten Gemeinden zu erzielen.
d) Die Gemeinden stehen als Nachfrager untereinander im Wettbewerb.
Als Träger hoheitlicher Gewalt unterfallen sie nach dem funktionellen Unternehmensbegriff dann dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, wenn
sie sich wirtschaftlich betätigen (§ 130 Abs. 1 GWB). Die wirtschaftliche Betätigung liegt hier in der Nachfrage der Gemeinden, die sich auf dem Markt mit
Ausrüstungsgegenständen für Feuerlöschzüge eindecken. Dabei spielt es weder eine Rolle, ob sich die Nachfrage auf Gegenstände richtet, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der hoheitlichen Tätigkeit stehen, noch ob die Gemeinde im Hinblick auf den nachgefragten Gegenstand Endverbraucher ist.
Greift ein Hoheitsträger im Zusammenhang mit der Erfüllung seiner Aufgaben
zu den von der Privatrechtsordnung bereitgestellten Mitteln, unterliegt er in diesem Bereich den gleichen Beschränkungen wie jeder andere Teilnehmer und
hat dabei insbesondere die durch das Wettbewerbsrecht gezogenen Grenzen
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einer solchen Tätigkeit zu beachten (BGHZ 107, 40, 43 ff. - Krankentransportbestellung; BGH WuW/E DE-R 289, 293 - Lottospielgemeinschaft).
e) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch unberücksichtigt gelassen,
daß eine entsprechende Nachfragebündelung geeignet ist, dem Sparsamkeitsgebot in besonderem Maße Rechnung zu tragen. Dieser Grundsatz, der den
Trägern hoheitlicher Gewalt die Pflicht zu einer sparsamen und wirtschaftlichen
Haushaltsführung überbürdet (§ 6 Abs. 1 HGrG; § 82 Abs. 2 NGO), vermag das
Kartellverbot nach § 1 GWB nicht einzuschränken oder zu modifizieren. Insoweit findet eine Rechtsgüterabwägung nicht statt (vgl. Bunte, WuW 1998, 1037,
1042 f.; derselbe in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, 9. Aufl., § 1 GWB Rdn. 214). Eine Berücksichtigung des
Sparsamkeitsgebotes liefe im Ergebnis darauf hinaus, daß die sich am Wettbewerb beteiligenden Träger hoheitlicher Gewalt letztlich zu Lasten anderer
Marktteilnehmer Vorteile erlangen könnten (vgl. zu einer ähnlichen Problemlage
bei der Berücksichtigung sportpolitischer Ziele BGHZ 137, 297, 311 f. - Europapokalheimspiele). Die jeweilige Kommune hat vielmehr ihre Verpflichtung zur
Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit innerhalb der allgemein geltenden kartellund wettbewerbsrechtlichen Regelungen zu erfüllen (vgl. zu dem ebenfalls als
Rechtfertigung eines Kartells angeführten Abwehreinwand BGH, Beschl. v.
13.1.1998 - KVR 40/96, WuW/E DE-R 115, 121 - Carpartner). In diesem Sinne
ist das Sparsamkeitsgebot dem Kartellverbot nachgelagert.
2. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des
Freistellungstatbestandes nach § 4 Abs. 2 GWB bejaht.
a) Die Freistellungsregelung des § 4 Abs. 2 GWB ist auf Gemeinden und
die von ihnen gebildeten Einkaufskartelle anwendbar. Zwar wird dies aus dem
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Wortlaut der Bestimmung nicht ohne weiteres deutlich, weil nach der gesetzlichen Überschrift "Mittelstandskartelle" geregelt werden sollen und es um die
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen
geht. Aus dem Regelungszusammenhang sowie dem Normzweck der Vorschrift
erschließt sich jedoch ihre Anwendbarkeit auch auf kommunale Einkaufskartelle. Wenn Gemeinden im Blick auf ihre wirtschaftliche Betätigung als Unternehmen im Sinne des § 1 GWB anzusehen sind, kommt auf der Privilegierungsebene des § 4 Abs. 2 GWB keine andere Auslegung des Unternehmensbegriffes in Betracht. Entgegen der Auffassung der Revision besteht hinsichtlich der
Beschaffung von Gütern zwischen den Kommunen - wie oben ausgeführt - ein
Wettbewerbsverhältnis. Insoweit wird die Nachfragetätigkeit der Kommunen
auch vom Normzweck des § 4 Abs. 2 GWB umfaßt (vgl. OLG Düsseldorf
WuW/E DE-R 150, 153 f.). Maßgebliches Ziel des Gesetzgebers war es, strukturelle Nachteile zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen gegenüber
Großunternehmen auszugleichen, die schon allein aufgrund ihrer Größe am
Markt privilegiert sind. Dieses strukturelle Defizit, das sich darin ausdrückt, daß
günstige Beschaffungskonditionen schwieriger zu erzielen sind, besteht aber im
Verhältnis von kleinen zu großen Gemeinden in gleicher Weise wie im Verhältnis von kleinen zu großen Wirtschaftsbetrieben (vgl. Bunte, WuW 1998, 1037,
1046). Eine Differenzierung zwischen privatrechtlich und öffentlich-rechtlich
strukturierten Unternehmen verbietet sich deshalb unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten.
b) Die über die Beklagte bewirkte Bündelung der Nachfrage dient dazu,
die Wettbewerbsfähigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V. mit Abs. 2 GWB zu
verbessern. Insoweit ist nach dem Schutzzweck dieser Vorschrift allein auf den
Nachfragemarkt abzustellen, weil sie strukturelle Defizite in der Nachfragemacht, die sich allein aufgrund der geringeren Größe ergeben, ausgleichen soll
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(vgl. OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 150, 153 f.). Durch eine Nachfragebündelung werden auf seiten der Kommunen bessere Einkaufsbedingungen erreicht.
Damit ist diese Voraussetzung erfüllt.
Dabei ist unerheblich, ob die Dienstleistungen der Beklagten bei der Beschaffung auch großen Kommunen offenstehen. Maßgeblich ist nämlich nicht
der Ausschluß großer Unternehmen bzw. Kommunen, sondern daß die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittlerer Kommunen hierdurch verbessert wird.
Dies läßt sich "erst recht" erreichen, wenn sich große Kommunen beteiligen,
weil von deren Nachfragepotential die kleinen und mittleren Gemeinden regelmäßig profitieren werden (Bunte, WuW 1998, 1037, 1046). Eine andere - und
hiervon zu trennende - Frage ist, ob durch die Beteiligung von großen Kommunen ebenso wie von Großunternehmen die Nachfragemacht in einem Maße
verstärkt wird, daß hierdurch der Wettbewerb wesentlich beeinträchtigt wird.
Diese (negative) Voraussetzung ist jedoch im Rahmen des Ausschlußtatbestandes des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GWB zu prüfen, der auch für Einkaufskooperationen nach § 4 Abs. 2 GWB gilt (vgl. Immenga in Immenga/Mestmäcker aaO § 4
Rdn. 71 f.).
c) Entgegen der Auffassung der Revision besteht auch kein über den
Einzelfall hinausgehender Bezugszwang für die Gemeinden. Die Gemeinden
verpflichten sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwar gegenüber der Beklagten, das ausgeschriebene und für die jeweilige Kommune erworbene Gerät abzunehmen, wenn sie dort ihren Bedarf zum Zwecke der Ausschreibung anmelden. Sie sind jedoch generell frei, sich überhaupt an den über
die Beklagte veranlaßten Ausschreibungen zu beteiligen. Insoweit können die
jeweiligen Gemeinden von Fall zu Fall entscheiden, ob sie die Beklagte mit der
Beschaffung beauftragen. Allein der Umstand, daß sich Gemeinden aus dem
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Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit möglicherweise gedrängt sehen könnten,
die Beklagte praktisch immer einzuschalten, begründet ebensowenig einen allgemeinen Beschaffungszwang über die Beklagte wie der Umstand, daß Alleingesellschafter der Beklagten ein kommunaler Spitzenverband ist. Die bloße
Möglichkeit zu einem häufig günstigeren Einkauf ist der Zweck sämtlicher Einkaufskooperationen und in diesem Institut regelmäßig angelegt. Diese wirtschaftliche Sogwirkung ist systemimmanent und wird vom Gesetz hingenommen. Einen generellen Bezugszwang begründet dieser regelmäßig für eine
Nachfragebündelung sprechende wirtschaftliche Vorteil nicht (vgl. die Begründung des RegE zur 5. GWB-Novelle - § 5c GWB a.F. - BT-Drs. 11/4610, S. 15).
Der Umstand, daß die Kommunen gesetzlich zu sparsamer Wirtschaftsführung
angehalten sind, ändert hieran nichts. Das Sparsamkeitsgebot verpflichtet sie
nicht unmittelbar zum Bezug über die Beklagte. Es kann allenfalls mittelbar die
einzelne Gemeinde veranlassen, über die Beklagte zu beziehen. Dies reicht
aber für die Annahme eines allgemeinen Bezugszwanges nicht aus. Zudem
bleiben Sachverhaltskonstellationen denkbar, in denen der Bezug über einen
lokalen Händler (etwa verbunden mit einem Service- und Wartungspaket) die
wirtschaftlich insgesamt günstigste Lösung darstellen kann. Darüber hinausgehende tatsächliche oder rechtliche Druckmittel, welche die einzelnen Gemeinden zu einer Beschaffung über die Beklagte nötigen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
d) Das Berufungsgericht hat zutreffend eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne des § 4 Abs. 2 i.V. mit Abs. 1 Nr. 1 GWB ausgeschlossen.
aa) Mit der Einfügung dieser einschränkenden Voraussetzung wollte der
Gesetzgeber die Erlangung einer allzu großen Marktstärke der Einkaufsge-
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meinschaften verhindern (vgl. Begründung aaO S. 16). Erreicht die Einkaufskooperation ihrerseits als Nachfrager auf dem Beschaffungsmarkt eine erhebliche
Stärke, ist dies für die dort herrschenden Wettbewerbsbedingungen im Ergebnis schädlich (so ausdrücklich nochmals die Begründung des RegE zur
6. GWB-Novelle BR-Drs. 852/97, S. 34). Eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsverhältnisse im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 GWB bedeutet daher nicht,
daß - wie die Revision meint - die Marktverhältnisse so fortbestehen müßten,
wie sie sich bislang ohne die Einkaufskooperation entwickelt hatten. Es kommt
weder auf die Erhaltung der bisherigen Strukturen noch darauf an, ob die Bildung einer solchen Einkaufskooperation das Beschaffungsverhalten von deren
Mitgliedern wesentlich verändert. Eine wesentliche Beeinträchtigung ist vielmehr nur dann gegeben, wenn die Einkaufskooperation selbst eine zu hohe
Nachfragemacht erreicht. Die Grenze der Zulässigkeit liegt dabei unterhalb der
Schwelle der Marktbeherrschung (vgl. Begründung, BT-Drs. 11/4610, S. 16).
Sie ist im Einzelfall aufgrund einer Gesamtabwägung von quantitativen und
qualitativen Kriterien zu bestimmen. Qualitativ spielen dabei Art und Intensität
der Wettbewerbsbeschränkung eine entscheidende Rolle (vgl. Immenga in Immenga/Mestmäcker aaO § 4 Rdn. 60). Quantitativ bildet der auf die Kooperative
entfallende Umsatzanteil im Vergleich zu dem am Markt insgesamt bestehenden Nachfragevolumen das insoweit maßgebende Entscheidungskriterium.
bb) Zur Prüfung einer Wettbewerbsbeeinträchtigung ist deshalb zunächst
die Bestimmung des relevanten Marktes erforderlich. Für die Abgrenzung des
relevanten Marktes kommt es auf die Sicht der Marktgegenseite (hier: der Anbieter der Feuerwehrartikel) an (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.1990 - KZR 25/89,
WuW/E
2683,
2685
- Zuckerrübenanlieferungsrecht;
Urt.
v.
23.2.1988
- KZR 17/86, WuW/E 2483, 2487 f. - Sonderungsverfahren). Maßgeblich ist also, wie sich die Nachfragebündelung auf diese auswirkt und über welche Aus-
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weichmöglichkeiten die Anbieter bzw. Lieferanten verfügen. Dies ergibt sich
schon aus dem Schutzzweck der Vorschrift, lediglich Größennachteile kleinerer
Unternehmen auszugleichen, ohne dadurch den Wettbewerb insgesamt zu beeinträchtigen. Diese potentiell negativen Auswirkungen, die hierdurch begrenzt
werden sollen, können sich nur auf die Marktgegenseite beziehen, weil nur diese durch eine Kartellierung der Nachfrage beeinträchtigt sein kann (vgl.
Immenga in Immenga/Mestmäcker aaO § 4 Rdn. 131 ff.).
Im vorliegenden Fall hat allerdings das Berufungsgericht eine Marktabgrenzung sowohl von der Angebots- als auch von der Nachfrageseite vorgenommen. Dies wirkt sich jedoch im Ergebnis nicht aus, weil das Berufungsgericht die Prüfung kumulativ durchgeführt und weder im Blick auf die Nachfragenoch auf die Angebotsseite eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs festgestellt hat.
cc) Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht eine wesentliche
Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf der Seite der Anbieter verneint hat, lassen jedenfalls keinen Rechtsfehler erkennen. Zutreffend hat das Berufungsgericht den Markt für Ausrüstungsgegenstände von Feuerwehrfahrzeugen als eigenständigen und nicht regional begrenzten Markt angesehen. Dies hat es zu
Recht daraus gefolgert, daß Anbieter bundesweit tätig sind und die Versorgung
von Ausrüstungsgegenständen für Feuerlöschzüge in Niedersachsen zu etwa
50 % durch ein in Süddeutschland ansässiges Unternehmen erfolgt. Weiterhin
sind noch zwei größere Unternehmen bundesweit tätig; im übrigen verkauft
auch die Klägerin zu 6 überregional vorwiegend in den süddeutschen Raum.
Weder regionale Eigentümlichkeiten noch höhere Transportkosten legen eine
räumliche Einschränkung nahe. Gerade die Existenz überregional tätiger
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Händler zeigt, daß die Marktgegebenheiten eine entsprechende räumliche Begrenzung nicht erfordern.
Soweit die Revision auf die vor allem im niedersächsischen Raum regional tätigen kleineren Händler abhebt, vermag sie nicht zu belegen, daß deren
begrenztes Einzugsgebiet mit den Besonderheiten des Marktes in Zusammenhang steht. Die Existenz etlicher kleiner Händler zwingt nicht dazu, die Marktabgrenzung ausschließlich an deren jetzigen, auf die Erhaltung des status quo
gerichteten Bedürfnissen vorzunehmen. Vielmehr ist auch hier zu prüfen, ob
diese Händler räumlich weiter entfernte Nachfragekreise bedienen können und
ihnen das auch wirtschaftlich zumutbar ist. Eine Ausweitung des räumlichen
Bezirks, innerhalb dessen Absatzbemühungen stattfinden, wird auch kleineren
Händlern ohne größeren Aufwand möglich sein, zumal das Feuerlöschzubehör
häufig im Wege von allgemeinen Ausschreibungen nachgefragt wird. Deshalb
wird sich die Notwendigkeit einer Kundenpflege, die über große Distanzen
durch kleinere Händler ohne Zweigstellen nur schwierig zu bewerkstelligen wäre, hier in geringerem Umfang ergeben. Eine räumliche Ausdehnung der Angebotspraxis läßt sich ohne erhebliche betriebliche Umstrukturierung erreichen.
Der Einwand der Revision, die Gewohnheiten der Nachfrager seien
durch starke traditionelle Bindungen bestimmt und erschwerten so wesentlich
das Ausweichen auf andere Nachfrager, überzeugt nicht. Die übrigens nicht nur
in Niedersachsen, sondern im gesamten Bundesgebiet im Vordringen befindliche Tendenz zur Bündelung der Nachfrage und die damit verbundene wesentliche Erweiterung von europaweiten Ausschreibungen bedingen insgesamt eine
Objektivierung des Wettbewerbs. Durch die Notwendigkeit, das wirtschaftlich
günstigste Angebot abgeben zu müssen, werden sich - bislang ohne Ausschreibung bestehende - traditionelle Absatzbeziehungen einem Preiswettbe-
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werb stellen müssen. Eine insgesamt durch eine zunehmende Anzahl von Ausschreibungen geprägte Entwicklung des bundesweiten Markts für Ausrüstungsgegenstände von Feuerlöschfahrzeugen mag zwar für kleinere Händler die Absatzchancen im Hinblick auf ihre angestammten kommunalen Abnehmer beeinträchtigen. Eine solche Entwicklung erhöht jedoch auch die Möglichkeit kleinerer Händler, neue Abnehmer zu gewinnen. Sie eröffnet ihnen gleichzeitig die
Chance, bei den regelmäßig umfangreichen Ausschreibungen im Falle eines
Zuschlages dann höhere Umsätze zu erzielen.
Der Schutzzweck des Kartellgesetzes gebietet es nicht, solchen häufig
ohne Ausschreibung begründeten Lieferverhältnissen quasi Bestandsschutz
zuzugestehen. Dies wäre aber die Folge einer - von der Revision erstrebten sich auf traditionelle Bindungen stützenden Marktabgrenzung. Eine solche Abgrenzung entspricht nicht den gegebenen Marktstrukturen. Vielmehr ist es den
kleineren Händlern jedenfalls möglich und zumutbar, ihre Vertriebskonzepte
den dann veränderten Marktverhältnissen anzupassen und ihre Absatzaktivitäten auch auf potentielle Abnehmer auszudehnen, die in größerer räumlicher
Entfernung angesiedelt sind.
dd) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Marktabgrenzung in sachlicher Hinsicht ist gleichfalls nicht zu beanstanden. Die hier von der Revision
angestrebte Einbeziehung von Beratungs-, Service- und Reparaturleistungen
hat das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß abgelehnt. Danach sind keine
Gesichtspunkte ersichtlich, die eine zwingende Verbindung zwischen diesen
Serviceleistungen einerseits und dem Verkauf der Ausrüstungsgegenstände
andererseits herstellen könnten. Nach den getroffenen Feststellungen sind diese Produkte weder so beschaffen, daß die Wartungsarbeiten nur von speziell
geschultem Personal hochspezialisierter Betriebe auszuführen wären noch daß
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wegen der Art der Aufgabe eine besondere Form der Ersatzteilvorratshaltung
erforderlich wäre, die nur durch in der Nähe ansässige lokale Unternehmen erbracht werden könnte. Wenn die Revision beanstandet, das Berufungsgericht
habe nicht berücksichtigt, daß bei einer solchen Beschränkung des Marktes für
die kleineren Händler nur noch Kleinteile übrig blieben und das Wegbrechen
des Handels mit Ausrüstungsgegenständen zu einer Existenzbedrohung dieser
Händler führen würde, dann zeigt dieser Gesichtspunkt nicht ohne weiteres eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf. Maßgeblich ist nämlich
auch insoweit die Möglichkeit des Ausweichens auf andere Nachfrager und
auch die räumliche Ausdehnung der Verkaufsanstrengungen, um möglicherweise neue Kunden zu erreichen. Hierzu hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der betreffende Markt es ohne weiteres erlaubt, den
Vertriebskreis auszuweiten und so Umsatzeinbrüche im lokalen Geschäft zu
kompensieren. Wenn die kleineren Händler dies bislang unterlassen haben,
dann beruht die lokale Beschränkung ihrer Betätigung auf ihrer eigenen unternehmerischen Entscheidung. Solche unternehmensstrategischen Gesichtspunkte, die sich nicht notwendig aus den Bedingungen des Marktes ergeben,
sind aber für die Bestimmung des relevanten Marktes ohne Belang (vgl. BGH,
Urt. v. 19.1.1993 - KZR 1/92, WuW/E 2855, 2857 - Flaschenkästen).
ee) Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage der von ihm zutreffend
vorgenommenen Marktabgrenzung das Merkmal der "nicht wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs" ohne Rechtsfehler bejaht. Es hat die auf die
gebündelte Nachfrage entfallenden Umsatzanteile rechtsfehlerfrei bestimmt.
Bezogen auf den gesamten Bedarf in Deutschland hat es zunächst die auf Niedersachsen entfallende Quote für die von den Kommunen getragenen Freiwilligen Feuerwehren errechnet und dabei einen Umsatzanteil von 13,06 % bezüglich des Artikels "Tragkraftspritze" und von 10,3 % bezüglich des Artikels
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"Preßluftatmer" festgestellt. Soweit der von den Klägerinnen geltend gemachte
Unterlassungsanspruch noch andere Ausrüstungsgegenstände für Feuerwehren erfassen soll, lassen sich auch insoweit keine höheren Quoten feststellen.
Das Berufungsgericht ist weiterhin lebensnah davon ausgegangen, daß
höchstens 75 % des gesamten Beschaffungsbedarfs der Kommunen über die
Beklagte geleitet wird. Schon bei Zugrundelegung dieser Zahlen ergibt sich,
daß die betroffenen Umsatzanteile unter 10 % liegen. Zusätzlich muß aber noch
der Bedarf berücksichtigt werden, der bei betrieblichen Feuerwehren, Berufsfeuerwehren, Flughafenfeuerwehren und sonstigen privaten Feuerwehren entsteht. Die Hinzurechnung dieses auf dieselben Waren gerichteten Nachfragepotentials würde nochmals zu einer niedrigeren Quote führen. Jedenfalls auf
diesen Märkten ist damit die Grenze der "nicht wesentlichen Beeinträchtigung"
nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GWB nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht erreicht. Die Revision zeigt keine Gesichtspunkte auf, die
eine andere Bewertung rechtfertigen könnten.
In Anbetracht dieser Zahlenverhältnisse kann - entgegen der Auffassung
der Revision - dahinstehen, ob die Nachfragebündelung im Ergebnis dazu führt,
daß die Hersteller sich unmittelbar an den Ausschreibungen beteiligen. Selbst
wenn auf diese Weise in dem festgestellten Umfang die Handelsebene insgesamt ausgeschaltet würde, wäre aufgrund der Größenordnungen des Nachfragepotentials dieser Umstand nicht geeignet, eine erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung zu begründen.
3. Eine Verletzung von § 1 UWG ist gleichfalls nicht ersichtlich. Ungeachtet dessen, daß die Klägerinnen zu den spezifisch wettbewerbsrechtlichen
Ansprüchen in den Tatsacheninstanzen bislang nicht vorgetragen haben,
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scheidet ein Verstoß gegen die Generalklausel des § 1 UWG deshalb aus, weil
die Vorgehensweise der Beklagten jedenfalls nicht sittenwidrig im Sinne dieser
Bestimmung ist. Entgegen der Auffassung der Revision liegt auch kein Verstoß
gegen die landesrechtliche Vorschrift des § 108 NGO vor, die gegenüber den
Gemeinden die Befugnis zur Errichtung eigener wirtschaftlicher Unternehmen
begrenzt. Damit soll aber nur eine erwerbswirtschaftliche Betätigung der Gemeinden unterbunden werden. Die bloße Beschaffungstätigkeit der Gemeinden
- auch wenn sie über eine ausgegliederte Person des Privatrechts erfolgt - erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Im übrigen führt allein der Verstoß gegen
eine entsprechende öffentlich-rechtliche Vorschrift nicht zu einem Anspruch
anderer Marktteilnehmer nach § 1 UWG (vgl. BGHZ 150, 343 ff. - Elektroarbeiten).
Hirsch
Goette
Bornkamm
Ball
Raum